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Lady Christiana ist in einer unglücklichen Ehe gefangen. Der vorzeitige Tod ihres Mannes Dickie ist für sie deshalb eher eine Erleichterung. Doch dann taucht der Totgeglaubte scheinbar wieder auf und verhält sich ganz anders, als sie es von ihm gewohnt war. Es stellt sich heraus, dass Dickie einen Zwilling hat, und der ist ungleich charmanter als sein unausstehlicher Bruder je war ...
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Seitenzahl: 490
LYNSAY SANDS
Roman
Ins Deutsche übertragen
von Susanne Gerold
Als Lady Christiana ihren Mann Dicky, den Earl von Radnor, tot in seinem Sessel auffindet, hält sich ihre Trauer in Grenzen. In dem einen Jahr ihrer Ehe hat er ihr das Leben zur Hölle gemacht und Christianas Vater zum Glücksspiel verleitet, sodass ihre Schwestern nun vor dem Ruin stehen. Christiana muss die beiden so schnell wie möglich unter die Haube bringen. Es gilt, keine Zeit zu verlieren, denn die Ballsaison ist in vollem Gange – und als »trauernde« Witwe wäre es Christiana unmöglich, die wichtigen gesellschaftlichen Anlässe zu besuchen. So packen die drei den Verstorbenen kurzerhand auf Eis und brechen zu einem Ball in der Nachbarschaft auf. Doch Christiana fällt aus allen Wolken, als ihr dort unglaublicherweise Dicky über den Weg läuft! Liebenswürdiger als er es während ihrer Ehe jemals war, entpuppt sich Lord Radnor als Dickys verschollener Zwilling Richard, dem von seinem Bruder ebenso übel mitgespielt wurde wie Christiana. Diese ist entzückt von ihrem »wiederauferstandenen« Ehemann, der ungekannte Empfindungen in ihr weckt. Christiana hätte nichts dagegen, Dicky einfach verschwinden zu lassen, damit Richard seinen Platz einnehmen kann. Doch so leicht wird man eine Leiche nicht los, und da ist immer noch die Frage, wie Dicky eigentlich zu Tode kam …
»Mylady?«
Christiana lag zusammengerollt unter ihren Decken und rührte sich nicht. Sie öffnete lediglich ein Auge, um die ältere Frau anzublinzeln, die sich über sie beugte. Es war Grace, ihre Zofe. »Hm?«
»Ihre Schwestern sind da.« Diese vier Worte und die Dringlichkeit, mit der sie ausgesprochen wurden, veranlassten sie, auch das andere Auge zu öffnen.
»Was? Meine Schwestern sind in London?« Christiana drehte sich um, stieß Decken und Laken von sich und setzte sich auf. »Um diese Uhrzeit? Es muss etwas passiert sein, wenn sie mich so früh sprechen wollen.«
»Das dachte ich auch, als ich gesehen habe, wie sie aus ihrer Kutsche gestiegen sind«, stimmte Grace zu, während Christiana aufstand. »Deshalb bin ich gleich zu Ihnen gekommen. Wenn Sie sich beeilen, können Sie unten sein, bevor es Ihrem Gemahl gelingt, sie wegzuschicken.«
»Dicky würde sie nicht wegschicken«, sagte Christiana überrascht. Dann schob sie zweifelnd nach: »Oder vielleicht doch?«
»Er hat schon öfter jemanden weggeschickt.«
»Wen?« Das Nachthemd, das die Zofe ihr über den Kopf zog, dämpfte ihr Entsetzen und ihre Überraschung.
»Lady Beckett, Lady Gower, Lord Olivett und … zweimal Lord Langley.« Grace wandte sich ab und tauschte das Nachthemd gegen ein hellblaues Kleid aus, das zu Christianas Augen passte. Während sie ihr half, es anzuziehen, fügte sie hinzu: »Und ich kann Ihnen versichern, dass Lord Langley, der schon beim ersten Mal ganz und gar nicht erfreut war, beim zweiten Mal richtig außer sich vor Wut geriet.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Christiana mit einem Seufzer, während das Kleid über ihren Körper glitt. Langleys Anwesen grenzte an Madison Manor – an ihr Zuhause, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte. Robert, der einzige Sohn und Erbe der Langleys, war mit ihr und ihren Schwestern groß geworden. Er gehörte praktisch zur Familie, war der große Bruder, den sie nie gehabt hatte. Es war nicht verwunderlich, dass es ihm nicht gefiel, wie ein unerwünschter Besucher weggeschickt zu werden. »Wieso hast du mir nichts davon gesagt?«
Grace griff nach einer Bürste und fing an, gleichmäßig durch Christianas Haare zu fahren. »Was hätte es genützt?«, fragte sie dann.
»Nichts«, gab Christiana unglücklich zu.
Ihr Gemahl hatte jedes Recht der Welt, wegzuschicken, wen auch immer er wegschicken wollte; er allein bestimmte darüber, wer das Haus betreten durfte und wer nicht. Wohingegen sie selbst in dieser Ehe überhaupt keine Rechte hatte – das hatte sie inzwischen begriffen. Sie seufzte und zog eine Grimasse, als Grace kräftig an ihren Haaren zerrte und sie zu dem festen, matronenhaften Dutt zusammenband, den Christiana seit ihrer Vermählung trug – eine Frisur, die sie verabscheute. Nicht, weil sie damit hässlich ausgesehen hätte – das war nicht einmal der Fall –, sondern weil sie Kopfschmerzen davon bekam, dass ihre Haare den ganzen Tag so straff zurückgebunden waren. Aber Dicky bestand darauf – mit der Begründung, dass ihre widerspenstige Natur auf diese Weise ein bisschen kultiviert würde.
»Was könnte meine Schwestern veranlasst haben herzukommen?«, fragte Christiana besorgt.
»Ich weiß es nicht, aber es muss wichtig sein. Sie haben keine Nachricht geschickt, dass sie in der Stadt sein werden«, stellte Grace klar, ehe sie einen Schritt zurücktrat. »So. Die Haare sind fertig.«
Christiana hatte kaum Zeit, ihre Hausschuhe anzuziehen, bevor Grace ihren Arm nahm und sie zum Gehen drängte. »Kommen Sie, wir müssen uns beeilen. Inzwischen wird Haversham Lord Radnor gefunden und hergeholt haben. Hoffen wir, dass wir schnell genug sind und Ihr Gemahl sie noch nicht weggeschickt hat.«
Christiana brummte zustimmend. Sie war vollauf damit beschäftigt, von einem Fuß auf den anderen zu hüpfen und zu versuchen, ihre Schuhe anzuziehen, ohne stehenzubleiben, während die Zofe sie zur Tür schob. Als sie den oberen Flur entlanghastete, konnte sie vom Eingang die hellen, besorgten Stimmen von Lisa und Suzette heraufdringen hören. Sie runzelte die Stirn. Es war ausgesprochen unhöflich, ihre Schwestern im Eingangsbereich warten zu lassen, statt sie in den Salon zu führen. Allerdings konnte sie Haversham deswegen keinen Vorwurf machen; der Butler führte nur die Befehle aus, die er von Dicky bezüglich des Umgangs mit Gästen erhalten hatte.
Als Nächstes erklang Dickys durchdringende Stimme, die verkündete: »Ich fürchte, meine Gemahlin schläft noch. Ihr hättet wirklich einen Boten mit einer Nachricht schicken sollen, dass ihr euch mit ihr treffen wollt. Dann hätte ich einen angemessenen Zeitpunkt für einen solchen Besuch nennen können. Nach dem momentanen Stand der Dinge müsst ihr jetzt wohl ins Stadthaus eures Vaters zurückkehren und diese Nachricht schreiben.«
»Können wir nicht einfach hochgehen und mit ihr sprechen, Dicky? Wir sind schließlich ihre Schwestern, und es ist wirklich wichtig.« Suzettes Stimme war eine Mischung aus Verzweiflung, Wut und etwas, das Schock sein mochte. Die Wut richtete sich zweifellos gegen Dickys hochtrabende Worte. Wahrscheinlich galt ihnen auch der Schock, dachte Christiana; sie wusste, dass sich der Mann, dem ihre Schwestern jetzt gegenüberstanden, gewaltig von dem unterschied, den sie bis zur Hochzeit erlebt hatten. Christiana hegte keinerlei Zweifel daran, dass sie über die Veränderung genauso verwirrt und verblüfft waren, wie sie es selbst in den ersten sechs Monaten ihrer Ehe gewesen war. Was ihr Sorgen bereitete, war allerdings die Verzweiflung, die ebenfalls mitgeschwungen hatte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
»Schon gut, Gemahl. Ich bin wach«, rief Christiana, als sie die Treppe erreichte und die Stufen hinunterzugehen begann.
Dicky drehte sich um und blinzelte zu ihr hoch. Christiana konnte nicht erkennen, ob seine Wut den Worten ihrer Schwestern galt oder ihren eigenen. Dicky legte Wert darauf, dass man ihm gehorchte, und zwar unverzüglich; er würde Suzettes Beharrlichkeit ganz sicher nicht gutheißen. Allerdings wäre er auch alles andere als glücklich darüber, dass sie aufgetaucht war, bevor er Suzette und Lisa hatte wegschicken können, wie er es offenbar bereits mit anderen Besuchern getan hatte.
Christiana zwang sich zu einem beruhigenden Lächeln, während sie die letzten Stufen hinter sich brachte und zu ihm trat. Ihr Gemahl hatte ein ziemlich aufbrausendes Naturell und konnte gemeine Dinge sagen, wenn man ihn wütend machte. Sie selbst musste mit seinen Beleidigungen und Vorwürfen leben, aber es war nicht recht, dass ihre Schwestern gezwungen waren, seinen Zorn zu ertragen, der ihnen noch dazu entsetzliche Angst machte. Dabei war es weniger die Wut selbst, die Christiana so verstörte, sondern vielmehr ihr enormes Ausmaß. Dicky war ständig in einen dunklen Umhang aus Zorn gehüllt. Wenn er provoziert wurde, rötete sich sein Gesicht und verzerrte sich zu einer angespannten, grausamen Maske, und er fauchte und knurrte mit so viel Bösartigkeit, dass ihm die Speichelfäden förmlich von den Lippen flogen und sich – wie bei einem tollwütigen Hund – in den Mundwinkeln sammelten. Die Gefühle in seinem Innern ließen ihn darüber hinaus zittern, als könnte er sich kaum noch beherrschen und müsste jeden Moment explodieren. Einer solchen Explosion wollte Christiana unbedingt aus dem Weg gehen. Dicky war sehr kräftig, und sie wollte nie die Trümmer sehen müssen, die er bei einem unkontrollierten Wutausbruch zurücklassen würde.
»Guten Morgen, Dicky«, hauchte Christiana nervös, als sie zu ihm trat. Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf die kalte, harte Wange, als wäre alles in Ordnung und sie würde nicht gerade gegen den starken Drang ankämpfen, vor der brodelnden Wut davonzulaufen, die sie in ihm aufwallen spürte.
Dicky ging mit keiner Silbe auf ihre Begrüßung ein, sondern fauchte: »Ich hatte deinen Schwestern gerade erklärt, dass es ziemlich unhöflich ist, so früh am Morgen unangemeldet hier aufzutauchen.«
»Nun, ja, wir gestehen doch aber Familienmitgliedern ein kleines bisschen mehr Spielraum zu, oder?«, fragte Christiana und zuckte zusammen, als sie merkte, wie flehentlich es sogar in ihren eigenen Ohren klang. Es war unmöglich zu überhören, dass sie ihn anbettelte, keine Szene zu machen, und an den Mienen ihrer Schwestern konnte sie nur zu gut erkennen, dass sie dies sehr wohl bemerkten – was genauso demütigend war. Noch demütigender war allerdings, dass sich Dicky entschied, ihre Bitte einfach zu überhören.
»Meine Familie würde nie uneingeladen und ohne Voranmeldung hier auftauchen«, fauchte er und lächelte ihre Schwestern verächtlich an, als wäre ihr Verhalten unter aller Kritik.
»Natürlich würde deine Familie das nicht tun. Sie sind ja alle tot«, versetzte Suzette, und Christiana starrte sie sofort alarmiert an. Dann schoss ihr Blick besorgt wieder zu Dicky, der die Luft zwischen den Zähnen einsog und sich aufplusterte.
Sie erkannte die Zeichen einer drohenden Explosion und nahm rasch seinen Arm, während sie versuchte, ihn wegzuziehen: »Wieso gehst du nicht und widmest dich deinem Frühstück, während ich mich um meine Schwestern kümmere?«
Dicky rührte sich nicht. Er stand da wie angewurzelt, ignorierte ihr Ziehen und starrte Suzette finster an, die trotzig zurückblickte.
Christiana schloss kurz die Augen und kämpfte gegen den Drang an, dem dummen Mädchen eine Ohrfeige zu geben. Oh ja, Suzette war ziemlich mutig, aber sie hatte in diesem Kampf auch wenig zu verlieren. Dicky konnte sie weder schlagen noch sonst wie bestrafen. Er würde seine Wut über Suzettes Mut an ihr auslassen … und zwar wahrscheinlich auf unterschiedliche Weise. Es würde ihm nicht reichen, ihr wegen ihrer ungebärdigen und ungehobelten Familie eine halbe Stunde lang Vorhaltungen zu machen, sie zu beschimpfen und anzuschreien. Höchstwahrscheinlich würde er außerdem behaupten, dass Suzette einen schlechten Einfluss auf sie ausübte, und ihr verbieten, sie wiederzusehen. Danach würde er weitere Bestrafungen folgen lassen – zum Beispiel würde er dafür sorgen, dass es nur noch etwas zu essen gab, das sie nicht mochte. Oder er würde sie aus dem einen oder anderen Grund frühmorgens wecken und dann entweder darauf bestehen, dass sie sich abends frühzeitig zurückzog, wenn sie es sich gerade mit einem guten Buch gemütlich gemacht hatte, oder verlangen, dass sie lange aufblieb, auch wenn sie erschöpft war.
Obwohl Dicky sie in der letzten Zeit etwas in Ruhe gelassen hatte, würde er ihr vermutlich in den nächsten Tagen seine Gesellschaft aufzwingen und sich in Schimpftiraden über alles und jeden in London ergehen, die sie ganz sicher entmutigen und niederdrücken würden. Danach würde er darauf bestehen, dass sie mit ihm das Haus verließ, um ihm bei dem einen oder anderen Einkauf zu helfen, nur um zu verkünden, wie miserabel ihre Wahl war und als Beweis ihres schlechten Geschmacks etwas ganz anderes zu nehmen. Für sich betrachtet waren das alles geringfügige Bestrafungen, aber wenn sie zusammenkamen und länger andauerten, würde sie an einem solchen Leben voller kleiner Quälereien immer mehr verzweifeln.
Und zu allem Überfluss würde Dicky alles an ihr kritisieren – wie sie aussah, was sie trug, wie sie sprach, wie sie sich benahm, wie naiv sie war, was für Freunde sie hatte oder dass sie keine hatte. Ein steter Strom von Missbilligung, der ihr langsam, aber sicher auch das letzte bisschen Selbstwertgefühl nahm, bis sie sich nur noch danach sehnte, all dem im Schlaf zu entkommen. Eine andere Rettung gab es für sie nicht. Selbstmord kam nicht infrage, ebenso wenig wie eine Scheidung.
»Wo ist euer Vater?«, bellte Dicky plötzlich und lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die aktuelle Angelegenheit. »Was ist das für ein Mann, der zulässt, dass sich zwei junge, unverheiratete Frauen ohne seine Begleitung in der Stadt herumtreiben?«
»Sie treiben sich wohl kaum in der Stadt herum, wenn sie uns besuchen«, wandte Christiana rasch ein, um zu verhindern, dass Suzette etwas sagte. »Bitte, Gemahl, dein Frühstück wird kalt. Wieso gehst du nicht …«
»Unser Frühstück«, berichtigte Dicky sie scharf und lächelte dann auf eine Weise, die sie innerlich aufseufzen ließ. Er hatte eine Möglichkeit gefunden, wie er sie bestrafen konnte. »Aber du hast recht. Es wird wirklich kalt, während wir unsere Zeit mit ungeladenen Gästen verschwenden.«
Unversehens packte er Christianas Hand und zerrte sie durch die Eingangshalle. »Führe die Schwestern meiner Frau in den Salon, Haversham. Wir werden uns ihnen später widmen, wenn wir das Frühstück eingenommen haben, für das die Köchin so hart gearbeitet hat.«
Christiana warf ihren Schwestern einen Blick zu, halb entschuldigend und halb warnend, dann stand sie schon im Frühstückszimmer, und Dicky schlug die Tür hinter ihnen zu.
»Dein Vater sollte sich schämen, dass er drei derartig widerspenstige Kreaturen aufgezogen hat«, fauchte er, während er sie zur Anrichte mit den Speisen führte. »Ein kleines bisschen Disziplin hätte irgendwann nach langer Zeit bessere Frauen aus euch allen machen können. Aber er hatte wohl selbst keine Disziplin, wie?«
Christiana schwieg. Sie nahm einfach nur einen Teller und fing an, ihn mit Speisen zu befüllen. Sie hatte schon vor langer Zeit die Erfahrung gemacht, dass seine Schimpftiraden nur noch schlimmer und länger wurden, wenn sie versuchte, mit ihm zu diskutieren. Also nahm sie sich ein Stück Toast und etwas Obst und wollte sich schon umdrehen.
»Du isst etwas Vernünftiges«, fauchte Dicky und hielt sie fest. »Gib mir deinen Teller.«
Als er ihr das China-Porzellan aus der Hand riss, biss sich Christiana auf die Zunge. Es gelang ihr gerade noch, einen aufsteigenden Seufzer zu unterdrücken, während Dicky Bohnen und Räucherfisch auf ihren Teller häufte. Sie hasste beides, Bohnen wie Räucherfisch, und das wusste er. Es schien, als hätte er bereits mit der Bestrafung begonnen.
»Da. Jetzt kannst du dich hinsetzen.«
Als sie einen Blick auf den Teller warf, den Dicky ihr unter die Nase hielt, sah sie, dass er auch noch Rührei auf die Bohnen und den Fisch gepackt hatte. Sie aß lieber gekochte Eier, nahm den Teller aber wortlos und ging zum Tisch. Dennoch wünschte sie sich ganze Zeit, dass sie den Mut hätte, ihm den Teller mitsamt Essen einfach ins Gesicht zu werfen. Unglückseligerweise tat sie nie etwas so Kühnes. Vielleicht hätte sie es getan, hätte er es gewagt, sie so zu behandeln, bevor sie geheiratet hatten, aber damals war er durch und durch charmant gewesen und hatte ihr stets Komplimente gemacht. Dieses andere Verhalten hatte erst nach der Hochzeit angefangen, und Christiana war über die plötzliche Verwandlung so verblüfft gewesen, dass sie zu langsam reagiert hatte. Sie hatte sich so benommen gefühlt, als hätte ihr jemand einen Schlag auf den Kopf versetzt. Als sie schließlich über den Schreck hinweg war und anfing, für sich einzutreten, war es zu spät gewesen; die Kritik und die Misshandlungen wirkten bereits, und statt mit ihm zu streiten, hatte sie sich dabei ertappt, wie sie sich fragte, ob das Kleid, das er kritisierte, vielleicht wirklich etwas zu tief ausgeschnitten war oder der Farbton vielleicht wirklich nicht zu ihrer Haarfarbe passte. Ihr Selbstbewusstsein war erschüttert, und je mehr Zeit vergangen war, desto schlimmer war es geworden. Inzwischen dachte sie gar nicht mehr darüber nach, dass er sich vielleicht irren könnte, sondern war nur noch bestrebt, ihn zu beruhigen und zufriedenzustellen, seine Wut zu lindern und es ihm recht zu machen, sofern das möglich war. Irgendwann war sie zu einer Sklavin geworden, die weniger Rechte besaß als die Bediensteten, die für ihn arbeiteten.
»Du isst ja gar nichts«, sagte Dicky, als er sich zu ihr an den Tisch setzte.
Christiana räusperte sich. »Ich bin nicht sehr hungrig.«
»Das ist mir egal. Du bist zu dünn. Iss«, sagte Dicky mit fester Stimme und fügte hinzu: »Deine Ernährung ist furchtbar. Du isst nicht genug Fleisch. Iss die Bohnen und den Fisch.«
Christiana neigte den Kopf und begann zu essen, wobei sie sich alle Mühe gab, nicht zu schmecken, was sie in den Mund beförderte. Das allerdings war unmöglich, und so war sie mehr als froh, als sie den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte und aufstehen konnte.
»Was tust du da?«
Christiana verharrte mitten in der Bewegung; ihr Blick schoss zu ihrem Gemahl. »Ich bin fertig, Dicky. Ich dachte, ich könnte jetzt zu meinen Schwestern gehen, um –«
»Aber ich bin noch nicht fertig.« Als er Christianas verwirrten Gesichtsausdruck sah, fauchte er: »Ist es zu viel verlangt, dass meine Frau mir beim Frühstück Gesellschaft leistet?«
Zögernd setzte sie sich wieder hin, aber in ihrem Innern erwachten Groll und Wut. Sie frühstückten nie zusammen. Vom ersten Morgen ihrer Ehe an hatte er es sich zur Angewohnheit gemacht, entweder früh aufzustehen, zu frühstücken und das Haus zu verlassen, noch bevor sie sich auch nur gerührt hatte, oder länger als sie zu schlafen und das Frühstück allein in seinem Zimmer einzunehmen. Zuerst hatte sich Christiana deshalb Sorgen gemacht, da sie dachte, ein Ehepaar sollte gemeinsam frühstücken, aber nach einer Weile war sie froh über diese Erholungspausen gewesen. Jetzt war sie einfach nur wütend auf Dicky, denn sie wusste, dass er nur deshalb nach ihrer Gesellschaft verlangte, weil es eine Möglichkeit war, ihre Schwestern noch länger warten zu lassen.
Dicky ließ sich Zeit, sein Frühstück zu beenden, aber schließlich schob er den Teller weg und stand auf. Er bestand darauf, sie zum Salon zu begleiten, und tat das in einem Tempo, in dem jede Schnecke ihn hätte überholen können. Als er endlich die Tür zum Salon öffnete, biss Christiana die Zähne zusammen.
»Chrissy!« Als Christiana eintrat, sprang Suzette vor Erleichterung auf, hielt aber unvermittelt inne, als Dicky ihr folgte. Dann sah sie mit offensichtlicher Frustration zu, wie er Christiana mit unglaublich langsamen Bewegungen zu einem Sessel führte und ihr half, sich hinzusetzen.
»Nun?« Dicky wölbte eine Braue, während er sich auf die Armlehne setzte; er überragte Christiana dabei deutlich und wirkte in dieser Haltung wie ein Raubvogel, der kurz davor war, sich auf etwas hinabzustürzen. Dann sah er ihre Schwestern mit einem Blick an, als wären sie ungezogene Kinder. »Was ist denn nun so wichtig, dass ihr zu dieser unheiligen Stunde hier aufkreuzen musstet?«
Suzettes Blick wanderte zu Christiana und dann zu Lisa, bevor sie sich zu einem kühlen Lächeln zwang und auf liebliche Weise log: »Gar nichts. Wir haben Chrissy nur schrecklich vermisst. Es ist mehr als ein Jahr her, seit ihr geheiratet habt, und obwohl du es versprochenhattest, hast du sie uns noch immer nicht zu Besuch gebracht.«
Christiana konnte spüren, wie sich Dicky versteifte, und seufzte innerlich. Noch etwas, für das sie später bestraft werden würde.
»Ich bin ein Graf, Mädchen, ein wichtiger Mann, und viel zu beschäftigt, um meine Zeit damit zu verschwenden, mich auf dem Land herumzutreiben, während hier Arbeit auf mich wartet«, sagte Dicky steif.
»Ah, nun, jetzt sehen wir uns ja«, murmelte Christiana, um ihre Schwester daran zu hindern, etwas anderes zu sagen. »Und ich bin sehr glücklich, euch zu sehen. Ihr müsst mir alles erzählen, was passiert ist, seit ich von zu Hause weggefahren bin.«
Zu ihrer großen Erleichterung verstand Suzette den Hinweis und fing sofort an, eine Geschichte nach der anderen über das Leben auf dem Landgut zu erzählen. Sie schien es regelrecht zu genießen, und ihre Augen blitzten schelmisch, als sie wiedergab, wer geheiratet hatte und wer nicht, und auf jedes Fitzelchen Klatsch aufmerksam machte, das sie gehört hatte, ganz egal, wie banal es auch sein mochte. Was Lisa anging, saß sie still daneben und betrachtete den immer ungeduldiger werdenden Dicky wachsam und besorgt, während Suzette weiterquasselte. Es war für alle eine Erleichterung, als er plötzlich aufstand und verkündete: »Ich werde euch Damen jetzt eurer Plauderei überlassen. Ich habe wichtigere Dinge zu erledigen, um die ich mich kümmern muss.«
Mit dieser gewichtigen Bemerkung verließ er sie, und zwar mit sehr viel rascheren Bewegungen, als er Christiana beim Eintreten zugestanden hatte.
»Gott sei Dank«, stöhnte Suzette, als sich die Tür hinter ihm schloss. Sofort fiel die Fassade der Fröhlichkeit und Sorglosigkeit von ihr ab. Wut zeichnete jetzt ihr Gesicht, als sie sich nach vorn beugte und fragte: »Was zum Teufel geht hier vor, Chrissy? Behandelt er dich immer so? Mein Gott, als er um dich geworben hat, war er überhaupt nicht so. Er –«
»Still«, zischte Christiana. Sie stand hastig auf, ging zur Tür und bückte sich, um durch das Schlüsselloch spähen zu können. Als sie sah, dass niemand in der Eingangshalle war, atmete sie erleichtert aus und kehrte zu ihren Schwestern zurück.
»Wie schlimm ist deine Ehe?«, fragte Suzette ruhig, während sich Christiana zwischen ihren Schwestern auf dem Sofa niederließ. »Du wirkst müde und mitgenommen. Er behandelt dich nicht gut, oder?«
»Das ist unwichtig«, sagte Christiana. Es gab nicht viele Möglichkeiten, ihre Situation zu verändern, und darüber zu sprechen würde nur dazu führen, dass ihr Elend ans Tageslicht kam. Es war leichter, wenn sie gar nicht erst darüber nachdachte. »Was ist los? Wieso seid ihr hier?«
Suzette und Lisa wechselten einen Blick, dann meldete sich Lisa zum ersten Mal zu Wort: »Vater hat wieder gespielt.«
»Was?« Christiana schnappte bestürzt nach Luft. »Aber er hat doch versprochen, es nie wieder zu tun, nachdem Dicky seine letzten Spielschulden bezahlt hat.«
So war sie in dieser Ehe gelandet. In einer einzigen denkwürdigen Nacht hatte ihr Vater die ganze Familie in Schwierigkeiten gebracht, weil er viel getrunken und noch mehr gespielt hatte. Zwar hatte er versucht, seine Schulden mit dem Verkauf von Familienerbstücken zu begleichen, aber das Geld, das er auf diese Weise zusammengekratzt hatte, hatte nicht gereicht. Als die Gläubiger schließlich an seine Tür geklopft hatten, hatte er keine Ahnung gehabt, wie er den Rest bezahlen sollte. Und dann war das Glück in Gestalt von Dicky erschienen. Er war nach Madison Manor gekommen, weil er um Christianas Hand anhalten wollte, und als er gehört hatte, in welcher Not sich ihr Vater befand, hatte er ihm angeboten, im Gegenzug die restlichen Schulden zu begleichen.
Man musste ihrem Vater zugutehalten, dass er erst in den Handel eingewilligt hatte, nachdem Dicky ihn davon überzeugt hatte, dass er Christiana wirklich liebte. Dicky hatte behauptet, sie im Sommer bei einem Volksfest gesehen und kurz mit ihr gesprochen zu haben, woran sie sich allerdings nicht erinnerte. Er hatte auch behauptet, von ihr so fasziniert gewesen zu sein, dass er begonnen hatte, mehr über sie in Erfahrung zu bringen. Und je mehr er über sie erfahren hatte, desto mehr hatte sie ihm gefallen.
Seine Worte waren ziemlich überzeugend gewesen und hatten ihren Vater beeindruckt. Aber obwohl er sich in der Klemme befunden hatte, wollte er nur seinen Segen zu dieser Verbindung geben, wenn Christiana ebenfalls einverstanden war.
Unglücklicherweise war Christiana leicht zu überreden gewesen. Dicky sah gut aus, er war vermögend und ein Earl. Jede junge Frau hätte sich geschmeichelt gefühlt, wenn ein solcher Mann ihr den Hof gemacht hätte.
Und wie er ihr den Hof gemacht hatte! Er war so liebevoll gewesen, hatte sie seine kleine Rosenknospe genannt und mit berührenden Gedichten und Beteuerungen seiner unsterblichen Liebe bezaubert. Das alles war ziemlich berauschend gewesen für eine einfache junge Frau, die bisher zurückgezogen auf dem Land gelebt hatte und deren einzige Kameraden bisher die eigenen Schwestern und ein Nachbarsjunge gewesen waren. Nicht lange, und er hatte sie vollständig für sich eingenommen. Schließlich hatte sie der Verbindung zugestimmt.
Christiana verzog das Gesicht, als sie daran dachte, wie naiv und dumm sie gewesen war. Jetzt erkannte sie, dass sie seine Absichten hätte hinterfragen und sich für ihre Entscheidung mehr Zeit ausbedingen müssen. Andererseits hatte ihr Vater die Spielschulden spätestens nach zwei Wochen begleichen müssen, und sie hatte – dumm, wie sie war – jedes Wort geglaubt, das Dicky zu ihr gesagt hatte. Sie war fest davon überzeugt gewesen, dass er sie liebte und es keinen anderen Grund für seine stürmische Werbung gab. Was hätte es schließlich auch für einen geben können? Er wusste nichts von der außerordentlich großen Mitgift, die Christiana und ihre Schwestern testamentarisch von Baron Sefton erhalten hatten, dem Vater ihrer Mutter. Es war ein Familiengeheimnis.
Als er sich nach der Hochzeit so radikal verändert hatte, hatte sie sich allerdings irgendwann gefragt, ob er vielleicht doch davon gewusst hatte und diese Mitgift der eigentliche Grund gewesen war, warum er um sie geworben hatte. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, wie er davon hätte erfahren können.
»Vater hat gesagt, dass er es nicht gewollt hat«, sagte Suzette unglücklich und lenkte Christianas Aufmerksamkeit wieder auf das neue Problem. »Er fühlt sich schrecklich und zerbricht sich seither den Kopf darüber, wie er seine Schulden zurückzahlen kann. Aber ihm will einfach nichts einfallen.«
Christiana verzog das Gesicht. Auch beim ersten Mal hatte er sich schrecklich gefühlt. »Wann war das? Und wie ist es passiert? Er war ja nicht einmal in London, und in der Nähe von Madison gibt es keine solchen –«
»Er war letzten Monat in London«, berichtigte Lisa sie ruhig. »Wusstest du das nicht?«
»Nein«, gab Christiana bestürzt zu. »Wieso hat er mich nicht besucht, wenn er doch hier war?«
»Aber das hat er doch getan«, versicherte Suzette ihr. »Genau genommen war das der Grund, weshalb er überhaupt nach London gereist ist. Er hat sich Sorgen gemacht, weil Dicky uns nie mit dir besucht und wir nie Antworten auf die Briefe bekommen haben, die wir dir geschickt haben.«
»Ich habe keine Briefe von euch bekommen, aber euch die ganze Zeit jede Woche geschrieben«, sagte Christiana ruhig, während sich die Wut langsam in ihren Magen hineinfraß. Dass keine Antworten auf ihre Briefe gekommen waren, hatte sie noch einsamer und niedergeschlagener gemacht. Jetzt sah es so aus, als hätte Dicky irgendwie dafür gesorgt, dass keiner ihrer Briefe das Haus verließ und sie auch keinen erhielt. Was hat dieser Mann wohl noch getan?, fragte sie sich verbittert.
»Dieser Mistkerl«, fauchte Suzette und sah aus, als wollte sie am liebsten irgendetwas zerschlagen.
»Habt ihr eben gesagt, dass Vater hier gewesen ist?«, fragte Christiana und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das eigentliche Thema.
»Ja«, murmelte Lisa und sah die immer noch wütende Suzette besorgt an. »Dicky hat erklärt, du wärst bei der Schneiderin.«
»Davon hat er mir gar nichts gesagt«, sagte Christiana unglücklich.
»Anscheinend hat Dicky ihn sehr herzlich empfangen und dann auf einen Drink in den Club mitgenommen … und danach in eine Spielhölle«, sagte Lisa.
Christiana lehnte sich zutiefst bestürzt zurück.
»Vater hätte eigentlich vor zwei Wochen wieder nach Hause zurückkehren müssen«, fuhr Suzette mit ruhiger Stimme fort. »Als er nicht kam und wir auch keine Nachricht von ihm erhielten, haben wir uns Sorgen gemacht und beim Stadthaus nachgefragt, aber nie eine Antwort bekommen. Schließlich sind Lisa und ich zu dem Schluss gekommen, dass es am besten wäre, wenn wir nach London fahren und herausfinden, was passiert ist.«
Als sie nicht weitersprach, ergriff Lisa das Wort. »Wir sind früh am Morgen in London angekommen und sofort zum Stadthaus gefahren. Dort haben wir Vater in der Bibliothek gefunden. Er war betrunken und hat geweint.«
Christiana atmete geräuschvoll aus und fragte niedergeschlagen: »Wie schlimm ist es?«
»Schlimmer als letztes Mal«, sagte Suzette mit harter Stimme.
»Noch schlimmer?« Christiana spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich.
»Die Schulden sind diesmal niedriger«, sagte Lisa schnell. »Aber das Gut hat sich von seinem ersten Fehltritt noch längst nicht wieder erholt, deshalb gibt es weder genug Bargeld noch viel, das man verkaufen könnte. Es ist möglich, dass Vater gezwungen ist, das Gut zu verkaufen, wenn er das Geld nicht sonst irgendwie aufbringen kann.«
Christiana schnappte entsetzt nach Luft. Das war schlimmer als beim letzten Mal.
»Wenn das erst rauskommt, sind wir ruiniert«, stellte Lisa klar.
Christiana biss sich auf die Lippe; sie wusste, dass es stimmte. »Wie viel Zeit hat er, um das Geld zusammenzubekommen?«
»Zwei Wochen«, antwortete Suzette.
»Zwei Wochen?«, flüsterte Christiana bestürzt. Einen Moment lang rasten ihre Gedanken wie eine Ratte in der Speisekammer, dann straffte sie entschlossen die Schultern. »Ich rede mit Dicky. Wir werden etwas Geld von meiner Mitgift nehmen und –«
»Nein. Du hast letztes Mal gezahlt. Es wäre nicht gerecht, dass du es schon wieder tun musst«, wandte Suzette ein und fügte dann erbittert hinzu: »Abgesehen davon sieht es so aus, als wärst du immer noch dabei, für Vaters letzten Fehltritt zu bezahlen.«
Christiana machte eine wegwerfende Handbewegung; sie wusste, dass Suzette darauf anspielte, wie Dicky sie behandelt hatte. Aber darüber wollte sie jetzt nicht sprechen. »Suzette, du kannst nicht zahlen«, sagte sie stattdessen. »Du kannst deine Mitgift nicht beanspruchen, wenn du nicht vorher heiratest.«
»Stimmt«, pflichtete Suzette ihr bei. »Deshalb werde ich heiraten müssen.«
»In zwei Wochen?« Christiana schüttelte den Kopf. »Du wirst in zwei Wochen keinen geeigneten Gemahl finden.«
»Wer sagt denn, dass er geeignet sein muss?«, fragte Suzette trocken. »Dicky hat so gewirkt, als wäre er es, aber es hat sich nicht sehr gut entwickelt, oder?«
»Aber –«
»Keine Sorge, Chrissy«, unterbrach Suzette sie. »Ich habe einen Plan. Ich brauche nur ein bisschen Hilfe von dir, damit er funktioniert.«
»Was für ein Plan ist das? Und wobei soll ich dir helfen?«, fragte Christiana besorgt.
Suzette beugte sich eifrig nach vorn und nahm ihre Hände. »Es gibt immer irgendwelche Lords, die zwar Ländereien und einen Titel haben, aber gleichzeitig dringend Geld brauchen. Ich habe vor, so einen zu finden. Jemanden, der verzweifelt genug ist, um mit mir einen Handel einzugehen. Als Gegenleistung für die Heirat und den Zugang zu drei Vierteln meiner Mitgift muss er mir gestatten, über das eine Viertel selbst so zu verfügen, wie ich es möchte, und mir die Freiheit zugestehen, mein eigenes Leben zu leben.« Sie lächelte breit. »Alles, was ich von dir brauche, ist deine finanzielle Unterstützung bei unserem Debüt … sofort. Du musst uns zu Bällen und Teegesellschaften und Soirees und was es sonst noch so gibt mitnehmen, damit ich dort Männer treffen und einschätzen kann, ob sie infrage kommen. Den Rest übernehme ich.«
Christiana starrte ihre Schwester an. Der Plan klang vernünftig. Drei Viertel von Suzettes Mitgift waren immer noch ein Vermögen, und bei einem solchen Arrangement würde Suzette sicherlich glücklicher in ihrer Ehe sein als sie selbst.
Tatsächlich verspürte Christiana für einen kurzen Moment einen neidvollen Stich, weil ihre jüngere Schwester ein solches Arrangement zustande bringen könnte. Was Suzettes Bitte betraf, war es nicht zu viel verlangt, dass sie sie bei ihrem Debüt in der Gesellschaft finanziell unterstützte, und sicherlich sehr viel einfacher, als wenn sie Dicky bat, ihr Zugang zu ihrem Vermögen zu gewähren. Während er nur zu bereitwillig sein Geld mit Essen, Wein und den eigenen Vergnügungen verschwendete, verschloss sich seine Hand augenblicklich, wenn es darum ging, ihr auch nur ein kleines Taschengeld zu gewähren. Dicky schien es zu genießen, zu allem, das sie von ihm erbat, erst einmal Nein zu sagen. Daher würde es auch alles andere als leicht sein, wie Christiana beunruhigt klar wurde, ihn dazu zu bringen, ihr dabei zu helfen, ihre Schwestern in die Gesellschaft einzuführen.
»Chrissy?«, fragte Suzette besorgt. »Das kannst du doch, oder?«
Christiana richtete den Blick wieder auf ihre jüngere Schwester. Sie sah die Sorge und Verzweiflung in Suzettes Gesicht und straffte die Schultern. »Natürlich kann ich das, ich werde Dicky dazu bringen, es zu tun … irgendwie«, fügte sie etwas leiser hinzu, während sie entschlossen aufstand.
Sie würde ihn jetzt sofort damit konfrontieren, nahm sich Christiana vor, während sie durch das Zimmer schritt. Zum ersten Mal seit langer Zeit stellte sie fest, dass sie keine Angst hatte. Es lag nicht nur daran, dass sie wütend darüber war, dass Dicky ihren Vater an die Spieltische zurückgetrieben hatte. Schon allein zu wissen, dass ihre Familie versucht hatte, ihr zu schreiben, und sie gar nicht so allein hätte sein müssen, wie sie sich im vergangenen Jahr gefühlt hatte, schien ihre Lebensgeister zu wecken. Ebenso wie die kurze Zeit in der Gesellschaft ihrer Schwestern. Irgendwo in ihr erwachte die alte Christiana aus einem langen Schlaf, und sie war bereit zum Kampf.
»Was ist, wenn er Nein sagt?«, fragte Lisa besorgt, und Christiana verharrte an der Tür.
Sie wartete gerade lange genug, um ein Lächeln auf ihre Lippen zu zwingen. Dann sah sie Lisa an und sagte leichthin: »Dann werde ich ihn wohl töten müssen, oder?«
Eigentlich klopfte Christiana immer an, bevor sie Dickys Arbeitszimmer betrat. Diesmal allerdings war sie wütend und zu einer Auseinandersetzung bereit. Sie klopfte nicht an, sondern stieß die Tür einfach auf und trat wild entschlossen mit den Worten ein: »Wir müssen uns unterhalten, Dicky.«
Christiana fand, dass das ein ziemlich starker Anfang war. Was für ein Pech, dass Dicky nicht da war, um die Worte zu hören. Das Zimmer war leer.
Sie wollte sich gerade mit finsterem Gesicht umdrehen, um ihren Gemahl woanders zu suchen, als sie jemanden in einem der Sessel beim Kamin sitzen sah und innehielt. Es war ihr Dicky, wie sie an den dunklen Haaren erkannte, die über die Rückenlehne hinausragten. Mit mürrischer Miene wartete sie auf ein Anzeichen, dass er sie gehört hatte. Als nichts geschah, runzelte sie die Stirn noch ein bisschen mehr und trat zu ihm.
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