Ein Geist ist kein Gespenst - René Bote - E-Book

Ein Geist ist kein Gespenst E-Book

René Bote

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Beschreibung

Geister gibt es doch, Punkt! Doch damit steht Ludwig in der Klasse allein da, und die anderen Jungen nutzen jede Gelegenheit, darüber zu spotten. Camille findet das nicht in Ordnung, aber sie weiß auch nicht, wie sie es verhindern kann. Eigentlich gibt es nur einen Weg: Sie muss Ludwig beweisen, dass es keine Gespenster gibt. Bloß wie? Vor allem, wenn nichts so läuft, wie sie sich das vorstellt?

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Seitenzahl: 32

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Ein Geist ist kein Gespenst

Ein Geist ist kein GespenstLeseprobe: Die Falle am HexenhofImpressum

Ein Geist ist kein Gespenst

Es war nur eine kleine Szene in dem Buch, das die 5a gerade im Deutschunterricht las, eigentlich nicht mehr als eine Erwähnung: Der Protagonist des Buches hatte in der Nacht ein Geräusch gehört und hatte für einen kurzen Moment Angst, es würde spuken. Das Ganze kündigte bloß einen unerwarteten, aber durchaus irdischen Besuch an und wurde nicht wieder aufgegriffen.

Trotzdem blieb die Klasse an dieser Stelle hängen, und es entspann sich eine lebhafte Diskussion über das Wesen von Geistern. Schuld daran war Daniel, er konnte es nicht lassen, Ludwig aufzuzwicken, der tatsächlich noch an Gespenster glaubte. „Schade, was?“, sagte er in Richtung seines Klassenkameraden. „Doch nur ein Marder, kein Gespenst, das kommt, um ihn zu holen.“

„Geister holen niemanden!“, fuhr Ludwig auch prompt auf. Schräg hinter ihm unterdrückte Camille ein Seufzen. Auch dieses Lied kannte sie – und jeder andere in der Klasse – auswendig, von der ersten bis zur letzten Strophe. „Sie schlurfen auch nicht um Mitternacht durch alte Gemäuer, das ist Gewäsch aus irgendwelchen blöden Büchern.“

Ludwig glaubte daran, dass Geister mitten unter den Menschen waren, völlig unbemerkt und ohne ihnen Böses zu wollen. Sie gingen nicht um, weil ihnen irgendetwas, was sie zu Lebzeiten nicht erledigt hatten, keine Ruhe ließ; seiner Meinung nach verweilten sie bei Menschen oder an Orten, zu denen sie eine starke Zuneigung verspürten. Sie fielen nicht auf, weil sie völlig normal wirkten, nicht abgerissen oder durchscheinend, wie sie oft beschrieben wurden.

Als Beispiel führte Ludwig gern einen Pfarrer aus dem 18. Jahrhundert an, von dem es hieß, er hätte noch Wochen nach seinem Tod jeden Sonntag in seiner Kirche den Gottesdienst gehalten. Erst als der örtliche Richter wegen einer Familiensache jemanden geschickt hatte, im Pfarrhaus die Kirchenbücher einzusehen, war der Leichnam des Pfarrers gefunden worden.

Camille hielt das für Unsinn. Sie hatte noch nie an Gespenster geglaubt, nicht mal als kleines Kind, und der Geschichte, die Ludwig schon mehrfach erzählt hatte, maß sie keine Bedeutung bei. Wenn sie nicht ohnehin ausgedacht war, dann gab es garantiert eine natürliche Erklärung, die vielleicht nur mit den damaligen Mitteln nicht zu erkennen gewesen war. Das Ganze war ja über 200 Jahre her, wie genau hatte man damals denn schon feststellen können, wie lange jemand tot war? Ein moderner Pathologe hätte da etliche kleine Anhaltspunkte zusammenführen können, aber viele Untersuchungsmethoden waren erst sehr viel später erfunden worden. Wahrscheinlich war damals nicht mal ein Experte hinzugezogen worden, der wenigstens auf dem Stand der Wissenschaft dieser Zeit gewesen war, sondern nur ein lokaler Leichenbeschauer ohne tiefergehende Kenntnisse. Die einfachste Erklärung war für Camille, dass der Pfarrer irgendwann zwischen seinem letzten Gottesdienst und dem Besuch des Gerichtsboten gestorben war; die Leute, die geschätzt hatten, er wäre seit Wochen tot, hatten sich einfach geirrt.

***

Nach der Stunde war Camille genervt. Die Story mit dem Pfarrer hatte sie schon mehr als einmal gehört, obwohl sie Ludwig erst seit Beginn des Schuljahres kannte. Außerdem war das nur der Anfang gewesen, am Ende hatte Ludwig die ganze Stunde gesprengt. Auch Frau Felder, die Deutschlehrerin, war genervt gewesen, sie hatte vergeblich versucht, die Diskussion wieder einzufangen. Aber Camille war nicht nur sauer auf Ludwig, auf ihn vielleicht sogar am wenigsten. Auch auf Daniel war sie nicht gut zu sprechen – der wusste doch auch, dass Ludwig bei dem Thema leicht überreagierte! War es nötig, das auch noch herauszufordern?

Zu reden war aber wohl mit beiden nicht. Ludwig war einfach so überzeugt davon, dass es Geister gab, Geister, die aber anders waren, als sie in Büchern und Filmen meistens beschrieben wurden, dass er keinem Argument zugänglich sein würde. Daniel dagegen hatte Spaß daran, andere aufzuziehen, und Ludwig war mit seinen Gespenstergeschichten das ideale Opfer dafür. Dass Ludwig darauf aber auch immer anspringen musste!