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Die Nacht in den Armen des feurigen Alejandro Ramos erlebt Flora wie in einem sinnlichen Traum. Doch am nächsten Morgen ist alles vorbei! Erst Monate später steht der erfolgsverwöhnte Millionär plötzlich wieder vor ihr und macht ihr ein pikantes Angebot: Wenn sie ihn heiratet, wird er ihren Bruder aus einer misslichen Lage befreien! Entschlossen, kein zweites Mal ihr Herz zu riskieren, willigt Flora ein. Doch mit jedem Tag fällt es ihr schwerer, den Verführungskünsten des galanten Playboys zu widerstehen …
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Seitenzahl: 203
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2022 by Michelle Smart Originaltitel: „Claiming His Baby at the Altar“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA, Band 2564 10/2022 Übersetzung: Nicole Lacher
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 10/2022 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751509985
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Die Blitzlichter der Kameras zuckten grell.
Flora Hillier hielt den Blick geradeaus gerichtet und ignorierte die Fragen der Reporter, die um die besten Plätze rangelten. Ein Mikrofon streifte ihre Wange. Ein anderes drückte ihr in den Nacken. Sie reagierte nicht. Diese Genugtuung wollte sie den Geiern nicht bieten.
Ungefähr ein Dutzend Treppenstufen musste sie hinaufgehen, um in den jahrhundertealten Bau zu gelangen. Die Stufen waren breit, aber kurz. Flora schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Bloß nicht stolpern!
Sobald sie oben angekommen war, öffnete jemand die Doppeltüren. Ein Gerichtsdiener fasste sie am Arm und zog sie hinein.
Das leise Gemurmel im Gerichtsgebäude bildete einen willkommenen Kontrast zu den Rufen und Schreien draußen. Flora nahm die Sonnenbrille ab und legte eine Hand auf den unteren Rücken. Heute Morgen war der ziehende Schmerz so stark gewesen, dass sie davon geweckt worden war.
Sie holte tief Luft und mahnte sich, tapfer zu sein. Dann legte sie ihre Handtasche zum Scannen in einen Korb. Anschließend trat sie durch den Ganzkörperscanner. Gehörte der schon länger zu den Sicherheitsvorkehrungen im Strafgericht von Monte Cleure, oder hatte man ihn extra für Ramos installiert? Es gab bestimmt allerhand Leute, die nur zu gern geduldig Schlange stehen würden, um dem spanischen Mistkerl etwas anzutun. Und Flora wäre ganz vorn dabei.
Er war hier. In diesem Gebäude. Bald, sehr bald schon würde sie ihn wiedersehen. Noch wichtiger: Er würde sie sehen.
Jetzt kam sie zum halbrunden Empfang und reichte einer Angestellten ihren Reisepass.
Die Dame zog eine Braue hoch und tippte die Angaben in einen Computer. „Sehen Sie in die Kamera“, wies sie Flora auf Englisch an und zeigte nach oben.
Flora hob den Blick zu dem kuppelförmigen Apparat an der Decke. Keine Minute später bekam sie einen Passierschein mit ihrem Namen und Foto an einem Schlüsselband.
„Sie müssen in Saal 4“, sagte die Frau.
„Danke.“ Flora streifte das Schlüsselband über den Kopf und ging den breiten Korridor entlang.
Justin war bereits im Gerichtssaal. Er saß an einem ovalen Tisch. Seine Anwälte und er steckten die Köpfe zusammen. Als er Flora entdeckte, lächelte er matt.
Mitfühlend legte sie ihm eine Hand auf den Arm, dann sank sie dankbar auf einen Stuhl, den einer der Anwälte ihr hinschob, und rieb sich wieder den unteren Rücken.
Heute begann der Prozess. Zwei Wochen waren dafür eingeplant. Sollte das Gericht Justin für schuldig befinden, musste er sich auf zwei Jahrzehnte hinter Gittern einrichten.
Frühzeitige Entlassungen wegen guter Führung gab es in Monte Cleure nur in seltenen Ausnahmefällen. Eigenartigerweise handelte es sich dabei stets um schwerreiche Häftlinge. Reich war Justin nicht mehr. Dafür hatte Ramos gesorgt. Ebenso wie für äußerst belastende Beweise.
Leider waren sie wasserdicht, weil Justin die Straftaten tatsächlich begangen hatte, für die er ab heute vor Gericht stand. Es tat Flora in der Seele weh. Diebstahl von einer Million Euro. Obendrein Betrug.
Wo versteckte sich Ramos? Nebenan? Weiter weg? Zweifellos beriet auch er sich gerade mit seinen Anwälten. Vielleicht brauchten sie zwei Tische, damit alle Platz hatten. Sein Anwaltsteam würde Justins zahlenmäßig deutlich übertreffen. Wie mochte wohl deren Stimmung sein? Mutmaßlich nicht resigniert und kleinlaut wie hier, sondern voller Vorfreude und Zuversicht.
Vorfreude und Zuversicht, weil Justin Hillier nicht nur bestraft, sondern zerstört werden sollte.
Hätte Flora nicht schon sämtliche Tränen vergossen, hätte sie jetzt um ihren Bruder geweint. Doch schon seit einem Jahr war sie so verzweifelt, dass sie sich mittlerweile wie ausgetrocknet fühlte.
Jemand klopfte laut an die Tür. Ein Beamter trat ein.
Es ging los.
Mühsam stand Flora auf und betrachtete das ausgemergelte Gesicht ihres Bruders. Sie rückte seine Krawatte gerade, obwohl die schon perfekt saß, wischte ein imaginäres Stäubchen vom Revers seines Jacketts und küsste ihn auf die Wange.
„Ich liebe dich“, flüsterte sie dem Mann zu, der für sie mehr wie ein Vater gewesen war als ihr gemeinsamer Erzeuger.
Er lächelte traurig. „Ich liebe dich auch.“
Mehr gab es nicht zu sagen.
Das Gemurmel, das bei ihrer Ankunft geherrscht hatte, schwoll zu einem lauten Summen an. Etliche Menschen eilten aus dem Korridor herein. Im Strafgericht von Monte Cleure fand nur selten ein Prozess dieses Kalibers statt. Die Bewohner des Fürstentums waren daran gewöhnt, dass Reporter über das Treiben der verdorbenen Fürstenfamilie und der Reichen an diesem glamourösen, von der Sonne verwöhnten Fleckchen Erde berichteten. Als ein Gerichtsdiener Flora zur ersten Reihe der Besuchertribüne führte, saßen die Reporter schon dicht gedrängt in ihrem Bereich. Wie ungeduldige Erdmännchen reckten sie die Hälse, um die Ankunft der Hauptperson nicht zu verpassen.
Lange mussten sie nicht warten.
Zuerst trat das Team der Staatsanwaltschaft ein. In deren Mitte ging der hochgewachsene Alejandro Ramos mit langen Schritten. In dem dunkelblauen Anzug mit passender Krawatte und grauem Hemd wirkte er weltmännisch und hinreißend. Er war glatt rasiert und trug die dichten dunklen Haare kurz.
Das Letzte, womit Flora gerechnet hatte, war, dass ihr bei seinem Anblick das Herz bis zum Halse schlug.
Sie legte die bebenden Hände auf ihren Bauch und atmete tief durch. Diese Reaktion ist ganz normal, sagte sie sich. Immerhin hatte er sie beim letzten Zusammentreffen leidenschaftlich zum Abschied geküsst.
Wesentlich lieber war ihr der Hass, der sie durchzuckte, als Ramos zwischen den Staatsanwälten Platz nahm. Als wäre er einer von denen. In England wäre er bloß ein Zeuge gewesen.
Schau mich an, befahl sie stumm.
Der aalglatt wirkende Mann neben ihm flüsterte ihm etwas ins Ohr. Ramos neigte den Kopf und nickte lächelnd.
Wie konnte er lächeln, obwohl er seinen besten Freund zu einer jahrzehntelangen Haftstrafe verdammte?
Schau mich an.
Als der Richter eintrat, erhoben sich alle.
Er nahm Platz und signalisierte mit einem Fingerzeig, die Anwesenden sollten es ebenfalls tun.
Flora blieb stehen, den Blick auf Ramos geheftet.
Schau mich an, du Mistkerl.
Als könnte er den eindringlichen Ausdruck in ihren Augen spüren, drehte er den Kopf und sah zur Besuchertribüne hoch. Zu ihr.
Sie hatte das schlichte cremefarbene, kurzärmelige Sommerkleid mit Bedacht gewählt. Die Leiste mit den winzigen Knöpfchen erstreckte sich über die gesamte Länge des Kleides, das sich an ihren Körper schmiegte. Nichts sollte von ihrem riesigen Babybauch ablenken.
Einen flüchtigen Moment trafen sich ihre Blicke. Ganz kurz nur. Dann schaute Ramos zur Seite, als hätte er sie nicht erkannt.
Eine Welle der Sehnsucht durchflutete sie, ebenso unerwartet und beängstigend wie das Hämmern ihres Herzens zuvor. Flora schluckte schwer und blieb weiterhin stehen.
In der nächsten Sekunde registrierte sie, wie Ramos erstarrte.
Langsam sah er noch einmal zu ihr hoch.
Sie biss die Zähne fest zusammen, um sich keine Gefühlsregung anmerken zu lassen. Dann deutete sie mit beiden Zeigefingern auf ihren Bauch.
Wenn Ramos ganz genau hingesehen hätte, dann hätte er vielleicht sogar die kleine Wölbung erkennen können, die sich abzeichnete, als sein Kind Flora in diesem Moment trat.
Wäre die Lage nicht so verzweifelt und herzzerreißend gewesen, hätte Flora die erste Verhandlungsstunde amüsant gefunden. Der Chefankläger erhob sich und hielt sein Eröffnungsplädoyer auf Französisch. Sie verstand kein Wort. Ramos sprach zwar hervorragend Französisch, aber sie wäre jede Wette eingegangen, dass nicht eine einzige Silbe zu ihm durchdrang.
Der selbstbewusste, arrogante Mann, der in den Gerichtssaal marschiert war, sah völlig verstört aus. Armes Schätzchen.
Erst als sich der Chefankläger setzte, löste sich Ramos’ versteinerte Miene. Er flüsterte seinem Nebenmann etwas zu. Der gab die Nachricht leise weiter, bis sie beim Chefankläger landete. Prompt stand dieser auf und ging zu Ramos. Die beiden wisperten hektisch. Schließlich kritzelte Ramos etwas auf ein Blatt Papier. Ein Anwalt reichte es dem Richter, der einen Blick darauf warf, sich erhob, die Sitzung unterbrach und hinausrauschte.
Raunen ertönte im Saal, während die Prozessbeteiligten hinausgingen. Die Unruhe im Pressebereich und die vielen Blicke in Floras Richtung bewiesen, dass ihr Auftritt Eindruck hinterlassen hatte. Sie konnte es nicht ändern. Alle anderen Mittel hatte sie ausgeschöpft.
Statt den Saal ebenfalls zu verlassen, blieb sie sitzen und schloss die Augen. Jeder Muskel in ihrem Gesicht schmerzte von der Anstrengung, keine Miene zu verziehen. Als sie sich jetzt entspannte, stiegen Gefühle hoch, die sie mit derselben Entschiedenheit zurückgehalten hatte, und drohten sie zu ersticken.
Sie streichelte ihren Bauch und konzentrierte sich auf ihre Atemzüge. Irgendetwas würde passieren. Um dem gewachsen zu sein, musste sie Ruhe bewahren und sich in einen Zen-ähnlichen Zustand versetzen.
Würde Ramos ihre unübersehbare Schwangerschaft ignorieren? So, wie er Flora die letzten acht Monate ignoriert hatte? Wobei: Ignorieren war das falsche Wort. Er hatte sie aus seinem Leben verstoßen. Sie verführt und nach dem Abschiedskuss nie wieder zur Kenntnis genommen.
Oder würde er die Schwangerschaft zwar wahrnehmen, ihre Geste aber für einen Scherz halten? Annehmen, ein anderer Mann wäre der Vater?
Sie traute ihm alles zu.
Falls er sie ignorieren oder die Vaterschaft abstreiten sollte … Sei es drum. Dagegen war sie gewappnet. Sie musste diesen Prozess durchstehen und um Justins willen stark bleiben.
Flora hatte ihre Pflicht getan und dafür gesorgt, dass Ramos von seiner Vaterschaft erfuhr. Nun war er am Zug. Im besten Fall bekannte er sich zu ihrem gemeinsamen Baby, bot Kindesunterhalt an und beschränkte sich auf gelegentliche Besuche. Vollzeit-Vater wollte er garantiert nicht sein. Nicht angesichts seines Lebensstils. Ein Baby würde ihn einengen.
„Mademoiselle?“
Sie öffnete die Augen.
Ein Gerichtsdiener winkte sie zu sich herüber. „Mademoiselle? Kommen Sie bitte.“
Flora setzte ein Lächeln auf und hievte sich hoch. Erst als sie einen Fuß vor den anderen setzte, merkte sie, wie erschöpft sie war. Die stumme Konfrontation mit Ramos hatte sie ausgelaugt. Vermutlich, weil sie so lange darauf gewartet hatte und ihre Gedanken ständig darum gekreist waren. Ihre Rückenschmerzen nahmen zu.
Okay, Ramos wollte sie anscheinend doch nicht ignorieren.
Der Gerichtsdiener stieß eine Tür auf. Dahinter befand sich ein Wartezimmer mit einer Kaffeemaschine und Sofas. Obwohl Flora damit gerechnet hatte, den Vater ihres Babys dort anzutreffen, schlug ihr Herz wie verrückt.
Er saß auf einem der Sofas, vorgebeugt, die Hände verschränkt.
Der Blick aus seinen dunkelbraunen Augen schien sie zu durchdringen.
Immer wieder hatte Flora sich diesen Moment ausgemalt. Geplant, was sie tun und sagen würde. Lässig und unbekümmert wollte sie sich geben. Ganz sachlich über das Kind reden. Ramos in keiner Weise den Eindruck vermitteln, sie könnte etwas anderes als Verachtung für ihn empfinden.
Die Wirklichkeit sah ganz anders aus. Alle möglichen Gefühle durchströmten sie, so intensiv, dass ihr übel wurde. Hass. Zorn. Verzweiflung. Sehnsucht. Letztere war am schlimmsten.
Wie konnte sie sich nach ihm sehnen, nachdem er derart mit ihr umgesprungen war?
Wie hatte er sie überhaupt in seinen Bann ziehen können?
Flora kannte Ramos seit ihrem elften Lebensjahr. Er und Justin, damals beide achtzehn, hatten gemeinsam in Oxford studiert. Der junge Spanier war oft zu Besuch bei den Hilliers gewesen und hatte sogar mehrere Weihnachtsfeste mit ihnen verbracht.
Der beste Freund ihres Bruders. Ein Bild von einem Mann in maßgeschneiderter Kleidung. Mit schönen, klassischen Gesichtszügen, die Frauen zum Schwärmen brachten … Und er war sich dessen bewusst! Auf keinen Fall hatte sie eins seiner Groupies werden wollen. Wie Ramos und ihr Bruder mit Frauen umgingen, fand sie widerlich. Als stünden die beiden im angesagtesten Delikatessenladen der Stadt und wählten die besten Leckerbissen aus – um die Frauen dann auszurangieren, bevor sie langweilig wurden.
Ramos hatte Flora sogar noch zügiger ausrangiert als die anderen Frauen.
Jetzt löste sich seine starre Miene. „Du solltest dich setzen“, sagte er kühl.
Dreizehn Jahre kannte sie ihn inzwischen. Doch wie faszinierend dunkel und voll seine Stimme mit dem leichten Akzent klang, hatte sie erst in der gemeinsamen Nacht bemerkt.
Samt schien sie einzuhüllen. Der Eindruck war so intensiv, dass Flora sich zum Lachen zwang, um ihre Reaktion zu verbergen. „Das ist das Erste, was du zu mir sagst? ‚Du solltest dich setzen‘?“
„Du siehst aus, als würdest du gleich zusammenklappen.“
Ach, er sorgte sich um ihr Wohlbefinden. Wie großzügig!
Vorsichtig ließ sie sich auf einen Zweisitzer aus Leder sinken. Hätte sie mit ihrem Babybauch bloß nicht derart unbeholfen und plump gewirkt, während Ramos pure Eleganz verströmte … Es war nur ein weiteres Beispiel für das Missverhältnis zwischen ihnen. Immer schnitt er besser ab.
Bis heute hatte sie es genossen, so offenkundig schwanger zu sein. Ihr wurde leichter ums Herz, wenn Unbekannte sie beim Anblick ihres Babybauches anlächelten. Die Spätphase einer Schwangerschaft hatte etwas Magisches an sich, auf das Mitmenschen reagierten. Dann fühlte sich Flora weniger allein, obwohl ihre Mutter tot, ihr Vater ein nutzloser Versager und ihr geliebter Bruder eingesperrt war.
Aber in diesem Moment verflog die Magie. Zurück blieb Verzagtheit, weil ihr kostbares Kind mit einem solch unwürdigen Vater belastet wurde.
Ramos presste die vollen, festen Lippen aufeinander. Rücksichtslos ließ er den Blick über jeden Zentimeter von Floras Körper wandern. Wie schön seine Augen waren – so dunkel, dass sie beinahe schwarz wirkten. In ihren Tiefen konnte sich eine Frau regelrecht verlieren.
Jahrelang hatte sie vermieden, in diese Augen zu schauen. Ein stechender Schmerz durchzuckte ihr Herz. Sie erinnerte sich an jene Nacht, in der er sie mit diesen dunklen Augen mit einer nie gekannten Eindringlichkeit angesehen hatte. Wenig später war der Blick ganz weich geworden. Mehr als unverhohlenes Verlangen hatte darin gelegen. Etwas, das Floras Brustkorb durchströmt, restlos ausgefüllt und sie geradezu hypnotisch angezogen hatte.
„Wann ist der Geburtstermin?“, wollte er wissen.
Sie blinzelte die unwillkommene Erinnerung weg und befahl sich, ruhig zu antworten. „In drei Wochen.“
Ramos atmete aus und neigte den Kopf. „Soll ich aus deiner Szene im Gerichtssaal schließen, dass es mein Kind ist?“
„Ja.“ Wenn er jetzt fragt, woher ich das weiß, werfe ich meine Handtasche nach ihm!
„Und dass du die ganze Welt darüber informieren wolltest?“
Fassungslos sah sie ihn an. „Ernsthaft?“, meinte sie ungläubig.
„Was sonst soll ich denken?“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ein paar Zeilen an meine Anwälte hätte genügt.“
„Wenn ich denn hätte annehmen können, dass du sie liest.“ Sie wünschte, sie hätte sich mühelos aufrichten und die Beine übereinanderschlagen können. Ramos sollte das Bild von ihr sehen, das sie ihm zeigen wollte. Nicht die Realität, zu der geschwollene Füße und Knöchel gehörten. Stattdessen musste sie sich auf die Ellenbogen stützen, um gerade zu sitzen. „Ich versuche seit sieben Monaten, es dir zu sagen.“
Skeptisch zog er eine Braue hoch.
Flora erstickte den Wutanfall, den seine Mimik in ihr entfachte. Sie war entschlossen, vollkommen sachlich zu bleiben. Deshalb lehnte sie sich so weit vor, wie ihr Babybauch es erlaubte, und sah Ramos in die Augen.
„Du hast sowohl meine Anrufe als auch meine E-Mails blockiert. Ich habe in zwei deiner Häuser angerufen und mit zwei Haushälterinnen telefoniert. Außerdem dreimal mit deiner Assistentin. Ich habe dir vier Briefe geschrieben. Vier.“
Sie atmete tief durch und zwang sich, ruhiger weiterzusprechen. „Jeder Brief und jede Nachricht, die ich dir hinterlassen habe, enthielt die Information, dass ich dein Kind erwarte. Als ich es wieder mal in deinem Büro probiert habe, ging eine Aushilfe an den Apparat. Sie sagte mir, du hättest befohlen, alle Lebenszeichen von mir zu ignorieren oder zu vernichten. Du würdest jeden, der meinen Namen in deiner Gegenwart auch nur flüstert, wegen groben Fehlverhaltens rauswerfen. Darum musste ich es öffentlich tun. Nur so hatte ich deine Aufmerksamkeit.“
Die Knöchel seiner verschränkten Finger traten weiß hervor. Sein attraktives Gesicht wirkte angespannt.
Jäh bewegte sich das Baby. Flora liebte diese Momente. Ihr Zorn verebbte. Als sie mit beiden Händen kreisförmig über den Bauch rieb, wurde sie belohnt: Ein Füßchen stieß gegen ihre Handfläche. Oder war es ein Händchen?
Sie wollte nicht die Beherrschung verlieren. Manchmal kam es ihr schier unmöglich vor, um ihres Kindes willen gelassen zu bleiben, obwohl ihr Leben aus den Fugen geraten war. Doch seit der pinkfarbene Strich auf dem Schwangerschaftstest erschienen war, überlagerte beschützende Liebe zu ihrem Baby sämtliche anderen Gefühle. Diese starke, urwüchsige Liebe milderte die Angst vor der Zukunft, in der sie das Kind allein großziehen musste. Ohne die Mutter, die sie von Herzen geliebt hatte, und den Bruder, der trotz seiner Fehler ihr Fels in der Brandung gewesen war.
Flora hatte eine innere Stärke entdeckt, von deren Existenz sie nichts geahnt hatte. Sie ließ nicht zu, dass Ramos ihre ganze harte Arbeit zunichtemachte. Erst recht nicht so kurz vor der Geburt.
Allerdings fiel es ihr furchtbar schwer. Zum ersten Mal seit acht Monaten befand sie sich mit ihm im selben Raum. Erinnerungen stiegen auf, die sie acht Monate verdrängt hatte …
In seinen Armen aufzuwachen. Ihre Lippen, die wie von selbst zueinanderfanden. Ihre Körper, die sich vereinigten, noch bevor Ramos wach genug war, um ein Kondom überzustreifen … Ganz klar war die Erinnerung. Intensiv. Lebendig. Eine unglaubliche Leidenschaft hatte sie mit diesem Mann erlebt. Es hatte sich so richtig angefühlt, ganz bei ihm zu sein.
Sie zog den Riemen ihrer Handtasche über der Schulter zurecht. Wären die Rückenschmerzen nicht stärker geworden, hätte sie sich hochgerappelt. Raus aus diesem Zimmer wollte sie. Weg von Ramos, der sie in den Himmel gehoben und dann in die Hölle hatte fallen lassen.
„Also, nun weißt du von dem Baby“, sagte sie angestrengt. „Lass uns diesen Prozess hinter uns bringen. Anschließend können wir über dein künftiges Engagement reden.“
Er beugte den muskulösen Körper vor. Plötzlich wirkte sein Blick wieder lebhaft. „Künftiges Engagement?“
„Ob du ein Teil seines oder ihres Lebens sein möchtest.“ Flora zwickte ihren Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger. Vermutlich wollte er überhaupt nicht einbezogen werden. „Die Entscheidung liegt bei dir, aber ich werde Kindesunterhalt brauchen. Je früher, desto besser.“
Ramos blickte missbilligend drein. „Darum ging es also bei deiner kleinen Szene. Du bist hinter meinem Geld her.“
Sie rang den aufsteigenden Ärger nieder. „Du bist der Vater. Es steht dir zu, das zu erfahren. Allerdings bin ich pleite, seit du Justin in einem Land vor Gericht gebracht hast, in dem jedem der Prozess gemacht wird. Egal, ob man sich schuldig bekennt oder nicht.“
Um seine Mundwinkel erschien ein harter Zug.
„Irgendjemand musste ihm helfen.“ Zum Glück ließen die Rückenschmerzen nach. „Du hast ihn in einem Land verklagt, das keinen Rechtsbeistand stellt, und seine Vermögenswerte einfrieren lassen. Tja, ich habe die Anwaltskosten bezahlt, mit einer Hypothek auf mein Häuschen und einem Kredit auf meine Firma. Also ja: Ich will dein Geld. So viel, wie das Gesetz mir zubilligt. Aber nur, weil ich unser Kind nicht in Armut großziehen will. Wenn du mich deswegen für eine Goldgräberin hältst – bitte sehr.“
Sie zuckte die Schultern und lehnte sich zurück. „Was du von mir denkst, kümmert mich nicht. Nur zwei Menschen sind mir wichtig: mein Bruder und mein Kind. Justin hast du zerstört. Ich lasse nicht zu, dass du auch mein Kind zerstörst. Willst du mit mir um Geld streiten? Nur zu. Das nächste Mal, wenn sich Reporter um mich scharen, werde ich mit ihnen reden. Ich werde der Welt erzählen, wie der Vater meines ungeborenen Kindes mich verführt hat, als ich ihn um Gnade bitten wollte. Wie er mich danach ignoriert hat. Ich werde dich an den Pranger stellen.“
Seine sonnengebräunte Haut färbte sich dunkler, je länger Flora redete. Widerstreitende Gefühle zeichneten sich auf seiner Miene ab und verzerrten seine attraktiven Gesichtszüge. Plötzlich lächelte er.
Es war das erbarmungsloseste Lächeln, das sie je gesehen hatte.
„Wirst du ihnen auch erzählen, wie du dich prostituiert hast?“
Die eisigen Worte trafen Flora wie eine Ohrfeige.
Eine heiße Röte kroch ihr über den Nacken ins Gesicht.
„Du sagst, ich hätte dich verführt …?“ Zynisch schüttelte er den Kopf. „Welch eine selektive Erinnerung du hast. Lass mich sie auffrischen. Du bist zu mir gekommen. Wir hatten einen Drink. Und du hast mich mit deinen großen, schönen, verführerischen braunen Augen verschlungen, während du mich um Gnade für deinen Bruder angefleht hast. Du warst so süß und verlockend wie Schokolade. Ein heißes kleines bombón.“
Seine Stimme glich einem ebenso grausamen wie seidenweichen Streicheln.
„Du hast dich an mich geschmiegt, um mich zu küssen. Hast mir eine Hand auf die Brust gelegt. Genau hier.“ Er schob seine rechte Hand auf die Stelle. „Und dann hast du mein Gesicht berührt.“
Flora verbarg ihre hochroten Wangen in den Händen und kniff die Augen zusammen, um die Erinnerungen zu verdrängen. Erinnerungen an jenen Moment, in dem sie schließlich dem hypnotischen Zauber von Ramos’ Augen verfallen war.
„Du hast gewartet, bis wir beide nackt waren. Erst dann hast du es für nötig befunden zu erwähnen, dass du noch Jungfrau warst.“ Er lachte bitter. „Du musst deinen Bruder wirklich lieben, um deine Jungfräulichkeit auf diese Weise zu verkaufen.“
„So war es nicht, und das weißt du“, flüsterte sie.
Seine Beschreibung stimmte kein bisschen. Es war einfach passiert. In der einen Minute hatten sie noch geredet, und in der nächsten …
Nein, sie wollte nicht daran denken. Nicht an den aufregendsten, berauschendsten Moment ihres Lebens.
Jahrelang hatte Flora diesen Mann bewusst gemieden. Als sie in seinem Bett aufgewacht war, hatte ihr Körper vor sprudelnden Glücksgefühlen bersten wollen. Wie eine Närrin hatte sie geglaubt, die wundervolle Leidenschaft zwischen ihnen hätte Ramos ebenso berührt wie sie selbst.
Ein paar Stunden lang war sie dumm genug gewesen, sich einzubilden, er könnte mehr als sexuelles Verlangen für sie empfinden.
„Doch, querida, so war es“, widersprach er bissig. „Du bist mit der festen Absicht zu mir gekommen, mich zu verführen, damit ich Gnade walten lasse. Und fast wärst du damit durchgekommen. Aber ich habe seine Nachricht gelesen.“
Sie riss die Augen auf. „Welche Nachricht?“
„Von deinem Bruder. Du hast noch geschlafen. Ich bin ins Erdgeschoss gegangen, weil ich dich mit Frühstück im Bett überraschen wollte.“ Er schüttelte den Kopf. „Der Inhalt deiner Handtasche lag über den Couchtisch verstreut.“
Flora hatte die Tasche mit einem Fuß umgestoßen, als Ramos sie hochgehoben hatte, um sie die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer zu tragen. Ihr Herz hämmerte qualvoll bei der Erinnerung.
„Ich wollte dein Handy zurück in deine Tasche stecken. Da wurde die Nachricht angezeigt. Weißt du noch, wie sie lautete?“
Sie wusste nur wenig von jenem Tag. Kaum etwas hatte die köstliche Benommenheit nach den körperlichen Wonnen mit Alejandro Ramos durchdrungen.
Bis ihr am Abend klar geworden war, dass er sie absichtlich versetzt hatte. Jäh war ihre Glücksblase geplatzt. Die harte Landung hatte Flora zutiefst verletzt.
„Sie lautete: ‚Irgendwas Neues, Flo? Konntest du ihn mit deinem Charme bezirzen?‘“ Ramos’ geringschätziges Lachen klang ganz fremd. „Ich hätte ahnen sollen, dass Hillier dich geschickt hat.“
„So hast du es interpretiert? Ich fasse es nicht“, flüsterte sie erschüttert. „Justin wusste, dass ich zu dir wollte, weil ich es ihm gesagt hatte. Aber der Besuch war meine Idee.“
Im Mietwagen war sie vom Gefängnis über die Grenze bis Barcelona gefahren. Fieberhaft hatte sie nach Worten gesucht, mit denen sie den unerbittlichen Alejandro Ramos bewegen könnte, seinem ehemals besten Freund zu verzeihen.
Justin verdiente eine Strafe. Aber er brauchte auch Hilfe.
Ihr Bruder war immer für sie da gewesen. Er hatte sie zur Schule begleitet, Pausenbrote geschmiert und ihr bei den Hausaufgaben geholfen, wenn Mum arbeiten musste. Sich zu seinem eigenen Schulabschlussball verspätet, um eine Partie Scrabble mit Flora zu beenden. Ihr gezeigt, wie man Auto fuhr – und ihr vergeben, als sie es rückwärts gegen eine Laterne gesetzt hatte.
Genauso würde sie für ihren Bruder da sein.
„Konntest du ihn mit deinem Charme bezirzen?“, knurrte Ramos noch einmal.
Zum ersten Mal merkte Flora ihm an, wie zornig er war. „Glaubst du ernsthaft, ich hätte meine Jungfräulichkeit geopfert, um Justins Haut zu retten?“ Bei der entsetzlichen Vorstellung wurde ihr eiskalt.