Ein Teppich aus Andacht - Gabriele Prattki - E-Book

Ein Teppich aus Andacht E-Book

Gabriele Prattki

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Beschreibung

Lassen Sie sich entführen - in prächtige Paläste, Mausoleen und Paradiesgärten, in die Königsstädte Marokkos und Ruinenstädte, in quirlige, bunte Märkte der orientalischen Medinas, verzauberte Bergwelten und durch Wüstenlandschaften bis an den Atlantik bei Agadir. In farbigen Wortbildern, Gedichten und Assoziationen werden persönliche Erlebnisse sowie Informationen über Kunst und Kultur geschildert. Auch Besonderheiten einer Gruppenreise werden humorvoll bedacht.

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Seitenzahl: 99

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Ein Teppich aus Andacht

Gabriele Prattki

Copyright:© Gabriele Prattki

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-7493-6

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Erster Tag: Münster - Casablanca

CASABLANCA

Zweiter Tag: Casablanca - Rabat - Meknès

RABAT,

MEKNÈS

Dritter Tag: Meknès - Volubilis - Moulay Idriss - Fès

VOLUBILIS,

MOULAY IDRISS

FÈS

Vierter Tag: Fès

Fünfter Tag: Fès - Erfoud

ERFOUD

Sechster Tag: Erfoud - Tinerhir

Siebter Tag: Tinerhir – Ouarzazate

OUARZAZATE

Achter Tag: Ouarzazate - Marrakesch

MARRAKESCH

Neunter Tag: Marrakesch

Zehnter Tag: Marrakesch - Taroudant

TAROUDANT

Elfter Tag: Taroudant - Tafraoute

TAFRAOUTE

Zwölfter Tag: Tafraoute - Agadir - Essaouira

AGADIR

ESSAOUIRA

Dreizehnter Tag: Essaouira

Vierzehnter Tag: Essaouira - Casablanca

CASABLANCA

Quellenangaben:

Glossar:

Vorwort

Nach Fernreisen, die lange zurück liegen, wünschte ich mir, einmal Sanddünen-Wüste zu erleben. Ich hatte Bilder und Erzählungen von Marokkos verwinkelten Medinas, prachtvollen Moscheen und Palästen im Kopf und träumte mich auf orientalische Basare und in wild- romantische Bergwelten mit burgenähnlichen Wohnbauten, den Kasbahs.

Im Frühjahr 2011 flog ich nach Marokko und nahm an einer Rundreise teil. Neben dem Erträumten sah und erfuhr ich auch Kontraste zu den Schönheiten des Landes und notierte alles, wie es mir begegnete. Aufzeichnungen entstanden während der Fahrten im Bus sowie abends, nachts oder früh morgens in Hotelzimmern.

Im vorliegenden Buch werden Erlebnisse und Landschaftsbeobachtungen teilweise im Präsens dargestellt, um Leserinnen und Leser möglichst nah an das Geschehen heranzuführen.

Gedichte und Assoziationen, die ich in Münster hinzugefügt habe, sind im Buch kenntlich gemacht.

Quellenangaben und ein Glossar befinden sich am Ende des Buches.

Gabriele Prattki, Münster 2013

Erster Tag: Münster - Casablanca

CASABLANCA

22.30 Uhr

Angekommen in Marokko! Ich sitze auf dem Hotelbett und kann noch gar nicht fassen, dass ich wirklich in Casablanca bin. Der Anreisetag zieht an mir vorüber …

Um sechs Uhr stand ich auf, um acht fuhr der Zug. Verspätung in Köln, doch hatte ich Zeit genug für den nächsten Zug eingeplant. Im Frankfurter Flughafen kam es mir kilometerweit vor, bis ich Pass- und Gepäckkontrollen erreichte. In endlosen Warteschlangen nahm ich all die unterschiedlichen Menschen wahr, Hautfarben, Haarfarben, Frisuren, Kleidung und das Sprachengewirr. Ich liebe dieses Gefühl von „weite Welt ganz nah“.

FRANKFURT – FLUGHAFEN

13.30 Uhr: Gleich bin ich an der Reihe. Endlich Passkontrolle. Jemand zupft mich am Ärmel. “Excuse me.“ Eine kleine Frau in bodenlangem Gewand mit Kopftuch. “Where you go? When? When?“ Die junge Frau neben ihr hat ein auffallend schönes Gesicht. Sie trägt ein hautenges weißes Kleid über einer weißen langen Hose, einen goldenen Gürtel um die schmale Taille und ein großes weißes Kopftuch. Es ist eher ein Schleier.

“To Maroc. At three p.m.“

“In two hours, oh, we in thirty minutes to Djibouti, can we go before you?” Ich bin überrascht. Sie muss die ganze Schlange hinter mir schon gefragt haben. Die junge Frau spielt mit ihrem Schleier, zieht ihn fester ums Gesicht.

“Well, everybody else has been waiting for a long time.”

“Oh, please, you´re good woman, please.” Sie berührt mich am Arm. Ich mag es nicht. Als ich mich umdrehe, sehe ich hier und da ein Achselzucken. Eine Frau sagt: „Bei allen haben sie ´s versucht.“

„Na dann. Okay.“ Ich nicke der älteren Frau zu. Sie bedankt sich überschwänglich. Beide Frauen stellen sich vor mich und werfen sich vielsagende Blicke zu. Ich habe den Eindruck, dass sie gleich anfangen zu kichern und frage mich, ob ich ihr Verhalten frech oder mutig finde. Der Flug nach Djibouti wird auf der nächsten Anzeigetafel für 16 Uhr angekündigt.

15.30 Uhr: Im Flugzeug der Royal Air Maroc mit grünem Stern auf rotem Grund sitze ich neben zwei sehr attraktiven Marokkanerinnen, jung, intelligent und fröhlich, mit denen ich zeitweise ins Gespräch komme. Beide bestätigen, nachdem sie den Ablauf meiner Reise vernommen haben, dass ich eine tolle Reise mit den schönsten Seiten und Sehenswürdigkeiten Marokkos vor mir habe. Als wir über Länder sprechen, die wir bereist haben, erfahre ich, dass beide häufig Urlaub im Ausland machen - Frankreich, Türkei, Kroatien, Italien, - und dass die Ältere als Tochter eines Diplomaten einige Zeit in Kanada gelebt hat. Demnächst wird sie ein Jahr in China verbringen. Beide Frauen sind gerade für sechs Monate in Rumänien gewesen, “for a training“. Was das war, verraten sie mir nicht, weichen meiner Frage elegant aus und sagen, sie freuen sich sehr auf ihre Heimat und das Wiedersehen mit ihren Familien in Rabat. Fließend und mit großer Leichtigkeit sprechen sie Englisch, Französisch, Arabisch - wer weiß, was noch? “By the way, we´ve heard about racism in Germany. A friend - she is from Turkey - has left Germany because people treated her badly. It must have been very hard for her. Is it true that many Germans are racists?“ Die meisten Menschen bei uns seien keine Rassisten, sage ich, aber es gebe zu viele.

Ich erfahre, dass Arabisch von rechts nach links geschrieben und gelesen wird und stelle fest, dass man die arabische bzw. marokkanische Tageszeitung, die mir beim Einsteigen von den Stewards angeboten wurde, nach links aufblättern muss, wenn man nicht mit der letzten Seite anfangen will. Dort sehe ich Fußball, was sonst. Auf der ersten Seite den König von Marokko.

Im Laufe des Fluges verstärkt sich mein Eindruck, die beiden hübschen Marokkanerinnen neben mir könnten Stewardessen sein, da sie mit den Mitgliedern der Crew anscheinend gut bekannt sind. Meine Fantasie macht sie zu entfernten Verwandten des marokkanischen Königshauses, die inkognito in der Business Class fliegen, um einmal unter normalen Menschen und nicht nur bei ihren adligen Langweilern zu sitzen, mit denen sie verkuppelt werden sollen. Die eingeweihte Crew liest ihnen natürlich jeden Wunsch von den Augen ab. Oder sind sie Agentinnen, die in Rumänien eine gefährliche Mission erfüllt haben und nun erleichtert den Heimflug antreten?

Vor einiger Zeit habe ich gelesen, dass Frauen mit langer Hose in einigen Gebieten Marokkos eine Beleidigung bedeuten. Touristinnen sollten sich grundsätzlich mit bedeckten Armen und Schultern zeigen und lange Kleider oder Röcke tragen. Das erzähle ich diesen jungen, modern gekleideten Frauen und frage sie nach angemessener Kleidung. Etwas ungläubig schauen sie mich an und lächeln nachsichtig: "You can wear everything you like.“

Beim Anflug sieht das Land für mich überraschend grün aus. Endlose Flächen in verschiedenen Grün- und Brauntönen, unterschiedlich in Größe und Form: Dreiecke, Rechtecke mit Schrägen, nichts Abgezirkeltes, nichts Gerades. Ein Flickenteppich, Patchwork. Interessant finde ich die andere Sicht auf die Weltkarte am Bordbildschirm: „Unser“ Norden liegt jetzt im Süden bzw. Afrika „oben“ und Europa „unten“ auf der Karte. Jeder Kontinent könnte sich auf diese Weise als Nabel der Welt fühlen.

CASABLANCA

Mein erster Eindruck auf dem Weg vom Flughafen zum Hotel: Slums, dann Wohnhäuser, die von einer Mauer umgeben sind. Manchmal sind davor noch Wälle aus Bäumen oder Sträuchern. Durch Palmenalleen fahren wir, dann vorbei an verfallenden Häusern und Hochhäusern sowie riesigen Neubauten, die sehr dicht neben einander stehen. Quirlige Großstadt, die „weiße Stadt“, und wir sind mitten drin in diesem zehnstöckigen Hotel.

Um 20 Uhr speisen wir an einem festlich gedeckten Tisch des großen Speisesaals. Die jungen Kellner sind nicht nur höflich. Sie lächeln, auch mit den Augen, was ihre Gesichter noch hübscher macht. Sogar die schweren Stühle ziehen sie für uns zurück, wenn wir zum Buffet gehen. Dort warten viele bunte Salate, die zu essen ich mich aber nicht traue, weil ich gelesen habe, dass man nur Gekochtes oder Geschältes essen soll. Es gibt zwei Suppen, Hühnchen in einer köstlich gewürzten Soße, verschiedene Sorten warmes Gemüse und sehr bunt verzierten Nachtisch: Kuchen in winzigen Rechtecken und Pudding.

Über dem Hühnchen sage ich zu meiner Nachbarin: „Ist das lecker! Und alles so schön dekoriert! Ich würde gern wissen, was das alles ist, wie es heißt, was drin ist ...“

„Dann sollten Sie mal nachfragen.“

„Ich kann kaum drei Sätze auf Französisch. Doch unseren Reiseleiter werde ich später fragen.“

„Ja, tun Sie das. Mir kommt er sehr reserviert vor. Sind Sie schon mal mit diesem Reiseveranstalter, gereist?“

„Ja, das ist schon einige Jahre her. Und Sie?“

„Schon häufig. Wir waren vor einem Jahr in Indien. Das war die schönste Reise, die wir bisher erlebt haben. Spitzenmäßig organisiert, wunderbare Begegnungen. Und der Reiseleiter! So ein netter Mensch, herzlich und so fürsorglich! Also, wenn Sie mal ...“

„Ich weiß nicht ... Vor vielen Jahren war ich mal dort und habe mich gar nicht wohl gefühlt.“ „Ja, die extreme Armut, damit muss man zurecht kommen. Wenn einem das gelingt, dann ist Indien ein ganz besonderes Land mit ganz besonderen Menschen und außerordentlichen Schönheiten. Sehr empfehlenswerte Reise!“

Indien, noch immer mein Trauma - Land. Aber das ist eine andere Geschichte. Jetzt bin ich in Marokko.

21.00 Uhr: Draußen höre ich pausenloses Hupen in verschiedenen Tonlagen. Konzert würde ich das trotzdem nicht nennen. Man merkt nicht, dass die Fenster geschlossen sind, so nah und laut sind die Straßengeräusche. Schwül ist es hier wie zuhause im Hochsommer. Mein Kopf brummt, das Leben draußen auch. Samstagabend. Ob solch eine Stadt überhaupt zur Ruhe kommt?

Unser Reiseleiter hat uns davon abgeraten, in die Altstadt von Casablanca zu gehen. Auch wenn wir in die Neustadt gehen, sollten wir keine Wertsachen mitnehmen. Ich habe ohnehin nichts dergleichen dabei. Dem Polyglott-Reiseführer entnehme ich, dass Casablanca das Wirtschaftszentrum Marokkos mit über drei Millionen Einwohnern und Traumstadt westlich orientierter Marokkaner ist. Die Reichen des Landes leben in Villen und besitzen Strandhäuser, während die Landflüchtlinge am Stadtrand in „Kanisterstädten“ leben. Diese bevölkerungsreichste Region des Landes ist auch die mit dem größten sozialen Konfliktpotential. Unter Jugendlichen ist die Arbeitslosigkeit hoch, was wachsende Kriminalität und Hinwendung zu fundamentalistischen Gruppierungen zur Folge hat.

Zweiter Tag: Casablanca - Rabat - Meknès

Zum Frühstück habe ich eine marokkanische, lecker gewürzte Gemüsesuppe mit etwas Reis darin probiert, dazu süßen Thé à la menthe - zuhause soll mir mal einer mit Pfefferminztee kommen, brrr - und ein leicht zimtiges braunes Brötchen. Völlig ungewohnt und überraschend gut.

In unserem Reisebus sitze ich hinter der mittleren Tür rechts. Kann es sein, dass die vordersten Plätze erkämpft wurden? Beim Einsteigen habe ich gefragt, ob wir zum Fotografieren aus dem Bus irgendwann die Plätze tauschen könnten. Oh, das geht aber gar nicht! Denn: „Wir legen doch unsere Sachen an diesem Platz ab, da müssten wir ja ständig umräumen.“ Und: „Da müsse Se sisch bei de nekste Reise frühe anstelle.“

Die Sonne hält sich zur Zeit bedeckt. Dichte graue Wolken begleiten uns. Auf der Fahrt von Casablanca zur etwa hundert Kilometer entfernten Hauptstadt Rabat fahren wir an Feldern und Wiesen vorbei. Das muss die Gegend sein, die ich aus dem Flugzeug gesehen habe: Patchwork. „Hier gibt es viel Landwirtschaft, ja?“, erklärt Mohamed, unser marokkanischer Reiseleiter in perfektem Deutsch, wobei er das „ja?“ ganz kurz ausspricht und die Stimme fragend anhebt. „Getreide, Gemüse, Zitrusfrüchte, Wein. Der Norden ist sehr fruchtbar.“ In geringer Entfernung zur Straße liegen viele ärmliche Behausungen im Regennebel.

Unser Busfahrer heißt - „Raten Sie mal.“ - auch Mohamed, wie die meisten Männer und Jungen im Land, und wird uns vom Reiseleiter als langjährig erfahren vorgestellt. Er lebt mit seiner Familie in Taroudant. Der dunkelhäutige Begleiter, zuständig für die Sauberkeit im Bus, heißt Mose und kommt ebenfalls aus dem Süden Marokkos. Er wird immer nachzählen, ob wir alle da sind, bevor er das Zeichen zur Weiterfahrt gibt. Wir erfahren, dass seine Vorfahren schwarzafrikanische Sklaven waren. Dann stellt sich unser Reiseleiter vor. „Also, ich bin Mohamed und komme aus Agadir, ja? Dort lebe ich mit meiner Frau und zwei kleinen Töchtern, zwei und vier Jahre alt ...“

„Eine Frau oder mehrere?“, ruft jemand aus der Gruppe.

„Eine. Ein Unheil reicht. Sagt man so bei Ihnen?“

„Häm, hm“, kommentiert vorn eine Frauenstimme, während einige Männer lachen.

„Aber das war jetzt ein Scherz, ja? Ich bin 45 Jahre alt, habe Germanistik und Deutsche Geschichte studiert und bin seit 1992 Reiseleiter. Ich werde Ihnen in den nächsten Tagen einiges über Marokko erzählen, ja? Also über Familie, Schulen, Wirtschaft, Islam und so weiter. Außerdem jeden Morgen einen Witz - zum Wachwerden.“

RABAT,