Ein treuer Diener seines Herrn - Franz Grillparzer - E-Book

Ein treuer Diener seines Herrn E-Book

Franz Grillparzer

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Beschreibung

Für dieses Drama orientierte sich Grillparzer an verschiedenen historischen Stoffen und schuf eine spannende Geschichte voller Eifersucht und Rachegelüsten.Der betagte Adlige Bancbanus kommt dem letzten Willen seines Freundes nach: Er heiratet dessen Tochter Erny und verspricht, sie zu beschützen. Herzog Otto von Meran ist die Ehe ein Dorn im Auge, denn er hegt leidenschaftliche Gefühle für Erny. Sie jedoch steht seinen Verführungsversuchen ablehnend gegenüber. Mit der Hilfe seiner Schwester Königin Gertrude entführt Otto seine Angebetete und löst damit eine Reihe tragischer Ereignisse aus. -

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Franz Grillparzer

Ein treuer Diener seines Herrn

Trauerspiel in fünf Aufzügen

Saga

Ein treuer Diener seines Herrn

 

Coverbild/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1830, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726997347

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Personen:

König Andreasvon UngarnGertrude, seine GemahlinBela, beider KindHerzog Otto von Meran, der Königin BruderBancbanusErny, seine FrauGraf Simon, Bruder des BancbanusGraf Peter, Ernys BruderDer Hauptmanndes königlichen SchlossesZwei Edelleutevon Herzog Ottos GefolgeMehrere HauptleuteEin königlicher KämmererEin ArztEine Kammerfrau der KöniginErnys KammerfrauZwei Dienerdes BancbanusZwei Dienerder KöniginEin Soldat

Erster Aufzug

Saal in Bancbanus' Hause. Hohe Bogenfenster, altertümliches, unscheinbares Geräte schicklich verteilt. Lichter auf dem Tische. Vor Tagesanbruch.

Bancbanus im Vorgrunde am Tische stehend. Zwei Diener sind beschäftigt ihn anzukleiden. Der eine hält den Kalpak, der andere kniet, die Sporne befestigend.

Von der Straße herauf(tönt unter Geschrei, Gelächter und Händeklatschen).

Bancbanus! Ho, Bancbanus!

Bancbanus.

Der Sporn da drückt!

Erster Diener.

Ach Herr!

Bancbanus.

Bei toll und unklug!

Du ziehst ja fester an! Laß nach! laß nach!

Erster Diener.

Man weiß kaum, was man tut!

Bancbanus.

So schlimmer denn!

Erster Diener.

Der Lärm –

Bancbanus.

Was nur?

Erster Diener.

Dort unten auf der Straße –

Bancbanus.

Was kümmert dich die Straße? Sieh du hier!

Ein jeder treibe, was ihm selber obliegt,

Die andern mögen nur ein Gleiches tun.

Gesang(zur Zitherbegleitung auf der Straße).

Alter Mann

Der jungen Frau,

Ist er klug,

Nimmt's nicht genau!

Viele Stimmen(unter Lärm und Gelächter).

Bancbanus! Ho Bancbanus!

Erster Diener(die Faust vor die Stirn gedrückt).

Daß Gift und Pest!

Bancbanus(der mittlerweile den Gürtel umgebunden hat).

Den Säbel nun!

Erster Diener.

Ach Herr!

Ihr wolltet?

Bancbanus.

Was?

Erster Diener(den Säbel halb ausgezogen).

Den Säbel aus der Scheide,

Das Tor geöffnet, wir da hinter Euch,

Hineingesprengt ins höhnende Gelichter,

Und – hui! – wo waren sie?

Bancbanus.

Bist du so kriegrisch?

Ich will dir einen Platz im Heere suchen!

Hier wohnt der Frieden; ich bin nur sein Mietsmann,

Sein Lehensmann, sein Gast.

Verhüte Gott, daß er mich lärmend finde,

Und Miet' und Wohnung mir auf Unzeit künde!

Die Narrenteidung laß, und gib den Säbel.

(Er gürtet ihn um.)

Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl,

Zückt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl;

Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt,

Auch in der Fremde nicht vom Finger legt.

Der Säbel an der Hüfte soll nur kunden,

Daß Ungar und Gefahr wie Mann und Frau verbunden.

Nu, nu, laß nur und geh!

Erster Diener.

Ach Herr, mein Herr!

Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenster!

Bancbanus.

So mach es auf; die Scheiben kosten Geld;

Sind sie geöffnet, schaden keine Würfe.

Den Kalpak reiche du, ich muß aufs Schloß.

Der König will mit Tagesanbruch fort.

Was ist die Glocke?

Zweiter Diener.

Vier Uhr!

Bancbanus.

Hohe Zeit.

Sieh du nach meiner Frau.

Erster Diener(am Fenster).

Dort stehen sie!

Bancbanus.

Laß stehn! laß stehn!

Erster Diener.

Der Prinz inmitten drin.

Bancbanus.

Was Prinz?

Erster Diener.

Ich hab's gesehn!

Bancbanus(mit halb gezücktem Säbel).

Gesehen, Schuft?

Hätt' ich's gesehn mit diesen meinen Augen,

Weit eher glaubt' ich, daß ich wachend träume,

Als Übles von dem Schwager meines Herrn!

Geh fort! – Muß ich hier toben wie ein Fant,

Scheltwort' ausstoßen – und – bei toll und unklug! –

Ein Rat des Königs! – Nu, ein feiner Rat!

Ei wollt' ich doch, du wärst auf Farkahegy.

Zwölf Steine über dir! – Ei, dies und das!

Geh sag ich, geh! Ich will nicht weiter sprechen.

(Dienerin kommt mit einem Becher.)

Was bringst nun du?

Dienerin.

Den Frühtrunk, gnäd'ger Herr!

Bancbanus.

Setz immer hin! – Ist meine Frau schon wach?

Dienerin.

Ja wohl!

Bancbanus.

Jawohl? – Warum denn kommt sie nicht?

Ja wohl ist zweimal ja; wenn zweimal wach denn,

So sollte sie doch mindstens einmal kommen!

Ja wohl! Gott segne mir die Redensarten!

Ein andermal sprich. Ja! Nun also denn!

Warum nur kommt sie nicht?

Dienerin.

Ich sollte fragen,

Ob Ihr erlaubt?

Bancbanus.

Ich gebe mich gefangen!

Die Torheit, merk ich, steckt, wie Fieber, an.

Ob ich erlaube, frägt sie? Guter Gott!

Soll ich erlauben, und hab nie verwehrt!

(Erny erscheint an der Türe.)

Ei, Erny, grüß dich Gott! Was ficht dich an?

Läßt du durch Kämmrer mich um Einlaß bitten?

Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind!

Mach mir nichts Neues, bitt ich dich gar sehr!

Erny(nach vorn kommend).

So zürnt Ihr nicht?

Bancbanus.

Warum denn? – Ja, dort unten?

Die Straße, Kind, ist jedermanns Gemeingut.

Wir haben sie nicht herbestellt, wir können,

Genaugenommen, ihnen's auch nicht wehren.

Ob's gleich nicht artig ist, so früh am Tage

Die Schläfer schon zu stören durch Gesang.

Erny.

Doch wißt Ihr denn auch, wer? –

Bancbanus.

Ich mag's nicht wissen.

Erny.

Gertrude sagt, – der Prinz –

Bancbanus.

Nu, sei's darum!

Der gute Herr hat Muße, laß ihn schwärmen!

Gesang(auf der Straße).

Schön Erny, lieb und gut,

Verschläfst dein junges Blut,

Vermählest ohne Scheu

Dem Winter deinen Mai.

Viele Stimmen.

Bancbanus! Ho Bancbanus!

Bancbanus(der während des Gesanges den Becher ergriffen und getrunken hat).

Der Mittlere singt falsch, und hält nicht Takt.

Daß Gott! Ein schlechtes Lied verdirbt die reinste Kehle!

Erny.

Ha, Scham und Schmach!

Bancbanus.

Für wen? Mein liebes Kind!

Nur eine Schmach weiß ich auf dieser Erde,

Und die heißt: unrecht tun!

Erny.

Allein, die Worte!

Des argen Liedes Worte, die sie sangen.

Bancbanus.

Ich achtete nicht drauf und rate dir ein Gleiches.

Der Vorzug ist's der Worte vor den Taten,

Sie schäd'gen nur, wenn man sich ihnen leiht.

Nun laß von anderm uns, von Nöt'germ sprechen.

Der König zieht nach Halisch mit dem Heer,

Des Reiches alte Rechte zu bewahren;

Mit Tagesanbruch will er heute fort,

Ich bin beschieden, samt den andern Räten,

Zu hören noch sein königlich Gebot.

Ich geh aufs Schloß.

Erny.

Wie? jetzt?

Bancbanus.

Warum denn nicht?

Erny.

Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen

Umlagert steht?

Bancbanus.

Mein Kind, gib dich zufrieden!

Die lauten Kläffer scheu ich nicht zumeist!

Ich geh in meines Königs Dienst und Auftrag;

Und dann: hätt' ich dies Haupt an sechzig Jahre

Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne,

Damit ein junger Fant sich mutig fühlte,

Zu mehr, als drauß zu lärmen vor der Tür?

(Auf die Brust schlagend.)

Sei ruhig, Kind, mein Wächter geht mit mir.

Ich also will nach Hofe. Du indes,

Wenn's anders dir gefällt, zieh dich zurück

Ins Innere des Hauses, hörst du wohl?

Verlischt das Licht hier, und ermangelt Antwort,

So wird der Poltrer seines Polterns satt

Und geht zuletzt von selbst. Willst du, mein Kind?

Erny.

Wie gern!

Bancbanus.

Nun denn, leb wohl! Noch einen Kuß!

Doch nein! So aufgeregt, das hieße rauben,

Komm ich zurück, so gibst du ihn wohl selbst!

Erny(in seine Arme eilend).

Mein Gatte!

Geschrei(auf der Gasse).

Bancbanus! Ho Bancbanus!

Bancbanus.

Lärmet, lärmt nur zu!

(Die Hand auf Ernys Herz legend.)

Wenn's ruhig hier,

(auf seine eigne Brust)

ist hier auch alles Ruh'.

(Geht ab. Die Diener folgen.)

Erny(bleibt in horchender Stellung, nach der Türe gekehrt, stehen).

Er geht. – Nun sind sie still! Horch! – Es war nichts!

Kammerfrau(die ein Licht ergriffen hat).

Beliebt's Euch, gnäd'ge Frau?

Erny.

Ja so! – ich komme!

(Zum Gehen gewendet.)

Sonst war der Prinz doch artig, scheu vielmehr.

Was sah er wohl an mir, das ihm zu solchem

Tolldreistem, frevlem Treiben gab den Mut?

Komm, komm, wir wollen noch ein Stündchen schlafen!

(Geht ab, die Kammerfrau mit dem Lichte voran.)

Straße vor Bancbanus' Hause.

Otto von Meran, und Edelleute von seinem Gefolge. Sie halten zum Teile musikalische Instrumente.

Erster Begleiter.

Das Licht verschwindet oben in der Kammer.

Otto.

Beachtet man so wenig unser Tun?

Schlag einer an das Tor, und jubelt laut!

Ich will ihn reizen, will! und gält's das Ärgste!

Erster Begleiter(am Tore horchend).

Der Riegel klirrt, man dreht den Schlüssel, Herr!

Der Feind tut einen Ausfall, wie es scheint.

Otto.

Zieht euch zurück, und harret, was geschieht.

(Sie ziehen sich zurück. – Das Tor wird geöffnet. Bancbanus tritt heraus, vor ihm ein Diener mit einer Fackel.)

Bancbanus(zum Pförtner).

Verschließ das Tor genau und öffne niemand,

Bis ich zurückgekehrt. Hörst du? – Nun gut!

(Das Tor wird geschlossen.)

Erster Begleiter(leise).

Es ist Bancbanus selbst!

Zweiter Begleiter.

Er geht nach Hofe.

Otto.

Gebt ihm noch einen Ärger auf den Weg!

Erster Begleiter(laut).

Der Dachs fährt aus dem Bau!

Otto.

Windhunde vor!

Erster Begleiter.

Melamp!

Zweiter Begleiter.

Garzaun!

Erster Begleiter.

Baff, baff!

Zweiter Begleiter.

Bau, bau!

Diener.

Seht Ihr?

Im Finstern stehen sie!

Bancbanus.

Was kümmert's dich?

Geh mit dem Licht voran, und leuchte! Fort!

(Quer über die Bühne gehend, ab.)

Otto(nach vorn kommend).

Er ist nicht aufzubringen, nicht zu ärgern,

Was ich beginn, er spottet meiner Wut!

Ich will ihm nach, ich will ihn stehen heißen,

Ihm lachen in sein glotzend Angesicht;

Ihr werdet sehn, die hochgekniffnen Brauen,

Sie senken sich um keines Haares Breite;

Die Falten alle seiner Lederhaut,

Sie bleiben, wie sie Zeit und Stumpfheit bogen.

Ich zupf ihn an dem Bart, er merkt es nicht!

Ich ras und tob, er aber fragt: Was nun?

Setzt mich nach Frankreich, bringt nach Welschland mich!

Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen hütet,

Er mische Gift, er sende Mörder aus!

Den Todesdolch in der durchstoßnen Brust,

Will sterbend ich ihm sagen: wohlgetan!

Doch dieser Gleichmut foltert, martert mich!

Bringt Licht! ich will mein Toben sehn!

Erster Begleiter.

Allein

Bedenkt, erlauchter Herr!

Otto.

Bedenken? was?

Erster Begleiter.

Die Nachbarschaft!

Otto.

Ich lache dieser Tröpfe!

Ist meine Schwester Königin im Land,

Daß ich viel fragen soll nach Brauch und Sitte?

Ich wollt' ihn ärgern; seht, das war der Punkt!

Ihn, der die Jagd mir hemmt, die Lust verdirbt.

Was kümmert mich sein Weib mit ihrem blonden Haar?

Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemischt;

Mit ihrem Antlitz, weiß und weiß und weiß,

Kaum auf den Wangen rötlich überstrahlt.

Schön ist sie wohl! – Wenn dieses blaue Auge,

So ernst und schroff, und doch so feurig auch,

Wenn's je – Ich sage dir, ich hab's gesehn,

Wie sie im vollen Kreis des ganzen Hofes

Die teilnahmsvollen Augen, blau und groß,

Nach mir hin richtete, minutenlang,

In starrer, wohlgefälliger Betrachtung.

Von mir ertappt, von meinem Blick begegnet,

Zog sie den ihren nicht verstohlen ab;

Nein noch verweilend, wie ein kühner Feind,

Der nicht den Rücken kehrt, und langsam weicht,

Ertrug sie die Begegnung, und erst spät,

Willkürlich, nicht gezwungen, kehrte sie

Von mir den frost'gen Strahl. Es war nicht Liebe,

Ich geb es zu; doch Wohlgefallen war's.

Allein, was kümmert's mich? Was frag ich viel

Nach ihr und ihrem Blick? Noch andre Weiber,

Und schönre Weiber gibt's, und minder spröde,

Mich reizt es nicht, zu schmelzen diesen Schnee,

Zu Eis gedämmt in ihres Mannes Gletschern;

Den Mann zu ärgern gilt's, der meiner Werbung

Durch seine Sicherheit zu spotten scheint.

Was sonst sich gibt, als Zutat nehm ich's hin;

Reicht mir die Zither! Noch den letzten Sturm.

(Der Hauptmann des königlichen Schlosses tritt auf, von einem Diener begleitet.)

Hauptmann(zum Herzog).

Wo weilt der Herzog Otto von Meran?

Ist er zugegen?

Otto.

Nein!

Hauptmann(zum Gefolge gewendet).

Man sagte doch –

(Ottos Begleiter weisen schweigend auf ihren Herrn.)

Hauptmann(zu Otto zurückkehrend).

Verzeiht, ich kannt Euch nicht, die Schatten trügen!

Otto.

Ich muß doch selber wissen, wo ich bin!

Der Herzog ist nicht hier; er will nicht hier sein!

Hauptmann.

Doch sendet mich die Kön'gin, Eure Schwester.

Otto.

O Schwesterliebe, lästig schon als Liebe!

Was will sie denn, die Schwester, stets besorgt?

Hauptmann(halb leise).

Sie läßt Euch bitten, eilig heimzukehren.

Der König will zur Stunde fort. Sie hofft

Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und

Das Äußerste, das Letzte zu versuchen,

Um ihren Wunsch, sich Euch, solang er fern,

Beizugesellen in des Reichs Geschäften,

Beim Abschied zu erlangen. Zwar sie zweifelt.

Doch sollt Ihr heim, damit, wenn's doch gelänge,

Ihr Euch beflissen zeigt, durch kluge Worte

Befestiget den Eindruck, den sie hofft.

Otto.