Ein Vampir für jede Jahreszeit - Lynsay Sands - E-Book

Ein Vampir für jede Jahreszeit E-Book

Lynsay Sands

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Beschreibung

Die Argeneaus - die sympathischste Vampirfamilie der Welt! Mit viel Charme und Humor finden weitere Mitglieder des Vampirclans die wahre Liebe ihres unsterblichen Lebens. Katricia Argeneau wird mit dem schüchternen Polizeichef Teddy Brunswick in seiner Blockhütte eingeschneit - und die beiden haben viel Zeit, ihre Gefühle füreinander zu entdecken. Mirabeau LaRouche hingegen hätte niemals damit gerechnet, bei einem Auftrag, der sie in den schmutzigen Untergrund New Yorks führt, auf Ihren Seelenpartner zu treffen ... Zwei Stories rund um die Argeneaus - erstmals zusammen in einer Anthologie: »Ein Vampir unterm Weihnachtsbaum« und »Ein Vampir zum Valentinstag«! Inklusive der noch nie vorher veröffentlichten Bonusgeschichte: »(K)ein Bund fürs Leben«!

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Seitenzahl: 408

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LYNSAY SANDS

Ein Vampir

für jede Jahreszeit

Ins Deutsche übertragen von

Katrin Reichardt

Ein Vampir unterm

Weihnachtsbaum

1

Als Teddy aufwachte, stellte er fest, dass er sich über Nacht wie ein Maulwurf unter der Bettdecke eingegraben hatte und fror. Das war seltsam, denn normalerweise strampelte er im Schlaf immer die Laken weg, und kalt war ihm beim Aufwachen eigentlich auch nie.

Anscheinend war die Heizung ausgefallen. Er warf die Decke von sich, setzte sich auf und sah sich um. Im grellen Sonnenlicht, das von draußen ins Zimmer flutete, konnte er sehen, wie sich bei jedem Atemzug ein Wölkchen vor seinem Mund bildete.

Oh ja, die Heizung war definitiv aus. Er zog eine Grimasse, schwang sich aus dem Bett und eilte durch den Flur. Der Teppich unter seinen Füßen fühlte sich kalt an. Am Ende des Korridors lag der weitläufige Hauptraum des Hauses, eine Kombination aus Wohnzimmer, Küche und Esszimmer. Die linke, mit Teppich ausgelegte Hälfte bildete den Wohnbereich. Dort standen zwei Sessel, ein Sofa und eine Schrankwand mit einer Heimkino- und Musikanlage. Außerdem gab es einen offenen Kamin. Die rechte Hälfte war gekachelt und beherbergte die Küche und den Essbereich.

Auf dem Weg zum Wandthermostat warf Teddy automatisch einen Blick auf die Digitaluhr am Herd. Irritiert stellte er fest, dass die Anzeige nicht funktionierte, und blieb stehen. Auch das Display des DVD-Players unterm Fernseher war tot. Teddy ahnte schon, was los war. Probeweise betätigte er den Lichtschalter und war kaum überrascht, als nichts geschah. Nicht nur die Heizung war ausgefallen, sondern die komplette Stromversorgung.

»Na toll«, murmelte er verärgert und machte sich auf den Weg zurück ins Schlafzimmer. Im Cottage war es jetzt schon unangenehm kalt, und durch den Stromausfall würde es noch schlimmer werden. Wenn er weiter so – bloß im Schlafanzug und barfuß – im Flur herumstand, verschwendete er nur sinnlos Körperwärme. Also beschloss er, sich schnell anzuziehen und sich dann ein warmes Örtchen in der Stadt zu suchen, von dem aus er sich bei Marguerite melden und sie fragen konnte, wer für die Behebung des Stromausfalls zuständig war.

In einer Ecke des Schlafzimmers, das er für sich ausgewählt hatte, stand ein Stuhl, auf dem er seinen Koffer abgestellt hatte. Teddy klappte den Deckel auf und nahm sich das dickste Paar Socken heraus, das er finden konnte – und zur Sicherheit noch ein weiteres. Er ging mit den Socken in der Hand zum Bett, sah dabei zufällig aus dem Fenster und blieb jäh stehen.

Bei seiner Ankunft gestern Abend war es bereits dunkel gewesen, und im Scheinwerferlicht des Wagens hatten die vereisten Äste der Bäume und der hohe Schnee links und rechts der Einfahrt wunderschön ausgesehen und wie Edelsteine geglitzert. Doch heute wirkte die Landschaft schon nicht mehr so bezaubernd. Missmutig stellte er fest, dass über Nacht mindestens ein halber Meter Neuschnee gefallen war. Sein Pick-up war nur noch ein Schneehaufen in der Einfahrt.

»Mist«, fluchte er leise und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was war nun zu tun? Warm anziehen, eine Schaufel suchen, seinen Truck ausgraben, dann in die Stadt fahren und dort ein warmes Café suchen, wo es gemütlicher war als hier, und von dem aus er Marguerite anrufen konnte.

Oder sollte er sie lieber gleich verständigen? Inzwischen war Teddy mit den Socken fertig und zog nun Jeans und Pullover über seinen Schlafanzug. Die Einfahrt freizuschaufeln, würde sicher eine ganze Weile dauern, und wenn er jetzt gleich anrief, wäre derjenige, der den Stromausfall beheben konnte, wahrscheinlich schon hier, ehe Teddy die Räumarbeiten beendet hätte.

Ja, dieser Plan war besser. Also zog sich Teddy fertig an und eilte in die Küche, wo er sein Telefon abgelegt hatte. Am Vorabend hatte er es noch ans Ladegerät angeschlossen. Dummerweise schien der Strom bereits kurz danach ausgefallen zu sein, denn die Ladestandanzeige war inzwischen weiter gesunken. Als er das Handy einschaltete, piepste es noch einmal warnend und ging dann aus.

Knurrend schob Teddy es in die Hosentasche, zog Mantel, Schal und Stiefel an, nahm sich seine Handschuhe und öffnete die Küchentür. Die Wohnräume im Cottage waren schon kalt, aber im Windfang herrschten erst recht eisige Temperaturen. Missmutig verzog er das Gesicht, blieb aber nicht stehen, sondern nahm sich schnell die Schaufel, die an der Wand lehnte, und eilte nach draußen.

Sobald er von der Veranda trat, steckte er knietief im Schnee. Er stapfte durch das pulvrige Weiß zum Pick-up, lehnte die Schaufel gegen den Truck und wischte den Schnee dann so lange vom Auto, bis er den Griff der Seitentür gefunden hatte. Er würde den Wagen starten, das Handy am Zigarettenanzünder laden und die Heizung aufdrehen, damit die Scheiben schon mal abtauen konnten, während er den Rest des Autos freilegte. Dummerweise hatte er die Wagentür am Vorabend abgeschlossen, und nun war das Schloss eingefroren – und den Enteiser hatte er, als er alles für seinen Trip zusammengepackt hatte, achtlos ins Handschuhfach geworfen – dort lag er noch immer. Er seufzte und ärgerte sich, dass er vergessen hatte, ihn mit ins Haus zu nehmen.

»Heute ist nicht mein Tag«, knurrte er und blickte zur Straße hinüber. Die schmale Auffahrt des Hauses wand sich unter einigen Bäumen entlang und gewährte den Bewohnern ein Maximum an Privatsphäre. Leider war sie aber auch sehr lang, und an einem Tag wie heute war das zweifellos ein Nachteil. Den Weg freizuschaufeln, würde Stunden dauern. Allerdings durfte Teddy darauf hoffen, dass ihm diese Arbeit erspart bliebe und er nur sein Auto und die unmittelbare Umgebung freischippen musste, denn Marguerite hatte erwähnt, dass die Bezirksverwaltung für die Räumung der Straßen verantwortlich war und es außerdem einen Hausmeister gab, der unter anderem die Einfahrt des Cottages frei hielt und sich auch sonst um alle anfallenden Arbeiten rund um das Haus der Willan-Schwestern kümmerte.

Bis die Straßen wieder geräumt waren und der Hausmeister herkommen konnte, um für die Einfahrt zu sorgen, wäre hoffentlich auch das Türschloss aufgetaut. Das Beste war wohl, erst einmal Feuerholz aus dem Schuppen zu holen, den Kamin im Wohnzimmer anzuzünden und sich etwas aufzuwärmen, während er wartete.

Aber ein Kaffee am Feuer wäre doch zu schön, dachte Teddy und spähte wieder sehnsüchtig in Richtung der Straße. Was war bloß mit dem Strom los?

Ihm lag es nicht, tatenlos herumzusitzen und auf Rettung zu warten. Also machte er sich auf und kämpfte sich die Auffahrt hinab. Er würde sich nur kurz eine Übersicht über die Lage verschaffen. Wenn die Straße frei wäre, würde er wieder umkehren, ein Feuer machen und auf den Hausmeister warten. Und wenn sie nicht geräumt war … na ja, er hoffte einfach darauf, dass dem nicht so wäre.

Der Weg zur Straße zog sich schier endlos hin. Als er endlich das Ende der Auffahrt erreicht hatte, war Teddy verschwitzt und außer Atem. Nach dem anstrengenden Marsch taten ihm außerdem die Knie weh – vor vierzig oder zwanzig Jahren wäre das noch ganz anders gewesen. Alt zu werden war wirklich furchtbar, dachte er bei sich und begutachtete missgelaunt die verschneite Straße. Sie war nicht geräumt worden, zumindest nicht bis zum Cottage. Schon in drei Metern Entfernung war sie nicht mal mehr zu erkennen.

Er überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Sein Magen knurrte, die Beine schmerzten vom Ausflug in den Schnee, sein Mund war ganz ausgetrocknet und er schwitzte stark. Sein Gesicht dagegen brannte schon vor Kälte. Er zog den Schal weiter vors Gesicht, um sich vor den niedrigen Temperaturen zu schützen, und zwang sich dann weiterzugehen. Nur noch drei Meter, dachte er. Er würde nur noch um die nächste Kurve marschieren, um einen Blick auf die Straße zu werfen, und dann wieder ins Haus zurückkehren und den Kamin anzünden.

Als er die Abzweigung erreichte, wünschte Teddy, er hätte sich die Mühe erspart. Der Anblick der verschneiten Straße, die sich bis zum Horizont schlängelte, war einfach deprimierend. Sie war nicht geräumt, und so wie es aussah, würde es auch noch eine ganze Weile so bleiben. Entweder hatte es in der vorherigen Nacht neben dem Schneefall auch noch gestürmt, oder aber einige ältere Bäume hatten unter der Schneelast nachgegeben. Jedenfalls waren mindestens zwei auf die Straße gestürzt, der erste nur etwa drei Meter von seinem Standort an der Kurve entfernt, der zweite lag weiter weg. Sie müssten erst weggeschafft werden, ehe die Schneepflüge die Straße räumen könnten.

Die abgeknickten Bäume hatten Stromleitungen mitgerissen und so auch den Stromausfall verursacht. Der würde sich also nicht so schnell beheben lassen. Es sah ganz danach aus, als müsse er noch eine ganze Weile ohne Elektrizität auskommen – vorausgesetzt, dass er hierbliebe, dachte er seufzend. Vielleicht sollte er, sobald die Bäume entfernt und die Straßen frei wären, sofort kehrtmachen und die sechsstündige Rückfahrt nach Port Henry antreten.

Die Vorstellung bedrückte ihn. In zwei Tagen war Weihnachten – und um diese Jahreszeit versuchte Teddy, Port Henry so gut es ging zu meiden. Darum war er ja auch hier herausgefahren und hatte das Cottage gemietet. In Port Henry wussten alle, dass er keine Familienangehörigen mehr hatte, mit denen er die Feiertage verbringen konnte, und luden ihn darum zu sich ein. Wäre er in der Stadt geblieben, dann hätte er eine dieser Mitleidseinladungen annehmen müssen. Der Gedanke, Weihnachten als Fremdkörper in einer Familie zuzubringen, die ihn nur aus Barmherzigkeit bei sich aufnahm, deprimierte ihn.

Er schüttelte den Kopf und wollte sich gerade wieder auf den Rückweg machen, als er unter den Bäumen an der gegenüberliegenden Seite der Auffahrt eine Person entdeckte. Sie trug einen hellroten Skianzug und starrte ihn völlig bewegungslos aus dem Schatten der Bäume an. Sie war so dick vermummt, dass sich schwer beurteilen ließ, ob es sich um eine Frau, einen schlanken Mann oder einen Jugendlichen handelte. Doch dass beunruhigte Teddy nicht so sehr wie die absolute Starre dieser Person. Er spürte ein nervöses Kribbeln im Nacken. Dann schlug die Person die Kapuze zurück und Teddy erkannte, dass er es mit einer hübschen, jungen Blondine zu tun hatte. Sie lächelte ihn fröhlich an.

»Hallo, Sie müssen mein Nachbar sein«, begrüßte sie ihn freundlich und kam auf ihn zu.

»Sieht ganz so aus«, entgegnete Teddy und musste unwillkürlich lächeln. Er ging ihr entgegen und erklärte mit einem Nicken nach der Auffahrt hin: »Ich habe das Willan-Cottage über die Feiertage gemietet.«

»Und ich bin im Haus nebenan«, entgegnete sie und wies mit dem Daumen hinter sich. »Es gehört meinem Cousin Decker.«

Teddy spähte über ihre Schulter und konnte jenseits der kahlen Bäume ein großes Ferienhaus erkennen. Mit einem ironischen Lächeln sagte er: »Wir haben uns wohl einen ungünstigen Zeitpunkt ausgesucht, um hier herauszukommen.«

Schmunzelnd schüttelte sie den Kopf. »Ein bisschen Schnee hat noch niemandem geschadet. Es wird ja außerdem bald geräumt werden.«

»Da wär ich mir nicht so sicher«, entgegnete Teddy. »Einige Bäume sind umgekippt, und einer hat die Stromleitung gekappt. Es dürfte ein Weilchen dauern, das wieder in Ordnung zu bringen.«

»Mist«, hauchte die Blondine, während sich ihre sorglose Miene verfinsterte. »Jemand wollte vorbeikommen und mir … Proviant bringen.«

»Dann sitzen wir im selben Boot«, erklärte Teddy. »Ich hatte eigentlich vor, gestern noch etwas einzukaufen, aber dann habe ich so viel Zeit in einem Geschäft für Anglerbedarf in Vaughan und in einigen Antiquitätenläden verbracht, dass ich zu spät hier ankam und die Besorgungen auf heute verschoben habe. Keine gute Idee, wie sich herausgestellt hat«, gestand er kopfschüttelnd und meinte noch: »Aber ich komme schon klar. Ich hab einen Kamin und eine Menge Feuerholz. Frieren muss ich zumindest nicht.«

Die Frau spähte nach der Straße und rang sich dann ein Lächeln ab, obwohl Teddy ihr die Beunruhigung ansehen konnte. »Ich habe etwas zu essen. Sie sind eingeladen.«

»Ich dachte, Sie warten auf eine Proviantlieferung?«, fragte er verwundert.

Sie wandte kurz den Blick ab, lächelte dann aber gleich wieder strahlend und erklärte: »Ich habe getrocknetes Essen und Dosen, aber jemand sollte heute noch frisches Obst und Gemüse und solche Sachen vorbeibringen. Und Kraftstoff für den Generator.«

»Sie haben einen Generator?«, fragte Teddy und horchte auf.

Sie nickte und verzog dann das Gesicht. »Leider läuft er momentan nicht. Ich wurde schon vorgewarnt, dass der Tank fast leer wäre, aber ich hab mich darauf verlassen, dass heute Nachschub käme. Als letzte Nacht der Strom ausfiel, muss sich der Generator automatisch eingeschaltet haben, und vor einigen Minuten ist er dann stehengeblieben. Darum bin ich auch hergekommen. Ich wollte nach dem Boten Ausschau halten.« Mit einem Blick auf die Straße fügte sie hinzu: »Aber die Lieferung wird wohl in nächster Zeit nicht kommen.«

»Nein«, pflichtete ihr Teddy bei und überlegte, wie lange es wohl ohne den Generator in ihrem Haus warm bliebe. Bestimmt nicht sehr lange. Er war gerade im Begriff ihr anzubieten, doch zu ihm zu kommen, als sie sich nach ihm umwandte und verschmitzt lächelnd erklärte: »Ich habe also Essen, aber keine Heizung – und Sie haben zwar Feuerholz, aber kein Essen. Sollen wir teilen?«

Irgendwie wirkte ihr Lächeln angespannt, aber Teddy schob es darauf, dass die arme Frau mitten im Wald mit einem Wildfremden gestrandet war. Sie hatte schließlich keine Ahnung, wer er war und allen Grund zur Sorge. Er hätte ja auch ein Axt schwingender Mörder sein können.

»Das hört sich vernünftig an, junge Frau. Aber dann sollte ich mich vielleicht erst einmal vorstellen.« Er streckte ihr die behandschuhte Hand hin. »Mein Name ist Theodore Brunswick. Ich bin Polizeichef in einer kleinen Stadt namens Port Henry. Das liegt südlich von hier.«

Sie starrte ihn für einen Augenblick ausdruckslos an. Dann strahlte sie. »Das ist so süß von Ihnen.«

Teddy fragte sich verwundert, was denn so süß daran sein sollte, Polizeichef von Port Henry zu sein. Gut, die Stadt war ziemlich klein, aber -

»Sie versuchen mich zu beruhigen, damit ich mich nicht von Ihnen bedroht fühle. Das ist so nett von Ihnen. Vielen Dank.«

»Oh«, machte Teddy nur und fühlte, wie seine Gesichtshaut schon wieder brannte. Diesmal lag es allerdings nicht an der Kälte. Er errötete wie ein Schuljunge. Wie peinlich, hoffentlich hielt sie seine roten Wangen für eine Folge des Frosts. Er gab ihre Hand frei und murmelte rechtfertigend: »Na ja, heutzutage können junge Frauen nicht vorsichtig genug sein. Ich wollte nicht, dass Sie mich möglicherweise für gefährlich halten und sich Sorgen machen.«

»Sie haben ja so recht«, stimmte sie fröhlich zu und bemerkte dann: »Allerdings stellen sich Vergewaltiger oder Serienkiller selten als solche vor. Eigentlich ist es sogar die beste Masche, sich als Polizist auszugeben und das Mädchen auf diese Weise in Sicherheit zu wiegen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.«

Teddy riss die Augen auf und erklärte verdrießlich: »Ich habe meine Marke im Haus. Ich kann sie Ihnen zeigen und auch meine Waffe und –« Sie kicherte, und er unterbrach sich.

»Ist schon gut, ich glaube Ihnen«, beteuerte sie grinsend. »Warum machen Sie nicht schon mal Feuer? Ich hole uns inzwischen was zu essen.«

»Klingt nach einem guten Plan«, brummte Teddy irritiert. Irgendetwas an diesem Mädchen war seltsam. Er beobachtete, wie sie zum Haus zurückkehrte, und beneidete sie für die Mühelosigkeit ihrer Bewegungen.

»Theodore?«

Sie hatte sich nach ihm umgedreht und lächelte ihn nun neckisch an. Teddy entging das vorwitzige Glitzern in ihren Augen nicht. Etwas schroff erwiderte er: »Nenn mich einfach Teddy.«

»Teddy«, murmelte sie, als ließe sie sich den Namen auf der Zunge zergehen. Offenbar gefiel er ihr, denn ihr Lächeln wurde immer frecher und ihre Augen wanderten über seinen Körper, bis sie an seinen Lenden hängen blieben. »Ich glaube, ich würde mir nachher gern deine Kanone ansehen«, sagte sie gedehnt.

Teddy klappte die Kinnlade herunter, und er starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Hatte sie gerade tatsächlich – nein, es war sicher nicht so gemeint gewesen, wie er dachte, dass …

»Nein«, sagte Teddy zu sich selbst und schüttelte den Kopf. Sie hatte es nicht so gemeint. Um Himmels willen, er war ein alter Mann und sie ein ganz junges Ding, jung genug, um seine Enkelin zu sein. Wahrscheinlich hatte sie das nur noch nicht bemerkt, weil er sich so gründlich gegen die Kälte vermummt hatte und während des Gesprächs eigentlich nur seine Augen sichtbar gewesen waren.

Teddy wandte sich ab und trottete wieder die Auffahrt hinauf. Dabei redete er sich ein, dass sie ganz sicher das Interesse an ihm verlieren würde, wenn sie seine knittrige Visage zu sehen bekam. Wahrscheinlich wäre es dem armen Mädchen dann sogar peinlich, dachte er amüsiert. Erst, als er bereits die halbe Strecke hinter sich gebracht hatte, fiel ihm auf, dass sie ihm ihren Namen überhaupt nicht verraten hatte.

Fröhlich pfeifend sammelte Katricia Dosen und Tüten zusammen und räumte sie in zwei leere Pappkartons, die sie in der Speisekammer entdeckt hatte. Sie achtete kaum auf das, was sie da einpackte, aber sie wusste ja auch nicht, was Teddy Brunswick gern mochte – oder was sie selbst mochte. Schon seit Jahrhunderten hatte sie das Essen der Sterblichen nicht mehr angerührt.

»Katricia Argeneau Brunswick.« Das klang gut, stellte sie lächelnd fest.

»Katricia und Teddy Argeneau Brunswick.« Noch viel besser, befand sie und packte verträumt seufzend eine weitere Büchse in den Karton.

Verdammt. Sie hatte doch tatsächlich ihren Lebensgefährten getroffen. Katricia kostete den Gedanken genüsslich aus. Es gab nichts auf der Welt, was für einen Unsterblichen so wichtig war wie ein Lebensgefährte. Sie alle sehnten sich danach und warteten darauf, denjenigen zu treffen. Manchmal dauerte es Jahrhunderte, manchmal sogar noch länger. Manche fanden diesen Gefährten aber auch niemals. Doch wenn es geschah, wenn man die einzige Person fand, gleichgültig ob sterblich oder unsterblich, die man nicht kontrollieren konnte und deren Gedanken man nicht lesen konnte, dann war das der wichtigste Moment im Leben eines Unsterblichen. Denn mit diesem Gefährten würde man den Rest seines langen Lebens teilen. Als sie gestern von Toronto hierhergekommen war, hatte sie mit so etwas nicht gerechnet. Obwohl – eigentlich hätte sie doch eine Ahnung haben müssen. Marguerites erfolgreiche Kuppeleien sprachen sich, zumindest innerhalb der Familie, langsam herum. Man munkelte, dass sie über die gleichen außergewöhnlichen Fähigkeiten verfügte wie einst Katricias Großmutter, das weibliche Familienoberhaupt Alexandria Argeneau. Alexandria hatte bis zu ihrem Tod vor etwa zweitausend Jahren für den Großteil ihrer Kinder und viele andere ihresgleichen Lebenspartner gefunden. Es wurde erzählt, dass sie eine Art sechsten Sinn dafür besessen hatte. Jedes Paar, das sie zusammenführte, wurde zu Lebensgefährten – und bei Marguerite war es nun genauso.

Trotzdem hatte Katricia genau damit nicht gerechnet, als Marguerite sie eingeladen hatte, Weihnachten mit der Familie zu verbringen. Insbesondere, da sie das Angebot aus Gewohnheit höflich aber bestimmt abgelehnt hatte. Hätte sie vorher darüber nachgedacht, hätte sie sich bestimmt darauf eingelassen, nämlich in der Hoffnung, dass Marguerite einen Lebensgefährten für sie gefunden hätte. Doch leider hatte sie nicht nachgedacht, und so war ihre Antwort sehr bestimmt ausgefallen. Katricia mied Familienzusammenkünfte. Eigentlich mied sie alle Arten von Gruppenveranstaltungen. Sie fand es so ermüdend, ständig ihre Gedanken kontrollieren zu müssen, dass sie sich mit der Zeit mehr und mehr zurückgezogen hatte. Besonders Feiertage, an denen sich vor allem die älteren Familienmitglieder trafen, verbrachte sie lieber allein. Ihre Gedanken vor ihnen abzuschirmen, war unmöglich, und Katricia wollte doch nicht, dass einer ihrer Onkel in ihrem Kopf herumspionierte.

Die einzige familiäre Verpflichtung, die sie in den letzten zehn Jahren wahrgenommen hatte, war die große Hochzeit in New York im Februar letzten Jahres gewesen. Da sie in New York lebte und arbeitete, hätte ihre Abwesenheit nur unnötige Fragen aufgeworfen. Doch wie erwartet war die Feier die reine Hölle gewesen. Ihre Gedanken abzuschirmen und gleichzeitig Konversation zu betreiben, war ungefähr so schwierig gewesen, wie einen Purzelbaum zu schlagen und gleichzeitig mit Messern zu jonglieren – schlicht unmöglich. Sie war sich sicher, dass mehrere Verwandte ihre Gedanken mitbekommen hatten, denn einige ihrer Onkel und sogar Marguerite hatten besorgt gewirkt, als sie sich mit ihr unterhalten hatten. Bestimmt hatten sie alle bemerkt, wie düster und deprimierend es in ihrem Kopf aussah.

Katricia musste unwillkürlich lächeln. All die Finsternis und Traurigkeit waren mit einem Schlag vergessen gewesen, als sie Teddy Brunswick auf der Einfahrt entdeckt und ganz automatisch versucht hatte, seine Gedanken zu lesen, um herauszufinden, wer er war und was er hier zu suchen hatte. Doch dann hatte sie feststellen müssen, dass es ihr unmöglich war, in seinen Kopf einzudringen. Das war ein Schock gewesen – und plötzlich sah sie auch die vielen Schwierigkeiten, die sie mit ihrem Last-Minute-Urlaub gehabt hatte, in einem ganz neuen Licht.

Ursprünglich hatte sie vorgehabt, Skiurlaub in Colorado zu machen, doch dann war ihr Flug ärgerlicherweise nach Toronto umgeleitet worden. Katricia hatte stinksauer reagiert. Der Pilot konnte ihr auch keine Erklärung für diese Anweisung liefern, und als sie schließlich in Toronto aus dem Privatflugzeug der Argeneaus stieg, war sie bereits auf hundertachtzig. Auf dem Rollfeld erwartete sie schon ihr Onkel Lucian Argeneau.

Er erklärte die Umleitung des Fluges mit schlechtem Wetter und verfrachtete sie in seinen Wagen. Ihre Frustration hatte einen Höchststand erreicht. Sie saß im Auto und sagte im Kopf Kinderreime vor sich her, damit Onkel Lucian ihre Gedanken nicht lesen konnte, und machte sich gleichzeitig Sorgen, dass sie nun über die ganzen Feiertage bei ihrer Familie festsitzen würde und die Kinderreime wahrscheinlich von früh bis spät wiederholen müsste. Lucian hatte sie zu Marguerite gebracht, und als diese erwähnte, dass Decker ein Ferienhaus besaß und dass sie, statt Weihnachten mit der Familie zu verbringen, auch dort hinfahren könnte, hatte sich Katricia auf diese Möglichkeit wie eine Ertrinkende auf einen Rettungsring gestürzt. Bereits kurz darauf saß sie schon wieder mit ihrem Gepäck im Auto und ließ sich vom Navigationssystem zum Haus leiten.

Und nun war sie hier eingeschneit, mitten in der Wildnis von Zentralontario, mit Teddy Brunswick, dessen Gedanken sie nicht lesen konnte. Das war das erste Anzeichen, dass der Sterbliche möglicherweise ihr Lebensgefährte war. Normalerweise konnten Unsterbliche wie sie in Sterblichen wie in einem offenen Buch lesen. Dass dies bei Teddy nicht gelang, hatte ihr einen höllischen Schrecken versetzt – einen positiven Schrecken allerdings. Ein Lebensgefährte … bei dieser Vorstellung lächelte sie selig.

Natürlich war seine verschlossene Gedankenwelt nur ein erstes Anzeichen, ermahnte sie sich. Es gab auch vereinzelte Sterbliche, die sich generell nicht lesen ließen. Normalerweise waren das Verrückte oder Menschen, die unter einer speziellen Krankheit litten – wie beispielsweise einem Gehirntumor. Teddy Brunswick wirkte allerdings nicht geisteskrank. Allerdings musste sie sich eingestehen, dass ein Tumor oder etwas Ähnliches immer noch infrage kam.

Bald würde sie es genau wissen. Wenn Teddy tatsächlich ihr Lebensgefährte wäre, würden sich in Kürze weitere Symptome einstellen. Dass sie wieder Appetit auf normales Essen verspürte, gehörte jedenfalls schon mal dazu. Neugierig nahm sie eine weitere Packung in die Hand und studierte das Etikett.

»Bisquik.«

Schulterzuckend stopfte sie sie in den Karton. Plötzlich fiel ihr der Haken an dem Szenario, das sie sich ausgemalt hatte, auf. Ihre gute Laune bekam einen Dämpfer.

Katricia war sich ziemlich sicher, dass ihr Flug nicht wegen schlechten Wetters umgeleitet worden war, sondern dass dies zu einem ausgeklügelten Plan gehört hatte, der zum Ziel hatte, sie mit ihrem Lebensgefährten zu verkuppeln. Soweit schön und gut, aber der Schneesturm der letzten Nacht war sicherlich nicht eingeplant gewesen, und daraus könnten sich noch weitere Schwierigkeiten ergeben.

Beide Kisten waren inzwischen voller Lebensmittel. Katricia stapelte sie aufeinander und trug sie aus der Speisekammer.

Mit Sicherheit hatte Marguerite ihr Aufeinandertreffen arrangiert. Ob Teddy wohl über die Unsterblichen Bescheid wusste? Allgemein wurden sie als Vampire bezeichnet, doch diesen Begriff schätzten Katricia und ihresgleichen nicht besonders. Sie waren schließlich keine verfluchten, seelenlosen Monster, die jedem Sterblichen an die Kehle gingen. Ihre Lebensspanne war zwar sehr lang und sie wurden körperlich niemals älter als fünfundzwanzig, dreißig Jahre, doch dafür und für ihr Verlangen nach Blut gab es eine rein wissenschaftliche Erklärung. Seit man über Blutbanken verfügte, vermieden sie es grundsätzlich, sich noch direkt von Sterblichen zu ernähren. Aber dass Marguerite sie hier hinaufgeschickt hatte, um sie mit Teddy zusammenzubringen, hieß noch lange nicht, dass der auch von ihresgleichen wusste. Was bedeutete, dass sie nicht riskieren durfte, ihm die Wahrheit zu sagen – nämlich, dass der Nachschub, den sie erwartete, nicht aus Benzin und Nahrungsmitteln, sondern aus Benzin und Blutbeuteln bestand. Wahrscheinlich würde es ihn berechtigterweise beunruhigen, wenn er erfuhr, dass er zusammen mit einem Vampir eingeschneit war, dem die Blutvorräte ausgegangen waren.

2

Teddy brauchte nicht lang, um den Kamin in Gang zu bringen. Er machte ein großes Feuer und hoffte, dass das Haus schnell wieder warm werden würde. Gerade hatte er sich erhoben, um nach nebenan zu gehen und dem Mädchen mit den Vorräten zu helfen, als er auf den Stufen zur Veranda Schritte hörte. Schnell eilte er zur Tür und riss sie auf. Draußen stand seine Nachbarin schon, balancierte zwei Kartons in einer Hand und hatte die andere gerade angehoben, um zu klopfen.

»Ich wollte gerade rüberkommen und dir helfen. Du hättest das nicht alles allein schleppen sollen«, ermahnte er sie und griff nach einem der Kartons.

»Die Kisten sind nicht schwer«, beteuerte sie und huschte schnell an ihm vorbei, bevor er ihr etwas abnehmen konnte. Sie stellte die Kartons hinter Teddy in der offenen Küche ab und zog sich danach die Stiefel aus. Teddy schlug die Tür zu, um die Kälte auszusperren, und wandte sich dann zu ihr um. Nachdenklich beobachtete er, wie sie aus den Schuhen schlüpfte. Sie waren voller Schnee, also konnte sie sie im Haus natürlich nicht anbehalten. Auch er hatte seine vor der Tür gelassen, aber dafür trug er noch immer Mantel, Schal, Mütze und Handschuhe. Im Cottage war es so frostig wie in einem Kühlschrank, und der Boden fühlte sich so kalt wie eine Eisbahn an. Die dünnen Söckchen, die sie trug, waren für diese arktische Kälte nicht geeignet.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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