Ein Weihnachtslied in Prosa - Charles Dickens - E-Book + Hörbuch
SONDERANGEBOT

Ein Weihnachtslied in Prosa E-Book

Charles Dickens.

4,8
6,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dickens berühmte Weihnachtsgeschichte in neuer Übersetzung   »Marley war tot ...« – so beginnt eine der berühmtesten und beliebtesten Weihnachtserzählungen der Weltliteratur. Doch nicht nur der Geist seines ruchlosen Partners zwingt den geizigen Geschäftsmann Ebenezer Scrooge, sein Leben zu ändern. Es bedarf dreier weiterer Weihnachtsgeister, um aus ihm einen gütigen Menschen zu machen. Dickens' wunderbare Groteske fasziniert Jung und Alt bis heute und wurde mehrfach verfilmt. Der märchenhafte Klassiker wurde für diese Geschenkbuchausgabe von Britta Mümmler neu übersetzt und von Daniel Müller farbig illustriert.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 165

Bewertungen
4,8 (6 Bewertungen)
5
1
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Charles Dickens

Ein Weihnachtslied in Prosa

Eine Geistergeschichte

Neu übersetzt, mit einem Nachwort und Anmerkungen von Britta Mümmler

Mit Illustrationen von Daniel Müller

Deutscher Taschenbuch Verlag

Neuübersetzung 2011© 2011Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlags zulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.Rechtlicher Hinweis §44 UrhG: Wir behalten uns eine Nutzung der von uns veröffentlichten Werke für Text und Data Mining im Sinne von §44 UrhG ausdrücklich vor.

Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,

KN digital– die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart

eBook ISBN 978-3-423-40946-9 (epub)

ISBN der gedruckten Ausgabe 978-3-423-14042-3

Ausführliche Informationen über unsere Autoren und Bücher finden Sie auf unserer Websitewww.dtv.de/​ebooks

Inhalt

VORWORT

STROPHE I Marleys Geist

STROPHE II Der erste der drei Geister

STROPHE III Der zweite der drei Geister

STROPHE IV Der letzte der Geister

STROPHE V Das Ende vom Lied

ANHANG

VORWORT

Ich habe mich bemüht, in diesem kleinen Geisterbuch den Geist einer Idee heraufzubeschwören, die meinen Lesern die festliche Stimmung hoffentlich nicht verdirbt, auf dass sie sich selbst und anderen, der Weihnachtszeit und auch mir wohlgesonnen bleiben. Möge dieser Geist also freundlich walten in ihren Häusern und möge niemand den Wunsch hegen, ihn auszutreiben.

Ihr treuer Freund und Diener

C.D.

Dezember 1843

STROPHE I

Marleys Geist

Marley war tot; dies gleich zu Anfang. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Sein Eintrag ins Begräbnisregister war vom Geistlichen, vom Schreiber, vom Leichenbestatter und vom Hauptleidtragenden unterzeichnet. Scrooge hatte ihn unterzeichnet. Und Scrooges Name galt an der Börse als ein Garant für alles, woran er sich beteiligte. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel.

Wohlgemerkt! Damit will ich nicht sagen, dass ich aus eigener Erfahrung wüsste, was so besonders tot ist an einem Türnagel. Ich selbst wäre eher geneigt, einen Sargnagel als das toteste Stück Eisenware zu betrachten, das im Handel ist. Doch die Weisheit unserer Vorfahren liegt in diesem Gleichnis; und meine unwürdigen Hände dürfen sich nicht daran vergreifen, sonst ist das Land dem Untergang geweiht. Man wird mir deshalb erlauben, noch einmal mit Nachdruck zu wiederholen, dass Marley so tot war wie ein Türnagel.

Scrooge wusste also, dass er tot war? Aber natürlich. Wie könnte es anders sein? Scrooge und Marley waren, ich weiß nicht wie viele Jahre lang, Geschäftspartner gewesen. Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, einziger Nachlassverwalter, einziger Rechtsnachfolger, einziger Haupterbe, einziger Freund und einziger Leidtragender. Doch selbst Scrooge war nicht so furchtbar erschüttert von dem traurigen Ereignis, dass er sich nicht auch am Tage des Begräbnisses noch als ein ausgezeichneter Geschäftsmann erwiesen und dieses mit einem unbestreitbar vorteilhaften Handelsabschluss feierlich begangen hätte.

Die Erwähnung von Marleys Begräbnis bringt mich auf das zurück, womit ich anfing. Es besteht kein Zweifel daran, dass Marley tot war. Das muss unbedingt klar sein, sonst ist nichts Wunderbares an der Geschichte, die ich erzählen will. Wären wir nicht vollkommen überzeugt, dass Hamlets Vater bereits tot ist, wenn das Stück beginnt, wäre sein nächtlicher Spaziergang, im Ostwind auf den Wällen seiner eigenen Burg, um nichts merkwürdiger als der jedes anderen Herrn mittleren Alters, der nach Einbruch der Dunkelheit plötzlich an irgendeinem zugigen Ort auftauchte– etwa auf dem Kirchhof von St. Paul’s, zum Beispiel–, um die träge Seele seines Sohnes buchstäblich aufzurütteln.

Scrooge ließ den Namen des alten Marley nie übermalen. Dort stand er, auch Jahre später noch, über der Tür des Handelshauses: Scrooge & Marley. Die Firma war bekannt als Scrooge & Marley. Neulinge in der Geschäftswelt sprachen Scrooge manchmal mit Scrooge und manchmal auch mit Marley an, doch er reagierte auf beide Namen. Ihm war es einerlei.

Oh! Aber er war ein schändlicher Geizkragen, der alle unbarmherzig ausnahm, dieser Scrooge! Ein ausquetschender, blutsaugender, habsüchtiger, knausriger, raffgieriger alter Sünder! Hart und scharf wie ein Feuerstein, aus dem kein Stahl je einen großzügigen Funken geschlagen hatte; verschwiegen, verschlossen und vereinsamt wie eine Auster. Seine innere Kälte ließ seine alten Gesichtszüge erstarren, seine Nasenspitze erfrieren, machte seine Wangen runzlig und seinen Gang steif, rötete seine Augen, färbte seine dünnen Lippen blau und klang aus den gerissenen Worten seiner schrillen Stimme. Frostiger Raureif lag auf seinem Haupt, seinen Augenbrauen und seinem stoppeligen Kinn. Und er trug diese ihm eigene Kälte immer mit sich herum; selbst an den Hundstagen noch verbreitete er eisige Temperaturen in seinem Kontor, und auch an Weihnachten taute er nicht um ein einziges Grad auf.

Äußere Hitze und Kälte wirkten nur wenig auf Scrooge. Keine Wärme konnte ihn erhitzen, keine Winterwitterung abkühlen. Kein Wind, der blies, war eisiger als er, kein Schneetreiben unbarmherziger, kein Platzregen unerbittlicher. Das schlechte Wetter wusste nicht, wie es ihm beikommen sollte. Selbst stärkste Regengüsse, Schnee, Hagel und Graupelschauer konnten sich nur in einer Hinsicht rühmen, ihm überlegen zu sein: Sie »gaben« oft üppig, und das tat Scrooge nie.

Niemand hielt ihn je auf der Straße an und fragte ihn mit fröhlicher Miene: »Wie geht es Ihnen, mein lieber Scrooge? Wann kommen Sie mich einmal besuchen?« Kein Bettler bat ihn um eine Kleinigkeit, kein Kind fragte ihn, wie viel Uhr es sei, kein Mensch, ob Mann oder Frau, erkundigte sich je im Leben bei Scrooge nach dem Weg an diesen oder jenen Ort. Sogar die Blindenhunde schienen ihn zu kennen, denn sobald sie ihn kommen sahen, zogen sie ihre Herren in Torwege und Höfe hinein und wedelten mit dem Schwanz, als wollten sie sagen: »Lieber gar kein Augenlicht, blinder Herr, als den bösen Blick!«

Aber was kümmerte das Scrooge! Genau so gefiel es ihm. Sich auf dem Lebenspfad einen Weg durch die Menge bahnen und alles menschliche Mitgefühl warnend auf Abstand halten, das war, wie man so sagt, eine »wahre Wonne« für Scrooge.

Eines schönen Tages– und von allen schönen Tagen im Jahr ausgerechnet an Heiligabend– saß der alte Scrooge eifrig arbeitend in seinem Kontor. Das Wetter war beißend kalt, frostig und rau, und obendrein noch neblig, und er konnte hören, wie die Leute in der Gasse draußen keuchten vor Kälte, wenn sie vorübergingen, sich mit den Händen an die Brust schlugen und mit den Füßen aufs Kopfsteinpflaster stampften, um sich zu wärmen. Die Glocken der City hatten eben erst drei geschlagen, doch es war schon recht dunkel– es war den ganzen Tag über nicht richtig hell geworden–, und die Kerzenlichter in den Fenstern der Kontore ringsum flackerten wie rote Schmutzflecken in der zum Greifen dicken braunen Luft. Der Nebel drang durch jede Ritze und jedes Schlüsselloch herein und war so dicht, dass die Häuser gegenüber, obwohl die Gasse eine der schmalsten war, wie reine Spukgebilde wirkten. Wenn man sah, wie die trüben Schwaden sich niedersenkten und alles verdüsterten, hätte man glauben mögen, Mutter Natur wohne in der Nachbarschaft und braue soeben im großen Stile etwas zusammen.

Die Tür zu Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen Schreiber im Auge behalten konnte, der nebenan in einer erbärmlich engen Zelle, einer Art feuchtem Loch, Briefe abschrieb. Bei Scrooge brannte nur ein kümmerliches Feuer, aber das des Schreibers war noch um so viel kümmerlicher, dass es nur aus einer einzigen Kohle zu bestehen schien. Doch er konnte nicht nachlegen, denn die Kohlenkiste stand in Scrooges Zimmer; und jedes Mal, wenn der Schreiber mit der Schaufel hereinkam, prophezeite ihm sein Herr, dass sie sich nun wohl bald trennen müssten. Weshalb der Schreiber seinen weißen Schal umgelegt hatte und nun versuchte, sich an der Kerze zu wärmen; ein Bestreben, das ihm, da er kaum Einbildungskraft besaß, misslang.

»Fröhliche Weihnachten, Onkel! Gott segne Sie!«, rief da eine vergnügte Stimme. Sie gehörte Scrooges Neffen, der so plötzlich auf ihn zukam, dass er ihn in diesem Augenblick erst bemerkte.

»Pah!«, rief Scrooge. »Humbug!«

Vom schnellen Gehen in Nebel und Frost war diesem Neffen von Scrooge so warm geworden, dass er geradezu glühte; sein hübsches Gesicht war gerötet, seine Augen glänzten und sein Atem dampfte noch.

»Weihnachten ein Humbug? Aber Onkel!«, erwiderte Scrooges Neffe. »Das meinen Sie doch gewiss nicht ernst?«

»Und ob«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten! Welches Recht hast denn du, fröhlich zu sein? Und welchen Grund? Du bist doch wahrlich arm genug.«

»Na, hören Sie«, entgegnete der Neffe munter. »Welches Recht haben denn Sie, übel gelaunt zu sein? Und welchen Grund, missmutig? Sie sind doch wahrlich reich genug.«

Scrooge, der im Augenblick keine bessere Antwort parat hatte, sagte wieder »Pah!« und ließ noch ein »Humbug« folgen.

»Ärgern Sie sich doch nicht, Onkel«, sagte der Neffe.

»Was sollte ich sonst tun«, entgegnete der Onkel, »wenn ich in einer solchen Welt voller Narren lebe? Fröhliche Weihnachten! Zum Henker mit fröhlichen Weihnachten! Was ist Weihnachten denn anderes als eine Zeit, da man ohne Geld in der Tasche Rechnungen zahlen soll; eine Zeit, da man wieder ein Jahr älter ist, aber nicht um eine Stunde reicher; eine Zeit, da man Geschäftsbilanz ziehen muss und alle Posten in den Büchern der letzten zwölf Monate Verluste ausweisen? Wenn es nach mir ginge«, fügte Scrooge empört hinzu, »würde jeder Narr, der mit einem ›Fröhliche Weihnachten‹ auf den Lippen daherkommt, mit seinem eigenen Plumpudding gekocht und mit einem Stechpalmenpfahl mitten durchs Herz begraben werden. Das hätte er verdient!«

»Aber Onkel!«, bat der Neffe.

»Aber Neffe!«, erwiderte der Onkel unerbittlich. »Feiere du Weihnachten auf deine Weise, und lass es mich auf meine feiern.«

»Feiern!«, wiederholte Scrooges Neffe. »Aber Sie feiern es doch gar nicht.«

»Das überlass nur mir«, sagte Scrooge. »Mögest du einen Gewinn davon haben! Als hätte es dir je Gewinn gebracht!«

»Es gibt vieles, darf ich wohl sagen, von dem ich schon Gewinn hatte, auch wenn ich keinen Profit daraus ziehen konnte«, erwiderte der Neffe. »Dazu gehört auch Weihnachten. Aber dennoch betrachte ich die Weihnachtszeit immer, wenn sie herankommt– von der Verehrung, die wir ihrem heiligen Namen und Ursprung schulden, einmal abgesehen, falls man von einem solchen Bestandteil überhaupt absehen darf–, als eine gute Zeit, als eine Zeit der Güte, der Vergebung, der Mildtätigkeit und des Wohlwollens, als die einzige Zeit im langen Lauf des Kalenderjahres, in der Männer und Frauen gleichermaßen ihre verschlossenen Herzen bereitwillig zu öffnen scheinen und Menschen geringeren Standes wirklich als ihre Gefährten auf dem Weg zum Grab ansehen, und nicht als andersartige Geschöpfe, die andere Reisewege zu nehmen haben. Und deshalb, Onkel, glaube ich, dass ich von der Weihnachtszeit, auch wenn sie mir nie ein Stück Gold oder Silber in die Tasche gelegt hat, schon einen Gewinn hatte und auch noch Gewinn haben werde, und ich sage: Gott segne sie!«

Der Schreiber im Loch nebenan spendete unwillkürlich Beifall. Da er sein ungebührliches Verhalten aber sogleich bemerkte, begann er in seinem Feuer herumzustochern und erstickte so auch noch den letzten schwachen Funken für immer.

»Noch ein Ton von Ihnen«, sagte Scrooge, »und Sie können an Weihnachten feiern, dass Sie Ihre Stelle los sind! Du bist ja ein recht wirkungsvoller Redner, mein lieber Herr«, fuhr er an seinen Neffen gewandt fort. »Ich wundere mich, dass du nicht ins Parlament gehst.«

»Seien Sie mir nicht böse, Onkel. Kommen Sie! Essen Sie morgen bei uns zu Abend.«

Scrooge sagte, dass er kommen werde– ja, das tat er tatsächlich. Doch er sprach noch weiter, und vollständig lautete seine Antwort, dass er kommen werde, wenn er denn je dazu verdammt werden würde.

»Aber warum denn nur?«, rief Scrooges Neffe. »Warum?«

»Warum hast du geheiratet?«, fragte Scrooge.

»Weil ich mich verliebt habe.«

»Weil du dich verliebt hast!«, knurrte Scrooge, als sei dies das Einzige auf der Welt, das er noch lächerlicher fand als fröhliche Weihnachten. »Guten Tag!«

»Aber, Onkel, Sie haben mich doch auch davor nie besucht. Warum nennen Sie dies als Grund dafür, dass Sie jetzt nicht kommen?«

»Guten Tag«, sagte Scrooge.

»Ich will nichts haben von Ihnen, ich verlange nichts von Ihnen. Warum können wir denn nicht Freunde sein?«

»Guten Tag«, sagte Scrooge.

»Es tut mir von Herzen leid, dass Sie so unzugänglich sind. Wir hatten noch nie einen Streit, den ich begonnen hätte. Aber ich habe Weihnachten zu Ehren diesen Versuch unternommen, und ich werde an meiner Weihnachtsstimmung festhalten bis zuletzt. Darum also, fröhliche Weihnachten, Onkel!«

»Guten Tag!«, sagte Scrooge.

»Und ein frohes neues Jahr!«

»Guten Tag!«, sagte Scrooge.

Trotzdem verließ sein Neffe das Zimmer ohne ein böses Wort. An der Außentür blieb er noch einmal stehen, um auch dem Schreiber frohe Festtage zu wünschen, der, so kalt ihm auch war, doch mehr Wärme ausstrahlte als Scrooge, denn er erwiderte die guten Wünsche herzlich.

»Noch so ein Narr«, murmelte Scrooge, der es mit angehört hatte, »mein Schreiber, der fünfzehn Shilling die Woche verdient und Frau und Kinder hat, redet von fröhlichen Weihnachten. Da kann ich ja gleich ins Irrenhaus Bedlam gehen.«

Dieser Narr hatte, als er Scrooges Neffen hinausführte, noch zwei andere Leute hereingelassen. Es waren stattliche Herren von gutem Aussehen, die jetzt, die Hüte abgesetzt, in Scrooges Kontor standen. Sie hielten Bücher und Papiere in Händen und machten eine Verbeugung.

»Scrooge & Marley, wenn ich nicht irre«, sagte einer der Herren mit einem Blick auf seine Liste. »Habe ich die Ehre, mit Mr.Scrooge oder mit Mr.Marley zu sprechen?«

»Mr.Marley ist bereits seit sieben Jahren tot«, erwiderte Scrooge. »Er starb an genau diesem Abend vor sieben Jahren.«

»Wir zweifeln nicht daran, dass seine Freigebigkeit von seinem ihn überlebenden Geschäftspartner in seinem Sinne fortgeführt wird«, sagte der Herr und überreichte sein Empfehlungsschreiben.

Gewiss doch; denn sie waren verwandte Geister gewesen. Bei dem verdächtigen Wort »Freigebigkeit« runzelte Scrooge allerdings die Stirn, und er schüttelte den Kopf, als er das Empfehlungsschreiben zurückgab.

»In dieser festlichen Zeit des Jahres, Mr.Scrooge«, begann der Herr und nahm eine Feder zur Hand, »ist es noch wünschenswerter als sonst, dass wir ein wenig Sorge tragen für die Armen und Hilflosen, die gegenwärtig schwere Not leiden. Vielen Tausenden fehlt es am Lebensnotwendigsten, Hunderttausenden fehlt es an einfachster Behausung, Sir.«

»Gibt es nicht genug Gefängnisse?«, fragte Scrooge.

»Mehr als genug«, sagte der Herr und legte die Feder wieder weg.

»Und die Arbeitshäuser?«, wollte Scrooge wissen. »Wurden die geschlossen?«

»Nein«, erwiderte der Herr. »Auch wenn ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten.«

»Die Tretmühle und das Armengesetz sind also noch in Kraft?«, fragte Scrooge.

»Beides wird sehr häufig angewendet, Sir.«

»Aha! Nach dem, was Sie anfangs sagten, fürchtete ich schon, es sei etwas geschehen, das ihr nützliches Wirken verhindert«, sagte Scrooge. »Es freut mich sehr, das zu hören.«

»Unter dem Eindruck, dass in diesen Einrichtungen wohl nur die wenigsten eine christliche Fürsorge an Leib und Seele erfahren«, erwiderte der Herr, »sind einige von uns bestrebt, Gelder zu beschaffen, um den Armen davon Fleisch, Getränke und wärmende Dinge zu kaufen. Wir haben diese Zeit des Jahres dafür gewählt, weil gerade jetzt, da die Fülle freudig gefeiert wird, der Mangel besonders fühlbar ist. Welchen Betrag darf ich für Sie notieren?«

»Nichts!«, erwiderte Scrooge.

»Sie wünschen ungenannt zu bleiben?«

»Ich wünsche in Ruhe gelassen zu werden«, sagte Scrooge. »Wenn Sie mich schon fragen, was ich wünsche, meine Herren, dies ist meine Antwort. Ich vergnüge mich selbst an Weihnachten nicht und kann es mir auch nicht leisten, Faulpelzen ein vergnügtes Fest zu bereiten. Ich helfe, die Einrichtungen zu unterstützen, die ich soeben nannte– das kostet schon genug; und wer schlecht dran ist, der soll dorthin gehen.«

»Viele können nicht dorthin gehen, und viele würden lieber sterben.«

»Wenn sie lieber sterben wollen«, sagte Scrooge, »dann sollen sie es nur tun und so die Überbevölkerung mindern. Im Übrigen– entschuldigen Sie– verstehe ich nichts davon.«

»Aber Sie könnten etwas davon verstehen«, bemerkte der Herr.

»Das geht mich nichts an«, erwiderte Scrooge. »Es genügt, wenn man etwas von seinen eigenen Angelegenheiten versteht und sich in die anderer Leute nicht einmischt. Die meinen nehmen mich vollauf in Anspruch. Guten Tag, meine Herren!«

Die Herren sahen ein, dass es zwecklos war, ihre Sache weiterzuverfolgen, und entfernten sich. Scrooge nahm mit einer höheren Meinung von sich selbst und besserer Laune als üblich seine Arbeit wieder auf.

Mittlerweile hatten sich der Nebel und die Dunkelheit so verdichtet, dass Leute mit leuchtenden Fackeln umherliefen und als Dienst anboten, damit vor den Pferden der Kutschen und Fuhrwerke herzugehen und ihnen den Weg zu weisen. Der betagte Turm einer Kirche, deren mürrische alte Glocke stets verstohlen aus einem gotischen Fenster im Mauerwerk auf Scrooge hinabspähte, wurde unsichtbar, und die Glocke schlug die Stunden und Viertelstunden in den Schwaden mit einem so zitternden Nachklang, als würden ihr in ihrem erfrorenen Kopf dort oben die Zähne klappern. Die Kälte wurde immer bitterer. Auf der Hauptstraße, an der Ecke zur Gasse, reparierten ein paar Arbeiter Gasrohre und hatten in einem Kohlebecken ein großes Feuer angeschürt, um das sich ein Haufen zerlumpter Männer und Jungen scharte, die sich die Hände wärmten und in heller Freude augenzwinkernd vor der lodernden Glut standen. Der Feuerhydrant stand einsam da, sein übergelaufenes Wasser trotzig erstarrt und verwandelt in menschenfeindliches Eis. Der Lichterglanz der Läden, in deren Schaufenstern die Stechpalmenzweige und die roten Beeren in der Hitze der Lampen geradezu knisterten, rötete die blassen Gesichter der Vorübereilenden. Die Auslagen der Geflügel- und Kolonialwarenhändler waren das reinste Vergnügen; sie boten ein so prächtiges Schauspiel, dass es ganz unmöglich schien, solch nüchterne Grundsätze wie Kauf und Verkauf könnten irgendetwas damit zu tun haben. Im Schutze des mächtigen Mansion House gab der Bürgermeister seinen fünfzig Köchen und Dienern Anweisung, ein Weihnachtsessen auszurichten, wie es dem Haushalt eines Bürgermeisters würdig war; und selbst der kleine Schneider, den er am letzten Montag noch wegen Trunkenheit und blutiger Rauferei auf der Straße mit fünf Shilling Bußgeld belegt hatte, rührte in seiner Dachkammer den Pudding für den ersten Weihnachtstag an, während seine magere Frau mit dem Kleinkind auf dem Arm davoneilte, um das Rindfleisch zu kaufen.

Noch mehr Nebel, und noch mehr Kälte! Durchdringende, bohrende, beißende Kälte. Wenn der gute St. Dunstan die Nase des Teufels nur mit dem Hauch eines solchen Wetters berührt hätte, statt seine übliche Waffe zu gebrauchen, wäre dieser erst recht in lautes Gebrüll ausgebrochen. Der Eigentümer einer winzigen kleinen Nase, angenagt und beknabbert von der hungrigen Kälte wie Knochen von einem Hund, beugte sich herab zu Scrooges Schlüsselloch, um ihn mit einem Weihnachtslied zu erfreuen; doch schon beim ersten Ton von–

»Gott segne Sie, glücklicher Herr!

Möge nichts Sie betrüben!«

griff Scrooge so energisch nach dem Lineal, dass der Sänger entsetzt davonlief und das Schlüsselloch dem Nebel und dem noch seelenverwandteren Frost überließ.

Endlich kam die Stunde, in der das Handelshaus schloss. Widerwillig stand Scrooge von seinem Stuhl auf und teilte damit diese Tatsache wortlos dem erwartungsvollen Schreiber in seiner engen Zelle mit, der sogleich seine Kerze löschte und seinen Hut aufsetzte.

»Sie wollen morgen vermutlich den ganzen Tag frei haben?«, sagte Scrooge.

»Wenn’s recht ist, Sir.«

»Es ist mir nicht recht«, sagte Scrooge, »und es ist auch nicht gerecht. Wenn ich Ihnen dafür eine halbe Krone abziehen würde, kämen Sie sich sofort schlecht behandelt vor, nicht wahr?«

Der Schreiber lächelte matt.

»Und dennoch«, fuhr Scrooge fort, »finden Sie nicht, dass ich schlecht behandelt werde, wenn ich für einen Tag zahle, an dem Sie nicht arbeiten.«

Der Schreiber bemerkte, dass dies ja nur einmal im Jahr vorkomme.

»Eine schlechte Ausrede, um einem an jedem 25.Dezember die Taschen zu plündern!«, rief Scrooge und knöpfte seinen Überrock bis zum Kinn zu. »Aber ich vermute, Sie müssen wohl den ganzen Tag frei haben. Seien Sie am Morgen darauf umso zeitiger hier.«

Der Schreiber versprach es; und Scrooge ging mit einem Knurren davon. Das Kontor war im Nu geschlossen, und der Schreiber, dem die langen Enden seines weißen Schals um die Hüften baumelten (denn eines Überrocks konnte er sich nicht rühmen), schlitterte auf der Cornhill dem Heiligabend zu Ehren am Ende einer Schlange von Jungen wohl zwanzigmal eine Eisbahn entlang, und rannte dann, so schnell er konnte, heim nach Camden Town, um beim Blindekuh-Spiel mitzumachen.