Ein Weihnachtsmärchen - Charles Dickens - E-Book

Ein Weihnachtsmärchen E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

Weihnachten ist nichts als »Humbug«, findet der stets schlecht gelaunte Scrooge. Der geizige Geschäftsmann denkt nicht im Traum daran, die Einladung seines Neffen anzunehmen und mit der Familie zu feiern. Dies ändert sich, als ihm in der Weihnachtsnacht der Geist des alten Marley erscheint – nicht der einzige Besucher aus einer geheimnisvollen Welt. Und plötzlich erkennt Scrooge, dass ein Fest mit der Familie sogar ihn mit Freude und Glück erfüllen kann.

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Seitenzahl: 145

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CHARLES DICKENS

Ein Weihnachtsmärchen

Illustriert

von

VOLKER KRIEGEL

WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN

Das Buch

Wie jedes Jahr verbringt Ebenezer Scrooge den Weihnachtsabend in seinem Kontor und schikaniert seinen Angestellten. Für die Vorfreude der anderen Leute auf Weihnachten hat der kaltherzige Scrooge absolut kein Verständnis. Als ihn in der Nacht der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Marley aufsucht, wird er gezwungen, über sein Dasein nachzudenken. Weitere mysteriöse Begegnungen mit den Geistern der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft führen ihm die Auswirkungen seiner Grausamkeit vor Augen. Mit dem Geist der gegenwärtigen Weihnacht wird er Zeuge des ärmlichen Weihnachtsfests der Familie seines Sekretärs Cratchits. Trotz ihrer Armut feiert die Familie mit großer Freude und Nächstenliebe. Der sonst so skrupellose Geschäftsmann ist besonders gerührt vom Schicksal des kleinen Tiny Tim, der nur mit Krücken gehen kann. Scrooge erkennt, was Weihnachten wirklich bedeutet und setzt von nun an alles daran, seine Mitmenschen und auch sich selbst glücklich zu machen.

 

Der Autor

Charles Dickens (1812–1870), geboren in Landport bei Portsmouth, wuchs in Chatham bei London auf. Als er elf Jahre alt war, musste sein Vater wegen nicht eingelöster Schuldscheine ins Schuldgefängnis; seine Mutter folgte ihm mit Charles’ Geschwistern dorthin. Charles, das zweitälteste Kind, musste währenddessen in einer Schuhwichsfabrik arbeiten. Erst als der Vater nach einigen Monaten entlassen wurde, besuchte Charles wieder eine Schule. Mit fünfzehn begann er in einem Rechtsanwaltsbüro als Gehilfe zu arbeiten, später wurde er Zeitungsreporter. Bald erschienen seine großen Romane Oliver Twist, Nicholas Nickleby und David Copperfield, die ihn schnell berühmt machten.

Dickens’ liebevolle Schilderungen menschlicher Schwächen, sein Kosmos skurriler und schrulliger englischer »Originale« und die satirische Anprangerung sozialer Missstände machten ihn bereits zu Lebzeiten zu einem der beliebtesten Romanciers der Weltliteratur. Seine Bücher brachten ihm außerdem beträchtlichen Wohlstand ein. Seit 1860 lebte er auf seinem Landsitz Gad’s Hill Place in Kent, wo er im Alter von nur 58 Jahren an einem Schlaganfall starb.

Die Originalausgabe A CHRISTMAS CAROL IN PROSE. BEING A GHOST STORY OF CHRISTMAS erschien erstmals 1843 in London.

 

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2. Auflage Taschenbuchausgabe 11/2011 Copyright © 1994 by Haffmans Verlag AG Zürich Copyright © 2011 dieser Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbHNeumarkter Str. 28, 81673 München. Umschlagillustration: © Volker Kriegel Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

 

ISBN: 978-3-641-24933-5V001

 

www.heyne.de

www.randomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

Buch und AutorCopyrightI - Marleys GeistII - Der erste der drei GeisterIII - Der zweite der drei GeisterIV - Der letzte der GeisterV - Zu guter Letzt

I

Marleys Geist

Marley war tot. So geht’s schon mal los. Darüber gibt es nicht den geringsten Zweifel. Sein Totenschein war vom Pfarrer, vom Küster, vom Leichenbestatter und vom Hauptleidtragenden unterzeichnet. Scrooge hatte unterschrieben, und wenn Scrooge seinen Namen für irgendetwas hergab, dann wurde es an der Börse wie ein Wertpapier gehandelt. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel.

Wohlgemerkt – ich will nicht unbedingt behaupten, dass ich aus eigener Erfahrung wüsste, was an einem Türnagel so besonders tot ist. Ich für meine Person würde eher einen Sargnagel für das toteste Stück Eisen halten, das im Handel ist. Aber im Gleichnis steckt die Weisheit unsrer Ahnen, und meine unheilige Hand soll nicht daran rütteln. Sonst wär’s aus mit unserm Land. Sie werden mir deshalb erlauben, noch einmal mit Nachdruck zu wiederholen, dass Marley so tot war wie ein Türnagel.

Ob Scrooge wusste, dass er tot war? Aber selbstverständlich. Wie hätte es anders sein können? Scrooge und er waren – ich weiß nicht, wie viele Jahre lang – Geschäftspartner gewesen. Scrooge war Marleys einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Nachlassverwalter, sein einziger Rechtsnachfolger, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Leidtragender. Selbst Scrooge jedoch war von diesem traurigen Ereignis nicht gar zu furchtbar erschüttert. Gerade am Tag des Begräbnisses erwies er sich als exzellenter Geschäftsmann und machte zur Feier des Tages einen richtigen Reibach.

Die Erwähnung von Marleys Begräbnis bringt mich zum Ausgangspunkt zurück. Marley war tot, da gibt es keinen Zweifel. Dies muss man begriffen haben, sonst ist nichts Wunderbares an der Geschichte, die ich erzählen möchte. Wenn wir nicht voll und ganz davon überzeugt wären, dass Hamlets Vater vor Beginn des Stückes tot war, dann wäre sein nächtliches Herumwandern bei Ostwind auf den Wällen seines Schlosses nicht besonders bemerkenswert. Nicht bemerkenswerter jedenfalls als die Erscheinung irgendeines andern Herrn mittleren Alters, der sich nicht scheut, nach Einbruch der Dunkelheit einen windigen Ort aufzusuchen – den St.-Pauls-Kirchhof beispielsweise –, nur um die müde Seele seines Sohnes wachzurütteln.

Scrooge hatte den Namen des alten Marley nie übermalen lassen. Jahre später noch war über der Tür des Warenhauses zu lesen: Scrooge & Marley. Die Firma war als Scrooge & Marley bekannt. Leute, die neu im Geschäft waren, nannten Scrooge manchmal Scrooge, manchmal Marley Er hörte auf beide Namen. Ihm war das egal.

Oh, er war ein gnadenloser Schinder, dieser Scrooge! Ein erpresserischer, gewalttätiger, unersättlicher, raffgieriger, verbissener, habsüchtiger alter Sünder! Hart und scharfkantig wie ein Stein, dem niemals ein edler Funke entspringt; verschwiegen, verschlossen und einsam wie eine Auster. Seine innere Kälte ließ sein altes Gesicht frostig erscheinen, zwickte seine spitze Nase, machte seine Wangen runzelig, seinen Gang steif, seine Augen rot und seine dünnen Lippen blau, und sie verlieh seiner schnarrenden Stimme einen bösartigen Klang. Raureif lag auf seinem Haupt, auf seinen Augenbrauen und auf seinem energischen Kinn. Wo immer er ging und stand, verbreitete sich die eisige Atmosphäre seines Innern. Er durchkältete sein Kontor in den Hundstagen, und noch nicht einmal am Christfest ließ er es auch nur um einen einzigen Grad auftauen.

Gegen äußere Hitze und Kälte war Scrooge unempfindlich. Keine Hitze konnte ihn erwärmen, kein Winterwetter ihn erkälten. Kein Wind war schneidender als er, kein Schneefall war unbeirrbarer, kein Platzregen war unbarmherziger. Schlechtes Wetter konnte einfach nicht gegen ihn ankommen. Nur in einer Hinsicht hatten schwerste Regengüsse, Schnee, Hagel und Graupelschauer einen Vorzug gegenüber Scrooge. Es lag etwas Großzügiges in ihrem Wesen, was man von Scrooge niemals sagen konnte.

Kein Mensch hielt ihn jemals auf der Straße an, um ihn freudestrahlend zu fragen: »Mein lieber Scrooge, wie geht es Ihnen? Wann werden Sie mich besuchen?«

Kein Bettler bat ihn um eine Kleinigkeit, kein Kind fragte ihn nach der Uhrzeit, kein Mann und keine Frau hatten ihn jemals in seinem Leben nach dem Weg gefragt. Selbst die Blindenhunde schienen ihn zu kennen. Sobald sie ihn kommen sahen, zogen sie ihre Herren in Torwege und Seitenstraßen und wedelten mit dem Schwanz, als wollten sie sagen:

»Kein Auge ist immer noch besser als der böse Blick, blinder Gebieter.«

Aber was machte das Scrooge schon aus? Gerade so war es ihm recht. Sich seinen eigenen Weg durch die Menge zu bahnen und jedes menschliche Mitgefühl auf Distanz zu halten, das war sein Ding, wie der Kenner sagt.

Eines schönen Tages – ausgerechnet am Heiligen Abend – saß der alte Scrooge geschäftig in seinem Kontor. Es war schneidend kalt, trübe und neblig. Er konnte hören, wie die Leute draußen auf der Gasse keuchend vorbeigingen, wie sie sich auf die Brust schlugen und wie sie mit den Füßen aufstampften, um sich zu erwärmen. Die Uhren der Stadt hatten eben erst drei geschlagen, aber es war schon ziemlich dunkel. Den ganzen Tag über war es nicht richtig hell geworden, und in den Fenstern der benachbarten Büros flackerten die Kerzen wie rötliche Flecken auf der zum Greifen dicken, braunen Luft. Der Nebel drang durch jede Ritze und durch jedes Schlüsselloch, und er war so dicht, dass man sogar die gegenüberliegenden Häuser in der engen Gasse nur schemenhaft erkennen konnte. Angesichts der trüben Wolke, die sich da herabsenkte und alles verdüsterte, hätte man denken können, die Natur selbst betreibe gleich nebenan eine riesige Brauerei.

Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen Schreiber im Auge behalten konnte, der nebenan in einer jämmerlich engen Zelle, einer Art Vorratskammer, Briefe kopierte. Bei Scrooge brannte nur ein kümmerliches Kaminfeuer, aber das Feuer des Schreibers war noch viel mickriger, so dass es tatsächlich nur wie eine einzige Kohle aussah. Nachlegen durfte er nicht, denn die Kohlenkiste stand in Scrooges eigenem Zimmer, und jedes Mal, wenn der Schreiber mit der Schaufel hereinkam, drohte ihm sein Arbeitgeber mit der Kündigung. Dann zog der Schreiber seinen weißen Schal zusammen und versuchte, sich an der Kerze zu wärmen, ein Unterfangen, an dem er als ziemlich phantasieloser Mensch stets scheiterte.

»Fröhliche Weihnachten, Onkel! Gott segne Sie!«, rief eine muntere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so rasch hereingekommen war, dass der Onkel es gar nicht bemerkt hatte.

»Bä!«, sagte Scrooge. »Humbug!«

Scrooges Neffe war so erhitzt vom schnellen Laufen im frostigen Nebel, dass er förmlich glühte. Sein Gesicht hatte eine gesunde Röte, seine Augen glänzten und sein Atem dampfte.

»Moment mal, Onkel – Weihnachten ist Humbug?«, rief Scrooges Neffe. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!«

»Allerdings«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten. Woher nimmst du dir das Recht auf Fröhlichkeit? Was hast du für einen Grund, fröhlich zu sein? Du bist schließlich arm.«

»Na kommen Sie«, erwiderte der Neffe heiter, »woher nehmen Sie das Recht, so missmutig zu sein? Was haben Sie für einen Grund, mürrisch zu sein? Sie sind schließlich reich.«

Da Scrooge im Moment nichts Besseres einfiel, sagte er noch einmal »Bä!« und fügte noch einmal »Humbug!« hinzu.

»Nicht sauer sein, Onkel«, sagte der Neffe.

»Was bleibt einem denn anderes übrig«, erwiderte der Onkel, »wenn man in einer dermaßen idiotischen Welt lebt?! Fröhliche Weihnachten! Hör mir bloß auf damit! Was bedeutet denn die Weihnachtszeit für dich? Es ist die Zeit, in der man Rechnungen bezahlen muss, obwohl man kein Geld hat; die Zeit, in der man sich ein Jahr älter und keine Stunde reicher fühlt; die Zeit, in der man die Bücher in Ordnung bringen muss und in der einem jeder einzelne Soll-Posten der letzten zwölf Monate noch einmal schmerzhaft bewusst wird. Wenn’s nach mir ginge«, fügte Scrooge ungehalten hinzu, »müsste jeder Idiot, der mit dem Spruch Fröhliche Weihnachten herumläuft, in seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig durchs Herz begraben werden. Das geschähe ihm recht!«

»Onkel«, flehte der Neffe.

»Neffe«, gab der Onkel mit strenger Stimme zurück, »feiere Weihnachten auf deine Weise, und lass mich’s auf meine Weise feiern.«

»Feiern Sie nur«, sagte Scrooges Neffe. »Aber Sie feiern ja doch nicht.«

»Das lass meine Sorge sein«, sagte Scrooge. »Für dich alles Gute! Alles Gute für dich, wie gehabt.«

»Es gibt viele Dinge«, entgegnete der Neffe, »von denen ich hätte profitieren können, von denen ich aber doch nicht profitiert habe, wenn ich mal so sagen darf. Weihnachten gehört auch dazu. Die Weihnachtszeit war für mich stets eine Zeit der Güte, der Vergebung, der Nächstenliebe und der Menschenfreundlichkeit – ganz abgesehen von der ursprünglichen Bedeutung dieses heiligen Festes. Falls man das überhaupt voneinander trennen kann. – Ich wüsste keine andere Zeit im ganzen Jahr, in der Männer und Frauen mit einem Mal bereit wären, ihre Herzen zu öffnen und an ärmere Menschen zu denken, so als seien diese tatsächlich Reisegefährten auf dem Lebensweg und nicht irgendwelche Kreaturen von einem fremden Stern. Und deshalb, Onkel – mag mir das Weihnachtsfest auch kein einziges Stück Gold oder Silber eingebracht haben, so glaube ich dennoch, dass es mir tatsächlich viel Gutes getan hat und viel Gutes tun wird. Darum sage ich: Gesegnete Weihnachten!«

Der Schreiber im Verschlag nebenan applaudierte unwillkürlich. Sogleich wurde ihm jedoch bewusst, wie ungehörig er sich benahm. Er stocherte rasch in seinem Feuer herum und erstickte dabei den letzten schwachen Funken für immer.

»Noch ein Ton von Ihnen«, rief Scrooge, »und Sie bekommen zur Feier des Tages die Kündigung dazu.« Zu seinem Neffen gewandt, fuhr er fort: »Du bist ja ein gewaltiger Redner. Ich frage mich, warum du nicht ins Parlament eintrittst.«

»Seien Sie doch nicht so zornig, Onkel. Wie wär’s, kommen Sie morgen zum Essen zu uns?«

Scrooge sagte, eher solle ihn … Tatsächlich, das sagte er. Er ging so weit, den Satz in seiner ganzen Länge zu Ende zu sprechen.

»Aber warum das denn?«, rief Scrooges Neffe. »Warum?«

»Warum hast du geheiratet?«, fragte Scrooge.

»Aus Liebe.«

»Aus Liebe«, knurrte Scrooge, als sei dies das Einzige, was ihm noch lächerlicher vorkomme als fröhliche Weihnachten. »Guten Abend!«

»Nein, bitte, Onkel, Sie haben mich doch auch früher nie besucht. Soll das jetzt auf einmal ein Grund sein, nicht zu uns zu kommen?«

»Guten Abend«, sagte Scrooge.

»Ich will nichts von Ihnen, ich bitte um nichts – warum können wir nicht Freunde sein?«

»Guten Abend«, rief Scrooge.

»Es tut mir von Herzen leid, dass Sie so stur sind. Wir haben nie irgendeinen Streit gehabt, von mir aus jedenfalls nicht. Nun gut, ich habe diesen Versuch gemacht, weil Weihnachten ist, und ich werde mir meine Weihnachtsstimmung nicht verderben lassen. Also dann – Fröhliche Weihnachten, Onkel!«

»Guten Abend«, sagte Scrooge.

»Und ein glückliches neues Jahr!«

»Guten Abend«, sagte Scrooge.

Sein Neffe verließ den Raum ohne ein böses Wort. An der Haustür hielt er inne, um dem Schreiber ein frohes Fest zu wünschen. So verfroren dieser auch war, er war immer noch warmherziger als Scrooge, denn er gab die Festtagswünsche herzlich zurück.

»Noch so ein Narr«, murmelte Scrooge, der zugehört hatte, »mein Schreiber. Verdient fünfzehn Shilling die Woche, hat Frau und Kinder und faselt von fröhlichen Weihnachten. Da muss man doch verrückt werden.«

Der Verrückte, von dem die Rede war, geleitete Scrooges Neffen hinaus und ließ zwei andere Leute herein. Es waren zwei stattliche Herren von ansehnlicher Erscheinung. Mit dem Hut in der Hand standen sie nun in Scrooges Kontor. Sie hatten Bücher und Papiere in den Händen und machten eine Verbeugung.

»Scrooge und Marley, wenn ich mich nicht irre«, sagte einer der Herren mit einem Blick in seine Liste. »Habe ich die Ehre mit Mr. Scrooge oder mit Mr. Marley?«

»Mr. Marley ist bereits seit sieben Jahren tot«, antwortete Scrooge. »Genau heute vor sieben Jahren ist er gestorben.«

»Was seine Freigebigkeit betrifft, so sind wir ganz sicher, dass er von seinem überlebenden Partner würdig vertreten wird«, sagte der Gentleman und wies sein Beglaubigungsschreiben vor. Seine Vermutung traf zu, denn Scrooge und Marley waren in der Tat zwei sehr verwandte Geister gewesen. Bei dem verdächtigen Wort »Freigebigkeit« verfinsterte sich Scrooges Miene. Er schüttelte den Kopf und gab das Beglaubigungsschreiben zurück.

»In dieser festlichen Jahreszeit, Mr. Scrooge«, sagte der Gentleman und zückte einen Stift, »sollten wir ganz besonders danach trachten, ein wenig Vorsorge zu treffen für die Armen und die Bedürftigen, die gerade in diesen Tagen große Not leiden. Viele Tausende haben nicht einmal das Allernotwendigste, und Hunderttausenden fehlt es an den elementarsten Annehmlichkeiten.«

»Gibt’s keine Gefängnisse?«, fragte Scrooge.

»Es gibt viele Gefängnisse«, sagte der Gentleman und ließ den Stift sinken.

»Und die Arbeitshäuser?«, verlangte Scrooge zu wissen. »Sind die immer noch in Betrieb?«

»Leider ja. Ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten.«

»Die Tretmühle und das Armengesetz sind also noch in Kraft?«, fragte Scrooge.

»Allerdings, Sir.«

»Oh, ich fürchtete schon, aus Ihren Worten schließen zu müssen, es sei etwas vorgefallen, was den nützlichen Gang der Dinge hemmen könnte. Freut mich, dass es nicht so ist.«

»Wir haben den Eindruck, dass diese Einrichtungen schwerlich dazu geeignet sind, den Menschen christliche Freude an Leib und Seele zu vermitteln«, erwiderte der Gentleman, »und deswegen möchten einige von uns eine gewisse Geldsumme zusammentragen, um für die Armen Speis und Trank und Heizmaterial zu kaufen. Wir haben diesen Zeitpunkt gewählt, weil gerade in diesen Tagen der Mangel besonders schmerzlich ist, während der Überfluss freudig genossen wird. Was darf ich auf Ihren Namen eintragen?«

»Nichts«, erwiderte Scrooge.

»Sie wünschen also, ungenannt zu bleiben?«

»Ich wünsche, in Ruhe gelassen zu werden. Wenn Sie schon fragen, was ich wünsche, meine Herren, dann ist das meine Antwort. Ich selbst mache mir keine schönen Tage an Weihnachten, und ich kann es mir nicht leisten, irgendwelchen Faulenzern schöne Tage zu machen. Ich trage dazu bei, die Einrichtungen zu unterstützen, die ich bereits erwähnt habe. Sie sind kostspielig genug. Und wer in Schwierigkeiten ist, der mag sich dorthin wenden.«

»Viele können nicht dorthin gehen, und viele würden lieber sterben.«

»Wenn sie lieber sterben möchten«, sagte Scrooge, »dann sollten sie es ruhig tun und damit den Bevölkerungsüberschuss verringern. Im Übrigen – entschuldigen Sie mich – verstehe ich davon nichts.«

»Aber Sie könnten es verstehen«, bemerkte der Gentleman.

»Das geht mich nichts an«, gab Scrooge zurück. »Man sollte sich um seine eigenen Geschäfte kümmern und sich nicht noch in die anderer Leute einmischen. Meine Geschäfte nehmen mich voll und ganz in Anspruch. Guten Abend, meine Herren!«

Die Herren waren sich darüber im Klaren, dass jede weitere Bemühung nutzlos sein würde, und sie entfernten sich. Scrooge ging mit gestärktem Selbstgefühl und mit deutlich gehobener Laune an seine Arbeit zurück.

Inzwischen war es so neblig und dunkel geworden, dass die Leute mit flackernden Fackeln umherliefen und sich anboten, den Kutschen voranzuleuchten und