Eine Art von Liebe - Hans-Joachim Bischof - E-Book

Eine Art von Liebe E-Book

Hans-Joachim Bischof

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Beschreibung

Mit seinen Kurzgeschichten hat Hans-Joachim Bischof die Hand am Puls der Zeit. Sie handeln nicht nur von verschiedenen Arten der Liebe, sondern auch von einer Diskussion der Genetiker über ein sehr langes Leben. Eine Zirkusgeschichte wird erzählt, und Erinnerungen an das Trocadero-Nachtlokal in Pforzheim werden wachgehalten. Eine Gruppe älterer Damen kämpft mit Schwarzwälder Kirschtorten, Obstschnitten und ihren vielen Jahrzehnten Erlebenszeit. Mira, eine Sicherheitsexpertin, erzählt von ihrem Kampf gegen vier Verbrecher. Über Hollywood gibt es etwas zu berichten, und schließlich gelingt trotz Haien ein gefährlicher Tauchgang am Riff. Am Ende schildert eine Vision die Arbeit der ersten Regierung einer vereinigten Erde.

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DAS BUCH

Mit seinen Kurzgeschichten hat Hans-Joachim Bischof die Hand am Puls der Zeit.

Sie handeln nicht nur von verschiedenen Arten der Liebe, sondern auch von einer Diskussion der Genetiker über ein sehr langes Leben. Eine Zirkusgeschichte wird erzählt, und Erinnerungen an das Trocadero Nachtlokal in Pforzheim werden wachgehalten.

Eine Gruppe älterer Damen kämpft mit Schwarzwälder Kirschtorten, Obstschnitten und ihren vielen Jahrzehnten Erlebenszeit. Mira, eine Sicherheitsexpertin, erzählt von ihrem Kampf gegen vier Verbrecher. Über Hollywood gibt es etwas zu berichten, und schließlich gelingt trotz Haien ein gefährlicher Tauchgang am Riff.

Am Ende schildert eine Vision die Arbeit der ersten Regierung einer vereinigten Erde.

Inhalt

Vorwort

Eine Art von Liebe

Diskussion der Genetiker

Neulich in Hollywood

Ein Kaffeekränzchen

Zwei Frauen

Ein Blick in die Zukunft: Ethik und Moral

Die Sache kann laufen

Das Zelt der Träume

Ein Tabakgeschäft

Zweiundneunzig vorüber

Die Jugendbande

Ein Künstlerleben

Erinnerungen an das

Trocadero

in Pforzheim

Globale Geschäfte

Mira

Tauchgang am Riff

Eine Vision: Amtsantritt der ersten Erdregierung

Autorenvita

Vorwort

man schreibt

damit

Menschen und Erinnerungen

Liebe

aber auch Entsetzen

nicht verlorengehen

in der Zeit

Eine Art von Liebe

Ihr alter Freund Tom von der Universität wollte sie mal wieder mit jemandem verkuppeln. Yvonne stapfte durch den Schneematsch, hier in Berlin hatte es geschneit, und steuerte ein italienisches Restaurant an. Tom machte ständig Versuche, aber bisher hatte es nie funktioniert. Entweder war Yvonne zu dominant oder zu intelligent, manchmal beides.

Dieses Mal sollte es ein gewisser Andreas Voss sein, den er mit ihr bekannt machen wollte. Wenn der Neue erfahren würde, dass sie zwei Kinder zu versorgen hatte und das Geld verdammt knapp war, verschwände er vermutlich ganz schnell wieder. Das waren ihre Gedanken.

Sie öffnete die Tür ins Lokal und steuerte auf Tom und dessen Frau Lea zu, die bereits an einem Tisch saßen.

»Setz dich, nett, dass du gekommen bist«, begrüßte sie ihr Studienfreund.

Yvonne nahm Platz und nickte den beiden zu.

»Schieß los, mein Mentor, wer ist der Typ dieses Mal? Habt ihr ein Foto?«

Tom und Lea erzählten abwechselnd von dem Schicksal des armen Kerls: Geschieden, Jobverlust, Hausverkauf, Kinder weg, jetzt ohne feste Bleibe. Aber ein toller, gutaussehender Mann, etwas älter als sie.

Yvonne glaubte, sich zu verhören, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Ein Sozialfall mit gebrochenem Herz, schlimmer ging es fast nicht.

»Also, Tom, ihr habt schon Nerven, das muss ich sagen.«

Aber die beiden ließen nicht locker und drängten, sie solle ihn sich doch wenigstens mal ansehen.

Yvonne ahnte eine Falle. Man wollte sie verkuppeln, koste es, was es wolle.

»Wo ist er?«, fragte sie schließlich.

Tom drehte den Kopf zur Seite. »Er sitzt drüben auf der Eckbank. Tu uns den Gefallen und gehe mal rüber, das reicht schon.«

Yvonne war sich nicht im Klaren, am liebsten wäre sie wieder gegangen. Aber Tom und Lea zuliebe würde sie sich mit Andreas unterhalten.

Sie schlenderte zu dem Kerl hinüber, er saß mit gesenktem Kopf vor einem Glas Bier.

Mensch, sah der gut aus. Alle Achtung!

»Hallo, Andreas, ich bin Yvonne. Wir geht’s dir so?« Sie setzte sich ihm gegenüber.

Er lachte komisch, aber auch irgendwie sympathisch. »Gegenwärtig bin ich ein Wrack«, war seine Erwiderung. »Aber es kann nur besser werden. Sag Andy zu mir.«

Er erzählte von seiner Familie und der Scheidung. Fast sein ganzes Geld war draufgegangen, und er suchte für eine gewisse Zeit eine Bleibe. Er kannte Tom von der Universität her und war ihm sehr dankbar. Also, er könne arbeiten, hätte noch einen Fernseher und ein Auto, keine Schulden, alles bezahlt.

Seine Ehrlichkeit imponierte Yvonne, und es sah für Andy bis jetzt nicht schlecht aus.

Sie unterhielten sich über die Kinder, Andys Nachwuchs hatte seine Frau zugesprochen bekommen. Er hätte auch noch einen Schrank mit vielen Büchern, wie er sagte, und Yvonne meinte dazu, dass in ihrer Wohnung genügend Platz wäre. Aber ihre Kinder müssten ihn akzeptieren, sonst könne sie ihn nicht einziehen lassen.

»In Ordnung, dann komme ich am Sonntag vorbei und stelle mich den Kids vor.«

Yvonne stimmte zu und verabschiedete sich von ihm.

Sie wollte noch ein paar Worte mit Tom und Lea reden, aber die beiden hatten sich klammheimlich verdrückt.

Murrend machte sie sich auf den Heimweg.

Andy kam Sonntagvormittag und beeindruckte auf Anhieb Yvonnes Töchter Hanna und Betty. Gemeinsam spielten sie Mensch ärgere dich nicht sowie Fang den Hut und schauten anschließend einen Film im Fernsehen an.

Gespannt beobachtete Yvonne die drei und war überglücklich, als beim Abschied die Mädchen darauf drängten, dass Andreas wieder kommen sollte.

Ein paar Tage später sagte sie ihm zu, dass er vorerst ein Jahr bei ihr wohnen könne.

Er wirkte sehr erleichtert, obwohl er zunächst für den Haushalt eingeteilt wurde, weil er noch keinen Job hatte. Putzen, kochen, waschen und die Kinder zur Schule bringen waren seine Aufgaben, die er sehr gut erledigte.

Yvonne hatte drei Tätigkeiten: den Minijob als Verkäuferin in einer Buchhandlung, dazu putzte sie in einem Kindergarten und schließlich hatte sie einen weiteren Minijob als Lagerhilfskraft in einem Kaufhaus. Sie kam oft erst am Abend heim, und Andy bereitete dann das Essen für alle zu. Yvonne war mit ihrem Untermieter ganz zufrieden, zumal er sich jetzt auch auf Arbeitssuche begab.

Er war gerade beim Putzen, da klingelte es an der Wohnungstür. Andy öffnete, ein Mann stand draußen.

»Hallo, guten Tag, ich bin Gerd Wickert. Yvonne und ich waren vor einem Jahr noch zusammen, und ich möchte ihr diesen Blumenstrauß geben.«

Andy blieb gelassen. »Gut, ich werde es ihr ausrichten. Das Grünzeug stelle ich in eine Vase.«

Gerd verabschiedet sich und ging ohne weitere Worte die Treppe hinunter.

Am Abend sprach Andy sie auf ihren Exfreund an, aber Yvonne stellte klar, dass da überhaupt nichts mehr lief. Es hätte nur Streitereien und Frust gegeben, daher die Trennung.

Danach schaute Yvonne ihre Post durch und fand einen Brief aus den Vereinigen Staaten.

»Walter, der Vater von Hanna und Betty, will nichts mehr bezahlen. Er braucht angeblich das Geld anderweitig.«

Yvonne schmiss wütend den Brief auf den Boden.

»Diese Arschgeige schwimmt in Geld, hat mehrere Milliarden und will uns den Geldhahn abdrehen. Die kleinen Beträge bezahlt der Typ aus seiner Portokasse, das merkt er überhaupt nicht. Der will mich persönlich fertigmachen.«

Andy ließ sie toben, ging in die Küche und brühte einen Tee auf. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, saß sie am Tisch und hatte sich etwas beruhigt.

»Danke«, sagte sie und nippte an der Tasse.

»Komm, erzähl mir, was damals passiert ist, mit Walter und dir.«

Andy hörte entspannt zu, die Sache begann also vor einigen Jahren, als sie noch an der Uni Jura studiert hatte.

Es gab eine kurze Pause, dann flossen die Worte aus ihr heraus. Der Professor war von Yvonnes Leistungen überzeugt gewesen und stellte ihr eine Stelle als Assistentin in Aussicht. Dann lernte sie einen reichen Amerikaner kennen, Walter Connell, er war Erbe eines großen Mischkonzerns und studierte Wirtschaftswissenschaften. Yvonne war von ihm begeistert, und er war wohl auch in sie verliebt. Man zog zusammen und sie wurde schwanger, auch darum, weil Walter Kinder wollte. Die Uni hatte für sie keinen Sinn mehr, und kurz vor Bettys Geburt meldete sich Yvonne von der Hochschule ab. Das zweite Kind war Hanna. Während ihr Freund nicht an eine Hochzeit dachte, aber dennoch das Familienleben genoss, wollte Yvonne heiraten und danach ihr Studium fortsetzen.

Walter hingegen trauerte zunehmend seiner einstigen Freiheit nach, deshalb versprach er Yvonne eine große Summe Geld. Er gestand ihr, dass er einfach nur ein wenig »Familie« ausprobieren wollte. Folglich entwickelten sich die Dinge für Yvonne nicht gut. Walter war ein sehr reicher Mann und konnte mit einer aufmüpfigen Person, die, wie sie, eine eigene fundierte Meinung hatte, überhaupt nichts anfangen. Nach vielen Streitereien zog er aus der gemeinsamen Wohnung aus, und bald fand der Enttäuschte eine angehende Ärztin, die wegen ihm ihre Karriere aufgab. Als Walter sein Studium abgeschlossen hatte, zogen die beiden in die Vereinigten Staaten. Yvonne und die Kinder blieben zurück, wenigstens bezahlte der Ex für Hanna und Betty.

Das alles erzählte sie Andy, der aufmerksam zuhörte.

»Und jetzt will er euch den Geldhahn zudrehen, so ein Arsch.«

Yvonne meinte, das Wort sei absolut richtig.

In der folgenden Woche bewarb sich Andreas und erhielt kurzfristig einen Fahrerjob, wenn auch nur für ein Jahr.

Yvonne kam mal wieder spät heim und teilte traurig mit, dass ihr Minijob beim Kaufhaus weggefallen war. Denn nachmittags wurde immer weniger Ware angeliefert, und das Kaufhaus hatte einen strikten Sparkurs eingeschlagen, daher wurde die Stelle gestrichen. Aber sie besaß ja noch die beiden anderen Tätigkeiten, und Andy verdiente jetzt auch, weshalb es finanziell noch gut aussah.

Doch Wochen später wurde auch bei Yvonnes Putzstelle im Kindergarten der Rotstift angesetzt und sie hatte jetzt nur noch die Tätigkeit in der Buchhandlung. Zu allem Überfluss fingen die Kinder an zu quengeln, dass sie auch mal neue Kleidung wollten, nicht immer nur Gebrauchtsachen.

Yvonne war ziemlich niedergeschlagen, und so freute sie sich umso mehr, als Andy vorschlug, am Samstag ins KaDeWe zu gehen, um mal Konsumluft zu schnuppern, auch wenn man nichts kaufen konnte.

Doch kurz vor ihrem Ausflug läutete es an der Wohnungstür. Es war Gerd, wieder mit einem großen Blumenstrauß.

Yvonne blieb nichts anderes übrig, als mit ihm zu reden.

»Hör mal, was ist los, du platzt hier einfach herein?«, rief sie zornig. »Unsere Beziehung ist beendet, du erinnerst dich?«

Sie wollte möglichst ein großes Theater vermeiden.

»Ich will eine zweite Chance, für mich, für uns, was sagst du dazu?«, erwiderte Gerd.

Yvonne holte tief Luft und legte los: »Hast du vergessen, warum es nicht geklappt hat? Zum Beispiel deine Nörgeleien über das Mittagessen, obwohl du selber gar nicht kochen konntest. Dann lagen überall Kippen in der Wohnung, trotz der vielen Aschenbecher. Außerdem hattest du ja, wie du sagtest, meine ewige Besserwisserei sattgehabt. Na, erinnerst du dich? Und dazu hast du ja offenbar seit unserer Trennung eine Freundin, diese Barbara Müller.«

Gerd machte ein verlegenes Gesicht. »Aber ich liebe immer noch dich.«

»Mensch, du bildest dir da etwas ein! Das hat doch mit uns nie funktioniert. Glaube mir, ich liege richtig, oder hast du wieder ein paar Flaschen Bier getrunken? Gerd, wach auf, und lass das bloß die Barbara nicht wissen.«

»Schon passiert«, erklang eine Stimme vom unteren Stockwerk herauf.

Yvonne ging ins Treppenhaus und erblickte unten eine Frau.

»Um Gottes willen, auch das noch«, sagte sie leise. »Hallo, Barbara, wie geht es Ihnen?«

»Yvonne, ich fühle mich beschissen, wir können uns gerne ein anderes Mal unterhalten. Gerd, komm doch mal zu mir, wir haben etwas zu besprechen.«

Mit gesenktem Kopf und Blumenstrauß verschwand er nach unten. Es wurde ziemlich laut, und Yvonne hörte die Worte »Schweinehund«, »Schlampe« sowie »Untreue«.

Es reichte ihr und sie schloss die Wohnungstüre.

Als Gerd und Barbara endlich verschwunden waren, konnten sich Yvonne, Andy und die Mädchen auf den Weg zum KaDeWe machen. In dem Konsumtempel bekamen die Kinder Schokolade und Andy spendierte Yvonne ein Glas Champagner. Sie schlenderten durch die Stockwerke und taten so, als könnten sie sich alles leisten.

In der Damenabteilung wanderte Yvonnes Blick durch die Gänge, plötzlich erstarrte sie.

»Andy, halt mich fest, sonst begehe ich einen Mord. Da drüben ist Walter.«

»Vielleicht sieht er dich nicht?«

»Doch, er hat uns im Blick. Der Arsch kommt her, mit seiner Anna.«

Andy meinte beschwörend: »Was er auch macht, bleibe ruhig. Wir kriegen ihn schon.«

»Ich versuche es«, erwiderte Yvonne.

Ihr Ex kam mit einem verkrampften Lächeln auf sie zu. Er begrüßte sie herablassend und meinte, es sei seltsam, dass man Leute wie Yvonne ins Kaufhaus lasse.

»Walter, das ist eine böse Beleidigung, jeder darf bei uns in ein Kaufhaus. Übrigens, wo bleiben deine Zahlungen, wir warten?«

Doch Walter frotzelte weiter: »Die Kinder sehen heruntergekommen aus, und dies, obwohl du immer so gescheit tust und alles besser wissen willst.«

Aber Yvonne wehrte sich. »Du Pfeife konntest es nie leiden, wenn jemand klüger war als du. Wie hast du es in deinen Firmen gemacht, wohl die Hälfte der Beschäftigten hinausgeschmissen, weil deren IQ größer war als deiner?«

Anna wurde etwas hektisch. »Liebling, lass dich von so einer nicht provozieren, die kann uns mal.«

Andy drückte Yvonnes Hand ganz fest, dann trat er vor und meinte lässig: »Mr. Connell, ich bin der Freund Ihrer Ex-Partnerin, und auch wir sind an einer abschließenden Regelung betreffend die Kinder interessiert. Lassen Sie uns einen Termin ausmachen, vielleicht im November, das sind noch vier Monate.«

»Ich stimme Ihrem Vorschlag zu«, entgegnete Walter, ein Brief mit dem genauen Datum würde Yvonne noch zugehen.

»Hat mich gefreut«, verabschiedete sich der Milliardär herablassend, und sie gingen weiter.

Yvonne zog es zurück zum Champagnerstand und bestellte zwei Kelche.

»Er hat dich böse provoziert, warum?«

»Es gab damals öfters Streit, als er merkte, dass ich erheblich mehr draufhatte als er. Das konnte Herr Connell nicht verkraften, trotz oder gerade wegen seiner acht Milliarden Dollar.«

Andy vervollständigte den Satz: »Und schnell suchte er sich ein folgsames Vorzeigeweibchen, blond, tolle Figur, attraktiv, welches er mit in die Staaten nahm.«

Yvonne lachte und nippte an ihrem Glas.

»Vater war heute aber komisch«, bemerkte Betty, die älter war. »Er hat Hanna und mich gar nicht angesehen.«

Andys Blick hing auf Yvonne, dann deutete er auf die Kinder und sagte: »Weißt du eigentlich, dass beide Mädchen erbberechtigt sind? Auch nach amerikanischem Recht.«

Aber, so meinte er weiter, man bräuchte Sicherheit in der Argumentation, hier könne ein Rechtsanwalt helfen.

Yvonne stimmte zu, und in der folgenden Woche suchten sie einen Spezialisten auf, die Sache kam ins Laufen.

Mehrere Nächte verbrachte Andy im Internet. Walter hatte seinen Ehrgeiz angestachelt, er wollte dem Kerl eins auswischen.

Nach einiger Suche fand er dessen Firmen und sammelte Informationen. Dann machte er eine interessante Entdeckung: Mr. Connell wollte in die Politik. Aber bei der Vorstellung seiner Familie waren Yvonne und die Kinder nicht aufgeführt, sondern nur Anna mit zwei Kids.

Walter, dachte Andy bei sich, jetzt haben wir dich. Du hast einen schweren Fehler gemacht, und so jemand will Senator werden?

Am nächsten Tag erzählte er Yvonne die Neuigkeiten.

Sie jubelte. »Das wird seine Niederlage, wir werden unserem Rechtanwalt davon berichten.«

»Und vor allem ist es ein Argument bei den schwierigen Verhandlungen wegen des Erbanteils der Kinder. Lass mich nur machen«, ergänzte er.

Die Expertise des Anwalts war teuer, Andreas musste seinen großen Kombi verkaufen, um das Honorar bezahlen zu können. Er fuhr jetzt ein kleineres und älteres Modell.

Aber Anfang September trat ein weiterer Verehrer von Yvonne in die Arena, es war Justus Schneider.

Er rief an, Andy nahm ab und der Mann wollte seine »wilde Löwin« sprechen.

Als Yvonne wieder von der Arbeit zurück war, fragte Andy nach dem Mann. Yvonne lenkte zunächst ab und wurde dann verlegen, schließlich rückte sie mit der Wahrheit heraus.

»Andy, ich gebe zu, Justus ist mein ausdrücklicher Heiratskandidat.«

Andy war betroffen, er wollte wissen, wie lange die Sache schon ging.

»Seit zwei Jahren, mit Unterbrechungen.«

»Und warum hast du das nicht schon eher gesagt?«

Yvonne erklärte, dass Justus ein Musiker der Berliner Philharmoniker war und vor drei Monaten eine feste Stelle bekommen hatte. So lange hätte sie warten wollen.

Doch Andreas blieb auf dem Boden, zeigte keine Wut und stellte lediglich fest, dass er unter diesen Umständen das Feld räumen würde.

»Mach langsam«, entgegnete Yvonne und erzählte von Justus’ Frauengeschichten. Er war betreffend seine Liebschaften international, eine in Prag, die andere in Straßburg.

»Aber er ist dein Typ«, stellte Andy fest.

»Ja und nein«, antwortete Yvonne, Justus sei attraktiv und anziehend, ein toller Mann und erfolgreich. Aber leider war er nicht treu.

»Na, das wäre dann meine Chance, nämlich seine Untreue.« Andy brachte die Worte zynischer hervor als gewollt.

»Hast du ihn schon getroffen?«, fragte er weiter.

Yvonne senkte den Kopf. »Letzte Woche hat er mich ins Adlon eingeladen.«

Andy setzte sich, dachte einen Moment nach und meinte dann, dass er ihre Ehrlichkeit schätze. Sie habe ihn jetzt vor fast einem Jahr gerettet. Daher werde er die Angelegenheit mit Walter noch durchziehen, um sich zu revanchieren. Aber dann werde er gehen, Justus hätte offensichtlich die besseren Karten.

Yvonne wirkte ratlos, aber es war klar, dass sie bald eine Entscheidung treffen musste.

Am nächsten Tag war Yvonne wieder in der Buchhandlung. Kurz vor Feierabend tauchte noch ein Kunde auf, es war Justus. Ob sie Lust hätte, beim Italiener Essen zu gehen?

Yvonne mochte Pizza und Pasta und sagte freudestrahlend zu.

Sie rief bei Andy an und schwindelte ihm vor, eine Freundin wäre überraschend gekommen und es würde später werden.

Justus aalte sich in seiner Paraderolle, weltläufig, elegant und charmant. Yvonnes Bedenken schmolzen dahin wie Schnee in der Sonne, der Musiker bekam von ihr einen Kuss nach dem anderen. Der Chianti tat ein Übriges und zufällig gab es in der Nähe ein kleines Hotel, wo sie sich ein Zimmer mieteten.

Yvonne war von Justus hingerissen und genoss den Sex mit ihm in vollen Zügen.

Etwas plötzlich war die Show beendet, und ihr Schwarm stellte sich noch kurz unter die Dusche. Bei ihr ließ der Alkohol allmählich nach und die Ernüchterung setzte ein.

Entsetzt sprang sie aus dem Bett und warf dabei den Sakko von Justus auf den Boden. Ein paar Sachen fielen heraus, auch ein kleiner Kalender. Sie schaute sich seinen Terminplaner genauer an und ihr wurde schlecht, denn für morgen, um acht Uhr in der Frühe, war eine Linda eingetragen. Aha, daher der schnelle Aufbruch. Und für das Wochenende hatte er sich mit einer Michelle Bäumler in Potsdam verabredet.

So schnell war Yvonne noch nie nüchtern geworden. Zugegeben, Justus war toll, aber er hatte sich nicht geändert und sie war schon wieder auf diesen Kerl hereingefallen. Sie packte alles wieder in den Sakko.

Justus kam aus dem Bad und zog sich rasch an.

Giftig fuhr sie ihn an: »Du Heuchler, ich bin im Bett doch hoffentlich besser als Linda, die du morgen triffst?«

Justus lachte breit. »Natürlich bist du besser, weil du anschmiegsam, willig und pflegeleicht bist. Bei Linda muss ich mir mehr Mühe geben.«

»Was hast du eben gesagt? Bist du bescheuert? Hast du schon mal das Wort Liebe gehört?«

Justus grinste. »Yvonne, bleib auf dem Boden. Ich finde dich gut im Bett, aber sonst hat Linda mehr Format.«

»Du Scheißarsch, verpiss dich! Hau bloß ab!«

Ungerührt machte er Yvonne noch ein paar Komplimente, nannte sie seine »schöne Löwin«, und dann war er weg.

»Na warte, du Mistkerl!«

Derart gedemütigt suchte sie hastig in ihrer Tasche nach dem Messer, das sie immer dabeihatte.

Aber es war zu spät, Justus kam nicht wieder, um sich zu entschuldigen. Voller Wut schmetterte sie ein Wasserglas gegen die Wand und atmete tief durch. Langsam ging ihr Puls zurück. Kopfschüttelnd und von Selbstzweifeln ergriffen kleidete sie sich an und machte sich auf den Heimweg.

Andy saß vor seinem Computer und schaute sich verschiedene Gerichtsurteile über Erbstreitigkeiten an. Dann zeigte er Yvonne die Seiten von Walter mit dessen politischen Ambitionen. Bei der Präsentation seiner Familie kamen seine Ex und Hanna sowie Betty überhaupt nicht vor, damit wurde Walter politisch unglaubwürdig.

Andy wollte ihm das haargenau unter die Nase reiben, denn damit wäre seine Karriere als Senator so gut wie unmöglich.

»Übrigens«, sagte er mit Genugtuung, »ich rieche da etwas. Wie war es mit Justus? Er hat dich wieder rumgekriegt, habe ich Recht?«

Seine Vermieterin suchte nach Worten und holte tief Luft. »Ich habe mich verführen lassen und kurz danach alles bereut.«

»Oh, das freut mich aber, dass du mich nicht ganz vergessen hast.«

Er lachte laut, aber es fuhr ihm wie ein Schlag in den Magen. Doch äußerlich ließ er sich nichts anmerken, das machten die Erfahrungen, die er in seiner Krise gesammelt hatte. Es war nicht immer gut, die eigenen Emotionen seiner Umgebung unmittelbar mitzuteilen.

Yvonne schaute ihn fragend an. »Willst du dich jetzt besaufen oder mich verprügeln?«

»Du bist ein Scherzkeks, natürlich nichts von beiden. Ich besitze ja schließlich Verstand.«

»Ich weiß etwas Schönes«, blinzelte sie ihn an und öffnete die Tür zu ihrem Schlafzimmer.

Dabei setzte die durchaus attraktive Mutti eine verführerische Miene auf.

Andy zögerte und schlug dann vor, in etwa drei Wochen könne man das gerne machen, aber vorerst nicht. Denn sie kenne ja das Wort »Schwangerschaft«, vielleicht von Justus? Und ein Kind wolle er sich nicht unterschieben lassen.

Ihm wurde langsam klar, dass Yvonne zwei Gesichter hatte, einmal als fröhliche intelligente Frau, aber auch, wenn sie ihre Schwäche gegenüber gutaussehenden Angebern offenlegte, wie damals bei Walter. Hatte sie denn nichts daraus gelernt?

Das war zwar ihr Problem, doch er entschloss sich, zu einem späteren Zeitpunkt etwas dazu zu sagen.

Einige Tage waren vergangen, die vier lebten nach wie vor zusammen, und Andy verhielt sich so, als sei die Sache mit Justus erledigt.

Rechtzeitig zu Anfang November war die Expertise des Anwalts fertiggestellt. Der Sachverhalt war eindeutig zum Vorteil der Kinder geregelt, es gab keine juristischen Probleme. Wenn alles stimmte, und davon ging Andy aus, gab es bald zwei Multimillionäre mehr in Berlin, und das waren Hanna und Betty. Yvonne hatte als Erziehungsberechtigte ein Zugriffsrecht auf das Geld.

Sie arbeitete nach wie vor in der Buchhandlung, aber Herr Lorenzo, der Eigentümer, hatte Yvonne mehrmals gefragt, ob sie das Geschäft übernehmen wolle. Andy riet ihr, etwas auf Zeit zu spielen, denn mit Walters Millionen wäre der Erwerb problemlos möglich.

Seit dem Bettabenteuer mit Justus hatte sich Yvonne ab und zu übergeben müssen, also war sie schwanger geworden.

»Der Kerl hat dir ein Kind gemacht, kann das sein? Denn ich war es nicht.« Andy wirkte etwas verärgert.

Yvonne suchte nach Worten, nach einer Antwort, blieb schließlich bei der Wahrheit.

»Ja, so ist es. Ich war damals erkältet und habe Penicillin genommen, daher blieb die Pille ohne Wirkung. Aber ich möchte das Kind nicht abtreiben.«

Andy versuchte sichtlich, ruhig zu bleiben und schlug vor, dass sie es dem Kerl sagen müsse.

Yvonne lachte und meinte nur: »Der Casanova weiß nichts davon und ich werde es ihm auch nicht mitteilen. Er ist ein Vagabund und Verführer, ein unglaublicher Egoist. Dem Kind werde ich es natürlich sagen, wenn es älter ist.«

Sie dachte nach und stimmte Andy schließlich zu, dass sie auch Julius irgendwann davon erzählen müsse.

Ihr Untermieter schwieg zunächst, doch dann brach es aus ihm heraus: »Meine Liebe, gerne hätte ich mich um Hanna und Betty gekümmert, da liegt der Fall anders. Aber wenn Justus ein Kind in die Welt setzt, soll er sich gefälligst auch darum kümmern. Es tut mir leid, aber das Kind in deinem Bauch ist nicht meine Angelegenheit, die Demütigung ist zu groß gewesen. Wieder bist du auf einen Angeber hereingefallen, wie damals bei Walter. Hast du denn nichts daraus gelernt?«

Yvonne starrte aus dem Fenster. »Das frage ich mich auch, aber gut, dass du es gesagt hast. Komm, wir schauen uns die Expertise nochmals an.«

Dann wandte sie sich um und sah ihm in die Augen. »Ich akzeptiere deine Entscheidung, Andy.«

Nach zwei weiteren Wochen war der Termin mit Walter und seinem Rechtsanwalt. Am Abend vorher saßen Andy und Yvonne beisammen, er hatte von ihr die Verhandlungsvollmacht erhalten.

»Du sagst keinen Ton und lässt mich machen, okay?«

Yvonne nickte und schwor, sich nicht provozieren zu lassen.

Andy meinte, sie solle sich Walter in Unterhosen vorstellen, und Yvonne lachte.

Genau dieses Verhalten sei richtig, das würde den Gegner verunsichern, meinte ihr Untermieter.

Die beiden Parteien trafen sich am nächsten Tag in einem Grandhotel. Walter hatte seinen Rechtsanwalt dabei und verlangte von Yvonne sofort die Unterschrift auf verschiedenen Formularen. Andy konterte, indem er seine Verhandlungsvollmacht vorlegte.

Der Milliardär wurde ungehalten, aber Yvonne strahlte ihn an, als sei er der Weihnachtsmann. Der Industrieelle ahnte Schlimmes, denn Andy legte in aller Ruhe seine Expertise vor und übergab die Papiere Walters Rechtsanwalt. Damit wären alle Fragen und Problem beantwortet, fügte Andy hinzu, außerdem sei die Rechtslage vollkommen klar und der Konflikt sei zweifelfrei im Sinne der Kinder gelöst. Das bedeutete die Auszahlung von großen Geldsummen an Betty und Hanna.

Der Rechtsanwalt machte ein verzweifeltes Gesicht, und Walter wollte einfach davonlaufen. Aber sein Advokat zog ihn wieder in den Sessel zurück.

»Bezüglich Ihrer politischen Ambitionen, Mr. Connell, sehe ich einige Probleme.« Andy bestellte sich in Ruhe einen Kaffee.

»Wieso?«, fragte Walter.

»Nun, auf Ihrer Homepage in den USA sind Yvonne und die Kinder nicht aufgeführt, Sie wollen die drei einfach verschweigen. Damit werden Sie unglaubwürdig und angreifbar.«

»Wollen Sie mich erpressen?«

»Nein, um Gottes Willen, das macht dann Ihr po