Eine Weihnachtsgeschichte - Charles Dickens - E-Book

Eine Weihnachtsgeschichte E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

Herzerwärmend für die kalte Jahreszeit: Der beliebte Weihnachtsklassiker in malerisch schönem Gewand von Erfolgsillustratorin Lisa Aisato! Ebenezer Scrooge liebt Geld und hasst Weihnachten. Einsam sitzt er am Weihnachtsabend vor dem erloschenen Kamin seines großen, düsteren Hauses. Draußen glitzern Schneekristalle im Schein der beleuchteten Fenster von den Nachbarhäusern, hinter denen glückliche Familien Weihnachten feiern. Mürrisch geht der alte Scrooge zu Bett, aber an diesem Abend bekommt er kein Auge zu: Er wird nacheinander von gleich drei Geistern besucht, die ihn mit auf eine Reise durch Nacht und Zeit nehmen. Und Scrooge erkennt, dass nichts so ist, wie er dachte – alles wird auf den Kopf gestellt. Ist es vielleicht doch nicht verkehrt, sich um seine Mitmenschen zu kümmern?  Vor genau 180 Jahren erschien die Erstausgabe der beliebten Weihnachtserzählung von Charles Dickens. Durch die fabelhafte Übersetzung von Gabriele Haefs und mit den fantastischen Bildern von Lisa Aisato wird dem Klassiker nun ein prächtiges neues Gewand verliehen. Für Fans von Lisa Aisatos Alle Farben des Lebens .

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Seitenzahl: 145

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Charles Dickens

Eine Weihnachtsgeschichte

Übersetzt von Gabriele Haefs

Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel En julfortelling bei Kagge Forlag AS 2022.

Deutsche Erstausgabe

1. Auflage 2023

© Atrium Verlag AG, Imprint WooW Books, Zürich 2023

Alle Rechte vorbehalten

Text: Charles Dickens

© Illustrationen: Lisa Aisato

Aus dem Englischen von Gabriele Haefs (nach dem Text der Originalausgabe A Christmas Carol von 1843, veröffentlicht in der Ausgabe Penguin English Library. 2012 bei Penguin Books Ltd.)

Published in agreement with Oslo Literary Agency.

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages.

 

ISBN978-3-03967-032-1

 

www.WooW-Books.de

www.instagram.com/woowbooks_verlag

Vorrede

In diesem kleinen Buch der Geister habe ich versucht, den Geist einer Idee herbeizurufen, und dieser Geist soll meine Leserinnen und Leser nicht verstimmen und nicht aufbringen, nicht gegeneinander, nicht sich selbst gegenüber, nicht dem Weihnachtsfest gegenüber und mir gegenüber schon gar nicht. Möge er auf freundliche Weise in ihren Häusern spuken und möge niemand ihn vertreiben wollen.

Euer aller getreuer Freund und Diener,

C. D.

Dezember 1841

Erster Teil Marleys Gespenst

Marley war tot, so fing es an. Da konnte es überhaupt keinen Zweifel geben. Sein Totenschein wurde unterzeichnet vom Pastor, vom Leichenbeschauer, vom Bestatter und von dem wichtigsten Hinterbliebenen. Scrooge nämlich unterzeichnete den Totenschein, und Scrooges Name galt an der Börse bei allem, was er in die Hand zu nehmen geruhte. Der alte Marley war also tot wie ein Türnagel.

Obwohl! Ich will nicht behaupten, dass ich irgendeine Ahnung davon hätte, was an einem Türnagel so besonders tot sein soll. Ich würde vielleicht eher einen Sargnagel als das allertoteste Teil im Eisenwarenhandel betrachten. Aber die Weisheit unserer Ahnen spricht aus der Redensart mit dem Türnagel, und ich will mit meinen unbefugten Händen nicht daran rühren, oder unser Land wäre am Ende. Ihr müsst mir also erlauben, mit Nachdruck zu erklären, dass Marley so tot war wie ein Türnagel.

Wusste Scrooge, dass Marley tot war? Natürlich wusste er das. Wie könnte es auch anders sein? Scrooge und Marley waren für ich weiß nicht wie viele Jahre Partner gewesen. Scrooge war Marleys einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger gesetzlicher Vertreter, sein einziger Zeichnungsberechtigter, sein einziger Nachlassverwalter, sein einziger Freund und der Einzige, der um ihn trauerte. Und nicht einmal Scrooge war durch dieses bedauerliche Ereignis besonders arg mitgenommen, sondern erwies sich auch am Tag der Beerdigung als hervorragender Geschäftsmann und ehrte den Verstorbenen mit einem vorteilhaften Handel.

Die Erwähnung von Marleys Beerdigung bringt mich zurück zu meinem Ausgangspunkt. Es besteht kein Zweifel daran, dass Marley tot war. Das muss ganz klar gesagt werden, sonst kann bei der Geschichte, die ich jetzt erzählen werde, nichts Wunderbares herauskommen. Wenn wir nicht vollständig davon überzeugt wären, dass Hamlets Vater vor Beginn des Stückes bereits nicht mehr lebt, wäre nichts weiter Besonderes daran, dass er nachts bei Ostwind einen Spaziergang auf seiner eigenen Burgmauer macht; nicht mehr als bei irgendeinem anderen Herrn mittleren Alters, der sich nach Einbruch der Dunkelheit an einen windigen Ort begibt – zum Beispiel zum Saint-Pauls-Friedhof –, um das verstörte Gemüt seines Sohnes aufzurütteln.

Scrooge ließ Marleys Namen niemals übermalen. Jahre später stand er immer noch über der Tür zum Lagerhaus: Scrooge & Marley. Die Firma war bekannt als Scrooge & Marley. Manchmal wurde Scrooge von neuer Kundschaft Scrooge genannt, manchmal Marley, und er antwortete auf beide Namen. Ihm war das alles gleich.

Das schon! Aber wenn es darauf ankam, dann hatte er eine ganz schön harte Hand, unser Scrooge; er war ein pressender, drückender, alles auswringender, zuschnappender, packender, gieriger alter Sünder! Hart und scharf wie Feuerstein, aus dem kein Stück Stahl jemals ein wärmendes Feuer geschlagen hatte; verschlossen und knauserig und eigenbrötlerisch wie eine Auster! Seine innere Kälte ließ seine alten Züge gefrieren, krümmte seine spitze Nase, runzelte seine Wangen, versteifte seinen Gang; machte seine Augen rot, seine Lippen blau und schlich sich listig in seine schnarrende Stimme ein. Frostiger Reif bedeckte seinen Kopf, seine Augenbrauen und sein ausgezehrtes Kinn. Er trug seine niedrige Temperatur immer mit sich herum, er ließ sein Büro an den Hundstagen vereisen und zu Weihnachten um kein einziges Grad auftauen.

Hitze und Kälte hatten kaum einen Einfluss auf Scrooge. Keine Hitze konnte ihn wärmen, kein Winterwetter konnte ihn frieren lassen. Kein wehender Wind war bitterer als er, kein fallender Schnee hatte sein Ziel besser im Blick, kein prasselnder Regen war weniger für Bitten und Flehen erreichbar. Übles Wetter wusste nicht, was es von ihm halten sollte. Nur in einer Hinsicht konnte sich der heftigste Regen oder Schnee oder Hagel oder Graupel rühmen, ihm gegenüber im Vorteil zu sein: Sie landeten meistens elegant, was bei Scrooge nie der Fall war.

Niemand hielt ihn auf der Straße jemals an, um mit frohem Blick zu sagen: »Mein lieber Scrooge, wie geht es Ihnen? Wann besuchen Sie mich denn mal?« Kein Bettler bat ihn um ein kleines Almosen, kein Kind wollte von ihm die Uhrzeit wissen, kein Mann und keine Frau hatten ihn in seinem ganzen Leben je nach dem Weg gefragt. Selbst die Blindenhunde schienen ihn zu kennen, und wenn sie ihn kommen sahen, zogen sie ihre Besitzer in Hauseingänge und Hinterhöfe, und immer peitschten sie mit dem Schwanz hin und her, wie um zu sagen: »Besser blind als der böse Blick, Herrchen!«

Aber was kümmerte das Scrooge? So gefiel es ihm doch. Sich den Weg an den überfüllten Pfaden des Lebens entlangzuschleichen, sich alles menschliche Mitgefühl vom Leib zu halten, das war das, was die Eingeweihten als »verrückt« bezeichneten, wenn von Scrooge die Rede war.

Vor langer Zeit einmal – und zwar von allen schönen Tagen im Jahr ausgerechnet am Heiligen Abend – saß der alte Scrooge in die Arbeit vertieft in seinem Kontor. Es war kaltes, beißendes, bitteres Wetter; neblig überall, und er konnte die Menschen draußen auf dem Hof hören, wie sie keuchend hin und her liefen, sich mit den Händen auf die Brust schlugen und mit den Füßen auf die Pflastersteine aufstampften, um sich zu wärmen. Die Uhren in der Stadt hatten gerade erst drei geschlagen, aber es war schon ziemlich dunkel, den ganzen Tag lang war es nicht hell geworden, und Kerzen flackerten hinter den Fenstern der benachbarten Handelshäuser wie rötliche Flecken in der zum Greifen dicken braunen Luft. Der Nebel quoll in jede Ritze und jedes Schlüsselloch und war draußen so dicht, dass die Häuser gegenüber nur noch zu ahnen waren, und dabei war es ein sehr enger Hof! Der Anblick der dicken Nebelwolke, die sich immer weiter senkte und alles in Dunkelheit hüllte, hätte den Eindruck erwecken können, Mutter Natur wohne gleich um die Ecke und braue in großem Stil etwas zusammen.

Die Tür von Scrooges Kontor stand offen, damit er seinen Buchhalter im Auge behalten konnte, der in einem trostlosen kleinen Gelass saß, einer Art Kerkerzelle, und Briefe abschrieb. Bei Scrooge brannte ein sehr kleines Feuer, aber das Feuer in der Kerkerzelle des armen Buchhalters war noch viel kleiner, so klein, als ob es nur aus einem einzigen Stück Kohle bestünde Doch er konnte nicht nachlegen, denn der Kohlenkasten stand bei Scrooge im Kontor, und immer wenn der Buchhalter mit seiner Kohlenschaufel hereinkam, meinte sein Herr, es wäre wohl an der Zeit, dass ihre Wege sich trennten. Weshalb sich der Buchhalter in einen riesigen weißen Schal hüllte und versuchte, sich an der Kerze zu wärmen, was ihm jedoch nicht gelang, denn er war kein Mann mit besonders reger Fantasie.

»Fröhliche Weihnachten, Onkel! Gott schütze dich!«, rief eine muntere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so plötzlich auftauchte, dass Scrooge sein Kommen bisher nicht bemerkt hatte.

»Pah!«, sagte Scrooge. »Humbug!«

Er hatte sich durch seinen schnellen Gang durch den Nebel dermaßen erhitzt, dieser Neffe des alten Scrooge, dass er geradezu leuchtete; sein hübsches Gesicht war gerötet, seine Augen funkelten, und sein Atem dampfte.

»Weihnachten und Humbug, Onkel?«, fragte Scrooges Neffe. »Das wird doch wohl nicht dein Ernst sein?«

»Doch«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten! Mit welchem Recht bist du denn fröhlich? So arm, wie du bist.«

»Hör doch auf«, erwiderte der Neffe lachend. »Mit welchem Recht bist du so verdrießlich? Aus welchem Grund bist du so griesgrämig? So reich, wie du bist.«

Scrooge fiel so schnell keine passende Antwort ein, deshalb sagte er noch einmal »Pah!« und ließ darauf ein »Humbug!« folgen.

»Sei nicht so verärgert, Onkel«, bat der Neffe.

»Was soll ich denn sonst sein?«, gab der Onkel zurück. »Wo ich doch in einer Welt voller Narren leben muss? Fröhliche Weihnachten? Fröhliche Weihnachten, meine Güte! Wozu ist Weihnachten denn gut, außer um deine Rechnungen zu bezahlen, obwohl du kein Geld hast, um festzustellen, dass du ein Jahr älter bist, aber nicht eine Stunde reicher; um deine Bücher in Ordnung zu bringen und in jedem Posten durch ein Dutzend Monate hindurch nur Verlust zu entdecken? Wenn ich was zu sagen hätte«, sagte Scrooge erbost, »würde jeder Trottel, der herumläuft und ›Fröhliche Weihnachten‹ blökt, zusammen mit seinem eigenen Plumpudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig durch sein Herz begraben werden. Jawoll!«

»Onkel!«, sagte der Neffe flehentlich.

»Neffe!«, erwiderte der Onkel streng. »Feier du Weihnachten auf deine Weise, und lass es mich auf meine Weise feiern.«

»Feiern?«, fragte Scrooges Neffe. »Aber du feierst doch gar nicht.«

»Dann lass mich in Ruhe«, sagte Scrooge. »Wirst schon sehen, was du davon hast. Was hast du denn je davon gehabt?«

»Es gibt vieles, wovon ich etwas gehabt haben könnte, auch wenn es mir nichts eingebracht hätte, wage ich zu behaupten«, antwortete der Neffe. »Unter anderem auch Weihnachten. Aber ich habe die Weihnachtszeit jedes Mal, wenn es wieder so weit war – abgesehen von der Verehrung, die Weihnachten aufgrund seines heiligen Namens und seines Ursprungs gebührt, falls man überhaupt von allem, was dazugehört, absehen kann –, immer für eine gute Zeit gehalten, eine freundliche, versöhnliche, angenehme Zeit; die einzige Zeit im langen Jahreskalender, wo Männer und Frauen einhellig ihre verschlossenen Herzen bereitwillig öffnen und an Menschen, die unter ihnen stehen, denken, als wären sie wirklich Reisegefährten auf dem Weg zum Grab und nicht eine andere Art von Wesen auf ganz anderen Wegen. Und deshalb, Onkel, obwohl Weihnachten mir nie auch nur ein kleines Stück Silber oder Gold in die Tasche gebracht hat, glaube ich, dass ich wirklich viel davon gehabt habe und dass ich auch weiterhin viel davon haben werde, und ich sage, Gott segne Weihnachten.«

Der Buchhalter in seiner Kerkerzelle applaudierte unwillkürlich, doch da ihm sofort aufging, wie unangebracht er sich da verhielt, stocherte er in seinem Feuer herum und löschte nun auch noch den letzten schwachen Funken für immer aus.

»Noch einen Ton«, sagte Scrooge, »und Sie können Weihnachten feiern, indem Sie Ihre Stellung verlieren. – Du bist doch ein gewaltiger Redner, mein Guter«, fügte er hinzu und wandte sich wieder seinem Neffen zu. »Da wundert es mich ja, dass du dich nicht ins Parlament wählen lässt.«

»Nicht böse sein, Onkel! Bitte! Komm doch morgen zum Essen zu uns.«

Scrooge sagte, eher würde er ihm doch dieses und jenes wünschen – ja, das sagte er. Er nahm wirklich kein Blatt vor den Mund und sagte, da sollte der Neffe lieber verdammt sein.

»Aber warum?«, rief Scrooges Neffe. »Warum?«

»Warum hast du geheiratet?«, fragte Scrooge.

»Weil ich mich verliebt hatte.«

»Weil du dich verliebt hattest!«, knurrte Scrooge, als ob so eine Hochzeit das Einzige auf der Welt wäre, das noch lächerlicher war als fröhliche Weihnachten. »Schönen Tag noch.«

»Nein, Onkel, vorher hast du mich doch auch nie besucht. Warum sollte es jetzt ein Grund sein, nicht zu kommen?«

»Schönen Tag noch«, sagte Scrooge.

»Ich will nichts von dir, ich verlange nichts von dir, warum können wir nicht Freunde sein?«

»Schönen Tag noch«, sagte Scrooge.

»Es tut mir von ganzem Herzen leid, dass du dich nicht erweichen lässt. Wir haben uns nie gestritten, soviel ich weiß. Aber ich habe jetzt einen Versuch gemacht, weil Weihnachten ist, und ich werde mir meine Weihnachtsstimmung nicht verderben lassen. Also, fröhliche Weihnachten, Onkel!«

»Schönen Tag noch«, sagte Scrooge.

»Und ein glückliches neues Jahr!«

»Schönen Tag noch«, sagte Scrooge.

Sein Neffe verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Er blieb jedoch am Ausgang stehen, um dem Buchhalter ebenfalls fröhliche Weihnachten zu wünschen, und dem, so kalt ihm auch war, war wärmer als Scrooge, denn er gab die guten Wünsche herzlich zurück.

»Das ist noch so einer«, murmelte Scrooge, der alles gehört hatte. »Mein Buchhalter, mit fünfzehn Schilling die Woche und einer Frau und Kindern, und da sagt er was von ›Fröhliche Weihnachten‹. Ja, bin ich denn hier im Irrenhaus?«

Der Irre, der Scrooges Neffen hinausgelassen hatte, hatte dabei zwei neue Besucher hereingelassen. Es waren zwei würdevolle Herren, sie boten einen angenehmen Anblick und standen jetzt, nachdem sie die Hüte abgenommen hatten, in Scrooges Kontor. Sie hatten Bücher und Papiere in den Händen und verbeugten sich vor ihm.

»Scrooge und Marley, vermute ich«, sagte der eine Herr nach einem Blick auf seine Unterlagen. »Habe ich das Vergnügen mit Mr Scrooge oder mit Mr Marley?«

»Mr Marley ist seit sieben Jahren tot«, erwiderte Scrooge. »Er ist auf den Tag genau vor sieben Jahren verstorben.«

»Wir haben keinerlei Zweifel daran, dass auch sein überlebender Partner die Freigebigkeit des Verstorbenen an den Tag legen wird«, sagte der Herr und zeigte seine Referenzen vor.

Er hatte durchaus recht, denn die beiden Partner waren Brüder im Geiste gewesen. Bei dem bedrohlichen Wort »Freigebigkeit« runzelte Scrooge die Stirn, schüttelte den Kopf und gab die Referenzen zurück.

»In dieser festlichen Zeit des Jahres, Mr Scrooge«, sagte der Herr und hob eine Schreibfeder auf, »ist es noch wünschenswerter denn je, dass wir eine gewisse Fürsorge für die Armen und Verlassenen treffen, die derzeit arg zu leiden haben. Vielen Tausenden fehlt das tägliche Brot, Hunderttausende haben nicht einmal das Nötigste, Sir.«

»Gibt es denn keine Gefängnisse?«, fragte Scrooge.

»Es gibt jede Menge Gefängnisse«, sagte der Herr und legte die Feder wieder hin.

»Und die Armenhäuser?«, wollte Scrooge nun wissen. »Sind die noch in Betrieb?«

»Das sind sie. Noch immer«, erwiderte der Herr. »Ich wünschte, ich könnte das Gegenteil behaupten.«

»Die Tretmühle und die Armengesetzgebung existieren doch noch?«, fragte Scrooge.

»Beide kommen häufig zur Anwendung, Sir.«

»Ach! Ich hatte nach Ihren ersten Bemerkungen schon Angst, dass etwas passiert sein könnte, um diese nützlichen Einrichtungen abzuschaffen«, sagte Scrooge. »Es freut mich sehr, das zu hören.«

»Da wir den Eindruck gewonnen haben, dass all dies den vielen Bedürftigen wohl kaum christliche Stärkung an Leib und Seele geben kann«, erwiderte der Herr, »versuchen einige von uns, einen Fonds einzurichten, um die Armen mit Nahrung und Feuerung zu unterstützen. Wir haben uns für diesen Zeitpunkt entschieden, denn gerade jetzt macht sich die Not ganz besonders bemerkbar, während andererseits der Überfluss triumphiert. Für welchen Beitrag darf ich Sie notieren?«

»Für gar keinen«, erklärte Scrooge.

»Sie möchten anonym bleiben?«

»Ich möchte in Ruhe gelassen werden«, sagte Scrooge. »Da Sie mich schon fragen, was ich möchte, ist das meine Antwort. Ich feiere Weihnachten nicht, und ich kann es mir nicht leisten, anderen das Feiern zu finanzieren. Ich helfe beim Unterhalt der bereits erwähnten Einrichtungen, das kostet schon genug, und die, denen es schlecht geht, sollen sich dorthin begeben.«

»Viele können das nicht, und viele würden lieber sterben.«

»Wenn ihnen das lieber wäre«, sagte Scrooge, »dann sollten sie das tun und den Bevölkerungsüberschuss verringern. Außerdem – entschuldigen Sie – weiß ich da nicht so genau Bescheid.«

»Das könnten Sie aber«, meinte der Herr.

»Das ist nicht meine Sache«, gab Scrooge zurück. »Es reicht, wenn man sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert und sich nicht in die von anderen einmischt. Meine lassen mir kaum einen freien Augenblick. Einen schönen Tag noch, die Herren.«

Die Herren, denen klar war, dass es keinen Sinn hatte, ihre Sache noch weiter zu vertreten, zogen sich zurück. Scrooge machte sich wieder an seine Arbeit. Er hatte nun eine höhere Meinung von sich selbst und war viel besser gelaunt, als es sonst bei ihm vorkam.

Derweil wurde es immer dunkler und nebliger, und Leute liefen mit lodernden Fackeln umher und boten an, vor Pferdekutschen herzugehen und ihnen den Weg zu zeigen. Der alte Turm einer Kirche, deren betagte, grimmige Glocke durch ein gotisches Fenster in der Mauer immer mit listigem Blick zu Scrooge nach unten lugte, wurde unsichtbar und schlug die Stunden und Viertelstunden im Wolkendickicht, gefolgt von zitternden Schwingungen, als ob dort oben in einem gefrorenen Haupt die Zähne klapperten. Die Kälte wurde immer ärger. Auf der Hauptstraße, an der Ecke zum Hof, reparierten einige Arbeiter Gasrohre und hatten in einer Kohlenpfanne ein großes Feuer entfacht, um das sich eine Gruppe von zerlumpten Jungen und Männern scharte; sie wärmten sich die Hände und blinzelten glücklich in die Glut. Die Trinkwasserpumpe wurde nicht beachtet, und aus Rache erstarrte das Wasser und wurde zu menschenfeindlichem Eis. Die leuchtenden Fenster der Läden, wo Stechpalmenzweige und Beeren in der Hitze der Lampen knisterten, malten im Vorübergehen bleiche Gesichter rötlich an. Das Einkaufen bei Geflügelhändlern und Lebensmittelhökern wurde zu einem fröhlichen Fest, einem prachtvollen Schauspiel, das fast nicht mit so öden Verfahren wie Handel und Verkauf in Verbindung zu bringen war. Der Oberbürgermeister in der Festung seines gewaltigen Stadthauses befahl seinen fünfzig Köchen, Weihnachten zu feiern, wie sich das für einen oberbürgermeisterlichen Haushalt gehörte, und sogar der kleine Schneider, den er am vergangenen Montag zu fünf Schilling Strafe verurteilt hatte, weil der betrunken auf der Straße Streit gesucht hatte, rührte in seiner Dachkammer den Pudding für morgen an, während seine magere Frau mit dem Baby losging, um ein Stück Rindfleisch zu kaufen.