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Charles Dickens' "Eine Weihnachtsgeschichte" führt uns in das düstere London des 19. Jahrhunderts, wo der hartherzige Ebenezer Scrooge nur an Geld und Macht denkt. Doch in der Nacht vor Weihnachten wird er von drei Geistern besucht, die ihm die Fehler seiner Vergangenheit, die Trostlosigkeit seiner Gegenwart und die Dunkelheit seiner Zukunft vor Augen führen. Wird Scrooge das Herz öffnen und den wahren Geist der Weihnacht entdecken? Ein Weihnachtsmärchen voller Wärme, Mitgefühl und Hoffnung – perfekt für die besinnliche Jahreszeit.
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Seitenzahl: 120
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Erste Strophe: Marleys Geist
Zweite Strophe: Der erste Geist
Dritte Strophe: Der zweite Geist
Vierte Strophe: Der letzte Geist
Fünfte Strophe: Das Ende
Inhaltsverzeichnis
Cover
Impressum:Pretorian Media GmbHUlica Yanaki Bogdanov 11BG-9010 Varna
Marley war tot, damit wollen wir anfangen. Kein Zweifel kann darüber bestehen. Der Totenschein war unterschrieben worden vom Pfarrer, dem Messdiener, dem Bestatter und den vornehmsten Trauergästen. Scrooge hatte ihn unterschrieben, und Scrooges Name wurde an der Börse respektiert, wo er ihn nur hinschrieb. Der alte Marley war so tot wie ein Türnagel.
Versteht mich recht! Ich will nicht etwa sagen, dass ein Türnagel etwas besonders Totes für mich hätte. Ich neige fast zu der Meinung, dass das toteste Stück Eisen der Welt ein Sargnagel sei. Andererseits werde ich es mir nicht anmaßen, mich an althergebrachten Redewendungen zu vergreifen. Man wird mir also erlauben, mit besonderem Nachdruck zu wiederholen, dass Marley so tot wie ein Türnagel war.
Wusste Scrooge, dass er tot war? Natürlich wusste er's. Wie sollte es auch anders sein? Scrooge und er waren, ich weiß nicht seit wie vielen Jahren, Geschäftspartner. Scrooge war sein einziger Testamentsvollstrecker, sein einziger Verwalter, sein einziger Erbe, sein einziger Freund und sein einziger Trauergast. Und selbst Scrooge war von dem traurigen Ereignis nicht so schrecklich mitgenommen, um nicht selbst am Tag des Begräbnisses ein vortrefflicher Geschäftsmann zu sein und ihn mit einem unzweifelhaft guten Handel feiern zu können.
Nun bringt mich die Erwähnung von Marleys Begräbnis wieder zum Ausgangspunkt meiner Erzählung zurück. Es gibt keinen Zweifel, dass Marley tot war. Das ist wichtig, sonst kann in der Geschichte, die ich erzählen will, nichts Wunderbares geschehen. Wenn wir nicht vollkommen fest überzeugt wären, dass Hamlets Vater tot ist, ehe das Stück beginnt, so wäre durchaus nichts Merkwürdiges an seinem nächtlichen Spaziergang bei scharfem Ostwind auf den Mauern seines eigenen Schlosses. Nicht mehr als bei jedem anderen Herrn in mittleren Jahren, der sich nach Sonnenuntergang rasch zu einem Spaziergang auf einem luftigen Platz entschließt, jedenfalls.
Scrooge ließ Marleys Namen nicht entfernen. Noch nach Jahren stand über der Tür des Ladens »Scrooge und Marley«. Die Firma war unter dem Namen Scrooge und Marley bekannt. Leute, die Scrooge nicht kannten, nannten ihn zuweilen Scrooge und zuweilen Marley; aber er hörte auf beide Namen, denn er war daran gewohnt.
Oh, er war ein wahrer Blutsauger, dieser Scrooge! Ein gieriger, knausriger, lechzender, geiziger alter Sünder: hart und scharf wie ein Kiesel, aus dem noch kein Stahl einen warmen Funken geschlagen hat, verschlossen und selbstgenügsam und ganz für sich, wie eine Auster. Die Kälte in seinem Herzen hatte seinen alten Blick starr werden lassen, seine spitze Nase noch spitzer, sein Gesicht runzlig, seinen Gang steif, seine Augen rot, seine dünnen Lippen blau, und sie klang aus seiner krächzenden Stimme heraus. Ein frostiger Reif lag auf seinem Haupt, auf seinen Augenbrauen, auf dem struppigen Bart. Er schleppte seine eigene Kälte immer mit sich herum: in den heißen Sommertagen kühlte sie sein Arbeitszimmer herab, zur Weihnachtszeit spürte er nicht einmal, dass er nicht heizte.
Keine Wärme konnte ihn wärmen und bei Kälte fror ihm nicht. Kein Wind war schärfer als er, kein Schneegestöber erbarmungsloser, kein klatschender Regen unwirtlicher. Schlechtes Wetter konnte ihm nichts anhaben. Der ärgste Regen, Schnee oder Hagel konnten sich sogar auf eine Weise rühmen, besser zu sein als er: sie gaben oft im Überfluss, und das tat Scrooge nie und nimmer.
Niemals kam ihm jemand auf der Straße entgegen, um mit freundlichen Blicken zu ihm zu sagen: »Mein lieber Scrooge, wie geht's, wann werden Sie mich einmal besuchen?« Kein Bettler sprach ihn um eine Kleinigkeit an, kein Kind fragte ihn, wie spät es sei, kein Mann und keine Frau fragte ihn je in seinem Leben nach dem Weg. Selbst der Hund des Blinden schien ihn zu kennen, und wenn er ihn kommen sah, zog er seinen Herrn in einen Hauseingang und wedelte dann mit dem Schwanz, als wollte er sagen: »Gar kein Auge, blinder Herr, ist besser als ein böses Auge.«
Doch was kümmerte all das den alten Scrooge? Gerade das gefiel ihm. Allein seinen Weg durch die engen Pfade des Lebens zu wandern, jedem menschlichen Gefühl zu sagen: »Bleibe mir fern«; das war es, was Scrooge gefiel.
Einmal, es war von allen guten Tagen im Jahr der beste, der Heiligabend, saß der alte Scrooge in seinem Arbeitszimmer. Draußen war es schneidend kalt und neblig, und er konnte hören, wie die Leute im Hof, um sich aufzuwärmen, auf und nieder gingen, die Hände aneinander schlugen und mit den Füßen stampften. Es hatte eben erst drei Uhr geschlagen, doch war es schon stockfinster. Den ganzen Tag über war es nicht hell geworden, und die Kerzen in den Fenstern der benachbarten Wohnungen flackerten wie rote Flecken durch die dicke braune Luft. Der Nebel drang durch jede Spalte und durch jedes Schlüsselloch und war draußen so dick, dass die gegenüberliegenden Häuser des sehr kleinen Hofes wie die Gespenster ihrer selbst aussahen.
Die Tür von Scrooges Arbeitszimmer stand offen, damit er seinen Angestellten beaufsichtigen konnte, der in einem erbärmlich feuchten, kleinen Raum, der einem Verlies viel zu ähnlich war, Briefe sortierte. Scrooge hatte nur ein sehr kleines Feuer brennen, aber das Feuer des Angestellten war um so viel kleiner, dass es aussah, als bestünde es nur aus einem einzelnen Klumpen Kohle. Er durfte aber nicht nachlegen, denn Scrooge hatte den Kohlenkasten in seinem Zimmer, und jedes Mal, wenn der Angestellte mit der Kohlenschaufel in der Hand hereinkam, drohte sein Herr, ihn zu kündigen. Und so schlang er seinen Schal enger und versuchte, sich am Licht seiner Kerze zu wärmen, was aber misslang, da seine Einbildungskraft dafür nicht ausreichte.
»Fröhliche Weihnachten, Onkel, Gott erhalte dich!« rief da eine heitere Stimme. Es war die Stimme von Scrooges Neffen, der so schnell hereingekommen war, dass seine Worte das erste waren, was man von ihm bemerkte.
»Pah«, sagte Scrooge, »dummes Zeug!«
Der Neffe war vom schnellen Laufen so warm geworden, dass er über und über glühte; sein Gesicht war rot und hübsch, seine Augen glänzten und sein Atem hinterließ Dampfschwaden im kalten Zimmer.
»Weihnachten dummes Zeug, Onkel?« sagte Scrooges Neffe. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Es ist mein Ernst«, sagte Scrooge. »Fröhliche Weihnachten? Was für ein Recht hast du, fröhlich zu sein? Was für einen Grund, fröhlich zu sein? Du bist doch viel zu arm.«
»Nun«, antwortete der Neffe heiter, »was für ein Recht hast du, missmutig zu sein? Was für einen Grund, mürrisch zu sein? Du bist doch viel zu reich.«
Scrooge, der im Augenblick keine bessere Antwort bereit hatte, sagte noch einmal »Pah!« und brummte hinterher »Dummes Zeug!«
»Sei nicht böse, Onkel«, sprach der Neffe.
»Was soll ich anderes sein«, antwortete der Onkel, »wenn ich in einer Welt voll solcher Narren lebe? Fröhliche Weihnachten! Der Henker hole die fröhlichen Weihnachten! Was ist Weihnachten für dich anderes, als eine Zeit, in der du Rechnungen bezahlen sollst, ohne Geld zu haben, eine Zeit, in der du dich um ein Jahr älter und nicht um eine Stunde reicher vorfindest, eine Zeit, in der du deine Bücher abschließt und in jedem Posten, ein volles Dutzend von Monaten hindurch, ein Defizit siehst? Wenn es nach mir ginge«, setzte Scrooge nach, »so müsste jeder Narr, der mit seinem ›Fröhliche Weihnachten‹ herumläuft, in seinem eigenen Pudding gekocht und mit einem Stechpalmenzweig im Herzen begraben werden.«
»Onkel!« flehte der Neffe.
»Neffe«, antwortete der Onkel erbost, »feiere du Weihnachten nach deiner Art und lass es mich nach meiner feiern.«
»Feiern!« wiederholte Scrooges Neffe. »Aber du feierst es ja nicht.«
»Lass mich in Ruhe«, brummte Scrooge. »Genieß es. Es hat dir ja immer so viel Nutzen gebracht.«
»Es gibt viele Dinge, die mir Gutes, aber keinen Nutzen bringen, das weiß ich«, antwortete der Neffe, »und Weihnachten ist eins davon. Aber ich weiß gewiss, dass ich Weihnachten, abgesehen von der Verehrung, die wir seinem heiligen Namen und Ursprung schuldig sind, immer als eine gute Zeit betrachtet habe, als eine schöne Zeit, als die Zeit der Vergebung und Barmherzigkeit, als die einzige Zeit, die ich in dem ganzen langen Jahreskalender kenne, in der die Menschen einträchtig ihre verschlossenen Herzen auftun und den anderen Menschen begegnen, als wären sie Reisegefährten auf dem gemeinsamen Weg zum Grabe und nicht eine ganz andere Art von Geschöpfen, die einen ganz anderen Weg gehen. Und daher, Onkel, wenn es mir auch niemals ein Stück Gold oder Silber in die Tasche gebracht hat, glaube ich doch, es hat mir Gutes getan, und es wird mir Gutes tun, und ich sage ›Gesegnet sei das Weihnachtsfest!‹«
Der Angestellte im Arbeitszimmer draußen applaudierte unwillkürlich; aber im Augenblick darauf bemerkte er die Taktlosigkeit seines Verhaltens, stocherte in den Kohlen herum und löschte dadurch die letzten kleinen Funken unwiederbringlich aus.
»Wenn ich von da draußen noch einen einzigen Laut höre«, sagte Scrooge, »dann feierst du deine Weihnachten mit einem Kündigungsschreiben in der Tasche. – Und du bist ein ganz gewaltiger Redner«, fügte er dann hinzu, an seinen Neffen gerichtet. »Es wundert mich, dass du noch nicht im Parlament sitzt!«
»Sei nicht böse, Onkel. Iss doch morgen mit uns.«
»Lieber will ich verdammt sein!« brummte Scrooge.
»Aber Onkel, du hast mich ja noch nie besucht. Ist das nicht ein hervorragender Anlass, mir endlich einen Besuch abzustatten?«
»Schönen Abend!« sagte Scrooge.
»Ich brauche nichts von dir, ich verlange nichts von dir, warum können wir nicht gute Freunde sein?«
»Schönen Abend!« sagte Scrooge.
»Ich bedaure wirklich, dich so hartnäckig zu sehen. Wir haben nie Streit miteinander gehabt, an dem ich schuld gewesen wäre. Aber ich habe versucht, Weihnachten zu ehren, und ich will meine Weihnachtsstimmung auch behalten. Frohe Weihnachten, Onkel!«
»Schönen Abend!« sagte Scrooge.
»Und ein glückliches neues Jahr!«
»Schönen Abend!« sagte Scrooge.
Trotz allem verließ der Neffe das Arbeitszimmer ohne ein böses Wort. An der Haustür blieb er dann stehen, um dem Angestellten frohe Weihnachten zu wünschen, der trotz der Kälte freundlicher war als Scrooge, denn er erwiderte den Gruß freundlich.
»Das ist auch so ein Kerl!« brummte Scrooge, der es hörte. »Mein Angestellter, mit fünfzehn Schilling die Woche und Frau und Kindern, spricht von fröhlichen Weihnachten. So jemand gehört ja ins Irrenhaus.«
Der Angestellte hatte, nachdem er den Neffen hinausgelassen hatte, zwei andere Personen eingelassen. Es waren zwei behäbige, wohlansehnliche Herren, die jetzt, mit dem Hut in der Hand, in Scrooges Arbeitszimmer standen. Sie trugen Bücher und Papiere unterm Arm und verbeugten sich.
»Scrooge und Marley, glaube ich«, sagte einer der Herren, indem er auf seine Liste sah. »Habe ich die Ehre, mit Mr. Scrooge oder Mr. Marley zu sprechen?«
»Mr. Marley ist seit sieben Jahren tot«, antwortete Scrooge. »Er ist heute vor sieben Jahren gestorben.«
»Wir zweifeln nicht daran, dass sein überlebender Partner seine Großzügigkeit besitzen wird«, sagte der Herr, indem er ihm sein Beglaubigungsschreiben überreichte.
Bei dem Wort Großzügigkeit runzelte Scrooge die Stirn, schüttelte den Kopf und gab das Papier zurück.
»An diesem festlichen Tage des Jahres, Mr. Scrooge«, sagte der Herr und ergriff eine Feder, »ist es mehr als sonst wünschenswert, wenigstens einigermaßen für die Armen zu sorgen, die zu dieser Zeit in großer Bedrängnis leben. Vielen Tausenden fehlen selbst die notwendigsten Bedürfnisse, Hunderttausenden die grundlegendsten Bequemlichkeiten des Lebens.«
»Gibt es keine Gefängnisse?« fragte Scrooge.
»Die Gefängnisse sind voll«, sagte der Herr und legte die Feder wieder hin.
»Gibt es keine Armenhäuser?« fragte Scrooge.
»Allerdings«, antwortete der Herr, »aber doch wünschte ich, sie brauchten weniger in Anspruch genommen zu werden.«
»Was ist mit den Kirchen und Suppenküchen?« sagte Scrooge.
»Beide haben alle Hände voll zu tun.«
»So? Nach dem, was Sie zuerst gesagt haben, habe ich befürchtet, es halte sie etwas von der Arbeit ab«, sagte Scrooge. »Ich freue mich, das Gegenteil zu hören.«
»In der Überzeugung, dass sie doch wohl kaum imstande sind, der Seele oder dem Leib der Armen seelischen Beistand zu geben«, entgegnete der Herr, »sind einige von uns zur Veranstaltung einer Sammlung zusammengetreten, um für die Armen Nahrungsmittel und Feuerholz zu beschaffen. Und wir wählen diese Zeit, weil sie vor allen anderen eine Zeit ist, in der der Mangel am bittersten gefühlt wird und nur der Reiche nichts zu beklagen hat. Welche Summe darf ich zu Ihrem Namen schreiben?«
»Nichts«, antwortete Scrooge.
»Sie wünschen ungenannt zu bleiben?«
»Ich wünsche, dass man mich in Ruhe lässt«, sagte Scrooge. »Ich freue mich selbst nicht auf Weihnachten und habe nicht die Mittel, mit meinem Geld Faulenzern eine Freude zu bereiten. Meine Steuern tragen meinen Teil zu den Anstalten bei, die ich genannt habe; sie kosten genug, und wem es schlecht geht, der mag dorthin gehen!«
»Viele können nicht hingehen, und viele würden eher sterben.«
»Wenn sie eher sterben würden«, sagte Scrooge, »so wäre es gut, wenn sie es täten und die überflüssige Bevölkerung dadurch verminderten. Übrigens kümmert es mich nicht. Es genügt, wenn ein Mann sein eigenes Geschäft versteht und sich nicht in das anderer Leute mischt. Das meine nimmt meine ganze Zeit in Anspruch. Guten Abend, meine Herren!«
Da sie deutlich sahen, wie vergeblich weitere Versuche sein würden, zogen sich die Herren zurück. Scrooge setzte sich selbstzufrieden und in besserer Laune als gewöhnlich wieder an die Arbeit.