Eine Weihnachtsgeschichte - Charles Dickens - E-Book

Eine Weihnachtsgeschichte E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

Der Weihnachtsklassiker von Dickens. Erzählt wird, wie am Heiligen Abend dem alten Geizhals Ebenezer Scrooge der Geist seines verstorbenen Geschäftspartners Marley erscheint. Der Geist prophezeit Scrooge ein düsteres Ende für den Fall, dass dieser sein Leben nicht grundlegend ändere. Wird sich Scrooge ändern? Dieser bekannte Stoff, die Wandlung eines grantigen Geizhals zu einem gutherzigen Menschenfreund ist in den Bildungskanon der westlichen Kultur eingegangen. Null Papier Verlag

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Charles Dickens

Eine Weihnachtsgeschichte

Illustrierte Fassung

Charles Dickens

Eine Weihnachtsgeschichte

Illustrierte Fassung

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Richard Zoozmann 3. Auflage, ISBN 978-3-954181-84-1

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Au­tor und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel – Mar­leys Geist

Zwei­tes Ka­pi­tel – Der ers­te der drei Geis­ter

Drit­tes Ka­pi­tel – Der zwei­te der drei Geis­ter

Vier­tes Ka­pi­tel – Der letz­te der drei Geis­ter

Fünf­tes Ka­pi­tel – Das Ende des Lie­des

Dan­ke

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Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

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Autor und Werk

Charles John Huf­fam Di­ckens (als Pseud­onym auch Boz; ge­bo­ren 7. Fe­bru­ar 1812 in Land­port bei Ports­mouth, Eng­land; ge­stor­ben 9. Juni 1870 auf Ga­d’s Hill Place bei Ro­che­s­ter, Eng­land) war ein eng­li­scher Schrift­stel­ler und Jour­na­list. Er gilt als ei­ner der her­aus­ra­gends­ten Au­to­ren sei­ner Zeit und als ei­ner der ers­ten, die in rea­lis­ti­schen Schil­de­run­gen das Leid ei­ner un­ter­pri­vi­le­gier­ten Be­völ­ke­rung auf­zeich­ne­ten.

1843 ver­fass­te Di­ckens den Ro­man »A Christ­mas Ca­rol« (»Eine Weih­nachts­ge­schich­te«) um auf die Not der Ar­men Eng­lands auf­merk­sam zu ma­chen. Am 19. De­zem­ber des Jah­res wur­de das Werk ver­öf­fent­licht.

Er­zählt wird, wie am Hei­li­gen Abend dem al­ten Geiz­hals Scr­oo­ge der Geist sei­nes ver­stor­be­nen Ge­schäfts­part­ners Mar­ley er­scheint. Der Geist pro­phe­zeit Scr­oo­ge ein düs­te­res Ende für den Fall, dass die­ser sein Le­ben nicht grund­le­gend än­dere.

Drei Geis­ter wer­den Scr­oo­ge noch auf­su­chen, der ver­gan­ge­nen, der ge­gen­wär­ti­gen und er zu­künf­ti­gen Weih­nacht. Sie sol­len den herz­lo­sen Scr­oo­ge einen Spie­gel sei­ner Schlech­tig­keit vor­hal­ten.

Wird sich Scr­oo­ge än­dern?

Die­ser be­kann­te Stoff, die Wand­lung ei­nes gran­ti­gen Geiz­hals zu ei­nem gut­her­zi­gen Men­schen­freund ist in den Bil­dungs­ka­non der west­li­chen Kul­tur ein­ge­gan­gen. Viel­fach sind die Ad­ap­tio­nen für Thea­ter, Film, TV oder an­de­re Me­di­en. Und recht­zei­tig zu Weih­nach­ten wer­den sie wie­der im TV ge­sen­det, von Den Mup­pets, über Bill Mur­ray in »Die Geis­ter, die ich rief« bis zu Jim Car­rey.

Die­se nur leicht über­ar­bei­te­te Fas­sung ent­hält meh­re sehr schö­ne Ori­gi­nal­zeich­nun­gen von Ge­or­ge Cruiks­hank.

Charles Dickens

Erstes Kapitel

Marleys Geist

Mar­ley war tot, da­mit wol­len wir an­fan­gen. Kein Zwei­fel kann dar­über be­ste­hen. Der Schein über sei­ne Be­er­di­gung ward un­ter­schrie­ben von dem Geist­li­chen, dem Küs­ter, dem Lei­chen­be­stat­ter und den vor­nehms­ten Leid­tra­gen­den. Scr­oo­ge un­ter­schrieb ihn, und Scr­oo­ges Name wur­de auf der Bör­se re­spek­tiert, wo er ihn nur hin­schrieb.

Der alte Mar­ley war so tot wie ein Tür­na­gel.

Ver­steht mich recht! Ich will nicht etwa sa­gen, dass ein Tür­na­gel et­was be­son­ders To­tes für mich hät­te. Ich selbst möch­te fast zu der Mei­nung nei­gen, dass das to­tes­te Stück Ei­sen auf der Welt ein Sar­g­na­gel sei. Aber die Weis­heit uns­rer Alt­vor­dern liegt in den Gleich­nis­sen, und mei­ne un­hei­li­gen Hän­de sol­len sie dort nicht stö­ren, sonst wäre es um das Va­ter­land ge­sche­hen. Man wird mir also er­lau­ben, mit be­son­de­rem Nach­druck zu wie­der­ho­len, dass Mar­ley so tot wie ein Tür­na­gel war.

Wuss­te Scr­oo­ge, dass er tot war? Na­tür­lich wuss­te er’s. Wie soll­te es auch an­ders sein? Scr­oo­ge und er wa­ren, ich weiß nicht seit wie viel Jah­ren, Kom­pa­gnons. Scr­oo­ge war sein ein­zi­ger Te­sta­ments­voll­stre­cker, sein ein­zi­ger Ver­wal­ter, sein ein­zi­ger Erbe, sein ein­zi­ger Freund und sein ein­zi­ger Leid­tra­gen­der. Und selbst Scr­oo­ge war von dem trau­ri­gen Er­eig­nis nicht so schreck­lich mit­ge­nom­men, um nicht selbst am Be­gräb­nis­tag ein vor­treff­li­cher Ge­schäfts­mann sein und ihn mit ei­nem un­zwei­fel­haft gu­ten Han­del fei­ern zu kön­nen.

Nun bringt mich die Er­wäh­nung von Mar­leys Be­gräb­nis­tag wie­der zu dem Aus­gangs­punkt mei­ner Er­zäh­lung zu­rück. Es gibt kei­nen Zwei­fel, dass Mar­ley tot war. Das muss scharf ins Auge ge­fasst wer­den, sonst kann in der Ge­schich­te, die ich er­zäh­len will, nichts Wun­der­ba­res ge­sche­hen. Wenn wir nicht voll­kom­men fest über­zeugt wä­ren, dass Ham­lets Va­ter tot ist, ehe das Stück be­ginnt, so wäre durch­aus nichts Merk­wür­di­ges in sei­nem nächt­li­chen Spa­zier­gang bei schar­fem Ost­wind auf den Mau­ern sei­nes ei­ge­nen Schlos­ses.1 Nicht mehr, als bei je­dem an­de­ren Herrn in mitt­le­ren Jah­ren, der sich nach Son­nen­un­ter­gang rasch zu ei­nem Spa­zier­gang auf ei­nem luf­ti­gen Platz ent­schließt, zum Bei­spiel auf dem Sankt-Pauls-Kirch­hof.

Scr­oo­ge ließ Mar­leys Na­men nicht aus­strei­chen. Noch nach Jah­ren stand über der Tür des Spei­chers »Scr­oo­ge und Mar­ley«. Die Fir­ma war un­ter dem Na­men Scr­oo­ge und Mar­ley be­kannt. Leu­te, die Scr­oo­ge nicht kann­ten, nann­ten ihn zu­wei­len Scr­oo­ge und zu­wei­len Mar­ley; aber er hör­te auf bei­de Na­men, denn es galt ihm bei­des gleich.

Oh, er war ein wah­rer Blut­sau­ger, die­ser Scr­oo­ge! Ein gie­ri­ger, zu­sam­men­krat­zen­der, fest­hal­ten­der, gei­zi­ger al­ter Sün­der: hart und scharf wie ein Kie­sel, aus dem noch kein Stahl einen war­men Fun­ken ge­schla­gen hat, ver­schlos­sen und selbst­ge­nüg­sam und ganz für sich, wie eine Aus­ter. Die Käl­te in sei­nem Her­zen mach­te sei­ne al­ten Ge­sichts­zü­ge starr, sei­ne spit­ze Nase noch spit­zer, sein Ge­sicht runz­lig, sei­nen Gang steif, sei­ne Au­gen rot, sei­ne dün­nen Lip­pen blau, und sie klang aus sei­ner kräch­zen­den Stim­me her­aus. Ein fros­ti­ger Reif lag auf sei­nem Haupt, auf sei­nen Au­gen­brau­en, auf dem star­ken strup­pi­gen Bart. Er schlepp­te sei­ne ei­ge­ne nie­de­re Tem­pe­ra­tur im­mer mit sich her­um: in den Hunds­ta­gen kühl­te er sein Kon­tor wie mit Eis, zur Weih­nachts­zeit mach­te er es nicht um einen Grad mol­li­ger.

Äu­ße­re Hit­ze und Käl­te wirk­ten we­nig auf Scr­oo­ge. Kei­ne Wär­me konn­te ihn wär­men, kei­ne Käl­te frös­teln ma­chen. Kein Wind war schnei­den­der als er, kein Schnee­ge­stö­ber er­bar­mungs­lo­ser, kein klat­schen­der Re­gen ei­ner Bit­te we­ni­ger zu­gäng­lich. Schlech­tes Wet­ter konn­te ihm nichts an­ha­ben. Der ärgs­te Re­gen, Schnee oder Ha­gel konn­ten sich nur in ei­ner Art rüh­men, bes­ser zu sein als er: sie ga­ben oft im Über­fluss, und das tat Scr­oo­ge nie und nim­mer.

Nie­mals kam ihm je­mand auf der Stra­ße ent­ge­gen, um mit freund­li­chen Bli­cken zu ihm zu sa­gen:»Mein lie­ber Scr­oo­ge, wie geht’s, wann wer­den Sie mich ein­mal be­su­chen?« Kein Bett­ler sprach ihn um eine Klei­nig­keit an, kein Kind frag­te ihn, wie spät es sei, kein Mann und kei­ne Frau hat ihn je in sei­nem Le­ben nach dem Weg ge­fragt. Selbst der Hund des Blin­den schi­en ihn zu ken­nen, und wenn er ihn kom­men sah, zog er sei­nen Herrn in einen Tor­weg und we­del­te dann mit dem Schwanz, als woll­te er sa­gen: »Gar kein Auge, blin­der Herr, ist bes­ser als ein bö­ses Auge.«

Doch was küm­mer­te all das den al­ten Scr­oo­ge? Gera­de das ge­fiel ihm. Al­lein sei­nen Weg durch die en­gen Pfa­de des Le­bens zu wan­dern, je­dem mensch­li­chen Ge­fühl zu sa­gen: »Blei­be mir fern«; das war es, was Scr­oo­ge ge­fiel.

Ein­mal, es war von al­len gu­ten Ta­gen im Jahr der bes­te, der Chri­sta­bend, saß der alte Scr­oo­ge in sei­nem Kon­tor. Drau­ßen war es schnei­dend kalt und neb­lig, und er konn­te hö­ren, wie die Leu­te im Hof, um sich zu er­wär­men, prus­tend auf und nie­der gin­gen, die Hän­de an­ein­an­der schlu­gen und mit den Fü­ßen stampf­ten. Es hat­te eben erst drei Uhr ge­schla­gen, doch war es schon stock­fins­ter. Den gan­zen Tag über war es nicht hell ge­wor­den, und die Ker­zen in den Fens­tern der be­nach­bar­ten Kon­to­re fla­cker­ten wie rote Fle­cken auf der di­cken brau­nen Luft. Der Ne­bel drang durch jede Spal­te und durch je­des Schlüs­sel­loch und war drau­ßen so dick, dass die ge­gen­über­lie­gen­den Häu­ser des sehr klei­nen Ho­fes wie ihre ei­ge­nen Geis­ter aus­sa­hen. Wenn man die trü­be, di­cke, al­les ver­fins­tern­de Wol­ke her­un­ter­sin­ken sah, hät­te man mei­nen kön­nen, die Na­tur woh­ne dicht ne­ben­an und braue en gros.

Die Tür von Scr­oo­ges Kon­tor stand of­fen, da­mit er sei­nen Kom­mis be­auf­sich­ti­gen konn­te, der in ei­nem er­bärm­lich feuch­ten, klei­nen Raum, ei­ner Art Burg­ver­lies, Brie­fe ko­pier­te. Scr­oo­ge hat­te nur ein sehr klei­nes Feu­er, aber des Die­ners Feu­er war umso viel klei­ner, dass es nur wie eine ein­zi­ge Koh­le aus­sah. Er konn­te aber nicht nach­le­gen, denn Scr­oo­ge hat­te den Koh­len­kas­ten in sei­nem Zim­mer, und je­des Mal, wenn der Kom­mis mit der Koh­len­schau­fel in der Hand her­ein­kam, mein­te sein Herr, es sei wohl nö­tig, dass sie sich trenn­ten. Worauf der Kom­mis sei­nen wei­ßen Schal um­band und ver­such­te, sich an dem Licht zu wär­men, was aber im­mer fehl­schlug, da er ein Mann von nicht sehr star­ker Ein­bil­dungs­kraft war.

»Fröh­li­che Weih­nach­ten, On­kel, Gott er­hal­te Sie!« rief da eine hei­te­re Stim­me. Es war die Stim­me von Scr­oo­ges Nef­fen, der so schnell her­ein­ge­kom­men war, dass die­ser Gruß das ers­te war, was man von ihm be­merk­te.

»Pah«, sag­te Scr­oo­ge, »dum­mes Zeug!«

Der Nef­fe war vom schnel­len Lau­fen so warm ge­wor­den, dass er über und über glüh­te; sein Ge­sicht war rot und hübsch, sei­ne Au­gen glänz­ten und sein Atem rauch­te.

»Weih­nach­ten dum­mes Zeug, On­kel?« sag­te Scr­oo­ges Nef­fe. »Das kann nicht Ihr Ernst sein.«

»Es ist mein Ernst«, sag­te Scr­oo­ge. »Fröh­li­che Weih­nach­ten? Was für ein recht hast du, fröh­lich zu sein? Was für einen Grund, fröh­lich zu sein? Du bist arm ge­nug.«

»Nun«, ant­wor­te­te der Nef­fe hei­ter, »was für ein recht ha­ben Sie, gräm­lich zu sein? Was für einen Grund, mür­risch zu sein? Sie sind reich ge­nug.«

Scr­oo­ge, der im Au­gen­blick kei­ne bes­se­re Ant­wort dar­auf be­reit hat­te, sag­te noch ein­mal »Pah!« und brumm­te hin­ter­her »Dum­mes Zeug!«

»Sei­en Sie nicht böse, On­kel«, sprach der Nef­fe.

»Was soll ich an­de­res sein«, ant­wor­te­te der On­kel, »wenn ich in ei­ner Welt voll sol­cher Nar­ren lebe? Fröh­li­che Weih­nach­ten! Der Hen­ker hole die fröh­li­chen Weih­nach­ten! Was ist Weih­nach­ten für dich an­de­res, als eine Zeit, in der du Rech­nun­gen be­zah­len sollst, ohne Geld zu ha­ben, eine Zeit, in der du dich um ein Jahr äl­ter und nicht um eine Stun­de rei­cher fin­dest, eine Zeit, in der du dei­ne Bü­cher ab­schließest und in je­dem Pos­ten durch ein vol­les Dut­zend von Mo­na­ten ein De­fi­zit siehst? Wenn es nach mir gin­ge«, setz­te Scr­oo­ge hef­tig hin­zu, »so müss­te je­der Narr, der mit sei­nem ›Fröh­li­che Weih­nach­ten‹ her­um­läuft, mit sei­nem ei­ge­nen Pud­ding ge­kocht und mit ei­nem Stech­pal­men­zweig im Her­zen be­gra­ben wer­den.«

»On­kel!« bat der Nef­fe.

»Nef­fe«, ant­wor­te­te der On­kel er­bost, »feie­re du Weih­nach­ten nach dei­ner Art und lass es mich nach mei­ner fei­ern.«

»Fei­ern!« wie­der­hol­te Scr­oo­ges Nef­fe. »Aber Sie fei­ern es ja nicht.«

»Lass mich un­ge­scho­ren«, brumm­te Scr­oo­ge. »Mag es dir Nut­zen brin­gen. Es hat dir ja im­mer schon Nut­zen ge­bracht.«

»Es gibt vie­le Din­ge, die mir hät­ten nüt­zen kön­nen und die ich nicht ge­nutzt habe, das weiß ich«, ant­wor­te­te der Nef­fe, »und Weih­nach­ten ist eins da­von. Aber ich weiß ge­wiss, dass ich Weih­nach­ten, ab­ge­se­hen von der Ver­eh­rung, die wir sei­nem hei­li­gen Na­men und Ur­sprung schul­dig sind, im­mer als eine gute Zeit be­trach­tet habe, als eine lie­be Zeit, als die Zeit der Ver­ge­bung und Barm­her­zig­keit, als die ein­zi­ge Zeit, die ich in dem gan­zen lan­gen Jah­res­ka­len­der ken­ne, da die Men­schen ein­träch­tig ihre ver­schlos­se­nen Her­zen auf­tun und die an­de­ren Men­schen an­se­hen, als wä­ren sie wirk­lich Rei­se­ge­fähr­ten nach dem Gra­be und nicht eine ganz an­de­re Art von Ge­schöp­fen, die einen ganz an­de­ren Weg ge­hen. Und da­her, On­kel, wenn es mir auch nie­mals ein Stück Gold oder Sil­ber in die Ta­sche ge­bracht hat, da­her glau­be ich doch, es hat mir Gu­tes ge­tan, und es wird mir Gu­tes tun, und ich sage ›Gott seg­ne das Weih­nachts­fest!‹«

Der Die­ner in dem Burg­ver­lies drau­ßen ap­plau­dier­te un­will­kür­lich; aber im Au­gen­blick dar­auf fühl­te er auch die Un­schick­lich­keit sei­nes Be­tra­gens, schür­te die Koh­len und lösch­te da­durch die letz­ten klei­nen Fun­ken un­wie­der­bring­lich.

»Wenn Sie da drin mich noch einen ein­zi­gen Laut hö­ren las­sen«, sag­te Scr­oo­ge, »so fei­ern Sie Ihre Weih­nach­ten mit dem Ver­lust Ih­rer Stel­le. – Du bist ein ganz ge­wal­ti­ger Red­ner«, füg­te er dann hin­zu, sich zu sei­nem Nef­fen wen­dend. »Es wun­dert mich, dass du noch nicht ins Par­la­ment ge­kom­men bist!«

»Sei­en Sie nicht böse, On­kel. Es­sen Sie mor­gen mit uns.«

Scr­oo­ge sag­te, dass er ihn erst ver­dammt se­hen wol­le; ja wahr­haf­tig, er sprach sich so deut­lich aus.

»Aber warum?« rief Scr­oo­ges Nef­fe. »Wa­rum denn?«

»Wa­rum hast du dich ver­hei­ra­tet?« frag­te Scr­oo­ge.

»Weil ich mich ver­lieb­te.«

»Weil er sich ver­lieb­te!« brumm­te Scr­oo­ge, als sei dies das ein­zi­ge Ding in der Welt, das noch lä­cher­li­cher als eine fröh­li­che Weih­nacht ist. »Gu­ten Abend!«

»Aber On­kel, Sie ha­ben mich ja auch vor­her nie be­sucht. Wa­rum soll es da ein Grund sein, mich jetzt nicht zu be­su­chen?«

»Gu­ten Abend!« sag­te Scr­oo­ge.

»Ich brau­che nichts von Ih­nen, ich ver­lan­ge nichts von Ih­nen, warum kön­nen wir nicht gute Freun­de sein?«

»Gu­ten Abend!« sag­te Scr­oo­ge.

»Ich be­dau­re wirk­lich von Her­zen, Sie so hart­nä­ckig zu fin­den. Wir ha­ben nie einen Zank mit­ein­an­der ge­habt, an dem ich schuld ge­we­sen wäre. Aber ich habe den Ver­such ge­macht, Weih­nach­ten zu Ehren, und ich will mei­ne Weih­nachts­s­tim­mung bis zu­letzt be­hal­ten. Fröh­li­che Weih­nach­ten, On­kel!«

»Gu­ten Abend!« sag­te Scr­oo­ge.

»Und ein glück­li­ches Neu­jahr!«

»Gu­ten Abend!« sag­te Scr­oo­ge.

Trotz al­lem ver­ließ der Nef­fe das Zim­mer ohne ein bö­ses Wort. An der Haus­tür blieb er dann ste­hen, um mit dem Glück­wunsch des Ta­ges den Kom­mis zu be­grü­ßen, der trotz der Käl­te den­noch wär­mer war als Scr­oo­ge, denn er gab den Gruß freund­lich zu­rück.

»Das ist auch so ein Kerl!« brumm­te Scr­oo­ge, der es hör­te. »Mein Kom­mis, mit fünf­zehn Shil­ling die Wo­che und Frau und Kin­dern, spricht von fröh­li­chen Weih­nach­ten. Ich gehe nach Bed­lam ins Ir­ren­haus.«

Der Kom­mis hat­te, als er den Nef­fen hin­ausließ, zwei an­de­re Per­so­nen ein­ge­las­sen. Es wa­ren zwei be­hä­bi­ge, wohl­an­sehn­li­che Her­ren, die jetzt, mit dem Hut in der Hand, in Scr­oo­ges Kon­tor stan­den. Sie hat­ten Bü­cher und Pa­pie­re un­term Arm und ver­beug­ten sich.

»Scr­oo­ge und Mar­ley, glau­be ich«, sag­te ei­ner der Her­ren, in­dem er auf sei­ne Lis­te sah. »Hab ich die Ehre, mit Mr. Scr­oo­ge oder mit Mr. Mar­ley zu spre­chen?«

»Mr. Mar­ley ist seit sie­ben Jah­ren tot«, ant­wor­te­te Scr­oo­ge. »Er starb heu­te vor sie­ben Jah­ren.«

»Wir zwei­feln nicht, dass sein über­le­ben­der Kom­pa­gnon ganz sei­ne Frei­ge­big­keit be­sit­zen wird«, sag­te der Herr, in­dem er ihm sein Be­glau­bi­gungs­schrei­ben über­reich­te.

Er hat­te ganz recht, denn sie wa­ren wirk­lich zwei ver­wand­te See­len ge­we­sen. Bei dem omi­nösen Wort Frei­ge­big­keit run­zel­te Scr­oo­ge die Stirn, schüt­tel­te den Kopf und gab das Pa­pier zu­rück.

»An die­sem fest­li­chen Tage des Jah­res, Mr. Scr­oo­ge«, sag­te der Herr, eine Fe­der er­grei­fend, »ist es mehr als sonst wün­schens­wert, we­nigs­tens ei­ni­ger­ma­ßen für die Ar­men zu sor­gen, die zu die­ser Zeit in großer Be­dräng­nis le­ben. Vie­len Tau­sen­den feh­len selbst die not­wen­digs­ten Be­dürf­nis­se, Hun­dert­tau­sen­den die not­dürf­tigs­ten Be­quem­lich­kei­ten des Le­bens.«

»Gibt es kei­ne Ge­fäng­nis­se?« frag­te Scr­oo­ge.

»Über­fluss an Ge­fäng­nis­sen«, sag­te der Herr, die Fe­der wie­der hin­le­gend.

»Und die Ar­men­häu­ser?« frag­te Scr­oo­ge. »Be­ste­hen die noch?«

»Al­ler­dings«, ant­wor­te­te der Herr, »aber doch wünsch­te ich, sie brauch­ten we­ni­ger in An­spruch ge­nom­men zu wer­den.«

»Tret­müh­le und Ar­men­ge­setz sind in vol­ler Kraft?« sag­te Scr­oo­ge.

»Bei­de ha­ben alle Hän­de voll zu tun.«

»So? Nach dem, was Sie zu­erst sag­ten, fürch­te­te ich, es hal­te sie et­was in ih­rem nütz­li­chen Gang auf«, sag­te Scr­oo­ge. »Ich freue mich, das Ge­gen­teil zu hö­ren.«

»In der Über­zeu­gung, dass sie doch wohl kaum im­stan­de sind, der See­le oder dem Leib der Ar­men christ­li­che Stär­kung zu ge­ben«, ent­geg­ne­te der Herr, »sind ei­ni­ge von uns zur Ver­an­stal­tung ei­ner Samm­lung zu­sam­men­ge­tre­ten, um für die Ar­men Nah­rungs­mit­tel und Feue­rung an­zu­schaf­fen. Und wir wäh­len die­se Zeit, weil sie vor al­len an­de­ren eine Zeit ist, da der Man­gel am bit­ters­ten ge­fühlt wird und nur der Rei­che sich freut. Wel­che Sum­me darf ich für Sie auf­schrei­ben?«

»Nichts«, ant­wor­te­te Scr­oo­ge.

»Sie wün­schen un­ge­nannt zu blei­ben?«

»Ich wün­sche, dass man mich in Ruhe lässt«, sag­te Scr­oo­ge. »Da Sie mich fra­gen, mei­ne Her­ren, was ich wün­sche, so ist eben dies mei­ne Ant­wort. Ich freue mich selbst nicht zu Weih­nach­ten und habe nicht die Mit­tel, mit mei­nem Geld Fau­len­zern Freu­de zu ma­chen. Ich tra­ge mei­nen Teil zu den An­stal­ten bei, die ich ge­nannt habe; sie kos­ten ge­nug, und wem es schlecht geht, der mag dort­hin ge­hen!«

»Vie­le kön­nen nicht hin­ge­hen, und vie­le wür­den eher ster­ben.«

»Wenn sie eher ster­ben wür­den«, sag­te Scr­oo­ge, »so wäre es gut, wenn sie es tä­ten und die über­flüs­si­ge Be­völ­ke­rung da­durch ver­min­der­ten. Üb­ri­gens, Sie ent­schul­di­gen, ich weiß nichts da­von.«

»Aber Sie könn­ten es wis­sen«, be­merk­te der Herr.

»Es küm­mert mich nichts«, ant­wor­te­te Scr­oo­ge. »Es ge­nügt, wenn ein Mann sein eig­nes Ge­schäft ver­steht und sich nicht in das an­de­rer Leu­te mischt. Das mei­ni­ge nimmt mei­ne gan­ze Zeit in An­spruch. Gu­ten Abend, mei­ne Her­ren!«

Da sie deut­lich ein­sa­hen, wie ver­geb­lich wei­te­re Ver­su­che sein wür­den, zo­gen sich die Her­ren zu­rück. Scr­oo­ge setz­te sich wie­der an die Ar­beit mit ei­ner er­höh­ten Mei­nung von sich selbst und in ei­ner bes­sern Lau­ne als ge­wöhn­lich.