Eine Woche Probezeit - Bekenntnisse einer Nymphomanin | Erotischer Roman - Jascha Bending - E-Book

Eine Woche Probezeit - Bekenntnisse einer Nymphomanin | Erotischer Roman E-Book

Jascha Bending

0,0

Beschreibung

Dieses E-Book entspricht 176 Taschenbuchseiten ... Sarah und Henry kennen sich schon seit Jahren, da sie sich täglich im Büro gegenübersitzen. Auf einer Betriebsfeier gestehen sie sich gegenseitig ihre Liebe. Aber schon am ersten Abend beichtet Henry Sarah seine sexuellen Vorlieben - seine Leidenschaft für fesselnde Dominanz, die er ausüben möchte. Zu seiner Erleichterung lässt sich Sarah auf ein einwöchiges Verhältnis auf Probe ein, um zu erfahren, was genau sich dahinter verbirgt und was das für den Fall einer Beziehung mit Henry bedeuten würde. Beide begeben sich auf eine Reise zwischen körperlicher Lust und emotionaler Selbstfindung, auf der Henry endlich alle Register der körperlichen Fixierung mit Leder und Latex ziehen kann. Und obwohl er am Ziel seiner Träume scheint, stellt er sich zusehends die Frage, welches Geheimnis Sarah wohl umgibt. Werden sie ihre Reise auch nach Ablauf der Probezeit fortsetzen können? Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 220

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Impressum:

Eine Woche Probezeit - Bekenntnisse einer Nymphomanin | Erotischer Roman

von Jascha Bending

 

Jascha Bending wurde 1980 in Inverness, Schottland, als Kind eines Schotten und einer Norwegerin geboren. Aufgewachsen in Fort William und später in Bergen, lebt Jascha seit 1999 in Hamburg. Dass hinsichtlich seiner sexuellen Ausrichtung etwas nicht der sogenannten Norm entsprach, realisierte Jascha endgültig nach dem Ansehen von „Gwendoline“, der 1984 verfilmten Umsetzung des Comics „Sweet Gwendoline“. Anfangs noch sehr zurückhaltend, merkte Jascha in den folgenden Jahren mehr und mehr, dass er mit den eigenen Vorlieben keinesfalls allein dastand. Die Gesellschaft öffnete sich und die Hemmschwellen bei Themen wie Fetisch und BDSM sanken. Dennoch gestaltete sich die Suche nach einem passenden Partner als schwierig und erfüllte sich erst nach dem Umzug in die Hansestadt, wo Jascha auch die bereits existente Idee zum Schreiben von erotischen Geschichten in die Tat umsetzte. Einige der in den Büchern beschriebenen Erlebnisse beruhen auf wahren Erlebnissen, andere wiederum sind Teil einer außerordentlich blühenden Fantasie. Aber in beiden Fällen achtet Jascha darauf, die Erzählungen für beide Geschlechter gleichermaßen attraktiv zu gestalten.

 

Lektorat: Jasmin Ferber

 

»Glücklich ist derjenige, für den die Wirklichkeit besser ist, als es ein Traum jemals sein kann.«

 

Originalausgabe

© 2019 by blue panther books, Hamburg

 

All rights reserved

 

Cover: © Honored_member @ shutterstock.com © Eky Studio @ shutterstock.com

Umschlaggestaltung: MT Design

 

ISBN 9783862775217

www.blue-panther-books.de

Samstag

Aus der Musikkonserve des DJs erklingt Allein, Allein.

Na, wie passend, denkt Henry. Er geht zur Theke, holt sich ein neues Bier, um sich dann außerhalb der Halle auf eine Mauer zu setzen. Dabei ignoriert er die Grüppchen seiner Kolleginnen und Kollegen um sich herum und nimmt kaum wahr, dass das Betriebsfest, insbesondere auf der Tanzfläche, so langsam seinen Höhepunkt erreicht. Das kühle Bier läuft seine Kehle hinunter, als er aus seiner innerlichen Isolation heraus eine Stimme vernimmt.

»So allein hier?«

Fast schon erschrocken blickt er auf. Vor ihm steht Sarah. Die Suche nach Worten gestaltet sich in diesem Moment für Henry schwieriger als sonst, wenn sie ihm tagtäglich im Büro gegenübersitzt. Er ist sicher nicht auf den Mund gefallen. Zumindest dann nicht, wenn es um den üblichen Gesprächsstoff der Arbeitswelt und den ein oder anderen Spaß geht. Schwieriger wird es aber, wenn es mit seinen Gefühlen und den damit verbundenen Problemen zu tun hat. Und diese Situation hier ist geradezu prädestiniert, um voller Ehrfurcht im Erdboden zu versinken oder sich dieser durch spontane Selbstauflösung zu entziehen.

Andererseits hat er in den Tagen zuvor an nichts anderes gedacht, als exakt in diese Situation zu gelangen. Auch wenn er nicht wirklich daran geglaubt hat.

Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. »Singen sie doch gerade: Allein, allein« Er bezweifelt, dass es ihm gelungen ist. Das sollte eigentlich auch nur eine Floskel sein, die auf den Song und seinen Aufenthalt abseits des Trubels hinweist. Doch schon wenige Sekunden später merkt er, dass hinter seiner Antwort mehr Tiefe steckt, als er eigentlich beabsichtigt hat. Und er spürt, dass sie es bemerkt hat. Also versucht er, die berührende Stille der Situation zu entschärfen, indem er sie anschaut, leicht lächelt und mit den Schultern zuckt.

Sie hat ihn bereits nach einiger Zeit des gemeinsamen Arbeitens gefragt, warum er denn eigentlich schon so lange solo wäre. Sie könne das überhaupt nicht verstehen. Er schon. Seine Begründung ist eine Mogelpackung. Er habe die Richtige eben noch nicht gefunden. Was im Grunde auch der Wahrheit entspricht. Aber eben nicht nur.

Sarah setzt sich neben ihn und seufzt. »Ich habe mich von Brian getrennt. Letzte Woche schon.«

Sofort schießt Henry angesichts dieser Aussage das Adrenalin ins Blut. Sie und Brian, sie waren gefühlte hundert Jahre zusammen. Zumindest, solange er Sarah kennt. Warum sagt sie das? Und warum ausgerechnet jetzt? Allerdings erklärt das auch, warum Sarah in der letzten Woche so schlecht drauf war.

Er hat es bemerkt und sie auch darauf angesprochen. Frauengeschichte, lautete ihre Antwort. Kein Grund für ihn, näher darauf einzugehen.

Und jetzt sitzt er hier und kann kaum glauben, was er da hört. Auf diese Situation ist er überhaupt nicht vorbereitet. Selbst wenn er es wäre, würde es an seiner mentalen Verlorenheit nichts ändern.

Schon seit Langem ist er in Sarah verliebt. Aber er hat sich nichts anmerken lassen. Zumindest meint er das. Denn er wollte nicht in eine bestehende Beziehung drängen. Nicht in ihre. Dennoch kann er nichts dafür, dass er sich magnetisch zu ihr hingezogen fühlt und Tag und Nacht an sie denken muss. Ihr Humor ist so schräg wie sein eigener, und sie lachen so viel über die absurdesten Dinge, bis ihnen die Tränen in die Augen treten. Und ganz nebenbei sieht Sarah auch noch verdammt gut aus.

Henry besinnt sich wieder und kehrt in die Realität zurück. »Was ist denn passiert?«

»Hm. Ich denke, ich habe endlich kapiert, worauf es im Leben ankommt.«

Unweigerlich wird Henry nervös. »Aha … und worauf?«

»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.«

Henry lächelt. »Versuche es mit Worten.«

»Würde ich tun, wenn ich sie hätte.«

»Warum soll es dir besser ergehen als mir?«

»Wieso?«

Ups. Ein Schritt zu weit, denkt sich Henry. »Nichts, nichts. Erzähl weiter.«

Sarah atmet seufzend aus. »Ich habe endlich gemerkt, dass Brian keine Ahnung davon hat, was das Wort ‚Beziehung‘ eigentlich bedeutet? Er ist nicht mehr als ein gut aussehender Armleuchter.«

Oha. Was genau will sie damit sagen? Sein Herz beginnt zu rasen. »Aha«, versucht es Henry zunächst in der Hoffnung, es würden noch weitere Worte folgen. Doch Sarah schweigt und Henry scheint mit diesem Statement hoffnungslos überfordert. Und warum betont sie gut aussehend? Warum hebt sie ihm das gegenüber so hervor? Brian ist vom Typ her tatsächlich der blonde und muskelbepackte Sonnyboy, den man sich am besten mit Surfbrett am Strand im Sonnenuntergang vorstellt.

Henry hält sich selbst auch nicht für unattraktiv. An fehlenden Möglichkeiten hat es zumindest nicht gelegen, dass er noch solo ist. Aber es passte bisher eben nicht. Und jetzt ist er plötzlich und unerwartet voller Hoffnung, dass Sahras Intention seiner Sehnsucht entspricht. Wenn es so ist, wie geht es dann weiter? Für ihn fühlt es sich so an, als ob sich die so lange verschlossene Tür endlich öffnet, um sogleich vor der nächsten verschlossenen Tür zu stehen. Eine Wolke unausgesprochener Worte scheint die Situation zu umhüllen. Sie liegen in der Luft, doch ist sich keiner von beiden sicher, ob es die Worte sind, die der andere hören möchte.

Als Sarah weiter schweigt, überwindet sich Henry zur Fortsetzung der Konversation. »Wie definierst du denn Armleuchter?«

Sarah muss darüber schon schmunzeln. »Jemand, der nur für sich selbst da ist. Brian hat mir nicht wirklich zu verstehen gegeben, was ich ihm bedeute oder mich spüren lassen zu wissen, was mir wichtig ist.«

Henry ist voller Anspannung. Jetzt nur nichts Falsches sagen: »Du wärst also lieber mit jemandem zusammen, der dazu fähig ist, aber nicht ganz so gut aussieht?«

Ach du Kacke. Hat er das wirklich gesagt? Falscher geht es schon gar nicht mehr, und er spürt, wie ihm die innerliche Hitze Schweißperlen auf die Stirn treibt. Natürlich hat er sich selbst gemeint, und Sarah hat es gemerkt. Sie sieht wirklich verdammt gut aus und könnte mit einem Fingerschnippen problemlos neue Partner finden. Langes braunes Haar, eine gesunde Größe und auch sonst ist alles an ihr wohlproportioniert. Außerdem ist sie Mitte Zwanzig und er gute zehn Jahre älter. Warum also sitzt sie jetzt hier? Mit ihm? Er spürt die Luft knistern. Möchte sie ihm tatsächlich etwas mitteilen? Er hockt nur wortlos da.

Sarahs Lächeln ist verschwunden. Da steht sie auf, greift nach seiner Hand und zieht ihn mit in die Dunkelheit der Umgebung, ohne dass es jemand bemerkt. Die Musik erklingt nur noch als vage Vermutung aus dem Schatten der Nacht.

Sarah stellt sich vor Henry hin. Er blickt in ihre großen Augen, als würden sich seine tausend Fragen darin spiegeln. Das seichte Licht des Mondes lässt ihn zunächst glauben, er befände sich in einem Traum. Aber er ist es nicht. Und erst recht nicht, als er ihre Lippen auf seinen spürt, sie sich enger umarmen und kurze Zeit später sich auch ihre Zungen begegnen. Seine Gefühle fahren Achterbahn, und der Abend nimmt eine Entwicklung, von der er immer geträumt hat. Aber daran geglaubt hat er nie. Und jetzt ist es tatsächlich Sarah, die ihn küsst. Nicht umgekehrt. Seine Welt steht kopf. Und er will sie. Und wie er sie will. Doch wie soll er ihr begreiflich machen, dass sein bisheriges Leben als Eremit einen Grund hat? Sein Traum scheint sich zu erfüllen, doch seine Probleme fangen jetzt offensichtlich erst richtig an. Er behält es aber für sich, denn der Zeitpunkt für ein Outing scheint ihm denkbar ungünstig. Außerdem ist der Augenblick zu schön, um ihn gleich wieder der Gefahr auszusetzen, zerstört zu werden.

So kehren sie als Paar zurück zur Feier, lassen es sich aber noch nicht anmerken. Doch auch wenn Henrys Herz strahlt, so liegt eine Sorge auf seiner Seele.

Den Rest des Abends verbringen beide zumeist gemeinsam auf der Tanzfläche, bis schließlich eine gute Stunde nach Mitternacht die Feierlichkeit für beendet erklärt wird. Eigentlich hatte Henry vor, selbst noch nach Hause zu fahren. Doch aufgrund der aktuellen Ereignisse sind aus dem Ziel, maximal ein oder zwei Biere zu trinken, einige mehr geworden. Darum steht er plötzlich vor einem Problem.

»Hat einer von euch eine Ahnung, wo ich hier ein Taxi bekomme? Fahren ist heute wohl nicht mehr.«

»Ich kann dich nach Hause fahren«, hört er Sarah sagen. Und zwar so, dass es so klingt, als hätten sie nicht gerade erst vor zwei Stunden versucht, ihre Zungen zu verknoten. Bisher hat noch niemand eine Ahnung, was sich heute zwischen den beiden abgespielt hat, und sie versuchen auch darauf zu achten, dass es so bleibt.

So steigen sie in Sarahs Mini, wobei Henry unsicher ist, ob er sich gerade wohlfühlen soll oder nicht. Vielleicht wäre die Fahrt mit dem Taxi besser gewesen, um mehr Zeit zur Sortierung seiner Gedanken zu haben. Aber dafür ist es jetzt zu spät, denn ablehnen wollte er Sarahs Angebot auch nicht.

Während der Fahrt sprechen sie nicht viel. Wenn Schmetterlinge im Bauch ein Zeichen für Gefühle sein sollen, dann sind es bei Henry ganze Schwärme. Aus den Lautsprechern dröhnt Enjoy The Silence. Auch passend, denkt er sich. Aber was macht er in fünf Minuten, wenn sie bei ihm zu Hause ankommen? Jedes ehrliche Wort könnte jetzt verkehrt sein. Also sagt er lieber nichts. Wie gern würde er sie mit in sein Haus bitten. Aber ist das zu aufdringlich? Und selbst wenn sie mitkommt, was dann? Soll er ihr die Wahrheit über sich erzählen? Oder soll er schweigen und es später bereuen?

Dann ist es zu spät für weitere Gedankenspiele, denn sie sind da. Was soll er machen? Aussteigen, Danke sagen und sich verabschieden? Doch die Entscheidung wird ihm abgenommen. Sarah macht den Motor aus, löst ihren Gurt, beugt sich zu Henry rüber und küsst ihn. Doch diesmal ist Henry vorbereitet und erwidert sofort.

Einen kurzen Moment später schauen sie sich in die Augen. Sein Blick muss so offen sein wie ein Buch, in dem steht, dass etwas ganz und gar nicht stimmt.

So bleibt Sarah nicht verborgen, dass Henry etwas bedrückt, und sie ist sich plötzlich unsicher. Vielleicht ist es doch nicht der richtige Weg gewesen, ihn derart zu überrumpeln. Aber sie ist immer noch fest davon überzeugt, seine Signale der letzten Wochen und auch Monate richtig interpretiert zu haben, dass er mehr für sie empfindet, als es unter Kollegen üblich ist. Doch endgültig bewusst wurde es ihr erst, als es mit Brian nicht mehr so lief, wie es eigentlich hätte laufen sollen.

Die fehlende Aufmerksamkeit und den Schwung, durch das Leben zu gehen, bekam sie tagsüber, wenn sie Henry gegenübersaß und mit ihm über die Ereignisse der Welt sprach oder sie einfach nur völligen Quatsch redeten und gemeinsam darüber lachten. Sie fühlt sich in seiner Nähe wohl und, was sie immer deutlicher spürt, zu ihm hingezogen.

Aber jetzt sucht sie kurzfristig den emotionalen Rückzug. »Tut mir leid, wenn ich … ich … ich wollte nicht …!«

Henry unterbricht sie sanft. »Nein, nein. Sag nichts. Es ist alles in Ordnung.« Er versucht seine Gedanken zu ordnen, bekommt aber die richte Reihenfolge nicht hin. »Es ist alles nur so … so … so kompliziert.«

Er fühlt sich wie ein in die Enge getriebener Krimineller auf der Suche nach einer Fluchtmöglichkeit. Aber eigentlich will er gar nicht flüchten. Vielleicht ist heute endlich der Tag gekommen, an dem alles, was er sich je gewünscht hat, in Erfüllung geht. Er atmet tief durch.

»O Mann«, beginnt er, »du kannst dir nicht vorstellen, wie oft ich von diesem Tag geträumt habe.« Dabei schaut er ihr in die Augen und streichelt ihr mit dem Handrücken über die Wange.

Sie lächelt ihn an. »Aber trotzdem hast du doch irgendwas«, entgegnet sie.

Er holt tief Luft, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Vielleicht ist es doch gut, dass er mehr Alkohol zu sich genommen hat als geplant. Zum einen sitzt er deshalb jetzt mit ihr im Auto, und zum anderen ist die Hemmschwelle, seine Gedanken zu verbalisieren, niedriger als gewöhnlich.

»Es hat rein gar nichts mit dir zu tun. Es liegt an mir.« Dabei wirkt er sehr verhalten und würde vor Scham am liebsten im Boden versinken. »Wir kennen uns jetzt schon so lange. Und du weißt bereits so viel über mich, offensichtlich auch, dass ich dich … liebe. Und das nicht erst seit gestern.«

Dabei muss er schmunzeln und auch Sarah wiegt zustimmend den Kopf. Er macht eine kurze Pause.

»Aber dennoch weißt du nicht alles. Denn es gibt etwas, das sich im Laufe einer Beziehung zu einem Problem entwickeln kann, wenn es vorher nicht bereits geklärt worden ist.«

Die Pause scheint ewig zu dauern, und die Stille dröhnt förmlich in seinen Ohren.

Sarah bricht das Schweigen. »Redest du über Sex?«

Henry zuckt innerlich zusammen. »Nun … äh … ich denke schon«, beginnt er. »Das soll aber nicht heißen, dass ich es will. Also wollen schon … aber nicht jetzt. Also … anders … also …!«

Verzweifelt wendet er sich von Sarah ab. »Herrje, wie komme ich denn da jetzt wieder raus. Du musst mich für einen totalen Idioten halten.«

»Hm«, macht Sarah. »Leider habe ich immer noch keine Ahnung, was du mir eigentlich sagen willst.«

Henry versucht, sich zu sammeln. Und immerhin hat ihn Sarah bis jetzt noch nicht rausgeworfen. Er rafft seinen ganzen Mut zusammen. »Ich hatte mal eine Beziehung«, setzt er erneut an. »Und die ist aus dem Grund gescheitert, weil … weil … na, weil ich nicht von Anfang an gesagt habe, was ich … nun ja … was ich mir vom intimen Teil einer Beziehung wünsche.« An diesem Punkt hält er inne, um Sarahs Reaktion zu erkunden, und ob er überhaupt weiterreden soll. Ob er weiterreden darf. Sie sitzt aber nur wortlos da. Also liegt es immer noch an ihm.

»Und ich habe mir damals geschworen, es beim nächsten Mal anders zu machen. Jetzt hat dieses ‚nächste Mal’ allerdings einige Jahre gedauert. Bis heute, um es genau zu sagen, und es trifft mich wie der berühmte Blitz aus heiterem Himmel. Darum rede ich mich gerade wohl auch um Kopf und Kragen.«

Noch immer blickt Sarah ihn unverändert an. »Bis jetzt weiß ich ja immer noch nicht, worum es eigentlich geht«, erwidert sie.

»Bitte denke nichts Falsches von mir. Versprich mir das bitte.« Dabei schaut er ihr in die Augen. »Bitte.«

»Wie soll ich dir etwas versprechen, wenn ich keine Ahnung habe, worum es geht? Außer, dass es offensichtlich etwas mit Sex zu tun hat.«

Da ist was dran. Gerade noch schwebt er auf Wolke Sieben, als er ihre Lippen auf seinen spürt, und kurze Zeit später hält sie ihn womöglich für einen irren Psychopathen.

»Also gut«, atmet er aus. »Sex ist für mich eine Sache größten Vertrauens. Insbesondere für das, was ich mir unter Sex vorstelle. Für mich ist Sex nicht nur das Ergebnis der körperlichen Befriedigung. Für mich ist Sex auch der Weg dorthin. Und besonders dann, wenn ich dafür sorgen darf, dass du dorthin gelangst, ohne dass du selbst aktiv eingreifen kannst.«

Jetzt macht Henry eine Pause, um die soeben gesprochenen Worte auf Sarah wirken zu lassen, in der Hoffnung, dass sie diese auch so deutet, wie er es beabsichtigt hat.

»Du willst mich fesseln?«, fragt sie schließlich. Ihr Tonfall ist eher erstaunt als geschockt.

Dennoch überkommt Henry das Gefühl des Erklärungsnotstandes. Zögerlich und wortlos nickt er.

»Wobei Fesseln dabei ein sehr … wie soll ich sagen … oberflächlicher Begriff ist. Glaube mir, ich würde nichts machen oder verlangen, mit dem du nicht einverstanden wärst«, beginnt er dann doch. »Mir geht es dabei nicht um … SM. Es geht mir nicht darum, jemandem Schmerzen zuzufügen. Weder physisch noch psychisch. Ich bin kein Sadist. Ich bin nicht Mister Grey.« Wieder macht er eine Pause. »Sicher hältst du mich für krank«, setzt er fort. »Wie gesagt, du wärst nicht die Erste. Aber vielleicht verstehst du zumindest, warum ich es dir gleich jetzt schon erzähle. Auch wenn ich unendliche Angst vor den Konsequenzen habe. Aber würde ich Schweigen, wäre ich irgendwann vermutlich unzufrieden, ohne dass du den Grund dafür kennst. Darum ist auch Vertrauen so wichtig für mich. Ich liebe dich. So oder so. Gerade deshalb denke ich, dass du es wissen sollst, bevor du später enttäuscht, wütend, geschockt oder alles zusammen bist. Und du dann jemanden in mir siehst, der ich gar nicht bin. Ich bin immer noch Henry. Mein Charakter hat sich deswegen nicht geändert. So schwer es mir fällt, aber ich will dir einfach die Möglichkeit geben, dich vorher zu entscheiden, ob du es trotzdem mit mir versuchen willst und ich dir nicht später etwas beichten muss, was dich wieder von mir trennt.«

Henry rechnet jetzt mit allem. Dass sie lacht, wegfährt oder gar wütend oder entsetzt reagiert. Oder hysterisch, weil sie offensichtlich auch wegen ihm ihren Freund verlassen hat. Zumindest ein bisschen. Aber nichts dergleichen geschieht. Sie wendet ihren Blick von ihm ab und scheint dafür das Lenkrad untersuchen zu wollen.

»Sag bitte was«, versucht er, der Situation eine Richtung zu geben. »Aber sag bitte nicht, dass du mich jetzt hasst oder für abnormal hältst.«

Ohne aufzublicken antwortet Sarah schließlich. »Nein. Ich halte dich weder für abnormal, noch hasse ich dich. Aber dein Geständnis kommt schon … überraschend. Wobei das jetzt nicht wirklich die passende Beschreibung ist. Ich vermute aber, dass es dich sicher sehr viel Überwindung gekostet hat, es mir, insbesondere jetzt schon, zu erzählen. Ich meine, eben noch haben wir uns geküsst, und jetzt reden wir schon über Fesselsex. Das ist ganz schön starker Tobak. Das muss ich erst mal sacken lassen.«

Henry nickt. »Ich muss zugeben, dass ich jetzt auch überrascht bin. Denn ich habe dich in Gedanken schon schreiend weglaufen sehen.«

»Na ja«, entgegnet Sarah nach kurzem Zögern. »Vielleicht renne ich deswegen nicht, weil mir Derartiges nicht völlig fremd ist.«

Henry reißt die Augen auf. »Wie jetzt?«

»Ich bin mit der Szene, falls ich das mal so nennen darf, bereits in Kontakt gewesen. Darum weiß ich auch, dass das nichts mit Abartigkeit oder so zu tun haben muss. Zumindest nicht das, von dem du sprichst.«

Henrys Augen werden immer größer.

»Brian hat mit mir auch schon was ausprobiert, was in diese Richtung geht. Doch es war einfach nur grauenvoll. Es hatte eher was von einer Vergewaltigung. Und das Schlimmste, er hat es nicht gemerkt. Spätestens da war mir klar, dass er unfähig ist zu spüren, was außerhalb seiner emotional beschränkten Welt passiert.«

Henry kann kaum glauben, was er da hört. Sie ist schon mal gefesselt worden? So viele Zufälle kann es doch gar nicht geben. Gleichzeitig spürt er, dass er offensichtlich noch ein zusätzliches Hindernis zu überwinden hat. Er muss noch Schatten aus Sarahs Vergangenheit besiegen und beweisen, dass er trotz seiner Vorlieben der Richtige für sie ist. Oder vielleicht gerade deswegen?

»Bei mir wäre es aber nicht so«, flüstert er ihr schon fast voller Verlegenheit zu.

Sie nimmt seine Hand. »Da bin ich mir sicher.«

»Und jetzt?«, fragt er eine Spur beruhigter.

Sie zuckt mit den Schultern. »Ich hatte für heute echt einen Plan.«

»Der wie genau aussah?«

»Dir zu sagen, was ich für dich empfinde«

»Na, das hast du ja wohl auch getan.«

»Er war damit eigentlich auch noch nicht beendet.«

Er spürt ein Kribbeln in der Magengegend. »Und das heißt?«

»Ist das nicht offensichtlich?«

»Hm. Und ich habe deinen Plan jetzt vereitelt.« Die Betonung drückt aus, dass es sich eher um eine Feststellung als um eine Frage handelt.

»Zumindest bin ich verunsichert.«, so Sarah.

»Bitte komm mit rein«, beginnt er fast bettelnd. »Ich möchte heute einfach nur genießen, dass du in meiner Nähe bist. Mehr nicht. Ich will dich nicht eben erst gefunden haben und dann gleich schon wieder verlieren. Ich bin immer noch der Henry, den du geküsst hast. Gib mir eine Chance. Findest du nicht, dass wir uns das nach unseren gegenseitigen Geständnissen auch verdient haben?«

Ein paar Sekunden lang reagiert Sarah nicht. Dann blickt sie ihn an. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Viele Sekunden. Dann steigt sie aus. Henry macht es ihr gleich, nimmt Sarah in den Arm und sie gehen gemeinsam ins Haus.

Sonntag

Als Henry die Augen öffnet, sieht er als Erstes langes braunes Haar. Den Bruchteil einer Sekunde später wird ihm klar, dass er den gestrigen Abend nicht geträumt hat. Neben ihm liegt Sarah. Es ist nichts weiter geschehen, als dass sie gemeinsam eingeschlafen sind. Er war vielleicht ein wenig angetrunken, aber keinesfalls betrunken genug, um sich nicht an Sex zu erinnern. Dennoch prüft er nach, was er denn so an hat, und beruhigt stellt er fest, dass er seine Boxershorts noch immer trägt. Nicht, dass er es nicht gern anders gehabt hätte. Aber nicht unter dem Umstand, sich nicht mehr daran erinnern zu können. Insofern hat schon alles seine Richtigkeit.

»Guten Morgen«, hört er eine Stimme verschlafener Zufriedenheit.

Was hat sie eigentlich an? Die Erinnerung kehrt zurück. Sie trägt eines seiner T-Shirts, weil er sie nicht gleich am ersten Abend dazu nötigen wollte, in Unterwäsche oder gar nackt zu ihm ins Bett zu steigen. Das Shirt ist aber so lang, dass es als Nachthemd locker durchgeht. Warum auch immer hatte er gestern noch diese Eingebung, bevor die Müdigkeit ihn völlig übermannte.

»Wie hast du geschlafen?«, fragt er sanft.

»Fantastisch«, antwortet sie sich streckend in diesem riesigen Bett. Dabei lässt sie ihren Blick durch das Zimmer streifen. »Also, man könnte tatsächlich meinen, dass du das Mittelalter irgendwie magst.«

Sarah steht auf, um sich genauer umzuschauen. Natürlich ist es ihr gestern schon aufgefallen. Wer hat schon ein mittelalterliches Schlafzimmer? Aber sie wollte der ohnehin schon merkwürdigen Stimmung nicht noch Fragen hinsichtlich des nicht alltäglichen Interieurs hinzufügen. Da ist morgen früh auch noch Zeit für, hat sie sich gedacht.

»Ja«, entgegnet Henry. »Ich wollte zumindest einen Raum haben, der an eine mittelalterliche Burg erinnert, wenn ich selbst schon keine besitze. Und da dachte ich, dass sich das Schlafzimmer am ehesten anbieten würde. Denn ein Wohnzimmer im schottischen Stil einer Burg mit Flachbildschirm und Stereoanlage, ich weiß nicht.« Er steht ebenfalls auf und gesellt sich zu ihr.

Sarah schaut sich weiter um. An der Wand befinden sich mehrere Kerzenhalter. Viele Bilder zeigen Szenen aus längst vergangenen Tagen. Dazu Schwerter, Schilde und andere Reliquien, die dieser Epoche zuzuordnen sind. Und massive Möbel aus schwerem Holz. Inklusive des riesigen Bettes, in dem sie sich gerade noch befunden haben.

»Schon immer hat mich diese Ära der Menschheit fasziniert. Die Legenden, die Mythen, die Architektur. Ich finde diese Epoche sehr aufregend und auch inspirierend. Wenn man von der unsagbaren Brutalität mal absieht.« Er macht eine kurze Pause. »Es könnte aber auch was mit meinen schottischen Wurzeln zu tun haben.«

»King Henry«, entgegnet ihm Sarah schmunzelnd.

»Aber nicht der Achte, bitte«, entgegnet Henry. »Außerdem war der Engländer und hatte einen an der Waffel.«

Sarah nickt zustimmend. »Ja. Und er war auch bekannt dafür, sich seiner Frauen auf unrühmliche Weise zu entledigen.«

»Ich bin da eher der Typ Robert, The Bruce. Oder William Wallace.« Dabei hält sich Henry mit der einen Hand ein Auge zu, reißt den anderen Arm hoch und ruft »Freedom« in den Raum. »Halbschotte mütterlicherseits, wie du weißt«, fügt er hinzu.

»Und Henry«, so Sarah, »hört sich auf jeden Fall besser an als Heinrich.«

»Ja«, stimmt er zu. »Die deutsche Übersetzung ist schon ziemlich uncool. Da bin ich meiner Mutter auch dankbar für, dass sie sich meinem Vater gegenüber durchgesetzt hat.«

Während Sarah noch immer beeindruckt ihren Blick schweifen lässt, erklärt Henry weiter. »Im Grunde ist das Zimmer im Moment ziemlich leer. Vorgestern hatte ich ein paar Freunde zu Besuch. Die wissen zwar von meinem Faible für das Mittelalter, allerdings nichts von dem, was ich dir gestern erzählt habe. Und so soll es auch bleiben. Darum habe ich … wie soll ich sagen … ein wenig aufgeräumt.«

Sarah schaut ihn dann doch fragend an. »Was genau meinst du mit Aufgeräumt?«

»Na ja, ein paar Sachen, die ab und zu noch hier rumstehen.«

»Was denn? Eine Streckbank?«

»Würdest du dann doch noch schreiend wegrennen?«

»Nicht im Nachthemd. Außerdem bin ich dafür gerade viel zu neugierig.«

Er atmet tief durch die Nase ein und reibt sich mit den Fingern die Schläfen. »Ich glaube, ich kann gerade nicht klar denken. Ich habe immer gehofft, jemanden zu finden, dem ich mich anvertrauen kann. Dann ist es sogar meine Traumfrau und ich habe … wie soll ich das beschreiben? Als ob das irgendwie nicht richtig ist. Als ob mein Traum wahr wird, aber aufgrund meiner Vorlieben auf immer zerstört werden könnte. Weil du jetzt die Wahrheit kennst und mich … dafür verabscheust oder so. Ist das verrückt oder was?« Er geht ein paar Schritte, um dann in der Mitte des Raumes zu verharren.

Sie macht es ihm gleich und geht auf ihn zu, bis sie ganz nahe vor ihm steht. Sie blickt zu ihm auf und schließt ihre Arme um ihn. Dann senkt sie den Blick und drückt ihre Wange auf seine Brust. Sie flüstert fast. »Ja. Völlig verrückt und absurd. Und überhaupt … bin ich nicht mit zu dir gekommen, nachdem du mir gestern deine … Geschichte erzählt hast?« Sie hebt den Kopf und blickt ihm in die Augen. »Ich muss schon zugeben, dass mich das alles verunsichert. Vor allem das Zimmer hier. Aber ich finde es auch, wie soll ich sagen, aufregend. Ich bin hier, weil ich mich in dich verliebt habe. Und wenn man sich verliebt, läuft man immer Gefahr, Facetten am Partner zu entdecken, die überraschen oder die man nicht erwartet hat.«