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Chris Jacobsen

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Beschreibung

Steffen Heller ist dort angekommen, wo er nie hinwollte. Nie wieder hinwollte. In seiner Geburtsstadt Husum. Hier muss der in Hamburg lebende Kommissar einen Mord aufklären und im Laufe der Ermittlungen nicht nur Details zu den moralischen Abgründen in dieser kleinen Stadt am Meer entdecken, sondern auch seine eigene unfreiwillige Liebe zu ihr.

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Jan Jensen und Johann Petersen saßen in der Abendsonne, an Deck ihres kleinen Kutters.

Sie verrichteten die letzten Arbeiten, die letzten Handschläge an Deck ihres Schiffes.

Den Kutter hatten sich die beiden Männer, für einen eher geringen Preis, gemeinsam mit dem Liegeplatz im Innenhafen von Husum gekauft.

Sozusagen als Schrebergarten für Nordmänner.

Der Kutter selbst war nicht mehr seetauglich und diente hier, an diesem Platz praktisch nur als romantisierende Erweiterung zum Stadtbild.

Die beiden Männer waren durch den Kauf für Pflege und Erhaltung des Schiffes zuständig.

Eine Aufgabe, die sie beiden gerne übernommen hatten.

Wer träumt denn bitteschön nicht von romantischen Sonnenuntergängen im Naturschutzgebiet Wattenmeer, bei ablaufendem Wasser?

Vom Kutter aus hatten sie einen ungetrübten Blick auf die bunten Fassaden der Häuser am Hafen auf der einen Seite und auf die Neubauten auf dem alten Werftgelände auf der anderen Seite.

Husum war in den letzten Jahren gewachsen und gab sich an manchen Stellen eben auch das richtige, architektonische Stadtbild.

Seit ihrer Kindheit, hatte sich dieser Ort, wie man so schön sagt: „Gemausert,“ und war zu einer echten Perle geworden. Weit weg von Theodor Storms Ansicht, der grauen Stadt am Meer.

Beide Männer waren großgewachsen, hatten von Sonne und Seeluft gegerbte Haut und hatten eine durch und durch zufriedene Ausstrahlung.

Jan saß backbord an der Reling, reinigte die Reuse, die den Tag über im Hafenwasser gehangen hatte von kleinen

Plastikstückchen und bei jedem Fitzel, den er entfernte, kam ein leises: „Das gab´s früher nicht“ aus seinem Mund.

Johann ging zum Heck, um die Leinen zu überprüfen, als ihm plötzlich etwas im Wasser auffiel, das in gemächlicher Geschwindigkeit auf ihn zu geschwommen kam.

Er kniff seine Augen zusammen und versuchte zu erkennen, was das denn wohl sein könnte.

Er griff hinter sich, schnappte sich den neuen Bootshaken und lehnte sich über das Heck des kleinen Schiffes.

„Jan, komm mal her“, rief er und ahnte schon, was der Inhalt des blauen Plastiksacks war, der da orientierungslos durch das Husumer Hafenwasser dümpelte.

„Was ist denn?“, fragte Jan, der jetzt unmittelbar neben seinem langjährigen Freund stand.

„Kuck mal hier, der blaue Sack. Was ist das denn?“ Jan antwortete, dass er nur den Blauen Bock kennen würde, woraufhin er nur einen entgeisterten Blick seines Kumpels erntete.

In diesem Moment erreichte die Spitze des Bootshakens die überdimensionale Plastiktüte und riss sie ein kleine Stück auf. Die beiden Männer konnten noch nicht genau erkennen was der Inhalt war, doch dass es sich um eine Menschen, der da drinnen steckte handeln musste, konnten sie sofort erkennen Darauf hatten sie schon seit Jahren gewartet, wie ein Taxifahrer in New York hören will, dass er irgendeinem anderen Fahrzeug folgen soll.

Es gab ein leises metallisches Geräusch und das hieß, dass der Besucher aus einer anderen Gezeit jetzt am Schiff angekommen war und mit seinem Kopf gegen das Heck des Schiffes schlug.

„Das ist ja mal ein Ding“, flüsterte Johann, „ was machen wir jetzt?“

„Wir rufen Reimer an, der wird wissen, was zu tun ist“, war Jans schnelle Antwort.

„Man Jan, der ist in Pension, der hat nichts mehr zu sagen, „aber vielleicht hat er noch einen Tipp. Ich funk ihn mal an. Warte hier und pass auf unseren Gast auf.“

Während Johann sich auf den Weg unter Deck machte, blieb Jan am Heck und fixierte auf künstlerische Art und mit viel Gefühl, den schwimmenden, blauen Plastiksacksarg so am Heck, dass auch das ablaufende Wasser, dessen Strömung jetzt langsam zunahm, ihn nicht davontreiben konnte.

Es war so ein schöner Tag gewesen und es hätte ein so gemütlicher Abend werden können.

Und jetzt das hier.

Dann kam sein Geschäftspartner, wie sie sich gegenseitig nannten, endlich zurück.

„Reimer hat seinen Kollegen von der Hafenpolizei angerufen, die kommen gleich. Wir sollen hier auf den Sack aufpassen“.

Beide Männer hingen weit über die Bordwand gelehnt, wechselten sich gegenseitig mit der doch kraftraubenden Fixierung ab und versuchten, dem Inhalt nicht wehzutun, also ihm nicht zu schaden, Spuren zu hinterlassen.

Dann kam auch endlich Wasserschutzpolizei und bezog direkte Position hinter ihrem Heck, sodass der Wasserleichnam direkt zwischen den beiden Schiffen hin und herschwamm.

Durch die kleinen Wellen, die die WAPO zwangsläufig produziert hatte und das Wasser wieder in Bewegung gesetzt hatte, schlug der Schädel jetzt abwechselnd gegen den Rumpf des Kutters und dann gegen den des Polizeischiffes.

Ein leises Glockenspiel zum Ausklang des Tages.

„Nun hol ihn doch mal einer raus da“, brüllte eine sichtlich genervte Stimme von der Brücke der WAPO.

Zwei Polizisten machten sich sofort daran, den aufgeweichten Mann, an der niedrigsten Stelle des Schiffes an Bord zu hieven. Eine Hälfte der Plastikummantelung, die scheinbar mit Nordseewasser gefüllt war, löste sich, glitt an dem Leichnam herunter und zwei Beine, gehüllt in eine Anzughose und braune Schuhe, kamen zum Vorschein.

Der eine Polizist griff nach dem blauen Plastiksack und zog ihn an Bord.

„Vielleicht sind da ja noch Beweise drin“, nuschelte Jan durch seinen Vollbart und vorbei an seiner Pfeife, die er sich kurz vorher angesteckt hatte.

Er blies den Qualm durch die warme Abendluft und beobachtete, wie die Polizisten, den mit Wasser vollgesogenen Körper, mit aller Kraft an Bord hoben, wo er dann doch mit einem lauten Geräusch aufs Deck knallte.

„Vorsicht ihr Pappnasen“, kam es laut von der Brücke und Johann und Jan warfen sich einen fragenden Blick zu. Wer mochte da oben stehen und warum war er so unentspannt bei der Arbeit?

Es war Sommer, ein herrlicher Abend, sicherlich konnte einem so eine Wasserleiche die Pläne für ein paar ruhige Stunden durchkreuzen, aber wie sagte ihre Tante immer so richtig?

„Augen auf bei der Berufswahl“.

Wie immer hatte diese kleine Frau, die schon ihr Leben lang in dieser Stadt wohnte, die eine unerklärliche Liebe zu Theodor Storm hatte und neben einem großen Gemeinwissen eine tüchtige Portion Humor besaß, einfach recht.

Dann trat der Grummelige von der Brücke ins Freie.

Ein Mann von gewaltigen Ausmaßen.

Groß gewachsen, dunkle, lockige Haare, einen langen Vollbart und Augen, die im spärlichen Licht des Hafens alles zu inspizieren schienen.

Dann blickte er zu Jan und Johann, die sich bis jetzt nur als Beobachter fühlten.

„Sie da. sie haben ihn gefunden? Mit Ihnen muss ich auch noch reden, also nicht weglaufen oder in die Kneipe gehen, oder was man in diesem verlassenen Dorf sonst noch so machen kann“, kam es ein wenig abfällig bei den beiden Friesen an, was sie aber nicht weiter in eine für sie unangenehmen Gefühlszustand brachte.

„Alles klar, Chef. Ich bin hier, wenn du was brauchst“, rief Johann zurück und blieb entspannt über die Reling gebeugt an seinem Platz am Heck stehen.

Der Klotz von der Brücke quittierte die Antwort mit einem leichten Kopfnicken.

„Ich mach mal die Reuse fertig“, verkündete Jan, zog an seiner Pfeife und machte sich auf den Weg.

Johann blieb stehen und sah seinem Bruder nach, der langsam davontrottete.

Die Sonne ging langsam unter und tauchte das Wasser in ein herrliches, tiefes Rot und genau das waren diese Momente, die er an dieser Stadt liebte.

Diese herrliche Luft, gepaart mit diesem warmen Licht und der Entspanntheit ihrer Bewohner.

Und während er so über den Hafen blickte, seine kleine Stadt bewunderte, hörte er ein Fahrradklingeln, das nur von einem Menschen rühren konnte.

Reimer Hinrichs, ehemaliger Polizeichef in Husum, begeisterter Wassersportler und inzwischen Hobbydetektiv.

Er lehnte sein Fahrrad an eine Straßenlaterne und stellte sich auf der Kaimauer zwischen das Heck des Kutters und den Bug des Hafenpolizeikreuzers in Pose, und es machte den Anschein, als hätte er hier noch irgendetwas zu sagen.

Seine Schuhe ragten ein kleines Stück über die Kaimauer und sein Blick schien das Wasser nach irgendetwas zu durchsuchen. Noch eine Leiche?

Aber nein, als Hobbyangler und Vorsitzender des Anglervereins Husumer Blinker e.V., achtete er immer besonders und seit seiner Pensionierung noch mehr, auf die Qualität des Wassers, etwaige Verschmutzungen und andere Sachen, die einem Menschen wirklich nur auffallen, wenn man zu viel Zeit hat.

Und das hatte Reimer. Seine Frau hatte sich schon vor Jahren von ihm scheiden lassen.

Er hatte sich daraufhin so viele Hobbies gesucht, dass er nicht mehr die Zeit hatte, um sich um eine Partnerinnensuche zu kümmern.

„So kann man ja auch leben“, hatte Reimer immer wieder auf die Frage geantwortet, warum er eben keine neue Frau für sich gesucht hatte.

An Angeboten schien es nicht gemangelt zu haben. Man hatte den ehemaligen Polizeichef öfter in Begleitung einer jüngeren Frau gesehen. Attraktiv sollte sie gewesen sein, aber viel zu jung für ihn.

Er war ja nun mal, dachte Johann immer, was man in diesen Breiten als „coole Sau“ bezeichnet, und das war er wirklich, echt jetzt.

Johann s Blick wanderte zwischen der Brücke des Polizeischiffs, dem ablaufenden, dunklen Hafenwasser und Reimer Hinrichs hin und her.

„Steh da nicht so rum und komm endlich an Bord Reimer“, sagte er etwas genervt.

Hinrichs hob seine Hand an die Stirn, formte mit ihr einen pseudomaretimen Gruß, sagte: „ Ei, ei Käpten“ und stieg über eine Leiter an der Kaimauer hinunter auf den Kutter, der durch den Tidenhub schon etwas tiefer im Hafen lag.

Er ging zu Johann und stellte sich neben ihn.

„Du weißt schon was das hier heißt, oder Johann?“

„Ja klar, Doppelkopf fällt aus. Mist, alles Mist“, antwortete der Fischer.

„Ja, dass auch“, stimmte ihm Reimer zu, „aber viel wichtiger, also aus polizeistatistischer Sicht ist, dass wir hier nach Jahren mal wieder einen Mordfall haben und das Beste ist, dass ich in Rente bin und nichts mehr damit zu tun habe. Ich kann mir das ganz locker von zu Hause aus ansehen und die Show genießen.

Kein bisschen Stress eben“, grinste Reimer durch seinen ergrauten Vollbart.

„Das mag ja auf dich zutreffen mein Bester, aber wir müssen hier jetzt warten, bis der Oberwachtmeister von der Schaluppe uns gehen lässt und das passt so gar nicht in meinen Zeitplan“, ärgerte sich Johann.

„Weißt du, wer das da drüben ist? Also der Kollege von der Polizei?“, flüsterte Reimer Johann ins Ohr und lehnte sich zu ihm.

„Woher denn das bitte? Ich kenne keine Beamten außerhalb von der Husumer Verwaltung. Naja, und dich eben noch“, kam die frustrierte Antwort.

In diesem Moment kam Jan zu den beiden Männern, verkündete den Feierabend, holte drei Klappstühle, die er nebeneinander auf dem Deck platzierte, griff in den Führerstand und zeigte fast etwas triumphierend drei Flaschen Bier.

„Kommt jetzt“, meinte er, „das haben wir uns verdient. Wenn schon kein Doppelkopf im Bugspriet heute Abend, dann jedenfalls ein schönes Bier auf dem Heck“.

Er setzte sich auf den mittleren Stuhl, und die beiden anderen Männer nahmen links und rechts von ihm Platz. Dann öffneten die drei Männer ihre Flaschen, stießen an und drei Augenpaare blickten in Richtung Polizeikreutzer, um auf die Dinge zu warten, die da auf jeden Fall noch kommen würden. Und es kam.

Nach circa einer Stunde stieg ein massig bekörperter Mann vom Polizeischiff.

Er blieb an der Hafenkante stehen und inspizierte den fast menschenleeren Platz, auf dem nur noch vereinzelt Ureinwohner und Touristen herumgingen oder in Straßencafés saßen. Er schüttelte den Kopf, drehte sich in Richtung der drei Männer und kam ihnen langsam näher.

Johann schätzte ihn auf zwei Meter. Dunkle, kurze Haare, stechende, blaue Augen und Hände so groß wie Klodeckel. Für seine stattliche Statur hatte er jedoch einen bemerkenswerten, fast graziösen Gang.

Mit vor der Brust verschränkten Armen blieb er an der Kaimauer stehen und sah auf die drei Männer in ihren Klappstühlen hinab.

„Die drei von der Tankstelle“, brummte es in einem ruhigen, bassigem Ton, „ und wer von euch Helden hat unseren Freischwimmer hier gefunden?“

Jan hob zaghaft die Hand, wie ein Schüler, der beim Schummeln erwischt worden war und jetzt seine Strafe erwartete.

„Ich bin Steffen Heller, Hauptkommissar aus Hamburg und eins ist mal sicher, ich wäre gerade lieber überall anders, aber nicht hier“, er drehte seinen Kopf ein wenig nach links und schaute über den menschenleeren Platz, „da macht man einmal Urlaub in der alten Heimat und dann muss hier auch noch eine Leiche durch den Hafen schwimmen. Klasse, ganz klasse.“

Die drei Männer schauten vom Heck des Kutters weiter zu Herrn Hauptkommissar Heller hinauf und warteten gespannt auf weitere Informationen. Name der Leiche, Geschlecht, Herkunft, Verletzungen und die Todesursache, aber nichts kam. Der fleischige Fels stand an der Kaimauer und nichts schien ihn erschüttern zu können, dann fuhr er fort, „Es ist ablaufendes Wasser, wenn ich das richtig sehe, oder?“ Die drei Männer nickten.

„Also müsste unser schwimmender Freund im Innenhafen ins Wasser geworfen worden sein, um hier am Schiff vorbeizutreiben, das sehe ich doch richtig, oder?“

Die drei Männer sahen sich ratlos an.

„Die Strömungsverhältnisse, das Wasser läuft aus dem Hafenbecken in die freie See.“

Heller unterstrich seine Ausführungen durch beeindruckende Gesten und Handbewegungen, was den Männern verdeutlichen sollte, was der Kommissar meinte, sie aber natürlich schon lange wussten, aber Steffen Heller war geborener Husumer und kannte sich mit Gezeiten, Strömungen und dem ganzen Tüddelkram gut aus.

„Ach ja Kollege, du kannst jetzt die Hand runter nehmen“, pflaumte er Jan an.

Hellers Mutter hatte dieses Dorf, wie er es immer nannte, komplett, oder eben fast komplett, durch die Grundschule gebracht.

Er hatte auf diese Weise schon in frühester Kindheit mit Menschen Freundschaft geschlossen, die er zu dem Zeitpunkt noch nicht kannte, von denen aber ausführlich am Mittagstisch, von seiner Mutter erzählt wurde.

Im Kopf des kleinen Jungen waren, selbstverständlich die geblieben, die besonders auffällig und renitent gewesen waren.

Das hatte ihn immer sehr beeindruckt.

Viele von diesen Pflegefällen, hatte er im Laufe seines Lebens dann auch noch in freier Wildbahn kennenlernen dürfen.

„Also“, begann Steffen Heller von Neuem, „die

Hochseefischerabteilung von Husum teilt meine Meinung?“ Da offensichtlich sie gemeint waren, nickten die Drei wortlos und hoben zum Zeichen ihres Einverständnisses ihre Bierflaschen in Richtung des Kriminalbeamten.

Der seufzte, atmete hörbar angestrengt aus und meinte:

„Nichts aufgefallen, nichts vergessen, eigentlich gar nichts passiert, oder? Ihr sitzt da wie die Drei Fragezeichen, aber während man von Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews Antworten bekommt, sehe ich bei Euch nur große, beleuchtete Pausenzeichen über dem Kopf schweben.“

Er machte eine erneut verzweifelt wirkende Handbewegung und wollte sich gerade zum Gehen wenden, als ein grauhaariger, ihm bis zu den Oberschenkeln reichender Hund sich neben ihn setzte, erst den Kommissar und dann die drei Männer auf dem Kutter ansah.

„Moin Herr Hansen“, kam es unisono aus den drei Kehlen und der Hund quittierte ihren Gruß, in dem er seine Pfote kurz auf seine Schnauze legte.

Der Kommissar schüttelte den Kopf, dreht sich um und sagte nur noch ein leises: „Man sieht sich“, was von den drei Freunden auf dem Kutter mit eben diesen Worten beantwortet wurde.

Jan hielt sich die Bierflasche vor sein linkes Auge und blickte durch das grüne Glas in die Sonne, dann fragte er: „Was meint ihr, also, wo er von den Drei Fragezeichen sprach. Glaubt ihr, dass wir das rauskriegen können, wer das ist und warum er hier tot durch den Hafen dümpelt? Wäre doch mal eine Abwechslung, oder?“

Die Männer verabredeten, sich unauffällig in den Fall einzumischen, hatten aber das überaus gute Gehör von Hunden und Kriminalbeamten vergessen, denn beide standen auf einen Schlag wieder nebeneinander an der Kaimauer, und derweil der Hund ein lautes, jaulendes Klagelied anstimmte, stand Steffen Heller neben ihm und drohte mit dem ausgestreckten Zeigefinger: „Das lasst ihr mal schön bleiben ihr drei Rettungsschwimmer, damit das klar ist.“

Ein langgezogenes Ja kam vom Kutter.

Heller nickte, dreht sich um und ging.

Herr Hansen blieb sitzen und sah die drei Männer aus seinen Hundeaugen an und es kam ihnen so vor, als ob er an ihren Aussagen dann doch eher große Zweifel hatte, dann stand auch er auf und ging schnüffelnd die Promenade Richtung Innenstadt herunter.

„Ich geh jetzt auch nach Hause“, meinte Johann, trank den letzten Schluck Bier, stellte die Flasche zurück in den Führerstand, verabschiedete sich und kletterte die kurze Leiter an der Kaimauer hinauf.

Reimer und Jan blieben noch einen Augenblick sitzen und sahen der Sonne zu, wie sie langsam hinter den Dächern der Stadt verschwand.

Dann verließen auch sie den Kutter.

Jan ging nach Hause, Reimer wollte noch eine kleine Runde am Hafen entlang spazieren, um vielleicht die ersten Infos über den Toten zu sammeln.

Von wegen raushalten. Das hatte er sich ja noch nie befehlen lassen und wenn doch, es einfach ignoriert.

Er ging langsam an den Schiffen entlang, sah das sinkende Hafenwasser und kam sich fast wie ein Nachtwächter vor, der seine Runden dreht und sich und die Bevölkerung innerhalb der Stadtmauern beruhigt und weiß, dass alles in Ordnung ist. Naja fast alles, aber irgendwas ist ja immer leicht mal aus dem Lot.

Der nächste Morgen kam, für einige Menschen zu früh, für andere zu spät und wieder anderen war es gleichgültig. Der Tag kam ja sowieso wann er wollte und niemand hatte einen Einfluss darauf, warum sollte man sich also beschweren. Über Ebbe und Flut hätte man sich ja auch beschweren können, aber bei wem und ganz ehrlich, warum auch?

Das war auch hier so eine menschliche Eigenschaft, die Johann noch nie kapiert hatte, denn eigentlich konnte man doch nur in jedem Augenblick dankbar sein, auf dieser Welt zu leben und wenn man dann noch auserwählt war, in dieser Stadt hier zu wohnen, dann sollte doch jegliches negative Gefühl gegenüber Montagen oder Tagesstunden überflüssig sein.

Er stand auf seinem kleinen Balkon, schaute in den Schlosspark, atmete tief ein, und der frische Kaffeegeruch vermischte sich mit dem frühlingshaften Duft und dem salzigen Aroma, das immer über Husum liegt.

Ja, das war Leben.

Ein paar Kilometer weiter saßen Jan und seine Frau auf der Terrasse, beide etwas wärmer angezogen, denn für großzügige Sommerkleidung war es dann doch noch zu frisch hier draußen. Sie tranken ihren morgendlichen, gemeinsamen Kaffee, beide hatten eine Tageszeitung vor sich liegen und schüttelten getrennt, aber einer Meinung, ihren Kopf über das, was da in der Welt passierte.

Unglaublich fanden die beiden immer wieder, für welche Lügen die Menschen in Kriege zogen oder sich im Kleinen gegenseitig die Köpfe einschlugen. Für nichts oder eben nur für einen kleinen Vorteil, den sie ihrem Gegenüber nicht gönnten. Jan und Ehmi waren seit über zwanzig Jahren verheiratet, hatten zwei erwachsene Kinder, die schon vor Jahren ausgezogen waren und sie lebten jetzt in einem kleineren Haus in der Nähe vom Strand in Schobüll, einer kleinen Gemeinde kurz vor Husum.

Ruhe und Entspannung, nach Jahren der Erziehung, hatten sie sich verdient. Das fanden beide, und sie genossen hier jeden Tag. Den Duft des Marschlandes, die Nähe zur See und die vielen freilaufenden Tiere, die das Leben hier oft wie in einem Streichelzoo erscheinen ließen. Gerade gestern hatte sich das Pferd eines Nachbarn zu ihnen in den Garten verirrt, hatte sich dort umgeschaut, ein wenig an den Rosen geknabbert und war dann, nicht ohne eine Markierung zu hinterlassen, wieder verschwunden. Es gab viele Pferde hier draußen und gerade erst neulich hatten er und seine Frau darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, wenn die Regeln, die für Hundebesitzer gelten, also das mit den Hinterlassenschaften, wenn eben auch genau diese Regeln für Pferdebesitzer gelten würden. Wie groß müssten denn die Plastiktüten sein und wie der Bußgeldkatalog?

Jans Frau Ehmi, dieser Name bedeutet so viel wie:

Die Schwertspitze - und sie war beides. Schwert und Spitze. Sie hatten seit sie verheiratet waren alles geteilt. Die guten und die schlechten Dinge und Zeiten und spitze hatte Jan seine Frau immer gefunden, seit ihrer ersten Verabredung, und sie hatten es beide miteinander ausgehalten.

Gar nicht mal so schlecht und auch das empfanden die beiden gleich.

„Was macht denn Johann heute“, gähnte Ehmi ihren Mann an, der gerade dabei war, sich eine Pfeife zu stopfen.

„Du, bei aller Freundschaft zu ihm, aber das weiß ich nicht. Warum fragst Du?“

„Er kommt mir in letzter Zeit so verlassen und einsam vor. Er tut mir dann immer so leid“, antwortete sie nachdenklich und schaute in den blauen Himmel über dem Wattenmeer.

„Also“, begann Jan langsam, „wenn einer nicht einsam ist, dann Johann. Der hat doch immer irgendwo irgendwas zu basteln und ist immer unterwegs. Wie sagt er immer, wer sich einsam fühlt und heult, kann mit dem Alleinsein nur nicht richtig umgehen. Er spricht da auch nicht so gerne drüber. Wenn es irgendwann soweit sein sollte, wird er schon den Mund aufmachen, ich kenne doch Jan.

Ehmi sah ihren Mann an, zog ihre Stirn hoch, spitzte ihren Mund und nickte langsam.