Einfühlsame Kommunikation - Petra Jansen - E-Book

Einfühlsame Kommunikation E-Book

Petra Jansen

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Beschreibung

Kommunikation? Das Autorenduo nimmt Sie mit auf eine Forschungsreise zu Ihrer eigenen Brille. Petra Jansen und Stefanie Richter zeigen auf wissenschaftlicher Basis, wie Kommunikation gelingen kann: Erst wenn wir uns selbst erkennen, kann die Kommunikation mit anderen verbessert werden – weil man nun weiß, wie viele Perspektiven und Facetten es geben kann, und dass die eigene nur eine ist. Mit anderen Worten: Man kann besser mit anderen umgehen (kommunizieren), weil man besser versteht, wie der andere "tickt" und inwiefern das zu der eigenen Art passt. Das heißt, man versteht auch besser, wo vielleicht Facetten nicht so gut zusammenpassen und kann so akzeptieren, wo die Grenzen des gegenseitigen Verständnisses sind. Die Autorinnen liefern Hintergrundinformationen, um sich selbst und andere besser kennenzulernen und einzuschätzen • erklären, wie man zu einer größeren Akzeptanz des eigenen Selbst kommen kann (z.B. Achtsamkeit) • stellen gängige Modelle der Kommunikation dar und ergänzen diese dadurch, dass sie die Bedeutung der eigenen Brille des Senders und des Adressaten betonen. Die von den Autorinnen vorgenommene Erweiterung der vorgestellten Kommunikationsmodelle zieht die Einzigartigkeit der Kommunizierenden mit ein und sprengt so den Rahmen der Kommunikationsebene: Die Klarheit um die eigene Einzigartigkeit führt zu Verbundenheit, aus der wie se Alle Menschen, die an einer Persönlichkeitsentwicklung und einer besseren Kommunikation - einem gelingenden Miteinander - interessiert sind.

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Petra Jansen

Stefanie Richter

Einfühlsame Kommunikation

Wie wir uns selbst und andere wahrnehmen

Einfühlsame Kommunikation

Petra Jansen, Stefanie Richter

Prof. Dr. Petra Jansen

Universität Regensburg

Fakultät für Humanwissenschaften

Universitätsstraße 31

93053 Regensburg

Deutschland

E-Mail: [email protected]

Dr. Stefanie Richter

Neue Straße 20

31675 Bückeburg

Deutschland

E-Mail: [email protected]

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3012 Bern

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Tel. +41 31 300 45 00

[email protected]

www.hogrefe.ch

Lektorat: Dr. Susanne Lauri

Bearbeitung: Friederike Moldenhauer, Hamburg

Herstellung: René Tschirren

Umschlagabbildung: Getty Images/monkeybusinessimages

Umschlaggestaltung: Claude Borer, Riehen

Satz: Claudia Wild, Konstanz

Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten

Printed in Germany

Format: EPUB

1. Auflage 2021

© 2021 Hogrefe Verlag, Bern

(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96130-9)

(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76130-5)

ISBN 978-3-456-86130-2

https://doi.org/10.1024/86130-000

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Anmerkung:

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Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Teil 1: Was das Selbst ausmacht

1 Unser Verstand

1.1 Die eigene Brille für die Welt: Wahrnehmung

Wahrnehmung und ihre verschiedenen Kanäle

Wie täuschbar ist die Wahrnehmung?

Wahrnehmung – die Brille ist gefärbt

Nehmen wir wirklich alles wahr?

1.2 Ist sie wirklich so wichtig? Intelligenz

Was ist Intelligenz?

Ist Intelligenz wirklich messbar?

Und da wird wirklich Intelligenz gemessen?

Hochbegabung

Einmal intelligent, immer intelligent?

1.3 Intelligenz ist nicht alles: Kognition und Moral

Die vielfältige Kognition

Exekutive Funktionen – eine Wunderkognition?

Wie du mir, so ich dir

1.4 Die andere Art zu denken: Kreativität

Was ist Kreativität?

Kreativität und divergentes Denken

Die kreative Persönlichkeit

Kreativität fördern

Kreativität im Alltag

1.5 Zusammenfassung: Unser Verstand

2 Unser Herz

2.1 Das, was uns oft beschäftigt: Emotionen

Emotionen, Gefühle und Stimmungen – Alles eins?

Das Wechselspiel zwischen Emotion und Kognition

Emotionen – Wichtige Einflussfaktoren für unsere Entscheidungen und Urteile

Deine, meine, unsere Emotion?

2.2 Das, was alle wollen: Glück

Die wissenschaftliche Definition von Glück

Ist Glück messbar?

Gibt es „glückliche“ Körperprozesse?

Kognitive und emotionale Glücksfaktoren

Viele Wege führen zum Glück

2.3 Verbunden mit den anderen: Empathie, Mitgefühl, prosoziales Verhalten und Altruismus

Ich sehe und verstehe, was du fühlst

Ich fühle mit dir mit

Ich handle für dich

Ich stelle mein Wohl für das Wohl aller zurück

Wie kann ich für dich und für das Gemeinwohl handeln?

2.4 Mit Herausforderungen umgehen: Stress

Was ist Stress?

Wie werde ich den Stress los?

Alles hängt von den Ressourcen ab

Und wenn ich den Stress trotzdem nicht loswerde?

2.5 Jeder ist anders: Persönlichkeit und Hochsensibilität

Die Definition von Persönlichkeit

Das Unbewusste, die Situation und das Wachstum

Sei doch nicht immer so empfindlich!

2.6 Zusammenfassung: Unser Herz

3 Unser Körper

3.1 Wie wir unseren Körper sehen und wie er sich erinnert: Körperbild und Körpergedächtnis

Das schwierig zu erfassende Bild unseres Körpers

Das verzerrte Körperbild

Die Einflussfaktoren auf das Körperbild

Hat unser Körper ein Gedächtnis?

3.2 Was wir mit unserem Körper machen: Motorik

Motorische Fähigkeiten und Fertigkeiten

Motorische Entwicklung und motorisches Lernen

Die Leistung beeinflussen

3.3 Alles spiegelt sich im Körper: Embodiment

Bewegtes Denken

Das Denken im Körper

Bewegte Gefühle

Im Körper verankerte Gefühle

3.4 Zusammenfassung: Unser Körper

Teil 2: Transpersonale Aspekte

4 Jenseits des Selbst

4.1 Wissen ohne Verstand: Intuition

Intuition und Entscheidungen

Ist Intuition doch nicht alles?

Unbewusste Heuristiken oder das „Eine Bewusstsein“?

4.2 Vertrauen in das Größere: Glauben und Spiritualität

Glauben – Eingebettet in etwas Höheres

Glauben – Heilkraft für das eigene Leben?

Glauben – Was ihn beeinflusst

Spiritualität – Vom Geist beseelt

Spirituell – Von Anfang an?

4.3 Zusammenfassung: Jenseits des Selbst

5 Achtsamkeit: Wege zur Transzendenz

5.1 Den Geist beruhigen: Meditation

Der aufmerksame Geist – Aufmerksamkeitsnahe Meditation

Das liebende Herz – Mitgefühlsnahe Meditation

Die eigene Person schätzen lernen – Erfahrungsnahe Meditation

5.2 Stress achtsam reduzieren: MBSR oder die Wahl des richtigen Ortes?

MBSR in der Praxis

Ist Stressreduktion durch MBSR wissenschaftlich erwiesen?

Stressreduktion durch die Wahl des richtigen Ortes

Zuflucht in einem inneren Ort

5.3 Zusammenfassung: Wege zur Transzendenz

Teil 3: Das Selbst und die anderen

6 Kommunikation

6.1 Kommunikation ist gar nicht so einfach

Die Perspektive – Wie kann ich dich verstehen?

Die Verschlüsselung – Oder was meinst du?

Die Kooperation – Keine Kommunikation ohne Kooperation?

Der Dialog – Haben wir eine gemeinsame Sichtweise und Wirklichkeit?

Die Komplexität – Kommunikation ist mehr als die Übermittlung der Nachricht

Gewaltfrei kommunizieren – Damit Kommunikation nicht verletzt, sondern verbindet

Achtsam kommunizieren – Freundlich aus dem jetzigen Moment heraus sprechen

Mit dem Körper reden

6.2 Unbewusste Muster und die Angst vor dem Versagen: Unbewusste Kommunikation

Unbewusste Muster leiten uns

Unser Verhalten wird gebahnt

Beweg dich doch – Wenn es nur so einfach wäre …

Das Verborgene – Die Macht der Kindheitsmuster

Bloß keine Fehler machen!

Kommunikation – Ein Unterfangen höchster Komplexität

6.3 Zusammenfassung: Kommunikation

7 Miteinander

7.1 Verbundenheit durch Liebe

7.2 Der Weg der Liebe

Die persönliche Form der Liebe

Selbstmitgefühl als eine Facette der persönlichen Form der Liebe

Die universale Form der Liebe

7.3 Liebevolle Verbundenheit in der Praxis

Die eigene liebevolle Verbundenheit

Liebevolle Verbundenheit mit anderen

Die liebevolle Verbundenheit mit der Welt

7.4 Zusammenfassung: Miteinander

8 Fazit: Brillentausch – Wie uns das Miteinander gelingen kann

Referenzen

|11|Einführung

Ist es Ihnen vielleicht auch schon einmal so ergangen, dass die Kommunikation mit Ihrem Gesprächspartner ganz anders verlief, als Sie es sich vorgestellt haben? Sie gingen guten Mutes in eine Sitzung hinein, weil die Vorbesprechungen so vielversprechend gewesen waren, und kamen enttäuscht heraus?

Oft kann man den gelungenen Ausgang einer Kommunikation gar nicht vorhersehen. Es gibt viele Tipps, wie man sich in bestimmten Situationen (Bewerbungsgespräche, Sitzungen usw.) verhalten soll, und es existieren Modelle, die die Zusammenhänge zwischen Sender, Adressat und Botschaft einer Kommunikation einleuchtend darstellen. Doch obwohl wir das alles wissen, geschieht es, dass wir uns manchmal trotzdem nicht verstehen. Dann gehen Sie aus der Besprechung heraus und merken, dass nur einige der Teilnehmenden den Sachverhalt so verstanden haben, wie Sie ihn gemeint haben. Wie kann das sein?

Oder haben Sie auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass Sie eine ganz andere Vorstellung von „Glück“ haben als Ihre Partnerin? Für Sie mag „Glück“ ein Abend unter vielen Freunden sein, für Ihre Partnerin, ein gutes Buch in Ruhe zu lesen.

Natürlich wissen wir, dass Menschen verschieden sind. Aber je länger wir darüber nachdenken, umso mehr wird deutlich, was es wirklich bedeutet, dass jeder Mensch die Welt mit seiner eigenen Brille wahrnimmt – und genau diese Brille auch dem anderen zugedenkt. Was zunächst trivial klingt, öffnet uns doch die Augen: Wir sehen die Welt wirklich so, wie wir geprägt sind, und der andere sieht sie wirklich so, wie er sie erfahren hat. Es ist selbstverständlich, dass jeder seine eigene Sicht hat. Nicht selbstverständlich ist aber, dass wir ein tiefergehendes Verständnis dafür haben, welche Faktoren die eigene und natürlich auch die Brille des anderen bestimmen.

|12|Doch was macht unsere Sichtweise der Welt aus? Wir sind als Person einzigartig, unsere Persönlichkeit ist geprägt von einer individuellen Kombination aus kognitiven, emotionalen und physischen Facetten, die durch die Gene und die Umwelt bestimmt sind. Dies anzuerkennen, fällt in der Theorie nicht schwer, es jedoch wirklich zu fühlen und auch auf den anderen und auf die gemeinsame Kommunikation zu übertragen, schon eher.

Noch schwieriger wird es dann, wenn wir einen Schritt herauswagen und zu den drei Aspekten noch eine weitere Facette, die jenseits des Selbst ist, miteinbeziehen – die transzendentale Facette. Vielleicht kennen Sie Menschen, die Ihnen so vorkommen, als könnten sie tiefer sehen, als würden sie aus einer anderen Quelle schöpfen. Manchmal wirken diese Personen so, als seien sie in der realen Welt nicht ganz anwesend, doch sind sie mit dieser Welt nur anders verbunden. Spirituelle Menschen beurteilen beispielsweise Konflikte, die Sie vielleicht als tragisch empfinden, als weniger bedeutsam. Auch das erschwert die Kommunikation.

Wir möchten Ihnen in diesem Buch die unterschiedlichen Facetten, die einen Menschen formen, also die geistige, körperliche und seelische Facette, im Detail vorstellen und Ihnen zeigen, dass sie nicht unverbunden nebeneinanderstehen, sondern eng miteinander verwoben sind. Zudem möchten wir verdeutlichen, dass es eine weitere Facette gibt, die bislang wenig untersucht wurde. Wir meinen die Fähigkeit zur Transzendenz, die den einzelnen Menschen genauso prägt wie sein Geist, sein Körper und seine Seele.

Unser Anliegen ist es, Sie zu einem Perspektivenwechsel und zu dem Verständnis zu ermuntern, dass wir uns in unseren kognitiven, emotionalen, physischen und transzendentalen Aspekten unterscheiden und jeder Mensch den Weg in der Entwicklung dieser unterschiedlichen Facetten in seinem Tempo und seiner Tiefe geht. Kein Weg ist besser, kein Weg ist schlechter, es ist eben der individuelle. Dennoch ist es möglich, den anderen zu schätzen, eben dann, wenn wir begreifen, was uns und was den anderen als Person ausmacht. Das Verständnis für sich selbst und für den anderen ermöglicht es, trotz aller Individualität das Gemeinsame zu spüren. Die Verbundenheit wird deutlich, wenn wir unsere Einzigartigkeit klar erkennen.

Dieses Buch möchte Sie mitnehmen auf eine Forschungsreise zu Ihrer eigenen „Brille“, zu Ihrer eigenen Sichtweise. Dabei werden wir immer wieder auf psychologische Experimente zu sprechen kommen, um menschliches Verhalten auf anschauliche Weise zu illustrieren.

|13|Im ersten Teil des Buches gehen wir auf die drei Facetten der Kognition (Geist), der Emotion (Seele, Herz) und der Physis (Körper) des Menschen ein. Im Mittelpunkt dieses Teils steht die Differenzierung der drei Aspekte: Die Kognition ist nicht nur einfach Intelligenz oder „schlau sein“, sie umfasst viele unterschiedliche Funktionen, wie die Fähigkeit zu sprechen oder Probleme zu lösen. Auch Emotionen gibt es viele: Manche sind grundlegend, andere wiederum komplex. Positive Emotionen können zum Glück führen, sie steigern die Empathie und das Mitgefühl, negative Emotionen sorgen dafür, dass wir beispielsweise aus Situationen fliehen. Viele unserer Gedanken und unserer Gefühle bilden sich im Körper ab. Eine gekrümmte Haltung kann ein Ausdruck von zu viel Schreibtischarbeit oder einer sehr traurigen Stimmung sein. Über Jahre kann sich ein ganz unterschiedliches Körperbild entwickeln. So beschäftigt sich die Embodiment-Forschung z. B. damit, wie Gedanken und Gefühle verkörpert werden.

Im zweiten Teil des Buches geht es um eine Ebene, die sich jenseits des eigenen Selbst entwickelt. Im Kapitel „Jenseits des Selbst“ behandeln wir hauptsächlich die theoretischen Aspekte der Transzendenz und der Achtsamkeit als eine Möglichkeit, die Ebene jenseits des eigenen Selbst zu erreichen. Im Kapitel 4.1 zur Intuition beantworten wir die Frage, wie Sie diese Ebene erkennen. Warum glauben manche Menschen, ein Ereignis vorhersehen zu können? Das darauffolgende Kapitel 4.2 fokussiert auf die Aspekte des Glaubens und der Spiritualität, bevor wir uns der Achtsamkeit zuwenden. Was bedeutet Achtsamkeit und wieso kann sie uns helfen, mehr über uns selbst zu erfahren? Auch wenn Achtsamkeit unabhängig vom Außen erfahren wird, gibt es Orte in der Natur, die das Gefühl der Transzendenz vermitteln. Wie können wir mit diesem scheinbaren Widerspruch umgehen? Im Kapitel 5 zeigen wir Wege auf, Achtsamkeit zu praktizieren.

Ausgehend von den Aspekten der Kognition, Emotion, Physis und Transzendenz stellen wir uns im dritten Teil die Frage, wie Kommunikation gelingen kann: Wir stellen gängige Kommunikationsmodelle dar, wie zum Beispiel das Modell von Schulz von Thun, in dem vier Ebenen einer Kommunikation differenziert werden. Die Modelle werden dadurch ergänzt, dass wir die Bedeutung der eigenen Brille des Sprechers und der des Adressaten betonen. Dies führt zu einer Erweiterung aller Kommunikationsmodelle – miteinander zu kommunizieren, ist umfassender, als man denkt. Es bedeutet nicht nur die Ebene der Kommunikation zu ver|14|stehen, sondern die Einzigartigkeit der Kommunizierenden miteinzubeziehen. Die eigene Einzigartigkeit klar zu erkennen, führt zu einer Verbundenheit, aus der wie selbstverständlich eine wertschätzende und liebevolle Kommunikation entsteht.

Dieses Buch gibt Hilfestellungen, um das eigene Selbst zu erforschen. Ebenso zeigt es Möglichkeiten, über das Selbst hinauszuwachsen. Diese transzendentalen Wege können über die Meditation führen, über die Musik oder das Lösen komplexer mathematischer Probleme. Der Weg ist für jeden anders und abhängig davon, welche Facette (der Kognition, Emotion, Physis oder Transzendenz) jeweils besonders ausgeprägt ist. Stellen Sie sich einen hochbegabten Studenten bzw. eine Studentin vor. Vielleicht werden diese Menschen einen Moment der Glückseligkeit und der völligen Präsenz beim Lösen eines hochkomplexen mathematischen Problems empfinden, aber viel weniger, wenn sie bei einer Zen-Meditation ruhig sitzen müssen.

Die Schwierigkeit, das eigene Selbst zu erforschen, besteht darin, die individuelle Kombination der vier Facetten – Kognition, Emotion, Physis und Transzendenz – zu erkennen. Dabei müssen wir auch akzeptieren, dass manche Aspekte im Leben stabil sind und andere sich wiederum verändern. So müssen wir zum Beispiel hinnehmen, dass sich unser Körper im Laufe des Lebens verändert und wir mit fünfzig nicht mehr so leistungsfähig sind wie mit zwanzig. Hingegen kann uns unsere ruhige Art, mit Problemen umzugehen, das ganze Leben erhalten bleiben. Deswegen kann es auch nie den einen Plan geben, wie man sich selbst am besten kennenlernt, denn das eigene Erkennen ist immer individuell und dynamisch. Dies trifft auch für die Begegnung mit dem anderen Menschen zu.

Diese Einsicht mag trivial klingen, sie ist aber wesentlich, weil sie entspannt. Warum ist das so? Verstehen wir unsere Individualität nicht nur mit dem Kopf, sondern können sie auch fühlen, erfahren wir mit Erstaunen, wie ähnlich wir Menschen doch sind. Denn die Einzigartigkeit der Kombination der vier Facetten verbindet uns auch wieder, ebenso wie die Sehnsucht, so gesehen zu werden, wie wir sind, ein jeder von uns in seiner individuellen Komposition. Wir sind verschieden, und der tiefe Wunsch, in dieser Verschiedenheit wahr- und angenommen zu werden, ist das, was uns als Menschen verbindet.

Wir wünschen Ihnen eine spannende Reise, auf der Sie Ihre eigenen Facetten und die Ihrer Mitmenschen entdecken. Die eigene Person wohl|15|wollend anzuerkennen, führt zur Entwicklung von Selbstliebe. Das warmherzige Sehen der eigenen Person wird auch helfen, den anderen so zu schätzen, wie er ist. Gelingt uns diese Akzeptanz auf individueller Ebene, wird es uns vielleicht gelingen, sie ebenso auf die gesellschaftlichen und kulturellen Unterschiede zu übertragen.

|17|Teil 1: Was das Selbst ausmacht

|19|1  Unser Verstand

1.1  Die eigene Brille für die Welt: Wahrnehmung

Haben Sie es schon einmal erlebt, dass Sie sich ein neues Kleidungsstück gekauft haben, voller Freude damit nach Hause gekommen sind und etwas verwirrt geschaut haben, als Ihre Teenager fanden, die Farbe sei ja super. So türkis! Türkis? Das Oberteil ist doch grün! Sowohl in der Umkleidekabine als auch zu Hause sehen Sie kein Türkis, sondern Grün. Wie kann es sein, dass wir die Farben so unterschiedlich wahrnehmen? Unterscheidet sich Ihre visuelle Wahrnehmung auch von der Ihrer Kinder?

Oder wie kann es beispielsweise sein, dass Ihre Chefin in einer Sitzung etwas verkündet, das Sie ganz anders verstanden haben als Ihr Kollege? Was hat die Abteilungsleiterin denn nun wirklich gemeint? Unterscheidet sich Ihre auditive Wahrnehmung von der Ihres Kollegen? Diese Fragen können wir beliebig weiterspinnen – beispielsweise bezüglich unserer Geruchs- und Geschmackswahrnehmung: Was für den einen nur mittelscharf ist, ist für die andere extrem scharf.

Gibt es überhaupt eine objektive Wahrnehmung?

Wahrnehmung und ihre verschiedenen Kanäle

Wahrnehmung kann als der Vorgang und das Ergebnis von Reizverarbeitung gesehen werden. Es wird ein Abbild der objektiven Realität, aber zum Beispiel auch der eigenen Person, der Innenwelt, geschaffen [1]. In der Regel wird davon ausgegangen, dass die Wahrnehmung bewusst ist, das heißt, wir sind uns bewusst, dass die Textilie uns grün erscheint. (Daneben gibt es auch eine unbewusste Wahrnehmung, dazu kommen wir |20|noch später.) Im Wahrnehmungsprozess wird unsere Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Reiz gelenkt. Aus einem verfügbaren Reiz wird ein beachteter Reiz. Bei der visuellen Wahrnehmung wird das Abbild des Reizes auf die Rezeptoren der Netzhaut, der Retina, projiziert. Dort befinden sich bestimmte Zellen, Stäbchen und Zapfen, die sich hinsichtlich ihrer Form und ihrer Verteilung unterscheiden. In beiden Zelltypen sind unterschiedliche Sehpigmente vorhanden, die ihre chemischen Eigenschaften ändern, sobald Licht in die Rezeptorzelle fällt. Die Stäbchen nehmen hauptsächlich Hell-Dunkel-Kontraste wahr, die Zapfen Farben. Durch eine sogenannte Transduktion, eine Umwandlung von Reizinformation in Nervenimpulse, wird das Bild auf der Retina in elektrische Signale umgewandelt. Diese neuronalen Signale breiten sich vom Auge zum Gehirn und dann innerhalb des Gehirns aus. Ein Signal verläuft durch das Axon, das heißt durch die Nervenfaser eines Neurons, und erreicht durch die Synapse (kleiner Spalt zwischen zwei Nervenfasern) dessen Ende. Hierdurch werden Botenstoffe freigesetzt, sogenannte Neurotransmitter, die eine Änderung der elektrischen Ladung im postsynaptischen Neuron, welches die Signale empfängt, bewirkt.

Die neuronalen Verarbeitungsprozesse bei der visuellen Wahrnehmung sind komplex: Das Antwortverhalten eines Neurons hängt auch von den Signalen ab, die es von den anderen Neuronen erhält, ein Prozess, der als Konvergenz bezeichnet wird. Eine Aktivität in einem Neuron kann aber auch die Aktivität eines anderen Neurons hemmen, dieser Prozess wird als Inhibition bezeichnet. Aber selbstverständlich nehmen wir unsere Umwelt nicht nur visuell wahr – sondern auch auditiv (durch Hören), gustatorisch (durch Geschmack), olfaktorisch (über den Geruch) oder somatosensorisch (durch Körperwahrnehmung).

Oftmals empfinden wir die visuelle Wahrnehmung als die für uns wichtigste, und wir können uns schwer vorstellen, ohne sie zu leben. Doch von der amerikanischen Schriftstellerin Helen Keller, die sowohl taub als auch blind war, ist bekannt, dass sie ihre Taubheit als schwerwiegender empfand als ihre Blindheit, da Blindheit sie von Dingen trennte, Taubheit aber von den Menschen. Haben Sie schon einmal im Fernsehen einen Film ohne Ton angeschaut? Sie werden überrascht sein, wie wenig sie vom Geschehen verstehen. Wenn Sie jedoch den Ton anlassen und das Bild abschalten, werden Sie wahrscheinlich in der Lage sein, der Handlung zu folgen.

Bei der auditiven Wahrnehmung wird der Schall durch die Schwingungen der Luftmoleküle übertragen, die das auditorische System sti|21|mulieren. Die Amplitude, Frequenz und die Komplexität der Schallwellen, die zunächst das äußere Ohr, dann das mittlere und innere Ohr durchlaufen, werden als Lautstärke, Tonhöhe und Klangfarbe wahrgenommen. Eine wichtige Struktur im Innenohr ist die Cochlea. Von hier aus werden die Signale zum auditorischen Cortex weitergeleitet. Die Sprachwahrnehmung ist ein spezifisches Gebiet der auditiven Wahrnehmung. Es hat sich gezeigt, dass die Sprachwahrnehmung sowohl von kontextbasierten Erwartungen einer Person als auch von der Beschaffenheit des akustischen Sprachsignals abhängig ist [2].

Der dritte wichtige Sinn ist unser Hautsinn. Denken Sie nur daran, wie Sie Ihr Kind wahrnehmen, wenn Sie es streicheln, oder wie es wäre, wenn Sie Ihre Hand nicht mehr spüren könnten, wenn Sie zum Beispiel einen Brief schreiben müssten. Auch bei dem Hautsinn lassen sich verschiedene Arten von Rezeptoren (Mechanorezeptoren), neuronale Bahnen von den Rezeptoren zur Großhirnrinde (Kortex) und eine Anzahl verschiedener dort befindlicher Areale unterscheiden. Die Mechanorezeptoren differenzieren ihr Antwortverhalten, je nachdem, ob sie kontinuierlich, am Ende oder Anfang einer Stimulation reagieren, und je nach dem Bereich der Vibrationssequenzen und der Art der Reize (Stimuli), die sie registrieren. Die sogenannten Meissner-Körperchen antworten zum Beispiel auf Zittern und sind an der Kontrolle des Greifens beteiligt. Die Nervenfasern der Mechanorezeptoren in der Haut werden gebündelt und ziehen dann in zwei Strängen seitlich des Rückenmarks hinauf. Vom Thalamus, einem Teil des Zwischenhirns, werden sie dann zum somatosensorischen Kortex weitergeleitet. Interessant ist hier das Phänomen der neuronalen Plastizität, das auch in anderen Wahrnehmungsmodalitäten auftritt. Es besagt, dass sich das Antwortverhalten von Neuronen durch Wahrnehmungserfahrungen verändern kann. So konnte z. B. gezeigt werden, dass Profimusiker gegenüber Amateurmusikern und Nichtmusikern über eine größere Dichte der grauen Substanz in Gebieten des Gehirns verfügen, die für das musische Praktizieren relevant sind (für eine differenzierte Betrachtung siehe Jäncke, L. (2008), S. 327–356, [3]).

Zum Schluss sei noch auf den Geschmacks- und Geruchssinn eingegangen. Diese beiden Sinne werden oft als Torwächter bezeichnet, da sie Stoffe identifizieren, die für das Überleben wichtig sind, und diejenigen aussondern, die dem Körper schaden können. Auch wenn diese Sinne oft unerwähnt bleiben, sind sie für uns wichtig. Nicht umsonst kennen wir den Spruch „Ich kann ihn nicht riechen“. Die Moleküle von Geruchsstof|22|fen gelangen mit dem Luftstrom in die Nase, in der sich die Riechzellen befinden. Durch die Transduktion werden elektrische Signale hervorgerufen, die sich von dort in den Strukturen des sogenannten Bulbus olfactorius (Riechkolben) ausbreiten. Danach werden die Signale in die Großhirnrinde übertragen.

Unsere gustatorische Wahrnehmung beginnt auf der Zunge, die Grundgeschmacksrichtungen werden als sauer, bitter, süß und salzig erfahren. Die Unebenheiten auf der Zunge rühren von den Zungenpapillen her, die sich in vier Kategorien einteilen lassen und den vier Geschmacksrichtungen zugeordnet sind. Außer den Fadenpapillen enthalten sie Geschmacksknospen, die wiederum Geschmackssinneszellen enthalten. Gelangen chemische Substanzen an die Rezeptoren an der Spitze dieser Geschmackssinneszellen, findet die Transduktion statt. Über den Nucleus solitarus, den „Geschmackskern“ im Hirnstamm und den Thalamus werden die Reize dann zu zwei Strukturen im Frontalhirn weitergeleitet. Wenn wir sowohl über unseren Geschmacks- als auch über unseren Geruchssinn wahrnehmen, dann nehmen wir das Aroma wahr. Die Erfahrung eines Aromas ist also immer ein Zusammenspiel der Nase und des Mundes.

Sie sehen, die Wahrnehmung ist äußerst komplex. Von der Wahrnehmung lässt sich das Erkennen abgrenzen, das die Fähigkeit beschreibt, dem wahrgenommenen Objekt eine Bedeutung zuzuordnen. So könnte man sich vorstellen, dass Ihr kleiner Sohn beim ersten Norwegenurlaub einen Elch zwar wahrnimmt, ihn aber nicht erkennt, weil er ihn noch niemals gesehen hat. Meist führt die Wahrnehmung darüber hinaus zu einer Handlung, was bedeutet, dass sie ein sich ständig verändernder Prozess ist [4]. Ein Beispiel unter vielen für die Verwobenheit von Wahrnehmung und Handlung ist die Handlungs-Wahrnehmungs-Kompatibilität. Planen Sie etwa, ein Wort auszusprechen, erschwert dies die visuelle Wahrnehmung des Wortes. Oder haben Sie schon einmal versucht, sich selbst zu kitzeln? Die Planung des „Sich-selbst-Kitzelns“ reduziert die Intensität des wahrgenommenen Effektes [4].

Einiges haben wir nun also über die Wahrnehmung erfahren, aber die spannende Frage, wie objektiv die Wahrnehmung ist, blieb bis jetzt unbeantwortet. Nehmen wir alle dasselbe wahr?

|23|Wie täuschbar ist die Wahrnehmung?

Paul Watzlawick ging davon aus, dass die Annahme, es gebe nur eine Wirklichkeit, eine gefährliche Selbsttäuschung sei [5]. Übertragen auf die Wahrnehmung bedeutet dies, dass jeder Mensch glaubt, dass die eigene Wahrnehmung die einzig richtige sei. Dass dies nicht so ist, wird in der Wahrnehmungspsychologie seit langem anhand der Wahrnehmungstäuschungen und insbesondere der optischen Täuschungen untersucht.

Ist Ihnen auch schon einmal aufgefallen, dass der Mond nah am Horizont viel größer erscheint als hoch oben am Himmel? Dieses Phänomen wird als Mondtäuschung bezeichnet, für das die Wissenschaftler seit Jahrzehnten eine Erklärung suchen. Eine Erklärungsmöglichkeit ist die wahrgenommene Entfernung. Steht der Mond hoch am Himmel, fehlt die Tiefeninformation, die jedoch vorliegt, wenn der Mond sich dem Horizont über einer besiedelten Landschaft nähert. Eine weitere Erklärung durch Sehwinkelvergrößerung geht davon aus, dass der Mond kleiner wirkt, wenn er von größeren Objekten umgeben ist. Die Theorie der atmosphärischen Perspektive besagt, dass der Blick durch den Nebel nah dem Horizont die wahrgenommene Größe beeinflussen kann. Darüber hinaus kann auch eine rote Verfärbung den Eindruck der Größe verstärken [2].

Eine weitere bekannte Täuschung ist die Ebbinghaus-Illusion. Dabei werden zwei Kreise gleichen Durchmessers jeweils von sieben anderen Kreisen flankiert. Bei dem einen Kreis sind die flankierenden Kreise größer, bei dem anderen kleiner als der Kreis im Zentrum. Die Illusion besteht darin, dass der mittlere Kreis, der von größeren Kreisen flankiert wird, kleiner erscheint als der objektiv gleich große zentrale Kreis, der von kleineren Kreisen umgeben ist [6].

Aber nicht nur unser visuelles System kann Illusionen unterliegen – auch unsere Körperwahrnehmung lässt sich täuschen. Dies wurde mit dem sogenannten Gummihand-Paradigma untersucht: Bei diesem Experiment wird die Hand des Probanden verdeckt und daneben eine Gummihand gelegt. Bei simultaner Stimulation der Gummihand und der eigenen Hand erleben die Probanden die Gummihand als zum Körper gehörig [7].

Eine bekannte visuell-auditive Täuschung ist der sogenannte McGurk-Effekt, bei dem die Sprachwahrnehmung durch die visuelle Information beeinflusst wird. Einer Versuchsperson werden akustisch die Laute „ba-ba“ präsentiert, die sie auch richtig wiedergeben kann. Sieht sie dann |24|allerdings zu den vorgespielten Lauten eine Person auf einem Bildschirm, die „ga-ga“ sagt, dann hört sie „da-da“ [2].

Wie objektiv ist also unsere Wahrnehmung und wodurch wird sie beeinflusst? Hier gibt es viele Faktoren: So ließen Psychologen in einem Experiment Probanden Bälle auf verschieden weit entfernte Ziele werfen. Dabei bekamen die teilnehmenden Personen Bälle mit unterschiedlichem Gewicht. Einmal wogen sie nur 0,32 kg, eine andere Gruppe erhielt Bälle, die 0,91 kg schwer waren. Nach ihren Würfen sollten die Probanden die Entfernung schätzen. Es zeigte sich, dass die Entfernung als weiter wahrgenommen wurde, wenn die Bälle schwerer waren [8]. Auch wenn dies auf den ersten Blick verwunderlich erscheint, kommt uns dieser Sachverhalt vielleicht bekannt vor. Mit einem schweren Rucksack auf dem Rücken erscheint der vor uns liegende Weg noch einmal doppelt so weit [9].

Neben dem Gefühl der Belastung kann auch die Stimmung unsere Wahrnehmung beeinflussen. Bei einem Experiment hörten Probanden entweder keine Musik oder Musik, die sie sehr traurig bzw. sehr fröhlich stimmte. Daraufhin sollten sie in einer visuellen Erkennungsaufgabe fröhliche und traurige Gesichter auf einem Monitor erkennen, die durch Punkte auf dem Bildschirm teilweise unkenntlich gemacht waren. Es zeigte sich, dass die fröhlichen Gesichter nach dem Hören der fröhlichen Musik besser wahrgenommen wurden und die traurigen Gesichter nach dem Hören der traurigen Musik. Unsere Stimmung beeinflusst folglich unsere visuelle Wahrnehmung [10].

Generell können wir festhalten, dass unsere Wahrnehmung von der „objektiven“ Welt subjektiv ist, sie lässt sich auf verschiedenen Ebenen täuschen. Dies gilt für alle Menschen. Doch lässt sich die sowieso schon täuschbare Wahrnehmung noch durch einen subjektiven Anteil verzerren? Schließlich ist für Ihre Kinder das neue Kleidungsstück türkis und für Sie grün. Im nächsten Abschnitt widmen wir uns diesen individuellen Unterschieden.

Wahrnehmung – die Brille ist gefärbt

Die Individualität der subjektiven Wahrnehmung lässt sich für fast alle Sinnesmodalitäten nachweisen und kann hier nur exemplarisch behandelt werden. So konnten zum Beispiel Experimente der visuellen Wahr|25|nehmung zeigen, dass Persönlichkeitsmerkmale eine Rolle spielen: Antinori, Carter und Smilie (2017) führten einen Versuch mit einer visuellen Aufgabe durch, bei der die Versuchsperson auf einfache Reize auf dem Monitor reagieren und berichten mussten, wann und wie oft sich die Reize in ihrer Wahrnehmung miteinander verbunden hatten. Vor der Aufgabe hatten sie einen Persönlichkeitsfragebogen beantwortet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Personen, die eine größere Offenheit gegenüber neuen Dingen zeigten, auch über eine längere Dauer der Reizkombination berichteten. Sie nahmen darüber hinaus noch mehr kombinierte Reize wahr, wenn sie vorher an einer Intervention teilgenommen hatten, die sie in eine positive Stimmung versetzte, wie z. B. die Vorstellung eines Spazierganges durch einen ruhigen Wald [11].

Auch die Körperwahrnehmung ist nicht nur von Umgebungsreizen abhängig, sondern zum Beispiel auch von unserer Interozeptionsfähigkeit, also dem Vermögen, Reize wahrzunehmen, die aus dem Inneren des eigenen Körpers kommen. So war die Illusion in dem Gummihand-Paradigma dann größer, wenn die Versuchspersonen eine geringere Interozeptionsfähigkeit besaßen, das heißt, wenn sie weniger Reize spürten, die aus ihrem Inneren herrührten [12]. Die Interozeptionsfähigkeit wurde mit einer Aufgabe gemessen, bei der sie ihren eigenen Herzschlag verfolgen mussten.

Aber nicht nur unsere Fähigkeit, innere Zustände oder unsere Persönlichkeit wahrzunehmen, sondern auch unsere früheren Erfahrungen beeinflussen unsere Wahrnehmung. Forscher untersuchen dies unter dem Begriff der zeitlichen Kontexteffekte [13]. In der Wasserfall-Illusion, die auch als Bewegungsnacheffekt bekannt ist, wird ein Stein, der neben der Strömung liegt, als sich bewegend wahrgenommen, wenn man für eine Weile auf den sich nach unten bewegenden Wasserfall geschaut hat. Auch die Umgebung, in der wir leben, beeinflusst unsere Wahrnehmung. So zeigten die Menschen einer halbnomadischen Gruppe, Himba, aus einem ländlichen Gebiet, einen erhöhten Helligkeitskontrast verglichen mit Menschen mit einer größeren städtischen Erfahrung (Himba, die in eine größere Stadt gezogen sind, und Studierende aus Großbritannien) [14].

Außerdem beurteilten Versuchsteilnehmer aus den Niederlanden die Farben auf einem Farbkontinuum von Gelb nach Orange häufiger als orange als deutsche Beobachter [15]. Orange gilt als „Nationalfarbe“ in den Niederlanden und prägt daher das Gedächtnis der Bewohner. Dieses deklarative Wissen beeinflusst wiederum deren Wahrnehmung. Jedoch |26|nicht nur unsere Erfahrungen, sondern auch unsere Einschätzungen beeinflussen, was wir wahrnehmen: Fügt eine andere Person uns Schmerz zu, indem sie uns auf den Zeh tritt, nehmen wir diesen Schmerz stärker wahr, wenn wir davon ausgehen, dass sie dies absichtlich getan hat [16].

Nehmen wir wirklich alles wahr?

Bislang sprachen wir von der bewussten Wahrnehmung. Aber nehmen wir Dinge vielleicht auch unbewusst wahr? Es wäre beunruhigend, wenn wir davon ausgehen müssten, dass wir ungewollt durch Dinge beeinflusst werden könnten. Unter Laborbedingungen wird die unbewusste Wahrnehmung oft mit dem Paradigma des „subliminalen Primings“ untersucht. Hierzu werden den Versuchspersonen Reize (Prime) nur sehr kurz (10 bis 50 ms) dargeboten, und oftmals wird dieser Reiz durch weitere Reize verschleiert, beispielsweise durch zufällige Buchstabenketten [17]. Subliminale Primings spielen in den Medien und in der Werbung eine große Rolle, auch wenn deren Wirkung unter Laborbedingungen nicht immer bestätigt werden konnte. Darüber hinaus werden sie auch in politischen Kampagnen eingesetzt [18]. Auch der Einsatz von unterschwellig dargebotenen Duftstoffen ist ein vielversprechendes Feld in der Marketingforschung [19].

Nach dem Lesen dieses Kapitels verwundert es Sie vielleicht nicht mehr, dass Sie Dinge anders wahrnehmen als Ihre Kinder und Menschen aus verschiedenen Ländern eine unterschiedliche Wahrnehmung haben. Immer wieder müssen wir uns fragen, wie wir uns überhaupt verstehen können, wenn wir alle etwas anderes wahrnehmen, vielleicht sogar ohne dass wir die Wahrnehmung registriert haben.

Paul Watzlawick zitiert aus einem Brief Ludwig Wittgensteins: „In den besseren Stunden aber wachen wir so weit auf, dass wir erkennen, dass wir träumen.“ [20]

Wie kann das Zusammenleben unter solchen Voraussetzungen gut funktionieren?

|27|1.2  Ist sie wirklich so wichtig? Intelligenz

Wenn Sie sagen, „Kollege Schröder ist wirklich intelligent!“, hat mancher, der Ihnen zuhört, eine bestimmte Vorstellung im Kopf. Wahrscheinlich umfasst sie folgende Einschätzungen: Schröder kriegt alles leicht hin und hat Erfolg, Schröder ist ein bisschen verschroben (und man hat sofort das Bild Einsteins mit seinen wirren Haaren vor Augen). Mit dem Handwerklichen hat der Schröder es hingegen nicht so, genauso wenig wie mit dem Sport. Überhaupt ist er ein bisschen „verkopft“. Umgekehrt denkt man bei geringerer Intelligenz vielleicht an eine Person, die sehr lange braucht, um Dinge zu verstehen, die nicht sehr viel auf die Reihe kriegt und im Leben wenig Erfolg hat.

Häufig bestimmen Stereotype, also die Vorstellung, die man davon hat, wie die Mitglieder einer bestimmten Gruppe „sind“ (zum Beispiel „Jungen sind athletischer als Mädchen“), und Vorurteile, die mit bisher gemachten Erfahrungen zusammenhängen, die Einschätzung der eigenen und fremden Intelligenz. Aber was heißt das eigentlich, „intelligent“? Die folgenden Ausführungen basieren, soweit nicht anders angegeben, auf dem Lehrbuch von Holling, Preckel und Vock (2004) [21].

Was ist Intelligenz?

Intelligenz ist das am besten untersuchte Persönlichkeitsmerkmal. Unter diesen Umständen ist es überraschend, dass es keine allgemeingültige Definition von Intelligenz gibt. Das Problem besteht darin, dass Intelligenz nicht direkt beobachtbar ist. Es ist ein Konstrukt, das aus dem Verhalten einer Person in Situationen, die eine besondere Leistung erfordern, geschlossen wird. In Intelligenztests müssen Personen zum Beispiel erkennen, welche Regel einer bestimmten Zahlenreihe zugrunde liegt. Aus den Ergebnissen der verschiedenen Aufgaben lässt sich dann der Intelligenzquotient (IQ) ermitteln. Eine mittlere Intelligenz entspricht einem IQ von 100, sie kommt am häufigsten vor. Höhere und niedrigere Intelligenzquotienten werden zunehmend unwahrscheinlicher. Die sehr niedrigen und sehr hohen Werte von etwa 55 und 145 kommen dementsprechend äußerst selten vor. Jedem IQ entspricht ein bestimmter Prozentrang, der besagt, wie viele Prozent der gleichaltrigen Vergleichsgruppe schlechtere Ergebnisse erzielen. Hat jemand also einen IQ von |28|100, hat er einen Prozentrang von 50, d. h. 50 Prozent der Vergleichsgruppe schneiden schlechter ab (und 50 Prozent besser). Die Grenze für Hochbegabung (siehe unten) liegt bei einem IQ von 130, was einem Rang von 98 Prozent entspricht.

Aber was ist Intelligenz? Alfred Binet und Théodore Simon [22] definierten sie als die Fähigkeit, „gut urteilen, gut verstehen und gut denken“ zu können (zitiert nach Holling et al., 2004, S. 13, [21]). Die beiden französischen Mediziner und Psychologen entwickelten 1905 den ersten Intelligenztest. David Wechsler, ein US-amerikanischer Psychologe, führte die heute gebräuchliche Berechnung des IQs ein [23]: „Intelligenz ist die zusammengesetzte oder globale Fähigkeit des Individuums, zweckvoll zu handeln, vernünftig zu denken und sich mit seiner Umgebung wirkungsvoll auseinander zu setzen.“ (zitiert nach Holling et al., 2004, S. 13, [21]) Weitere Definitionen heben vor allem die Fähigkeit hervor, sich mit neuen Situationen und Anforderungen erfolgreich auseinanderzusetzen. Wie geht die Intelligenzforschung mit diesem Problem unterschiedlicher Definitionen um? Sie nutzt eine sogenannte operationale Definition von Intelligenz: Intelligenz ist das, was der Intelligenztest misst. Man zieht sich also einerseits ein bisschen aus der Affäre, andererseits ist damit klar: Diese und jene Aufgaben, die mein Intelligenztest umfasst, stehen für mich für Intelligenz.

Ist Intelligenz wirklich messbar?

Definiert man Intelligenz operational, ist es nicht überraschend, dass zahlreiche Intelligenzforscher verschiedene Modelle oder Vorstellungen von Intelligenz haben. Dementsprechend gestalten sie die Tests. Spearman [24] ging Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts zum Beispiel von der Beobachtung aus, dass Personen, die in einem Leistungstest gute Leistungen erbrachen, dies oft auch in anderen Tests taten (die Leistungen korrelierten). Er folgerte daraus, dass es einen allgemeinen Intelligenzfaktor g („Generalfaktor“) gebe, der auf alle einzelnen Intelligenzbereiche und damit Aufgaben des Intelligenztests Einfluss nehme.

Ist eine Person ganz allgemein intelligent, spiegelt sich das in der Lösungsfähigkeit verschiedener Aufgaben, mathematisch, sprachlich, abstrakt-logisch etc. wider, wobei hier aber jeweils spezifische zusätzliche Einzelfähigkeiten eine Rolle spielen. Da die Leistungen in verschiedenen Tests nicht zu 100 Prozent korrelieren, es also immer noch Aufgabenstel|29|lungen gibt, die selbst ein generell schlauer Mensch besser und schlechter lösen kann, postulierte Spearman in seiner Zwei-Faktoren-Theorie spezifische Fähigkeiten, die nötig sind, um die jeweilige Aufgabe erledigen zu können [24].

Das Modell mehrerer gemeinsamer Faktoren von Thurstone [25] geht hingegen davon aus, dass Intelligenz mehrere grundlegende Fähigkeiten umfasst, genauer gesagt: verbales Verständnis, Wortflüssigkeit, schlussfolgerndes Denken oder Erkennen von Regeln, räumliches Vorstellungsvermögen, Merkfähigkeit bzw. Kurzzeitgedächtnis, Rechenfähigkeit und Wahrnehmungsgeschwindigkeit. Dieses Modell ist also ein Gegenmodell zu Spearman. Die Theorie der fluiden und kristallinen Intelligenz von Cattell [26], einem Schüler Spearmans, postuliert, dass sich der g-Faktor aus zwei Komponenten zusammensetzt, die unabhängig voneinander sind. Der erste Faktor umfasst die sogenannte fluide Intelligenz. Es handelt sich um die Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen und neuartige Probleme zu lösen. Das gelernte Wissen spielt dabei eine geringe Rolle, wohl aber zum Beispiel die Fähigkeit, vom Einzelfall auf das Allgemeine zu schließen (Induktion) sowie die Geschwindigkeit des Denkens. Faktor zwei ist die kristalline Intelligenz. Sie umfasst alle kognitiven Fertigkeiten und alles Wissen, das sich im Laufe des Lebens „ansammelt“. Hier geht es also darum, bekannte Information zu verarbeiten und bereits vorhandenes Wissen anzuwenden, wobei zum Beispiel verbales Verständnis eine wichtige Rolle spielt.

Ein bekannter Intelligenztest ist der Hamburger Wechsler Intelligenztest, eine deutsche Version der amerikanischen Wechsler Intelligence Scale. Seit dem ersten Erscheinen 1939 gibt es diesen Test für Kinder und Erwachsene und in mehreren Auflagen. „Mit dem Test sollten nach Wechsler möglichst verschiedene Facetten von intelligentem Denken und Handeln differenziert abgebildet werden, die aber in einem übergeordneten Konstrukt (g-Faktor) zusammenfließen“ ([27], S. 14), schreiben Petermann und Daseking. Obwohl es merkwürdig erscheint, ist dieser Test eine Synthese aus den Modellen von Spearman und Thurstone. Zwar wird von einer allgemeinen Intelligenz ausgegangen, die in die spezifischen Fähigkeiten hineinspielt, andererseits wird den Einzelfähigkeiten aber auch eine relativ große Bedeutung eingeräumt. Dementsprechend kann aufgrund der Testergebnisse zum Beispiel im HAWIK IV (einer Testversion für Kinder, Hamburger Wechsler Intelligenztest für Kinder) sowohl ein Gesamt-Intelligenzquotient berechnet als auch eigenstän|30|dige kognitive Bereiche bestimmt werden. Da ist zum einen das Sprachverständnis, in dem es neben dem allgemeinen Verständnis zum Beispiel auch um den Wortschatz geht. Beim wahrnehmungsgebundenen Logischen Denken müssen Probanden beispielsweise mehr oder weniger komplizierte geometrische Muster im Sinne eines Puzzles legen (Mosaiktest). Beim Arbeitsgedächtnis muss die Testperson unter anderem zunehmend längere Zahlenreihen nachsprechen. Die Verarbeitungsgeschwindigkeit wird beispielsweise mit dem Zahlen-Symbol-Test erfasst, bei dem die Probanden einer Reihe von Zahlen abstrakte Symbole zuordnen müssen.

Und da wird wirklich Intelligenz gemessen?