Einhörner - Geschichten aus dem Land der Fantasie Band 1 - Martina Meier - E-Book

Einhörner - Geschichten aus dem Land der Fantasie Band 1 E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Mit Einhörnern durch die Lüfte fliegen, in magische Welten abtauchen und ganz tolle Abenteuer erleben – folge den Fabelwesen in unserem Buch. Wir laden dich ein: „Willst du mit mir das Einhorn sehen? Dann komm mit! Es ist sehr schön!“ (Dörte Müller)

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Einhörner

Geschichten aus dem Land der Fantasie

Band 1

Martina Meier (Hrsg.)

*

Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - www.papierfresserchen.de

© 2024 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Bearbeitung: CAT creativ - www.cat-creativ.at

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2024.

Titelbild: © Elena Schweitzer - Adobe Stock lizenziert

ISBN: 978-3-99051-205-0- Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-206-7- E-Book

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Inhalt

Beschwörung im Wald

Das Vorstadtkrododil macht neue Schlagzeilen

Der Einhorntraum

Junicorn

Anna und das nostalgische Karussell

Rhiamera, das erste Einhorn

Das allerletzte Einhorn

Unser Einhornausritt

Luminara, die Hüterin der Träume

Auf magischer Fährte

Einhorn Silberweiß

Die Einhorn Guardians

Im Nebel

Das Einhorn befreien

Das Waldkindergarteneinhorn

Einhorn in Not

Eine ganz besondere Nacht

Das Zweihorn oder Die missglückte Paarung

Einhörner auf geheimer Mission

Das Geheimnis des Funkelwaldes

Im Winterwunderland

Wünsche an ein Einhorn

Achak, der Einhornbräutigam

Bartholomäus und das Einhorn

Wölkchen in Nöten

Rosalie will mehr

Einhörnchen

Ein Blatt im Wind allein

Es gibt keine Einhörner

Der Hornesel

Einhörner gab es mal

Das Einhorn von Annabelle

Das fehlende Horn

Im Märchenwald, oder?

Die Hexe und das Einhorn

Weltuntergang mit Einhorn

Ein Einhorn in Not

Das schwarze Einhorn

Das mutige Einhorn

Wilde Einhörner

Sariel

Das Geschenk des Himmels

Ein Einhorn auf dem Pferdehof

Lila und der bunte Regenbogen

Liebes Tagebuch!

Sparkling Joy und der magische Kristall

Vom Glück, einem Einhorn und einem Fuchs zu begegnen

Ritter Einhorn

Zeitloses Tanzen

Manchmal sind Freunde ganz nah

Ein Tag als Einhorn

Twinkle

Das Glitzerzauberland

Wie Zens Liebe zu Einhörnern sich vertiefte

Die Einhörner dürfen nicht aussterben

Eine wundersame Rückgabe im grünen Dickicht

Das kleine Einhorn im Schnee

Das verletzte Einhorn

Maggy, das Einhorn: Affenjagd nach dem Zauberstab

Merlin, das mutige Einhorn

Wie Timo den Mond ausschaltete

Auf der Suche nach der Elfenstadt

Wie ein Phönix

Das kleine Einhorn

Sommerzauber

Einhörnchen und Eichhörnchen

Der graue Regenbogen

Eine fast echte Geschichte

Einfach da

Die Autorinnen und Autoren

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Die Autorinnen und Autoren

Achim Stößer

Amelie Spitz

Anja Apostel

Ann-Kathleen Lyssy

Antje Sengebusch

Bened Krupp

Bernd Watzka

Bianca Buchmann

C. A. Manning

Carmen Schmied

Catamilla Bunk

Catharina Luisa Ilg

Christian Reinöhl

Clarissa Holder

Claudi(t)a van Gozer

Désirée Braun

Dominique Goreßen

Doreen Pitzler

Dörte Müller

Elizaveta Miasnikova

Ellen Norten

ElviEra Kensche

Emma Daandels

Emma Summer Mintken

Felix C. M. Armbruster

Florian Fehring

Gerhard Hartig

Gerhard P. Steil

Hannelore Futschek

Ingrid Hägele

Jana Marx

Jennifer Pfingstmann

Jochen Stüsser-Simpson

Jona Henne

Julia Nachtigall

Juliane Barth

Karin Endler

Karoline Marliani

Katja Lippert

Katrin Kunecova

Ladislaja Winter

Lebrina Fairbanks

Leni

Leoni Hermes

Leonore Dubach

Lina Sommerfeld

Lisa Abdeen

Luna Day

Mara Wienhold

Maren Voß

Margit Günster

Melanie Schlämann

Mette

Oliver Fahn

Oliver Haug

R. S. Wiener

Ramona Schroller

Ramona Stolle

Sarah Sophie Vierheller

Sonja Haas

Stefanie Bräunig

Susanne Horky

Susanne Weinsanto

Sybille Klubkowski

Tim Tensfeld

Ulli Krebs

Uta Biehl

Vanessa Boecking

Volker Liebelt

Volker Naylor

Wolfgang Rödig

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Beschwörung im Wald

Im Herzen war Prof. Dr. Maria de Slagter immer noch ein Mädchen. Oder war sie eine Träumerin? Ein Sturkopf? Vielleicht eine Ich-Will-Aber-Doch-Warum-Geht-Es-Nicht-Verdammt-Noch-Mal? Fest stand, sie forderte die Gesetzmäßigkeiten der Natur heraus.

Wann immer es ihre Pflichten als Direktorin der staatlichen Beschwörungsschule erlaubten, begab sie sich in den Wald von Udar, wo unter einer Holzplanke verborgen ein Beschwörungskreis auf sie wartete. Maria hatte ihn selbst gezogen. Mit den unerfahrenen Händen einer Schülerin hatte sie ihn unzählige Male ausgebessert und manchmal, nach den für die Gegend typischen, heftigen Stürmen, grundlegend neu gezeichnet. Vor zehn Jahren dann, damals war sie schon Direktorin, hatte Maria ihr angesammeltes Geld zu Glyphen aus Gold verflüssigt und sie in einer Steinplatte verankert, um sich nicht ständig neu anstrengen zu müssen. Heute jedoch würde sie wieder auf alte Methoden zurückgreifen müssen. Irgendein Unwissender hatte die Goldglyphen gestohlen.

Schwer auf ihren Gehstock gestützt, ließ Maria sich auf dem kalten Erdboden nieder. Vielleicht sollte sie es ganz aufgeben. Nach all den Jahren war klar, dass die Einhörner nicht von ihr beschworen werden wollten. Das war eines der Grundgesetze der Beschwörung: Das Wesen musste willig sein. Ein anderes war, dass besonders starke Wesen nur in ihrer natürlichen Umgebung beschworen werden konnten. Bei Einhörnern war das der Wald – und trotzdem zeigten sie nicht mal ein Schweifhaar. Dabei wollte Maria nur noch eines in ihrem Leben: einmal ein echtes Einhorn sehen.

Sie begann, einen neuen Beschwörungskreis in die Erde zu zeichnen. Es kostete sie eine ganze Stunde, in der ihr Rücken, ihre Hüfte und Knie höllisch schmerzten. Mit triumphierender Miene legte sie endlich die Hände an die Außenseite des fertigen Kreises.

Als Marias Magie den Beschwörungskreis Glyphe um Glyphe erhellte, tanzte der goldene Widerschein auf den feuchten Blättern der Buchen und Eichen wie Glühwürmchen. Die Dämmerung hatte gerade eingesetzt, doch Maria sorgte sich wenig um wilde Tiere. Obwohl viele von ihnen gefährlich waren, hatten sie die alte Magierin in ihrer Mitte fürchten und respektieren gelernt. Eine Ausnahme bildeten die Drachen, welche aber nur selten aus den tiefen Schluchten auftauchten, die ihr Urvater in die Erde gerissen hatte.

Einige Minuten vergingen, während derer Maria den Beschwörungskreis weiter mit Magie speiste und das Rosa am Himmel sanftem Lila, dann Indigo wich. Sterne glommen auf und fügten sich in den Tanz der irdischen Lichter wie ferne Verwandte. Bis auf einen gelegentlich Windhauch war der Wald still, als warte er auf etwas.

Nach einer Weile sah Maria jedoch ein, dass dieses Etwas kein Einhorn war. Es war sinnlos, sich über etwas zu ärgern, was man nicht ändern konnte, also ließ Maria die Magie versiegen, legte die Planke über den neugezogenen Kreis und griff nach ihrem Stock, um sich auf die Beine zu stemmen. Einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen. Vielleicht sollte sie nächstes Mal eine ihrer Schülerinnen mitbringen, um die Arbeit auf dem kalten Boden zu erledigen.

Als der Schwindel nachließ, flüsterte Maria einen Satz und der Kristall, der vom Handlauf ihres Gehstocks baumelte, sandte blaues Licht über den Blätterboden.

Ein Geräusch ließ sie den Kopf wenden. Es kam aus der Richtung der Schluchten. Für den Fall, dass es ein Drache war, beschleunigte Maria ihren Abgang. Die Drachen gehörten zu den wenigen Geschöpfen, die sich nach ihrer Erstbeschwörung in den Ländern der Menschen ausgebreitet hatten. Hin und wieder kam das vor, wenn ein Beschwörer es erlaubte, die Kontrolle über das Wesen verlor oder vorzeitig starb. Die Menschheit konnte sich glücklich schätzen, dass die älteren und mächtigeren Drachen es vorzogen, in ihren Sphären zu bleiben. Diejenigen, die in den Schluchten von Udar und anderen versteckten Winkeln hausten, waren mehr feuerspeiende Flugechse als intelligentes Wesen.

Das Geräusch kam näher und jetzt erkannte Maria es eindeutig als Flügelschlag. Dann ein lautes Brüllen – verdammt, das war wirklich ein Drache! Sie blieb stehen. Mit ihren alten Beinen konnte sie diesen fliegenden Ungeheuern nicht entkommen.

Stattdessen wandte Maria sich zum nächsten Baum und rief leise die an sie gebundene Nymphe herbei. Sekunden später öffnete der Baum seinen Stamm und zog sie in sein Inneres. Vor Marias Augen öffneten sich zwei Astlöcher zur Lichtung hin, gerade rechtzeitig, um etwas zu sehen, das aus dem Wald stolperte. Der Mond war hinter Wolken verschwunden und so sah Maria nur einen schimmernden Umriss. War das etwa ...?

Der Drache stürzte vom Himmel herab, bevor sie ihren Gedanken beenden konnte.

„Nein!“, rief Maria und drückte unwillkürlich gegen das Holz ihres Verstecks, das unter ihren Fingern nachgab. Ihren Schmerz vergessend, rannte sie auf die Lichtung, den Stock erhoben und rammte ihn in die grüngeschuppte Seite der Riesenechse. Der Drache stieß ein überraschtes Quieken aus und ließ von seiner Beute ab, um sich ihr zuzuwenden. Drohend breitete er seine zehn Meter langen Schwingen aus. Sie verdeckten den Himmel und hüllten Maria in Dunkelheit. Einzig das Licht ihres Gehstocks blieb, doch Maria war alles andere als eingeschüchtert.

„Blödes Riesenmistvieh“, murmelte sie und stampfte mit ihrem Stab auf den Boden. Der in den Kristall gebannte Elementar reagierte sofort auf ihr Zeichen. Ein Strahl grellen Lichts schoss aus dem Kristall und dem Drachen ins Gesicht. Geblendet zuckte er zurück und schüttelte den Kopf.

Im selben Moment bogen sich die Bäume unter dem Einfluss der Nymphe und stießen ihre Äste wie Speerspitzen nach dem Ungeheuer. Die Schuppen konnten sie nicht durchdringen, doch die ledrigen Flügel waren weniger geschützt. Schmerzerfüllt brüllend tapste der Drache herum und als die Äste sich für einen zweiten Angriff zurückzogen, sprang er in den Himmel hinauf. Immer noch halb blind und eine dampfende Blutspur hinter sich herziehend, schlingerte der Drache in die Dunkelheit davon.

Maria sah ihm nach, bis er ganz verschwunden war. Erst dann atmete sie aus und ihre Schultern sackten herab. Wenn der Drache nicht überrascht gewesen wäre, hätte die Sache auch anders ausgehen können. Ein Feuerstoß und – aber dazu war es ja nicht gekommen, oder?

Den Gedanken abschüttelnd wandte Maria sich dem Wesen zu, das der Drache verfolgt hatte. Es war hinter ein Gebüsch gekrochen und kaum noch zu erkennen, doch Maria hatte eine Ahnung, was das silbrige Blut verloren hatte, das nass auf dem Gras schimmerte. Ihr Herz pochte vor Aufregung und Besorgnis zugleich. Ihre Hand fest um den Gehstock gekrallt, ging sie langsam auf das Versteck zu. Sie wollte das Wesen nicht erschrecken, doch wahrscheinlich musste es verarztet werden.

Schließlich fiel das nun wieder schwache Licht des Kristalls auf den Busch. Maria drückte die Äste beiseite. Das Wesen darunter war klein wie ein Fuchs, doch von Kopf bis zu den zottelbesetzten Hufen strahlend weiß. Silbriges Blut rann von tiefen Krallenspuren seinen Bauch hinab, der sich langsam hob und senkte. Es lebte noch, gerade noch.

Als wüsste es um sein Schicksal, wandte das Wesen Maria erschöpft den Kopf zu und offenbarte einen kleinen Stummel auf der Stirn, wo einmal ein prächtiges Horn wachsen würde.

Es war ein Einhornfohlen.

Freude und Mitleid trieben Tränen in Marias Augen und sie streckte zitternd die Hand nach ihm aus. „Keine Sorge, mein Kleines. Ich weiß genau das Richtige, um dich wieder aufzupäppeln …“

Karoline Marliani(27) lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in NRW. 2023 vollendete sie ihren Master in Linguistik an der Universität zu Köln. 2019 gewann Karoline den Publikumspreis des Postpoetry-Wettbewerbs mit ihrem Gedicht „Kinderreue“ und 2022 den Preis des HerzensStimmen-Festivals mit der Kurzgeschichte „Stumme Wertung“. Das erste Buch ihrer Trilogie „Aus den Archiven des Teufels“ erschien 2023 unter einem Pseudonym als E-Book. Neben ihren deutschen Texten veröffentlicht Karoline englische Online-Novellen als „Freakzilla“.

*

Das Vorstadtkrododil macht neue Schlagzeilen

Von unserem Reporter I. A. M. Joking

Das Vorstadteinhorn, das seit einigen Monaten Spuren ungewöhnlicher Verwüstung in unserer Vorstadt hinterlässt, wurde erstmals gesichtet! Am Montag der letzten Woche haben erste Augenzeugen angegeben, dem berüchtigten Vorstadteinhorn von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden zu haben!

Lange konnte sich keiner erklären, woher die rätselhafte Zerstörung rührte, die in Sonntagnächten unsere sonst so friedliche Vorstadt überkam. Aufgewühlte Blumenbeete und zertrampeltes Gemüse ließen zuerst an Wildschweine denken, bis sich herausstellte, dass jeder Tatort Hufspuren aufzuweisen hatte – eindeutig von Pferden stammend. Doch es blieb nicht bei der Vernichtung unserer Vorstadtgärten. Durchlöcherte Wassertonnen, aufgespießte Gartenmöbel und zerstochene Sonnenschirme. Auch Kleidungsstücke an Wäscheleinen blieben nicht verschont. Das Sonderbare daran: Die Löcher, die der Unruhestifter in unsere Vorstadt gerissen hat, haben alle den exakt selben Durchmesser von 7,93 Zentimetern.

Es folgte also die nächste Vermutung: Bei den Hufspuren musste es sich um ein cleveres Ablenkungsmanöver handeln und bei dem wahren Übeltäter folglich um einen Menschen mit bis dato undefinierter Tatwaffe.

Diese Theorie wurde jüngst überworfen, als immer mehr Berichte über Schattensichtungen bei den zuständigen Behörden eintrudelten. Diese sprachen von einem vierbeinigen Wesen, das unter Hufgeklapper verschwand, sobald man sich ihm zu nähern versuchte. Zu sehen war nie mehr als der verschwindende Schatten. In Form und Grazie widersprachen sich die Berichte wie Tag und Nacht, nur in einem waren sie sich alle einig: Das Wesen trägt ein Horn auf der Stirn, das in Länge und Umfang mit den gefundenen Löchern übereinstimmt. Darum wurde der Unruhestifter das Vorstadteinhorn getauft und trägt diesen Titel bis heute.

Unklar ist noch immer, um was für ein Geschöpf es sich tatsächlich handelt, ob sein verwüstendes Verhalten als gefährlich oder gar aggressiv einzustufen ist und damit eine Gefahr für die Anwohner darstellt, und was mit dem Vorstadteinhorn geschehen wird, sollte es sich einfangen lassen. Diese letzte Unsicherheit wurde jedoch besänftigt, nachdem sich der Ponyhof für Kleine und Große, welcher unter der Leitung des amtierenden Bürgermeisters steht, dazu bereit erklärt hat, das sogenannte Einhorn bis auf Weiteres in seinen Stallungen aufzunehmen. Bleibt also nur zu klären, womit genau wir es zu tun haben und wie es sich einfangen lässt, um der weiteren Zerstörung Einhalt zu gebieten.

Erste Ansätze, das Geschöpf unter Kontrolle zu bringen, kamen von dem Hausmänner-Verband unserer Vorstadt, der dazu riet, Zuckerfallen aufzubauen, da dies ein Ziel des Vorstadteinhorns zu sein scheint, hat es doch erst am letzten Sonntag den 186 Kilogramm umfassenden Zuckervorrat der lokalen Bäckerei verspeist.

Nachdem nun die Augenzeugenberichte vorliegen und neue Erkenntnisse mit sich bringen, verfestigt sich die Betitelung des Vorstadteinhorns: Eindeutig handle es sich um ein pferdeähnliches Wesen mit spitz zulaufendem Horn. Doch auch hier sei auf die Unterschiede in den Beschreibungen zu achten: Auch in den Augen von Zeugen, die dem Einhorn gemeinsam begegnet sind, finden sich Unterschiede: Mal hat es einen wildschweinähnlichen Hängebauch, mal einen Giraffenhals und mal zwei bis drei Höcker. Woran das liegt, ist schwer zu beantworten. Die Mehrheit spricht momentan von einem Chameleon-Effekt, geht also davon aus, dass das Wesen für jeden Betrachter in abgeänderter Form in Erscheinung tritt. Uneinigkeit herrscht über den Grund dafür. Bis weitere Informationen eintreffen, bleiben diese und viele weitere Fragen offen. Fest steht bisher nur, dass die Verwüstung unserer Vorstadt ein baldiges Ende finden muss, ob mit Einhorn oder ohne!

Bleiben Sie informiert, bleiben Sie dabei, bleiben Sie bei

Bonkers – unsere Stadt auf einen Blick!

I. A. M. Joking

(Vorsitzender des Hausmänner-Verbands)

Auszug aus der Zeitschrift „Bonkers – unsere Stadt auf einen Blick!“

Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

Nachtrag der Redaktion:

Für den Fall, dass sich das Vorstadteinhorn als ein reales, biologisches Phänomen entpuppen sollte, finden sich bereits Experten zusammen mit der Fragestellung, ob ein Einhorn denn zu der Gattung der Equus oder der Odontoceti, wie z. B. der Narwal (Monodon monoceros) zu zählen sei. Folgen Sie den bereitgestellten Links oder scannen Sie den QR-Code, um der Diskussion beizutreten!

Désirée Braun,Jahrgang 2000, wohnhaft in einem kleinen Ort im kleinen Saarland, begann sich mit elf Jahren dem Schreiben zu widmen und konnte Papier und Tinte seither nicht mehr zur Seite legen. Einige Kurzgeschichten sind in Anthologien erschienen, außerdem der Roman „Ein TODsicheres Unterfangen“.

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Der Einhorntraum

Letzte Nacht, ich glaub es kaum,

hatte ich den besten Traum.

Ich lief über eine Wiese,

vor mir stand ein großer Riese.

„Willst du mit mir das Einhorn sehen?

Dann komm mit! Es ist sehr schön!“

Ich nickte schnell, konnt’ gar nichts sagen.

Musste einfach alles wagen.

Der Riese nahm mich in die Hand

und flog mit mir ins Träumeland.

Du standest vor mir wunderschön.

Ich freute mich, dich anzuseh’n.

Dein rosa Fell so weich wie Samt

streichelte ich mit meiner Hand!

Doch plötzlich wurd ich weggerissen,

fand mich im Bett auf meinem Kissen.

Und das Herz, es wurd mir schwer,

wenn ich doch nur beim Einhorn wär ...!

Dörte Müller, geboren 1967, schreibt und illustriert Geschichten für Kinder.

*

Junicorn

Es war eine sternenklare Nacht. Der Mond strahlte. Kraxius bahnte sich seinen Weg durch das Dickicht. Die Last seines Jutebeutels, den er über der Schulter trug, spürte er bei jedem Schritt. Kühle Luft streifte seine Arme. Der harzige Duft von Tannennadeln stahl sich in seine Nase. Er kam an einer Lichtung vorbei. War hier der Treffpunkt? Mist, wie sollte er sich erinnern, wenn dieses Treffen nur einmal im Jahr stattfand? Immer am 14. Februar. Heute. Hoffentlich hatte sie es nicht vergessen, dachte er.

Was raschelte da? Abrupt drehte er sich um. Seine rechte Hand schnellte an den Gürtelhalfter seines Schwertes, er ließ sie dort liegen und bewegte sich langsam auf das Geräusch zu. Unter seinen Schuhen knackte es. Er schreckte auf. Ein Ast. Noch ein Geräusch. Warme Luft streifte seinen Nacken. War das Atem? Die Haare auf seinen Armen richteten sich auf. Seine Kopfhaut prickelte.

„Wuuaaahh“, erklang eine helle Stimme nah an seinem Ohr.

Er zuckte zusammen, drehte sich um. Dann erfassten seine Augen ein Einhorn. „Scheiße, Junicorn!“, fluchte er lautstark und atmete geräuschvoll aus. Der Klang seiner Stimme hallte im Wald nach. Er ärgerte sich über sich selbst. Er war nicht irgendein Hexer, er war der Vorsteher seiner Gilde. Nun hatte er sich von einem Einhorn Angst einjagen lassen. Einem Einhorn!

„Mach. Das. Nie. Wieder“, presste er hervor.

„Sonst muss ich dich verhexen. Wie siehst du überhaupt aus?“, fragte Kraxius.

Kraxius kannte Junicorn schon lange und wusste, dass sie kein normales Einhorn, sondern ein Vampireinhorn war. Sie war das einzige Einhorn, das im Juni geboren worden war. Daher hatte sie sich unverzüglich nach ihrer Geburt in einen Vampir verwandelt, das hatte sie bei einem ihrer zahlreichen Treffen am Valentinstag erzählt.

Kraxius ließ seinen Blick über seine Freundin schweifen. Ihr sonst glänzendes, weißes Fell war heute matt und grau. In ihren Augen schimmerte ein Rotton, der ihn an Blut erinnerte. Das Horn, was sonst golden strahlte, leuchtete dunkelrot auf.

„Tut mir leid. Ich konnte nicht widerstehen“, sagte Junicorn, hielt den Kopf gesenkt und blickte reumütig zu ihm hoch.

Kraxius erinnerte sich an den Valentinstag im letzten Jahr.

„Was belastet dich so?“, hatte er damals gefragt. Ihr trauriger Blick nagte an ihm.

„Ich will kein Vampireinhorn mehr sein“, platzte es aus Junicorn heraus.

„Auf einmal? Was ist passiert?“, wollte Kraxius wissen.

„Die letzten 117 Jahre habe ich vom Reh, Kaninchen und Wildschwein getrunken, weil ich sonst nicht überleben konnte. Es hat mir nichts ausgemacht. An meinem 118. Geburtstag, zu meiner Volljährigkeit, änderte sich plötzlich etwas. Ich schlich mich leise an ein Reh an, nahm die Witterung auf – wie immer. Dann wurde mein Verlangen unerträglich, das Wasser lief mir im Mund zusammen. Gierig rammte ich meine Hauer in seinen dünnen Hals. Endlich rann warmes Blut meine Kehle hinab. Ich trank wie im Rausch und hörte erst auf, als etwas Merkwürdiges passierte. Auf einmal kam mir der Geschmack von Blut ranzig vor. Irgendetwas war anders. Plötzlich war es mir zuwider, Blut zu trinken. Ich ekelte mich vor mir selbst. Das muss mit meiner Volljährigkeit zu tun haben“, erklärte Junicorn und bleckte die Zähne. Zum Vorschein kamen eine Reihe blutdurchtränkter, spitzer Hauer.

Kraxius zuckte bei diesem Anblick zusammen.

„Vielleicht bist du verflucht“, überlegte er.

Junicorns Augen weiteten sich. Was war das? Sie wirkten mit einem Mal bedrohlich.

„Erst in der nächsten magischen Valentinsnacht kann ich dir helfen, nur dann wirkt der Zauber“, erklärte Kraxius. Seine tiefe Stimme hallte durch den Wald.

„Dazu muss etwas im großen Buch der magischen Kräfte stehen“, überlegte er und kratzte sich am Kinn, das durch einen bauschigen, orangefarbenen Bart bedeckt war.

„Das ist noch ein verfluchtes, ganzes Jahr. Das schaffe ich nicht“, hatte Junicorn protestiert und einen heißen Luftschwall durch ihre Nüstern gestoßen.

Nun standen sie sich gegenüber. Der weiche Waldboden kitzelte unter Kraxius’ nackten Füßen. Er hörte das Geräusch einer Eule von Weitem, Nebelschwaden hingen in der Luft. Er holte seinen grauen Jutesack hervor. Junicorns Augen wurden bei dem Anblick größer, als sie ohnehin schon waren. Ihr Horn leuchtete immer noch rot.

„Hast du … alles bekommen?“, fragte sie zögerlich.

„Mal sehen.“ Er holte ein dickes, schwarzes Buch hervor.

„Hier steht: Des Opfers Körper mit dem Schwerte geteilt“, erklärte er andächtig. Er nahm den toten Körper eines Kaninchens aus dem Sack, zog sein Schwert aus dem Halfter und durchtrennte mit einem glatten Schnitt den Lauf des Kaninchens vom Rest des Kadavers, der mit einem lauten Knall zu Boden fiel. Stolz machte sich auf seinem Gesicht breit.

Junicorns Miene veränderte sich schlagartig. „Warum quälst du mich so?“, fragte sie und wendete den Blick ab.

„Warte ab“, sagte er und zog die weiteren Requisiten hervor.

„Thymian und Rosmarin darüber gestreut“, las er laut vor, griff in den Sack und warf die Zutaten auf den Waldboden. „Knoblauch und das Öl der Oliven.“ Auch das legte er auf den Stapel, der nun beachtlich anwuchs. „Den Feuergott herbeigesehnt“, rief er in die Stille und wartete andächtig.

Nichts passierte.

„Nanu, was war daran falsch“, überlegte er, holte das Buch hervor und las Wort für Wort ab. „Herbeigesehnt sei der Gott des Feuers“, rief er aus und richtete seine Handflächen gen Boden.

Plötzlich flackerte ein kleines Licht auf.

„Du kannst das wirklich“, brachte Junicorn erstaunt hervor. Ehrfurcht klang in ihrer Stimme mit.

„Ich bin der Hexenmeister“, kam es Kraxius selbstbewusst über die Lippen. Hitze stieg auf, er nahm den rußigen Geruch von Feuer wahr. Es knisterte, Flammen loderten auf. Es hatte geklappt.

„Jetzt atme einmal tief ein und nimm den Geruch intensiv in dich auf“, bat Kraxius. Junicorns Nüstern blähten sich auf, Kraxius murmelte: „Vom Fluche befreit sei das Fabelwesen, das nach Blut dürstete.“

Auf einmal veränderte sich Junicorns Gesichtsausdruck. Das Rot wich aus ihrem Horn und machte Platz für ein strahlendes Gold.

Sie blickte ihn ungläubig an. „Es ist weg“, wunderte sie sich und schüttelte sachte den Kopf. „Das Verlangen ist weg. Du hast es geschafft“, rief sie erleichtert aus, beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf seine schrumpelige Wange. „Jetzt kann ich endlich wieder frei leben“, flötete sie und bewegte sich im Kreis.

Kraxius lachte und freute sich mit seiner langjährigen Freundin. „Nun, wo das erledigt ist, kommen wir zum angenehmen Teil“, sagte er und griff nach der Keule. „Ich hab einen Bärenhunger. Heute gibt es Kaninchen mit Thymian und Rosmarin.“

Julia Nachtigall: Eine Erdbeere beim Speeddating, ein griesgrämiger Wanderschuh, ein Kürbis, der in illegale Machenschaften verstrickt ist und die Flucht plant. Das sind die Charaktere, die man in den Geschichten von Julia Nachtigall findet. Die im Jahr 1982 geborene Autorin lebt mit ihrer Familie in Essen und arbeitet als Sekretärin an der Universität Duisburg-Essen. Ihre Leidenschaft für Bücher hat sie dazu bewogen, selbst Kurzgeschichten zu schreiben.

*

Anna und das nostalgische Karussell

An einem sonnigen, kalten Wintertag machen sich Anna und ihre Eltern auf den Weg zum Winterweihnachtsmarkt im Freilichtmuseum. Die drei freuen sich da schon so lange drauf. Dieser Besuch gehört zur Weihnachtszeit genauso wie Plätzchen backen und Wunschzettel schreiben.

Sie lieben es, diese alten Gebäude zu betrachten, die so liebevoll eingerichtet sind. Über den Türen hängen leuchtende Sterne und an diesem besonderen Wochenende sind da ganz viele Menschen in alten Gewändern. Aus dem einen Haus duftet es nach frischem Holzofenbrot. Im nächsten ist eine Ausstellung mit Kinderbüchern. Zwischendurch werden tolle Stände aufgebaut und es duftet nach Waffeln und gebratenen Pilzen.

Es fühlt sich so an, als hätten die Besucher ihre Hektik vor dem Eingang des Freilichtmuseums abgelegt. Alle wirken entspannt, sind fröhlich und freudig. Vielleicht weil man durch die Gewänder und ursprünglichen Handwerke an Vergangenes erinnert wird. An eine Zeit ohne Termindruck. Als das Leben der Menschen sich mehr nach dem Tagesablauf und den Zeiten der Natur richtete.

Auf dem Weg durch das Freilichtmuseum begegnet Anna und ihren Eltern ein Weihnachtsmann. Er fragt Anna, ob sie denn schon einen Wunschzettel geschrieben habe. Und ob die Engel den schon in einer der letzten Nächte abgeholt hätten. Anna muss nicht lange überlegen. Sie wünscht sich einfach mehr von diesen Familienausflügen. Wo alle zusammen sind, sie den Alltag vergessen und in andere Welten eintauchen. Anna ist es dabei egal, ob sie im Wald ein Picknick machen, gemeinsam Erdbeeren pflücken und daraus Marmelade machen oder einen Ausflug in den Zoo unternehmen. Hauptsache, Mama, Papa und Anna sind für einige Stunden nur für sich. Das sagt sie auch dem Weihnachtsmann.

Der staunt nicht schlecht und nickt einfach nur. Es hat ihm wohl die Sprache verschlagen, dass Anna sich kein Handy, kein neues Fahrrad oder wer weiß was wünscht. Er überreicht Anna, so wie jedem Kind, eine Wundertüte und geht weiter. Anna öffnet die Tüte und findet darin einen Zettel mit der Aufschrift:

Möge dein nächster Wunsch sofort in Erfüllung gehen.

„Ui“, sagt Anna. „Da bin ich aber mal gespannt.“ Sie reden gar nicht weiter darüber und drehen weiter ihre Runde auf diesem weihnachtlichen Markt.

Am Ende des Ausfluges darf Anna immer auf dem nostalgischen Karussell einige Runden drehen. Sie findet das Karussell zwar ein bisschen kitschig mit diesen bunten Figuren, den alten Prinzessinnen und Märchenfiguren … aber irgendwie mag sie es auch sehr.

Heute setzt sie sich auf ein weißes Pferd, welches aber irgendwie eher wie ein Einhorn aussieht. Komisch, das ist ihr bisher noch nie aufgefallen. Es ist wunderschön! Sie setzt sich darauf, die Musik geht los und langsam setzt sich das Karussell in Bewegung. Anna denkt in diesem Moment an den Weihnachtsmann zurück und an den Zettel aus der Wundertüte:

Möge dein nächster Wunsch in Erfüllung gehen.

Anna grinst in sich hinein, weil sie eine ganz verrückte Idee hat. Wie wäre es, wenn sie sich wünschen würde, dass das Einhorn mit ihr losreiten oder losfliegen könnte? Und sie den Weihnachtsmarkt und alle Menschen dort von oben aus der Luft sehen könnten? Das ist doch ein toller Wunsch!

Kaum hatte sie an diesen Wunsch gedacht, lösen sich auch schon die Schrauben und Verankerungen des Karussells vom Einhorn. Anna winkt ihren Eltern aufgeregt zu, aber die scheinen von diesem Zauber gar nichts zu bemerken. Das Einhorn breitet seine Flügel aus, sagt zu Anna, sie solle sich gut an seiner Mähne festhalten, und dann geht es auch schon los. Sie springen und fliegen auch ein bisschen durch all die glücklichen und zufriedenen Menschen. Allerdings nimmt sie niemand wahr. Das macht Anna aber nichts. Es ist einfach soooo toll. Sie träumt nämlich ganz oft vom Fliegen. Und nun wird es wahr!

Die Musik geht langsam zu Ende, das Karussell wird langsamer, bleibt stehen und das Einhorn nimmt seinen Platz wieder auf dem Karussell ein, als sei nichts geschehen. Es zwinkert Anna noch zu, als Papa sie von seinem Rücken herunterhebt.

Anna lächelt und strahlt über dieses Erlebnis. Mama fragt noch nebenbei: „Und, Süße, wie war es? Hat es dir Spaß gemacht?“

Anna zeigt noch einmal grinsend auf das Einhorn und sagt: „Ja, das war einfach ein ganz zauberhafter Ausritt.“

Stefanie Bräunig, Jahrgang 1973, schreibt seit einigen Jahren Kurzgeschichten und Gedichte. Einige davon fallen geradezu vom Himmel oder begegnen ihr in Musik und Natur. Sie veröffentlicht diese auf ihrer eigenen Internetseite (www.herzensgut-do.de ) und in verschiedenen Anthologien. Im Mai 2023 ist ihr erstes Kinderbuch „Juli und der Zauberbaum“ erschienen.

*

Rhiamera, das erste Einhorn

Eine ruhige und klare Nacht lag über dem Land. Am Himmel thronte der hellweiße Mond und um ihn herum erstrahlten die Sterne, junge und alte, wie seit langer Zeit.

Doch in jener Nacht war etwas anders. Eine Magie durchzog das Dunkel der späten Stunde. In jenem Augenblick geschah es. Ein Stern, der so viele Zeiten am Himmel gelebt hatte, fiel mit Feuer hinunter auf die Erde und grub sich glühenden Brennens in den feuchten Boden eines alten Waldes, der Mandalis hieß. Der Stern trug den Namen Rhiamera und war einst der erste Stern, der am großen Himmelszelt seinen Platz eingenommen hatte. Jetzt lag er still zwischen den Wurzeln der alten knorrigen Bäume, die mit ihren rauen Rindenaugen traurig zu dem Stern hinuntersahen.

Tausend Jahre lang hatten die Bäume geschwiegen, sich für nichts interessiert, doch nun schienen sie erwacht. Sie hatten Mitleid mit Rhiamera und so hoben sie trauernd ihre Wurzeln aus der Erde, um aus ihnen schützend ein Dach für den Stern zu bilden. Die Trauer steckte den Bäumen so tief im alten Holz, da weinten sie pechschwarze Tränen, die sich um den Stern legten und ihn behutsam in schwarzen Stein hüllten.

So vergingen einige Tage und Nächte. Rhiameras Körper kühlte unter dem dunklen Stein immer mehr ab und die Bäume hielten weiter Wache. Da kam plötzlich eines Nachts die Magie, die den Wald durchstreifte, in Gestalt eines kleinen, grün schimmernden Jungen, dessen Körper einem Nebel glich. Er sah die trauernden Bäume und ihre Wurzeln. Da schaute er unter sie und erblickte den kalten Stern in seinem steinigen Schutz. Die Magie sah zu den Bäumen empor, die verstanden und ihre Wurzeln zurück in die Erde holten. Dann schritt die Magie auf den Stern zu und legte seine beiden Hände auf dessen kalte Hülle. Plötzlich erstrahlte ein Leuchten, das dem eines Sterns ähnlich war. Danach drehte sich die Magie um und setzte seine ewige Reise fort.

Es vergingen wieder die Tage und die Nächte. Die Bäume sahen unaufhörlich zu dem Stern. Sie stritten und rätselten darüber, was die Magie getan hatte. Nach und nach wurden die Bäume jedoch ungeduldig und begannen wieder, ihre Wurzeln zu erheben, als plötzlich der dunkle Stein um den Stern leuchtende Risse bekam, dann in sich zerfiel und das reinste Licht freisetzte, das es jemals gegeben hatte. Heller als jeder Stern hätte sein können.

Bald darauf wurde das Licht schwächer und schuf eine glühende Kugel, die im selben Grün schimmerte wie die Magie selbst. Dann wurde die Kugel immer kleiner und verschwand schließlich. Doch sie hatte etwas zurückgelassen. An jener Stelle, wo einst der Stern gelegen hatte, stand nun ein pferdeähnliches Wesen. Es hatte blau schimmerndes Fell, auf dem Tausende Schriftzeichen alter Zauberformeln leuchtend funkelten, und schimmerndes Haar an der Mähne und dem Schweif, die dem Mondlicht ähnelten. Seine Hufe waren ähnlich der Rinde der knorrigen Bäume des Waldes und seine Augen erstrahlten im Grün der Magie. Auf seinem Kopf trug es ein gedrehtes Horn, in dem Millionen kleiner Sterne strahlten. So wurde Rhiamera, das erste Einhorn, geboren. Aus der Seele eines Sterns. Seit jener Nacht durchstreift Rhiamera die Wälder dieser Welt und heilt die kranken Pflanzen und schenkt anderen gefallenen Sternen mit ihrer Magie ein zweites Leben als Einhorn, so wie man es ihr einst gleichgetan hatte.

Tim Tensfeld, geboren 1999 in Bad Oldesloe. Er lebt derzeit in Trittau im ländlichen Stormarn und ist ein junger deutscher Schriftsteller und Lyriker. Tensfeld wuchs in Trittau im Kreis Stormarn (Schleswig-Holstein) auf, wo er nach einigen Jahren Aufenthalt in Herzogtum-Lauenburg, wieder wohnt. Seit Oktober 2021 veröffentlicht er regelmäßig Kurzgeschichten und Gedichte in Literaturzeitschriften (u. a. etcetera, ET AL. und Poesiealbum neu), Onlinemagazinen (u. a. #kkl und das internationale Literaturmagazin gleich-anders.de) und verschiedenen Anthologien. In den Jahren 2021/22 wurden seine Erzählungen beim Grusel-Wusel-Geschichtenwettbewerb für die öffentliche Lesung in Leipzig ausgewählt. 2022 wurde er mit dem Preis „Die Feder 2022“ von der Hanns-Seidel-Stiftung e. V. in München ausgezeichnet und war 2023 mit seinem Text „Sanierung bis zum Nichts“ auf der Shortlist des Putlitzer Preises 2023. Mehr unter www.autorenwelt.derson/tim-tensfeld.

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Das allerletzte Einhorn

Radiosprecher: „Hallo und herzlich willkommen zu Lesen-Heute, dem Literaturmagazin um 21 Uhr. Heute bei uns im Interview ist der Erfolgsautor Frank Nölig. Er hat schon einige erfolgreiche Bücher geschrieben. Hallo, Herr Nölig, schön, dass Sie hier sind.“

Frank Nölig: „Hallo, danke für die Einladung.“

Radiosprecher: „Herr Nölig, Ihr erster Roman Das allerletzte Einhorn war ja ein ziemlicher Erfolg. Wie kamen Sie auf die Idee dazu?“

Frank Nölig: „Eigentlich bin ich Förster und Lepidopterologe. Für alle, die diesen Begriff nicht kennen: Ich bin ein Experte für Schmetterlinge. Ich wohne sehr zurückgezogen in einem kleinen Wald, in dem die Landkärtchenart eine hohe Population hatte. Dies ist ein Schmetterling, der zur Familie der Edelfalter gehört. Sein Muster ist meist orange mit schwarzer Maserung.“

Radiosprecher: „Das ist ja sehr interessant. Aber was hat das mit Einhörnern zu tun?“

Frank Nölig: „Dazu wollte ich gerade kommen. Ich entdeckte, dass die Landkärtchenpopulation zurückging, nachdem ein Einhorn gesichtet wurde. Ich suchte einen Spezialisten für Einhornforschung auf, der mir erklärte, dass Einhörner Schmetterlinge fressen, um überhaupt bunte Regenbogen pupsen zu können. Da wurde mir klar, dass das Einhorn wegmusste, um die Landkärtchen zu retten.“

Radiosprecher: „Und was haben Sie dazu unternommen?“

Frank Nölig: Wie in meinem Buch beschrieben, habe ich es zuerst mit Giftködern versucht, aber das Einhorn war gerissen. Da ich zuvor den Film Das letzte Einhorn angefangen hatte zu gucken, konnte es sich bei diesem nur um das allerletzte Einhorn handeln. Ich habe versucht, das Einhorn zu fangen, aber es zeigte sich als sehr unkooperativ, wenn es darum ging, in meine Fallen zu laufen.“

Radiosprecher: „Das Buch hat wahrscheinlich auch so polarisiert, weil es diese Szenen sehr genau ausführt. Wie ging es dann weiter?“

Frank Nölig: Die Landkärtchenpopulation erholte sich leider nicht, wie angenommen. Schließlich fand ich ein weiteres Einhorn, welches in meinem Garten Erdbeeren platt trampelte. Daraufhin schrieb ich meinen Roman Das allerletzte Einhorn 2 – Jetzt aber wirklich.“

Radiosprecher: „Auch ein riesiger Erfolg. Wie erklären Sie sich diesen?“

Frank Nölig: „Ich denke, die Leute wollten wissen, wie ich es schaffte, dem zweiten Einhorn den Garaus zu machen. Dieses hatte von seinem Vorgänger gelernt und war wesentlich schwerer zu erwischen. Aber ich möchte hier natürlich nicht das Ende verraten.“

Radiosprecher: „Aber die Erfolgsstory geht noch weiter ...“

Frank Nölig: Es folgte mein nächstes Werk Das allerletzte Einhorn 3 – Es gab noch eins.“

Radiosprecher: „Aber da gingen die Verkaufszahlen runter. Denken Sie, dass Ihre Reihe langsam an Glaubwürdigkeit verlor?“

Frank Nölig: „Ganz und gar nicht. Ich habe den Verlag gewechselt, der wollte dann aber weniger Kosten in die Vermarktung stecken.“

Radiosprecher: „Dennoch gab es ein weiteres Buch.“

Frank Nölig: „Genau. Das allerletzte Einhorn 4 – Können die Biester nicht mal aussterben? Wie sich herausstellte, sank die Landkärtchenpopulation weiter. Allerdings stieg die Einhornpopulation stetig.“

Radiosprecher: „Woraufhin Sie Ihr fünftes Buch schrieben.“

Frank Nölig: Genau. Das allerletzte Einhorn 5 – So gefährdet war die Art dann doch nicht.“

Radiosprecher: „Diese Einsicht hat die Verkaufszahlen wieder hochgetrieben. Sie landeten mal wieder auf der Spiegel-Bestsellerliste. Wird es einen sechsten Roman geben?“

Frank Nölig: „Ich fürchte nein, ich bin zu beschäftigt damit, Einhörner aus meinem Garten und von den Landkärtchen fernzuhalten.“

Radiosprecher: „Wie schade. Vielen Dank, Frank Nölig. Und vielen Dank an unsere Zuhörer. Seien Sie auch bei der nächsten Folge von Lesen-Heute dem Literaturmagazin um 21 Uhr dabei, wenn Frau Sabine Fröhlich über ihr Sachbuch Rettet die Einhörner berichtet.“

Melanie Schlämann (32), lebt in Göttingen. Hat bereits in mehreren Anthologien veröffentlicht.

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Unser Einhornausritt

Ich striegle sein feines Haar,

die Mähne hübsch gekämmt,

zu langen Zöpfen nunmehr geflochten

die braunen Locken.

Der Sattel bereits aufgelegt,

die Schabracke schimmert

vom Feenemblem.

In Weiß und Pink

mit Regenbogenemblem.

Jetzt nur noch schnell

die Trense angelegt,

bevor man ans Stirnband

ein hübsches Horn drapiert.

In Weiß und Pink

mit Regenbogenspiralen.

So reiten wir dahin

in unseren magischen Wald,

in welchem alte, dicke Weidenbäume stehen,

zwischen denen wir hin und wieder

kleine Feen sehen.

Aber das werden wir uns nur einbilden,

immerhin kann es diese nicht wirklich geben!

So reiten wir dahin,

bis wir erneut bei unserem Reiterhof sind.

Wir steigen ab,

nehmen den Sattel

und nehmen auch die Trense ab,

aber etwas wirkt verändert!

Das Horn,

welches wir so sorgsam drapiert,

steckt nicht mehr am Stirnband,

denn dieses halte ich gerad in der Hand.

Es scheint ganz so,

als hätten wir es verloren,

doch es thront noch immer da oben –

zentriert auf der Blesse

leuchtet es

in Weiß und Pink!

Merkwürdig,

wo wohl die Befestigungen

geblieben sind?

Ich kann sie nämlich nicht mehr sehen.

Und auch das Horn

möchte nicht abgehen.

Plötzlich können wir sie wieder sehen –

die kleinen Feen,

welche wir schon im Wald erspähten!

Sie wehen ihren Feen-Sand

ganz locker von der Hand:

Verpassen unserem Einhorn

ein hübsches Emblem,

auf welchem Flügel zu sehen sind.

Catharina Luisa Ilg,2005 auf die Welt gekommen, geboren und aufgewachsen im Erzgebirge, derzeit Schülerin am sächsischen Gymnasium. Liebt es zu reiten und zu reisen, was ihr beides von ihren Eltern – bei denen sie noch immer wohnt – ermöglicht wird. Arbeitet auf ein baldiges Architektur-Studium hin und schreibt gerne.

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Luminara, die Hüterin der Träume

In einem fernen Land, tief verborgen hinter den Wolkenbergen und durch dichte Wälder, erstreckte sich das geheimnisvolle Königreich Fantasia. Dieses Land war ein Ort, an dem Träume Wirklichkeit wurden und Geschichten lebten. In Fantasia lebten nicht nur Menschen, sondern auch magische Wesen, von denen viele nur in Legenden und Märchen existierten. Einhörner waren eine solche Spezies, majestätische Geschöpfe mit schimmerndem Fell, funkelnden Augen und einem Horn auf der Stirn, das wie pure Magie aussah.

Eines Tages kam ein junger Träumer namens Liam nach Fantasia. Er war ein Waisenkind aus der Menschenwelt und hatte gehört, dass in Fantasia Wünsche wahr wurden. Er sehnte sich nach Abenteuern und einem Ort, an dem er wirklich dazugehörte. Liam streifte durch die grünen Wälder, als er plötzlich ein leises Glitzern im Unterholz bemerkte. Als er näher trat, enthüllte sich vor ihm ein wunderschönes Einhorn, dessen Fell in den Farben des Regenbogens schimmerte.

Das Einhorn lächelte sanft und sprach: „Willkommen, Liam. Ich bin Luminara, die Hüterin der Träume.“

Liam war verzaubert von der Eleganz des Einhorns und erzählte ihm von seinen Wünschen und Sehnsüchten.

Luminara erkannte die Reinheit seines Herzens und sagte: „In Fantasia können Träume wahr werden, aber nur, wenn du bereit bist, für sie zu kämpfen. Die Reise wird nicht einfach sein, aber du wirst wachsen und lernen.“

So begann Liams Abenteuer im Land der Fantasie. Luminara führte ihn durch Wälder mit sprechenden Bäumen, über schimmernde Seen, in denen Wasserwesen schwammen, und durch geheime Höhlen, in denen Feen ihre Lieder sangen. Auf seiner Reise traf er auf mutige Zwerge, weise Drachen und freundliche Zentauren. Mit der Zeit entwickelte Liam seine eigenen Fähigkeiten und Stärken. Er lernte, für das Gute einzustehen und den Menschen und Kreaturen von Fantasia zu helfen. Jedes Abenteuer brachte ihm neue Erkenntnisse und brachte ihn näher zu seinem Ziel. Schließlich fand Liam sich in einer verzauberten Lichtung wieder, umgeben von strahlenden Einhörnern.

Luminara trat vor und sprach: „Liam, du hast bewiesen, dass du ein wahrer Träumer bist. Du hast Freundschaften geschlossen, Ängste überwunden und das Land der Fantasie bereichert.“Mit diesen Worten berührte Luminara Liams Stirn mit ihrem Horn und ein gleißendes Licht umhüllte ihn. Als es verblasste, fand sich Liam plötzlich wieder in seiner eigenen Welt, jedoch hatte er eine magische Verbindung zu Fantasia.

Von diesem Tag an blieb Liam ein wahrer Botschafter zwischen den Welten. Er erzählte den Menschen von Fantasia, von den Einhörnern und den Abenteuern, die er erlebt hatte. Die Menschen lernten, ihre Träume zu schätzen und an die Magie der Fantasie zu glauben.

Und so lebte Liam weiterhin im Land der Träume, einer Verbindung zwischen Realität und Fantasia. Sein Herz war erfüllt von den Geschichten, die er erlebt und weitergegeben hatte, und seine Seele strahlte im Glanz des Einhorns, das ihn für immer begleitete.

Emma Summer Mintken

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Auf magischer Fährte

Komm mit auf die Reise

Ins magische Land

Wo Einhörner leben

Meist unerkannt

Lass dich verzaubern

Von ihrem Glanz

Flügel, die schlagen

Voll Eleganz

Steig auf und fliege

Mit ihnen umher

Geheimnisvoll, magisch

Bis hin zum Meer

Das Abenteuer erwacht

Wenn du davon träumst

Sei gespannt und bereit

Dass du’s nicht versäumst

Zauberhaft anmutig

Gleiten im Wind

Fantastische Wesen

Mit dir geschwind

Sie fliegen zum Himmel

Und wieder hinab

Sie schreiten durch Wälder

Und Wege bergab

Sie zeigen dir Wichtel

Trolle und mehr

Sie führen in Schlösser

Und die Gegend umher

König und Königin

Laden dich ein

In ihrem Schlossgarten

Gast zu sein

Elfen und Feen

Begleiten dich gerne

Einen Teil des Weges

Weit weg in die Ferne

Ein bunter Regenbogen

Am Himmel zu sehen

Wohin willst du

Diese Reise mitgehen?

---ENDE DER LESEPROBE---