Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 14 - Martina Meier - E-Book

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland Band 14 E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Hörst du den Schnee leise fallen?Riechst du die Winterluft?Träumst du von brennenden KerzenUnd feinem Plätzchenduft?Fühlst du die Wärme im Herzen?Hörst du dem Flötenspiel zu? Denkst du an all deine LiebenUnd kommst jetzt endlich zur Ruh?Siehst du die Schneeflocken tanzen?Glitzern im Sonnenschein.Hörst du das Rauschen der Tannen?Du weißt, du bist nicht allein. Dörte MüllerLasst euch einstimmen auf die schönste Zeit des Jahres mit Märchen und Gedichten und Kurzgeschichten, die manchmal sogar zu Tränen rühren. Die Advents- und Weihnachtszeit steht vor der Tür!

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Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland

Erzählungen, Märchen und Gedichte zur Advents- und Weihnachtszeit

Band 14

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Herausgegeben von Martina Meier – cat-creativ.at

in Auftrag von

© 2021 – Papierfresserchens MTM-Verlag

Mühlstraße 10, 88085 Langenargen

papierfresserchen.de

Alle Rechte vorbehalten. Erstauflage 2021

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Herstellung: CATCreativ – cat-creativ.at

Titelbild: © Heike Georgi

ISBN: 978-3-99051-040-7 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-99051-041-4 - E-Book

*

Inhalt

Irren ist menschlich

Blau und Rot oder Grün und Gelb?

Die Suche nach dem Schnee

Der letzte Weihnachtswunsch

Wie eine Maus einem Hamster Weihnachten erklärt

Weihnachten in T-Shire

Der Kleine Bär feiert Weihnachten

Weihnachtsgedanken

Endlich wieder Weihnachten

Ein Selkiefell zu Weihnachten

Heimkehr

Aufregung am Heiligabend

Das kleine Häschen träumt von Weihnachten

Besuch vom Weihnachtsmann

Eine Lichterpyramide fürs Christkind

Wie wird Weihnachten 2021?

Das Pärchen auf dem Regenbogen

In stiller Nacht

Das kleine Rentier Max

Beginn der Nacht

Erwin

Magischer Spielzeugladen

Retter in der Not

Über die Weihnacht

4411 Christkindl

Der erste Schneetag

Schoko-Weihnachtsmann und Osterhase

Die alte Wahrsagerin

Der Weihnachtswunsch

Verzeihst du mir, liebes Christkind?

Mein Weihnachtsstern

Mimi und der Weihnachtsbaum

Nur fliegen ist schöner

Ein Weihnachtswunder

Luan, der kleine Weihnachtself

Raureifparadies

Weihnachten früher

Der Wettstreit

Im Licht

Plötzlich war es Weihnachten

Vergangenes Funkeln

Der Wunschzettel

Angels’ Share

Weihnachten in aller Welt

Der fürchterlich alte Nikolaus

Weihnachtszeit-Momente

Der Helfer des Weihnachtsmannes

Die einsame Tanne

Wenn das Christkind kommt

Das 17. Türchen

Bunte Weihnachten

Hörst du?

Glens erstes Weihnachten

Kater Caspar findet Weihnachten

Der Weihnachtsmann und die verschwundenen Kekse

Das Christkind streikt

Carlas Christstollen

Die lange Nacht der Bescherung

Der sinnierende Weihnachtsengel

Vom Ende und vom neuen Anfang

Adventszeit

Komm über Weihnachten nach Hause!

Der kleine Weihnachtstroll

Störung des Heiligen Abends

Wünsch dich ins Wunder-Weihnachtsland

Gewonnen!

Kleine, weiße Wunder

Der Tannenbacher Weihnachtsmarkt

Weihnachtsfieber

Weihnachten auf dem alten Dachboden

Georg – der Weihnachtself

Der Adventskalender

Zopfsache

Wie wundervoll es durch die Straßen scholl

Zwei kleine Bärenkinder

Der kleine vergessene Schlitten

Winterwunderland

Pepp, der Weihnachtshase

Familienzeit

Flockenfantasie

Einer wird vergessen

Ein Eichhörnchen auf der Suche nach Weihnachten

Ärger im Reich der Feen

Kaspars Weihnachtsabenteuer

Benjamins Herzenswunsch

Keks Fiasko

Weihnachten für Pummi

Fred und Emil

Das Jahr des Weihnachtsmanns

Die drei Freunde

Ein Weihnachtswunder

Marko findet einen Freund

Nik’laus’ Fahrt

Das besondere Geschenk

Mein persönliches Weihnachtswunder

Der lebendige Schneemann

Der Weihnachtstroll

Einmal im Dezember

Zofias und Nelias geheimnisvolle Weihnachten

Schnee für Silvi?

Merkwürdige Plätzchen?

*

Irren ist menschlich

Am Adventskranz brannte bereits die zweite rote Kerze. Doch es hatte noch immer nicht geschneit, stellte Margit fest, als sie morgens aus dem Fenster sah. „Ob wohl Frau Holle heuer keine Lust hat, ihre Betten auszuschütteln?“, fragte sie sich und ging dazu über, den Frühstückstisch zu decken.

Als sie ihre kleine Tochter weckte, war deren erste Frage: „Mama, hat es heute geschneit?“

„Nein, leider noch immer nicht!“, antwortete ihre Mutter. „Doch bis Weihnachten schneit es ganz bestimmt.“

Weihnachten kam immer näher. Langsam zweifelte auch Margit daran, dass sich der Wunsch ihres Kindes erfüllen würde. Die Temperaturen waren geradezu frühlingshaft wie selten um diese Zeit. Kleine Gänseblümchen reckten ihre Köpfchen aus dem Rasen. Einzelne Aurikelchen waren auch zu sehen, was schon sehr ungewöhnlich war.

Im Steingarten war ein Enzian stark am Überlegen, was er tun sollte. Er wusste nicht so recht, wie er dran war. Aufgrund der angenehmen Plusgrade hatte er – gelockt von der Wintersonne – eine Blüte so vorangetrieben, dass diese fast am Platzen war. Jedoch fühlte der Enzian, dass irgendetwas anders war als sonst, wenn er anfing zu blühen. Gerade nachts war es wesentlich kälter, als er es gewohnt war. Er fröstelte dann und kuschelte seine noch fast geschlossene Blüte ganz nah an die Blätter, um diese ein wenig zu wärmen.

Eines Morgens streckte er vorsichtig die Spitze eines seiner blauen Blütenblätter in die Sonne. Was er allerdings sah, war etwas anderes als früher zur Blütezeit: Um ihn herum war die Erde braun. Er sah keine anderen Blumen. Und als er in die Ferne blickte, fehlte den Obstbäumen das Blätterkleid. Sie waren kahl und wirkten bedrohlich auf die kleine Enzianblüte. Auch die Luft fühlte sich trotz des Sonnenscheins recht kühl an.

Es dauerte nicht lange, bis der Enzian registrierte, dass er sich wohl in der Blütezeit geirrt und viel zu früh ans Licht gewagt hatte. Nun war das aber passiert. Er konnte es nicht einfach rückgängig machen und seine tiefblaue Glockenblüte drängte nun ganz ans Tageslicht.

„Hoffentlich habe ich mir da nichts Schlimmes eingebrockt!“, überlegte er. Wie er feststellen musste, surrten überhaupt keine Bienen wie sonst zur Blütezeit im Frühling. Wo waren die bloß jetzt? Auch die Hummeln, die sonst immer um seine Blüte brummten, ließen sich nicht sehen. Wenn etwas brummte, dann war es ein vorbeifahrendes Lastauto, das jetzt auch ein lauteres Fahrgeräusch verursachte als im Frühling, Sommer oder Herbst. Woran das wohl lag? Diese Frage musste der Enzian im Raum stehen lassen, denn von Winter- und Sommerreifen hatte er noch nichts gehört.

Der Enzian versuchte, das Beste daraus zu machen, nachdem er sich nun einmal für das Risiko des Blühens entschieden hatte. Er strahlte mit seinem tiefen Blau in den Tag. Zwischendurch gestand er sich aber ein, dass es ihm keinen Spaß machte, so allein im Garten zu blühen.

Er überlegte: „Irgendeinen Sinn musste es doch haben, dass meine Blüte zur falschen Zeit blühen wollte.“

Als er darüber nachdachte, gingen zwei Menschen auf dem Gehweg vorüber. Er hörte, wie sie vom bevorstehenden Weihnachtsfest sprachen. Sie wollten Geschenke besorgen, um anderen Menschen eine Freude zu bereiten. Die Menschen freuten sich darüber, dass der Gottessohn der Welt geschenkt worden war. Wenn sich die Menschen über das neu geborene Jesuskind so freuten, dann wollte er dem Kind in der Krippe, das in einem armseligen Stall von Bethlehem zur Welt gekommen war, mit seinem Blühen eine Freude bereiten.

So kam es, dass der kleine Enzian sein Blühen zu dieser unwirtlichen, kalten Zeit als Geschenk dem Jesuskind in der Krippe widmete. Er strahlte so schön, wie er konnte, und sein Blühen hatte plötzlich einen Sinn.

Am Nachmittag verzog sich die Sonne frühzeitig hinter den Wolken. Es waren kaum noch Menschen unterwegs, denn es war Heiliger Abend. Die Menschen hatten den Christbaum geschmückt und die Kinder warteten auf die Bescherung. Im Nachbarhaus sah der Enzian, wie die Kerzen am Christbaum entzündet wurden. Ihr Licht schimmerte warm zu ihm herüber. Doch was war jetzt mit seiner Blüte los?

Mit dem Verschwinden der Sonne hatte sie sich schnell geschlossen, um die Wärme in ihrem Blütenkämmerlein für die Nacht zu speichern. Das war aber nicht das, was der Enzian wollte. Er wollte doch für das Jesuskind blühen! Mit seiner ganzen Kraft sträubte er sich dagegen, dass sich seine Blüte schloss. Aber so sehr er sich auch wehrte – die Blüte blieb geschlossen. Der kleine Enzian musste einsehen, dass er nichts daran ändern konnte. Es blieb ihm nur die Möglichkeit, mit den Gegebenheiten zurechtzukommen und zufrieden zu sein.

Seine Blütenblätter kuschelten sich eng aneinander und wärmten sich gegenseitig in dieser kalten Heiligen Nacht. Die Blüte schickte immer wieder wärmende Gedanken zum Jesuskind in der Krippe. Das Jesuskind freute sich darüber und war richtig froh, dass sich die Enzianblüte rechtzeitig geschlossen hatte, was sie vor der argen Kälte schützte. Vielleicht wäre sie sonst sogar erfroren. So aber konnte die Enzianblüte den ersten Weihnachtsfeiertag zur Ehre ihres Schöpfers wieder blühend einläuten.

Als die Mutter morgens aus dem Fenster schaute, fiel ihr erstaunter Blick auf den blühenden Enzian. Sie holte ihr Kind an das Fenster und zeigte ihm die Enzianblüte, die gerade dabei war, sich wieder ganz zu öffnen. Sie sagte, dass sie nun wisse, weshalb es am Heiligen Abend nicht geschneit hatte. Frau Holle hatte sicher die schöne Enzianblüte gesehen und deshalb darauf verzichtet, ihre dicken Wolkenbetten auszuschütteln. Sie wollte vermeiden, dass die Enzianblüte unter den Tausenden und Abertausenden Schneeflöckchen erfriert.

Sieglinde Seilerwurde 1950 in Wolframs-Eschenbach, der Stadt des Minnesängers Wolfram von Eschenbach (Bayern), geboren und ist von Beruf Dipl. Verwaltungswirt (FH). Sie lebt mit ihrem Ehemann heute in Crailsheim (Baden-Württemberg). Seit ihrer Jugend schreibt sie Gedichte. Später kamen Aphorismen, Märchen und Prosatexte hinzu. Ferner fotografiert sie gerne. Gedichte, Geschichten und Märchen wurden in diversen Anthologien veröffentlicht.

*

Blau und Rot oder Grün und Gelb?

Mimi, eine schwarze Katze, und Hasan, ein weißer Hase, wohnten in einem sehr alten Haus. Von den schmutzigen Wänden blätterte seit langer Zeit schon die Anstrichfarbe ab. Da beschlossen die beiden Tiere, während der Adventszeit Wände und Decken zu streichen, denn sie wollten am Heiligen Abend ein frisch gestrichenes Heim haben. Aber welchen Farbton sollten sie wählen? Vielleicht Blau und Rot oder doch lieber Grün und Gelb?

Hasan meinte: „Wir streichen alles weiß, das ist am schönsten.“

Mimi war aber anderer Meinung: „Du meinst wohl, nur weil du ein weißer Hase bist, muss alles weiß sein.“

„Ich könnte mir vorstellen, dass du lieber schwarze Wände und Decken hättest, nur weil du zufällig eine schwarze Katze geworden bist“, entgegnete der Hase.

„Schwarz würde mir tatsächlich besser gefallen als Weiß. Aber um nicht weiter zu streiten, schlage ich vor, wir gehen zu einem Farbengeschäft. Ein Fachmann kann uns dort sicher gut beraten.“ Die Idee war gut und so gingen der Hase und die Katze zu einem Farbengeschäft.

Der Verkäufer hörte sich das Problem der beiden aufmerksam an und sagte: „Grundsätzlich kann jede Farbe genommen werden. Aber der Farbton sollte zu den Tieren, die in den Räumen wohnen, auch passen. Jeder Fuchs oder Dachs streicht seine Wohnung braun. Braun wie die Erde in seinen unterirdischen Gängen. Ein Vogel würde seine Zimmerdecke sicherlich blau streichen. Blau ist auch der Himmel. Die Wände könnten dann grün wie die Wiesen und Wälder sein.“

Das verstanden Mimi und Hasan und die schlaue Katze fragte den Verkäufer: „Und wie wäre es, wenn wir alles in schwarzen und weißen Streifen streichen würden, das passt doch dann zu uns beiden?“

Da musste der Verkäufer herzhaft lachen: „Ihr seid doch keine Zebras! An eurer Stelle würde ich ein Zimmer weiß, das andere schwarz malern. Dann hat Mimi ihr schwarzes, Hasan sein weißes Zimmer. Und wenn ein Tier eine andere Farbe sehen möchte, kann es in das zweite Zimmer gehen und hat die gewünschte Abwechslung. Außerdem passen alle bunten Wohnungseinrichtungen und Spielsachen gut zu diesen Farben. Stellt euch euren geschmückten Weihnachtsbaum mit vielen brennenden Kerzen vor in einem weißen oder schwarzen Raum. Da kommen die Farben herrlich zur Geltung.“

Hasan und Mimi sahen sich begeistert an und sagten: „So machen wir es!“

Der Verkäufer gab den beiden Tieren, was sie zum Malern brauchen würden: je einen Kübel mit weißer und mit schwarzer Farbe. Außerdem eine Malerwalze. Die Farbkübel waren sehr schwer zu tragen und Mimi und Hasan waren erschöpft, als sie zu Hause ankamen.

In den beiden Zimmern, die gestrichen werden sollten, standen Betten, Schränke, Tische, Stühle, Teppiche und viele Spielsachen. Dies alles mussten Mimi und Hasan aus den Zimmern tragen. Zuletzt hängten sie die Vorhänge ab, dann waren beide Räume völlig leer. Durch diese anstrengende Arbeit bekamen beide großen Durst. Mimi trank eine Tasse Milch und Hasan ein Glas Karottensaft. Dann konnte es losgehen. Hasan begann, Mimis Zimmer zu streichen. Er nahm den Deckel des Kübels ab, tauchte die Malerwalze in die pechschwarze Farbe ein und strich zuerst die Decke, dann die vier Wände des Katzenzimmers. Hasan gab sich große Mühe, deshalb dauerte es lange, bis er alles schwarz gestrichen hatte. Als er fertig war, wunderte er sich, warum die Katze laut lachte. Als Hasan daraufhin in den Spiegel blickte, wusste er, warum Mimi sich über ihn lustig machte. Der ganze Hase war jetzt nicht mehr weiß, sondern überall am ganzen Körper voll schwarzer Farbe, die von der Decke auf ihn getropft war. Hasan erschrak sehr, beide Ohren waren geknickt und er weinte jämmerlich und herzerweichend.

Mimi hatte aber schon das Wasser in die Badewanne einlaufen lassen. Hasan sprang in die Wanne, sodass nur noch seine langen Ohren aus dem Wasser ragten. Mimi seifte den Hasen mit einem Duschgel der Weihnachtsedition in den Duftnoten Orange-Zimt und Bratapfel ein und bürstete sein Fell. Die Farbe war aber so tief ins Fell eingedrungen, dass Hasans Fell nicht mehr ganz weiß wurde. Jetzt war er ein grauer Hase.

Nun kam Mimi an die Reihe. Sie musste Hasans Zimmer weiß streichen. Innerlich lachte jetzt Hasan schon schadenfroh und er freute sich, beobachten zu können, wie das schwarze Katzenfell von Mimi durch die weiße Farbe weiß werden würde. Hasan hatte sich allerdings getäuscht. Dazu war die Katze viel zu schlau, den gleichen Fehler wie der Hase zu machen. Hasan traute deshalb seinen Augen kaum, als er sah, wie Mimi die Decke strich: Mimi tauchte die Malerwalze nicht so tief in die Farbe ein, wie Hasan es getan hatte. Dadurch war weniger Farbe auf der Rolle und es tropfte fast gar nicht. Als Mimi mit dem Streichen fertig war, sah Mimi genauso schwarz wie vorher aus.

Hasan war sehr enttäuscht darüber. Zu gerne hätte er das Katzenfell abgebürstet. Er ärgerte sich sehr über seine Ungeschicklichkeit und Dummheit. Von nun an musste Hasan morgens und abends in die Badewanne hüpfen und sich von seinen langen Ohren bis zu den Pfoten waschen. Und genau am Heiligen Abend war sein Fell wieder so schön weiß und flauschig wie früher.

Beide Tiere hatten nun ein neu gestrichenes Heim. Sie fühlten sich darin sehr wohl und sie waren sehr glücklich darüber.

Am 24.12. schmückten Mimi und Hasan gemeinsam den Weihnachtsbaum mit alten Tiermotiven aus Holz. Da baumelten bunte Giraffen, Löwen, Vögel, Elefanten und jede Menge Fantasietiere an den Zweigen der Tanne. Wie der Farbenverkäufer es schon angedeutet hatte – der in allen Farben dieser Welt leuchtende und glitzernde Baum wirkte in dem schwarz gestrichenen Raum sehr schön. Mimi zündete die Kerzen am Weihnachtsbaum an. Im Zimmer roch es nach Orangen und Zimt. Beide Tiere machten es sich nun auf der Couch gemütlich, ihre Augen funkelten vor Freude, sie tranken einen Tierpunsch, aßen Lebkuchen und sangen gemeinsam die schönsten Tier-Weihnachtslieder – Lieder, die die Menschen nicht kennen, die aber alle Tiere in der ganzen Welt an diesem Heiligen Abend singen.

Hermann Bauer:geb. 1951 in München. Grafiker, schreibt Kurzgeschichten, Lyrik, Reisereportagen, Theaterstücke. Auftritte als Kabarettist und Sänger (Bass) in einem Musical. shen-bauer.de.

*

Die Suche nach dem Schnee

Auf dem Weg zu Oma und Opa

Endlich steht der 1. Advent vor der Tür! Das ganze Jahr über habe ich mich mit meinem Zwillingsbruder auf diesen Tag gefreut. Endlich geht es wieder zu Opa Günther und Oma Mona nach Radeberg, um mit ihnen zusammen jeden Advent eine Kerze anzuzünden. Außerdem, meint Mama, dass die Weihnachtszeit die Zeit der Familie ist. Man soll froh sein und es einfach genießen, dass alle zusammen sind. Die Stimmung, die Lichter, Plätzchenduft und die vielen Geschenke – herrlich!

„Ella? Linus?“, tönt es durch das Haus.

„Jaaa?“, rufen wir Mama zu.

„Packt ihr noch die Sachen ein, die ihr unbedingt mit zu Oma und Opa nehmen wollt?“

„Jaaa“, rufen mein Bruder und ich ihr erneut hinterher. „Wir wollten gerade anfangen.“

Wir sind die ganze Weihnachtszeit bei den Großeltern in Radeberg. Es ist unser letztes Weihnachtsfest, bevor wir im nächsten Jahr in die Schule kommen. Im Sommer feiern wir unseren 7. Geburtstag und dann gibt es kurze Zeit später schon die Zuckertüte. Mama und Papa fahren nach dem ersten Advent erst einmal zurück nach Merseburg, sie müssen schließlich arbeiten, aber pünktlich zu Heiligabend sind sie wieder in Radeberg.

„Aber denkt bitte daran, dass ihr nicht euer ganzes Kinderzimmer mitnehmen müsst.“

Nachdem jeder von uns sein Lieblingskuscheltier eingepackt und ich noch meine Kuscheldecke in den Rucksack gestopft habe, wandern die Blicke von mir und Linus zu unseren Adventskalendern. „Ich will sie nicht zu Hause lassen, das ist doch das Beste an Weihnachten, oder nicht?“ Da hat er wirklich recht, so was gibt es nur einmal im Jahr und es ist unfassbar schön, jeden Tag ein Türchen aufzumachen.

„Ich glaube, wir packen sie einfach ein, oder?“, schlage ich vor. Ich nehme unsere Kuscheltiere aus dem Rucksack und lege sie neben uns auf den Boden, um die Adventskalender noch mitnehmen zu können.

„Und was machen wir jetzt mit den Kuscheltieren?“, fragt mich Linus und streichelt seinem Teddy über seinen dicken flauschigen Kopf.

Ich nehme die beiden, setze sie auf unserem Fensterbrett gegenüber und lege dann noch ein Halstuch über sie, damit ihnen nicht kalt werden kann. „Sie bleiben hier und bewachen unser Zimmer.“

„Kommt ihr zwei? Wir sind spät dran. Oma und Opa warten schon.“

Wir rennen zum Auto und schauen, dort angekommen, noch mal zu unseren Kuscheltieren und winken ihnen zu, bis wir sie nicht mehr sehen können.

„Wann sind wir denn da?“

„Wir sind doch gerade erst losgefahren, Linus“, meint Mama und schaut aus dem Fenster.

Linus und ich beschäftigen uns mit ein paar Spielen, die uns Mama mitgenommen hat, bis wir irgendwann beide einschlafen. Als ich langsam wieder aufwache und meine Augen gerade so offen halten kann, sitzt Linus schon wieder aufrecht und wach am Fenster und schaut nach draußen.

Als wir vor dem Haus von Oma und Opa halten, stehen die beiden schon in der weit geöffneten Tür. Wir rennen auf sie zu und umarmen sie. „Wir haben euch so vermisst“, sagen mein Bruder und ich gleichzeitig.

„Kommt rein, es wird sonst noch kalt hier drinnen und die erste Kerze am Adventskranz wartet schon darauf, endlich angezündet zu werden.“

Oma und Opa halten uns an ihren Händen und gehen mit uns in ihr Wohnzimmer. Mama und Papa kommen mit unseren Rucksäcken und Koffern nach, meine Tasche habe ich aber selber umhängen.

Wir sind noch gar nicht richtig im Wohnzimmer angekommen, da springt uns schon der kleine Welpe unserer Großeltern an. Seine Schlappohren wedeln bei seinen hastigen Bewegungen hin und her.

„Setzt euch, ich hab Plätzchen gebacken“, meint Oma.

„PLÄTZCHEN?!“ Linus und ich bekommen uns kaum noch ein vor Freude.

„Annika, Henry …“, ruft Oma unseren Eltern entgegen, als sie gerade die Treppe hochwollen, um unsere Sachen nach oben zu bringen. „Das könnt ihr doch später noch, der Kaffee wird sonst kalt und die Kinder freuen sich schon auf ihre Kekse.“

Mama und Papa stellen die Sachen neben der Treppe ab und kommen anschließend mit ins Wohnzimmer. Opa Günther kommt gerade mit zwei Tassen heißem Kakao ins Wohnzimmer, während Oma gemeinsam mit uns die erste Kerze auf dem Adventskranz anzündet. Das ist jetzt der beste Nachmittag, der hätte passieren können. Jeder nimmt sich ein paar Kekse und trinkt seinen Kakao oder eben seinen Kaffee.

Nach einigen Gesprächen und einer länger anhaltenden Stille verabschieden wir uns von unseren Eltern und sie gehen zum Auto, um sich wieder auf den Weg nach Hause zu machen. Linus und ich gehen mit dem Welpen unserer Großeltern in ihren Garten.

„Wie heißt er denn eigentlich?“, frage ich neugierig.

„Er heißt Micky“, antwortet mir Oma.

Ich finde, der Name ist echt schön und passt auch gut zu ihm. Wir spielen noch ein bisschen mit Micky, bis es plötzlich anfängt, zu regnen. Wir gehen nun auch rein, um uns aufzuwärmen.

„Habt ihr noch Kuscheltiere da, Oma? Wir hatten für unsere keinen Platz mehr“, frage ich etwas betrübt.

Oma schaut mich an und meint: „Das weiß ich nicht. Lass uns in den nächsten Tagen einfach mal auf den Dachboden gehen und ein wenig stöbern. Vielleicht finden wir ja etwas.“

Interessante Entdeckung auf dem Dachboden

In der letzten Woche ist viel passiert. Wir haben Spiele gespielt, sind mit dem Hundewelpen Micky spazieren gegangen und haben ein wenig gemalt. Jetzt ist der 2. Advent, das heißt, dass wir schon eine Woche bei Oma und Opa sind, die Zeit vergeht wie im Flug. Wir waren gerade dabei, ein paar neue Plätzchen zu backen, denn wir haben schon fast alle anderen von Oma aufgegessen. Jetzt verzieren wir sie, Oma hat Schokolade geschmolzen und Linus und ich durften Zuckerguss zusammenrühren. Wir haben auch ein paar Lebensmittelfarben von ihr bekommen, damit die Kekse schön bunt und fröhlich aussehen. Wir glasieren nun alle gemeinsam unsere leckeren Kekse und streuen noch ein paar Streusel darauf. Wir haben lange nicht mehr so leckere Plätzchen gemacht, Opa wird sich sicherlich sehr darüber freuen, wenn er vom Einkaufen zurück ist.

Da wir jetzt aber auch schon fertig sind und die Glasur noch trocknen muss, gehen wir in das Wohnzimmer unserer Großeltern, wo Micky schon aufgeregt auf uns wartet. Wir streicheln den Welpen und gehen mit ihm zu seinem Hundekissen, dort liegen auch seine farbenfrohen Spielsachen. Wir lassen ihn auf seinem Spieltau herumkauen und kuscheln etwas später mit ihm.

Wir sind gerade alle drei zur Ruhe gekommen, da kommt Opa die Tür hereingeplatzt. „Na? Habt ihr eure Plätzchen schon fertig? Ich habe nämlich langsam Hunger.“

Wir stehen auf und gehen zum Tisch.

„Ja“, meine ich.

„Die sind richtig schön geworden“, ergänzt mich Linus.

„Hoffen wir, dass sie auch schmecken“, lacht Opa, der gerade die Streichhölzer holt, während Oma mit unseren Plätzchen wiederkommt. Wir setzen uns alle hin und Opa zündet die ersten beiden Kerzen auf dem Adventskranz an. „Die Kekse sehen echt toll aus. Oma sollte öfter mit euch backen“, staunt Opa.

Wir lassen es uns schmecken und trinken nebenbei eine heiße Schokolade. „Du Oma?“, beginne ich.

„Ja, Ella?“

„Du hast uns ja letzte Woche versprochen, mit Linus ein paar Kuscheltiere zu suchen“, meine ich.

„Oh ja. Das haben wir ja ganz vergessen“, fällt Oma wieder ein.

„Wir können doch gleich alle hochgehen und danach suchen, oder nicht?“, schlägt Opa vor.

Wir stimmen alle zu. Wir machen die Kerzen aus und räumen den Tisch ab, dann begeben wir uns auf den Dachboden. Opa holt die Leiter runter, klettert nach oben, Linus und ich klettern gemeinsam hoch und ganz zum Schluss kommt Oma.

Ich bin noch gar nicht richtig angekommen, da sieht Linus schon einen Karton, der oben etwas flauschig aussieht. „Elli, schau mal die Kiste da!“

Ich erschrecke mich, aber es scheinen sich tatsächlich alte Kuscheltiere darin zu befinden. Wir rennen zu der Kiste und suchen uns jeder ein Tier aus. Linus hat sich einen Teddy genommen und ich mir ein Schaf. Opa kommt langsam zu uns und fragt: „Und? Gefallen sie euch?“

„Ja, sie sind unfassbar niedlich!“, meine ich und umarme ihn, Linus kuschelt sich stolz an seinen Teddy.

Oma kommt zu uns und schaut sich unsere Kuscheltiere an „Die sind ja wirklich süß. Eure Mutter hat sie damals auch echt gerne gehabt.“

„Habt ihr noch Fotos von ihr mit den beiden?“, fragt Linus neugierig.

„Ja, unten im Fotoalbum. Wir können es uns ja gleich mal anschauen.“ Wir nicken und gehen ihr hinterher, da sie schon auf dem Weg nach unten ist. Linus und ich albern etwas mit unseren Kuscheltieren rum, er schubst mich aus Versehen etwas zu sehr und ich stolpere über eine Kiste – sie fällt um und die Fotos, die in ihr drin sind, ebenfalls. Oma, Opa und Linus schauen mich erschrocken an. Ich setze mich wieder hin und schaue mir das Foto an, welches direkt neben meiner Hand liegt. Auf dem Bild ist Mama mit einem Schneemann drauf. Außerdem liegt sehr viel Schnee im Garten. So was hatten wir schon lange nicht mehr.

„Warum schneit es eigentlich nicht mehr so viel?“, frage ich neugierig. Die drei sehen mich an, kommen nach einer kurzen Stille zu mir und schauen sich das Foto an.

Eine abenteuerliche Wanderung

Wieder ist eine Woche vergangen – wir haben den 3. Advent! Das heißt, dass wir bald Weihnachten feiern dürfen! Da ich mir letzte Woche eine Verletzung am Fuß geholt habe, konnten wir nicht viel draußen machen.

Aber das wollen wir jetzt nachholen! Schließlich wollen wir wissen, woher der Schnee kommt. Linus hatte nämlich die Idee, dass wir ihn doch einfach draußen suchen könnten.

„Ich will nicht noch ein Weihnachten ohne Schnee!“, rufe ich freudig, während ich die Treppe herunterrenne.

„Ich auch nicht! Und dieses Jahr bekommen wir den Schnee, weil wir ihn zurückholen!“, ruft mir Linus entgegen, der dicht hinter mir die Treppe heruntereilt.

Nun werden auch Oma und Opa, die schon das Frühstück in der Küche vorbereiten, auf uns aufmerksam. Wir sind, zugegeben, ja auch nicht wirklich leise. „Was seid ihr denn so laut?“, fragt uns Oma.

„Ich glaube, sie wollen einfach wieder an die frische Luft“, entgegnet ihr Opa.

Nun sitzen wir alle gemeinsam am Tisch und frühstücken, bevor wir unseren Ausflug beginnen. „Wir haben sogar Taschenlampen mit“, meine ich freudig.

„Ja, falls wir mal in eine Höhle gehen oder so was“, ergänzt Linus.

„Vielleicht dafür, falls wir nicht mehr nach Hause kommen, bevor es dunkel wird“, lacht Oma „Höhlen gibt es bei uns doch nicht.“

Okay, dann haben wir vielleicht mehr Abenteuer erwartet, als wir wirklich bekommen werden, was schade ist, sehr schade, aber das wird trotzdem toll.

Da wir nun endlich fertig mit dem Essen sind, räumen wir alle zusammen den Tisch ab. „Ihr könnt auch schon einmal zu Micky gehen. Oma und ich räumen den Rest noch schnell weg und machen hier sauber.“

Ja! Wir wollten die ganze Zeit zu Micky, um ihm von unserem Plan zu erzählen. „Mickyyyy!!“, begrüßen wir beide freudig den Welpen. Er rennt zu uns und springt uns an, um uns ebenfalls zu begrüßen.

Oma holt die Hundeleine und das Halsband, welches sie Micky anlegt und ihn anschließend anleint. Wir ziehen unsere Sachen an und begeben uns vor die Haustür.

„Wo gehen wir denn hin?“, frage ich unsere Großeltern, da wir in eine ganz andere Richtung gehen als sonst, wenn wir mit Micky rausgehen. Außerdem sieht es nicht so aus, als würden wir in einen Wald laufen.

„Wir sind gleich am Schloss Klippenstein und wollen weiter ins Hüttertal laufen“, antwortet mir Oma.

„Oh, cool“, meint Linus. „Das wird ein richtiges Abenteuer und vielleicht finden wir den Schnee.“

Während wir also gemütlich durch die Stadt in Richtung Schloss laufen, überlegen Linus und ich, wo wir überall nach dem Schnee suchen können. Ich glaube, Oma und Opa nehmen die Sache gar nicht so ernst, sie schauen sich die ganze Zeit die schönen Lichter und den Weihnachtsschmuck an den Häusern an. Am Schloss vorbei geht es an der Röder entlang zur Schlossmühle und weiter ins Hüttertal. Was es hier alles zu entdecken gibt!

„Schau mal“, rufe ich Linus zu. Wir blicken gemeinsam in einen verdächtig aussehenden Baumstumpf, der mit seiner knorrigen Rinde und dem grünen, weichen Moos mehr als verzaubert aussieht.

„Iihhh“, meckert Linus. „Da ist ja nur Krabbelgetier drin!“

Oma und Opa amüsieren sich köstlich über unseren kindlichen Entdeckerdrang. „Nun bleibt doch nicht an jedem Grashalm stehen“, meint Opa. „Dann kommen wir doch gar nicht voran.“

Als wir um die nächste Ecke biegen, können wir bereits die geschichtsträchtige Hüttermühle erkennen. Wir rennen los, vorbei an einem Denkmal mit einer geschnitzten Holzbank. Hier macht Linus eine Vollbremsung und bleibt abrupt stehen. „Wow! Der ist ja toll“, freut er sich. „Der Kopf an der Bank ist ja ein Bär.“

„Na, das war klar“, rolle ich mit den Augen. Linus und seine Teddys. Wir lachen alle und erkunden gemeinsam das Gelände rund um die Hüttermühle. Opa, der immer sehr gern erklärt und preisgibt, was er so alles weiß, erzählt eine Menge Geschichten rund um die Mühle, den Mühlteich und die Brücke.

„Warum stehen denn da zwei Brücken?“, will Linus wissen.

„Tja, mein Junge“, schmunzelt Opa. „Das ist eine wirklich skurrile Geschichte.“

Und während Opa über den Bau der neuen und der alten Brücke erzählt, ständig der Begriff Soda-Brücke fällt und ich mir dieses Bauwerk aus Stein so anschaue, werde ich stutzig. Erst denke ich, es handelt sich um so eine optische Täuschung, doch dann ziehe ich Oma am Ärmel. „Sag mal, Oma, siehst du auch dieses kleine Leuchten an der Brücke?“

Im gleichen Moment rückt Opa seine Brille gerade. „Ich glaub, mich tritt ein Pferd“, sagt er verwirrt. „Sagt mal, wieso liegt denn an der Hüttermühle Schnee?“

Ein unverhofftes Ende

Nachdem auch wir den Schnee an der Hüttermühle gleich hinter der alten, wieder aufgebauten Brücke sehen, trauen wir unseren Augen nicht. „Schnee!“, ruft Linus aufgeregt und will gerade losrennen, um den weißen Teppich zu erkunden, da blieb er erneut abrupt stehen. „Elli, Oma, Opa ... wieso leuchtet denn die Soda-Brücke?“

„Du siehst es also auch“, flüstere ich. Ganz vorsichtig nähern wir uns dieser unwirklichen Erscheinung. Immer wieder blitzt der Lichtschein auf, als würde er uns rufen. Es ist ganz still im Tal, nur die Vögel zwitschern. Kein Wind weht, keine anderen Spaziergänger sind zu sehen. Die Situation ist fast schon gespenstisch und es dämmert bereits am Himmel. Das Leuchten wird immer stärker, je näher wir der Brücke kommen.

„Linus, bleib stehen, sonst liegst du gleich in der Röder“, warnt Oma besorgt. Opa klettert vorsichtig an den rutschigen Steinen entlang und kommt direkt vor dem Brückenteil zum Stehen, aus dem das Leuchten kommt.

„Hier ist irgendetwas im Inneren der Brücke“, berichtet er und fängt an, vorsichtig mit den Fingern zwischen den Steinen zu pickern.

„Helft mir!“, ruft ein zartes Stimmchen.

„Was war das?“, fragen Linus und ich gleichzeitig. Micky fängt ganz aufgeregt an, zu bellen, und Oma muss ihn zurückhalten, damit er nicht auch noch am Ufer hinunterschlittert.

„Bitte holt mich hier raus!“, ruft es erneut.

„Das glaube ich jetzt nicht“, hören wir von Opa, „ich denke, hier ist ein Engel drin.“

„So ein Quatsch“, meint Oma. „Dir sind wohl die vielen Weihnachtsplätzchen zu Kopfe gestiegen!“

„Nein, wirklich, schaut doch selbst!“, sagt Opa verärgert.

In diesem Moment bricht ein Stein aus der Brücke und – tatsächlich – ein kleiner Engel mit schneeweißem Kleidchen, goldenen Haaren, zarter rosafarbener Haut und einem strahlenden Heiligenschein auf dem Kopf quetscht sich durch die Öffnung. „Vielen Dank!“, hustet der Engel uns entgegen und Opa hilft ihm, die glitschigen Steine empor auf sicheren Boden zu kommen.

Dann stehen wir alle beisammen und wieder ist alles still. Der kleine Engel blickt an sich herab. Etwas schmutzig sieht er bei näherer Betrachtung schon aus. Das glatte Haar ist strähnig und die zwei niedlichen Flügelchen müssen noch gerichtet werden.

„Wer bist du?“, findet Linus als Erster seine Sprache wieder.

„Ihr Lieben, ich bin euch zu großem Dank verpflichtet“, beginnt der Engel zu erzählen. „Ich bin Flöckchen, der Schnee-Engel. Mit meiner Hilfe kann es auf der Welt schneien. Doch vor ein paar Jahren haben mich Bauarbeiter versehentlich in diese Brücke gesperrt als diese ab- und wieder neu aufgebaut wurde. Ich war einfach zu neugierig.“

„Zu neugierig?“, fragt Oma. „Was hast du denn in der Brücke gesucht?“

Der Engel erzählt weiter: „Ich wollte während der Arbeiten nur kurz in die Brücke schauen, flog hinein, als keiner schaute, und plötzlich wurde es dunkel. Ein Arbeiter hat wohl den letzten Stein eingemauert und von jetzt auf gleich war der Ausgang versperrt.“

„Oh nein, wie furchtbar“, sage ich mitfühlend. „Und seitdem bist du hier eingesperrt gewesen?“

„Genau“, erklärt Flöckchen. „Deshalb hat es auch gar nicht oder nur ganz wenig geschneit. Aus der Brücke heraus funktioniert mein Schneezauber sehr schlecht.“

„Ach herrje, das erklärt natürlich einiges“, setzt Opa ein. „Aber jetzt sollten wir langsam nach Hause gehen, es wird schon dunkel!“

„Möchtest du mitkommen, bei uns gibt es heißen Kakao und leckere Plätzchen?“, fragt Linus Flöckchen.

„Vielen Dank für die Einladung, doch ich muss mich nun erst einmal um ordentlich Schnee kümmern. Wie ich sehe, hat die Natur den Schutz vor der Kälte dringend nötig. Sorgt euch nicht um mich, wenn ich meine Arbeit beendet habe, fliege ich zurück zu meiner flauschigen Wolke, nach der ich wirklich sehr große Sehnsucht habe.“ Mit diesen Worten steigt der Schnee-Engel Flöckchen zwischen den kahlen Bäumen über der Hüttermühle auf, winkt uns allen und verschwindet wie eine kleine Sternschnuppe in den Abendhimmel.

„Seht nur, es fängt an zu schneien!“, sagt Linus erfreut.

„Ja, nun aber schnell heim in die warme Stube“, treibt Opa an. Und wir machen uns auf den Heimweg.

Am vierten Advent kommen unsere Eltern wieder nach Radeberg, damit wir gemeinsam ein wunderbares Weihnachtsfest feiern können. Sie hatten tatsächlich Probleme, von Merseburg zum Haus von Oma und Opa zu kommen, immerhin war seit der Befreiung von Flöckchen eine Menge Schnee gefallen.

Wir sind fast jeden Tag gerodelt und haben mit Oma und Opa einen Schneemann gebaut. Natürlich haben wir auf der großen Wiese im Garten noch ein paar Schnee-Engel gemacht und jeder von ihnen hieß Flöckchen. Bei einer heißen Tasse Kakao oder Kaffee und leckeren Weihnachtsleckereien erzählen wir nun unseren Eltern aufgeregt die Geschichte von der Suche nach dem Schnee.

Als diese sich schmunzelnd anschauen und grinsen, sagen Oma und Opa fast gleichzeitig: „Ihr braucht gar nicht lachen, die Geschichte ist wirklich wahr.“

Und Oma ergänzt: „Oder was denkt ihr, woher der ganze Schnee da draußen kommt?“

Wir verbringen wundervolle Weihnachtstage in der Familie und werden uns an diese Adventszeit und den Schnee-Engel wohl immer erinnern.

Hannah Wilhelm & Katja Fissel: Praktikantin und Redakteurin „die Radeberger“ Heimatzeitung Verlags-GmbH.

*

Der letzte Weihnachtswunsch

Es war wieder so weit, Weihnachten stand vor der Tür. Sabrina freute sich schon, in die Menschenwelt zu dürfen, um die Wünsche der Menschenkinder zu finden. Aber als ein Elf auf sie zueilte, wusste sie, dass es vermutlich wieder mal einen Spezialauftrag für sie gab. „Was ist denn los?“, fragte sie den kleinen Mann in Grün mit einer viel zu engen Zipfelmütze.

Schnell atmend versuchte dieser, Luft zu bekommen, um das Anliegen ihr kundzutun. Immer wieder versuchte er, ein Wort herauszubringen, stattdessen schob er ihr schließlich einen Zettel hin.

Liebe Sabrina,

ich brauche deine einfühlsamen Fähigkeiten bei einem ganz speziellen Kind. Keine andere Weihnachtselfe würde ich damit lieber beauftragen als an dich. Bitte reise menschlich zu der Adresse. Der Weihnachtsmann.

Sie drehte das Blatt hin und her. „Welche Adresse?“

Der Elf zuckte mit den Schultern und nahm ihr den Zettel ab. Auch er drehte ihn gefühlt hundertmal. „Ich denke, dass du deinen Weg auch so finden wirst.“

Sie hasste das. Sicherlich hatte ihr letzter Auftrag sie zu Nils gebracht, der jetzt an seinem achtzehnten auch eine Weihnachtselfe werden würde. Aber ansonsten kannte sie doch keinen mehr wirklich in der Welt der Menschen. „Wo soll ich anfangen zu suchen?“

Wieder hob der Elf zuckend seine Schultern.

Als sie schließlich in ihrem Zimmer war und ihre Menschenkleidung herausholte, kam ihre Schwester herein. „Was machst du da? Verlässt du uns?“

„Ich habe wieder einen Spezialauftrag“, seufzte Sabrina.

„Du machst deine Aufgaben mehr als zufriedenstellend für den Weihnachtsmann.“

„Dieser Auftrag ist aber frustrierend, ich habe nicht mal eine Adresse und ich muss als Mensch auf die Erde, ich werde wieder entsetzlich frieren.“

„Dann hat der Auftrag etwas mit deiner Vergangenheit zu tun.“

Sabrinas Blick ging zu ihrer Elfenschwester. „Wie meinst du das?“

„Handbuchregel neun, glaube ich. Wer dich in der Vergangenheit kannte, wird dich in deiner Elfenform weder hören noch sehen können.“

Zumindest hatte Sabrina jetzt einen ersten Anhaltspunkt.

Wenig später stapfte sie durch die Kälte der glitzernden Flockenpracht. Ihre Hände gingen immer wieder fröstelnd über ihre Arme. Sie fragte sich, wie sie diese Eiseskälte nur ausgehalten hatte, als sie noch ein Mensch war, denn jetzt war für die das alles kaum noch auszuhalten. Dabei hatte sie schon ein Shirt, einen Pullover, eine Fließjacke und eine dicke Daunenjacke an.

Ihr Weg führte sie vor das Haus, in dem sie aufgewachsen war. Hier war alles noch so, wie sie es verlassen hatte. Fast kam es ihr vor, als wenn nicht vier Jahre vergangen wäre, sondern gerade mal ein Tag. Sie wusste zwar immer noch nicht, was sie hier erwartete und wem sie helfen sollte, aber nur herumstehen, das brachte auch nichts. Sie klingelte. Hier wohnten ihre Eltern. Bis auf ein paar Briefe hatten sie aber seit Jahren keinen Kontakt gehabt. „Eigentlich traurig“, dachte sie.

„Sabrina?“, fragte eine gebrechliche Frau, die ihr die Tür öffnete.

Sie nickte, konnte das Gesicht aber nicht zuordnen. „Hallo“, gab sie von sich. „Ich wollte meine Eltern besuchen.“

„Das ist schön, dass du uns besuchen kommst.“ Die Frau umarmte Sabrina. „Komm doch rein.“

Sabrina nickte und betrat das Haus. Sofort hüllte sie der Duft von Zimtschnecken ein und sie erinnerte sich, wie ihre Mama, diese immer für sie und ihre Geschwister gemacht hatte. „Wo sind den alle?“, fragte Sabrina.

Die alte Frau lief in die Küche. Im Inneren des Hauses sah es ganz anders aus als früher. Es war heruntergekommen, als wenn ihre Eltern keine Zeit gehabt hätten, sich darum zu kümmern. Früher war ihre Mutter stets bemüht gewesen, das Haus sauber und ordentlich zu halten. Sie wunderte sich dann doch, alles hier so verwahrlost vorzufinden.

„Dein Vater, ist noch arbeiten und, na ja, deine Mutter ...“ Die alte Frau brach ab und sah nach oben.

„Was ist mit ihr?“

„Ein Unfall vor ein paar Jahren, sie wollte nicht, dass du es erfährst.“

„Ich ...“ Sabrina wusste nicht, was sie sagen sollte.

„Sie freut sich bestimmt, dich zu sehen.“ Sabrina nickte und ging die knarzigen Stufen nach oben. Schon in der Mitte hörte sie das Piepsen eines Monitors. Langsam öffnete sie die Tür. In dem Bett lag eine blasse Frau, die fast nicht mehr als ihre Mutter zu erkennen war. Vorsichtig setzt sich Sabrina hin. „Mama?“

„Ich hätte nicht gedacht, dich wiederzusehen, mein kleines Elfchen.“

Sabrina fing bei dem Spitznamen, den sie schon als kleines Kind bekommen hatte, zu weinen. „Du hättest es mir sagen sollen.“ Sie nahm die Hand ihrer Mutter, kalt und feucht, lag sie in ihrer.

Kaum merklich schüttelt diese den Kopf. „Du hast deine Aufgaben und ich die meine.“

„Ach, Mama“, seufzte Sabrina. Tief im Inneren wusste sie nun, warum sie hier war. Es war der letzte Weihnachtswunsch ihrer Mutter. Dass der Weihnachtsmann ihr diesen Wunsch erfüllte, zeigte Sabrina, wie wichtig ihre Mutter ihm war.

Luna Day wurde 1982 in Wertingen geboren und wuchs in Augsburg auf, wo sie immer noch mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern lebt. Ihre Liebe zum Schreiben entdeckte sie durch Harry Potter und Roll-Play-Games. Sie tippt Kindergeschichten, aber auch Fantasy- und Liebesgeschichten. lunadayautorin.com.

*

Wie eine Maus einem Hamster Weihnachten erklärt

Hamsterdam, der Hamster, saß im Käfig und hatte schlechte Laune. Denn bei dem Namen konnte man ja nur schlechte Laune haben. Außerdem war es kalt im Zimmer, denn die Mäuse hatten sich ein Loch durch die Wand gefressen. Am meisten regte Hamsterdam jedoch auf, dass ihn die Mäuse immer volllabern wollten. Während er sich so über die Mäuse ärgerte, kam eine Mäusedame vorbei, die zwar recht hübsch war, aber da er sie noch nicht kannte, brachte er ihr erst mal Misstrauen entgegen.

„Ey du!“, rief die Maus. Hamsterdam verdrehte die Augen, aber das störte die Maus nicht. „Ey du?“, fragte sie erneut. „Warum sitzt du denn da im Käfig?“

„Geht dich doch nichts an“, fand der Hamster.

„Okay, wie heißt denn du?“, fragte die Maus unbekümmert.

„Hamsterdam“, sagte er störrisch.

Die Maus kicherte. Hamsterdam drehte sich genervt weg. „Ey du, du brauchst ja nicht beleidigt zu sein“, sagte die Maus.

„Mich nervt Small Talk“, gab er zu.

Die Maus schnappte entrüstet nach Luft und sagte: „Wenn ich Small Talk machen würde, hätte ich gefragt, ob du schon Weihnachtsgeschenke besorgt hast.“

„Was ist Weihnachten?“, wollte der Hamster wissen.

„Weihnachten ... Weihnachten ist wie ... oje wie beschreibe ich Weihnachten?“, fragte sich die Maus. „Ey, Leute ... Leute, kommt mal her“, rief sie ins Mauseloch. „Wie beschreibt man Weihnachten?“, fragte sie, als eine Horde Mäuse auf ihr Rufen hin ins Zimmer gestürmt kam. Und so kam es, dass die gesamte Mäusekolonie im Zimmer von Hamsterdams Besitzer hockte und darüber diskutierte, wie man dem Hamster Weihnachten erklären könne.

Zaghaft meldete sich eine Maus. „Ich hab da mal was von einer befreundeten Katze gehört. Eine Weihnachtsgeschichte. Vielleicht hilft das weiter.“

Es wurde abgestimmt, ob man die Weihnachtsgeschichte als Erklärung nehmen könne, zumal sie von einer Katze stammte. Man wurde sich, weil man keine bessere Erklärung hatte, darüber einig, dass man sich die Geschichte erst anhören müsse, um es dann beurteilen zu können. Also fing die Maus zu erzählen an:

„Meine Freundin Judie hatte es immer warm am Kamin und genug zu essen. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum wir Freunde sind. Sie wusste aber auch, dass es nicht alle so gut hatten. Der streunende Hund zum Beispiel, der draußen herumlief. Dieser wünschte sich nichts mehr als ein Herrchen oder Frauchen, das ihn lieb hatte. Und als der Winter kam, musste er immer in der Kälte frieren. Judie ist eine ungewöhnlich gesellige Katze, die mit jedem sofort klarkommt, also hat sie sich, wenn sie draußen war, mit dem armen Hund angefreundet. Sie gab ihm von ihrem Futter ab. Allerdings nur so viel, dass ihr Herrchen es nicht mitbekam, denn der verjagte den Streuner regelmäßig, da man keine Straßenhunde in der Gegend haben wollte. In seiner Not fragte der Hund Judie, was er denn tun könne, um ein Zuhause zu finden. Doch sie hatte zunächst keine Idee. Als es allerdings kälter wurde, fiel ihr etwas ein.

„Die letzten Jahre habe ich die Menschen beobachtet, erzählte sie. „Der Junge von Herrchen und Frauchen hat sich um diese Zeit immer hingesetzt und alles, was es sich gewünscht hat, in einen Brief geschrieben. Man munkelt, dass dieser Brief an einen dicken alten Mann gehen sollte, der Wünsche erfüllt.“

„Aber ich kann nicht schreiben?“, meinte der Streuner.

„Das ist kein Problem, der alte Mann kennt von jedem die Wünsche“, erklärte die Katze.

„Warum hat der Junge seine Wünsche dann in einen Brief geschrieben?“, fragte der Hund.

„Das weiß ich jetzt allerdings auch nicht“, gab Judie zu.

Also wünschte sich der Hund ganz fest ein neues Zuhause.

Am Weihnachtsabend jedoch gab es am Nordpol ein Problem. Rudolph, das Rentier, hatte Schnupfen. An sich keinen schlimmen, aber er hatte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von seinem Arzt bekommen und der Weihnachtsmann konnte das Rentier nicht zum Schlittenziehen zwingen, da er sich erst letztes Jahr mit der Gewerkschaft angelegt hatte.

Also musste Ersatz her. Es wurde hin und her überlegt. Frau Weihnachtsmann hatte schließlich eine Idee, man könne sich ja vom Nachbarn ein Pferd ausleihen. Problem war nur, dass am Nordpol die Nachbarschaft einige Kilometer weit auseinanderlag. Der Weihnachtsmann musste also zu Fuß durch den Schnee stapfen um, um das Pferd zu holen. Allmählich wurde die Zeit knapp. Es ärgerte ihn sowieso, ein Pferd nehmen zu müssen, denn das war einfach nicht weihnachtlich genug. Als er sich endlich das Pferd geborgt hatte und es an seinen Schlitten spannte, hatte der Heiligabend bereits begonnen. So kam es, dass der Weihnachtsmann, dieses Jahr etwas spät dran war. Nun saß Judie vorm Kamin und spürte, wie die Spannung bei den Menschen stieg. Ihr Herrchen betrat das Wohnzimmer. Er hatte komische rote Klamotten an und einen weißen falschen Bart über seinem echten. „Hohoho“, rief er.

Der Menschenjunge ließ sich davon vielleicht täuschen. Judie aber nicht. Herrchen tat so, als würde er der dicke alte Mann sein. Judie verließ also ihren Platz am Kamin und kratze an der Tür. Man ließ sie raus, auch wenn man ihr Verhalten ungewöhnlich fand. Die Katze schlenderte die Straße entlang, um ihren Freund, den Streuner, zu suchen. Sie fand ihn schließlich auf dem Marktplatz, wo er erwartungsvoll in den Himmel starrte.

„Es tut mir so leid“, jammerte Judie. „Den Weihnachtsmann gibt es nicht. Herrchen hat sich nur als dicker Mann verkleidet. Warum auch immer man das tun muss, um sich was zu schenken.“

Der Hund guckte enttäuscht. „Was mache ich den jetzt?“

Judie tat es unendlich leid, aber sie wusste auch nicht weiter. Doch dann quietschte und wieherte es hinter ihnen. Ein Schlitten kam zum Stehen. „Hallo“, rief der echte Weihnachtsmann. Er kramte eine Liste hervor. „Hier steht: Straßenhund ohne Namen wünscht sich ein Zuhause“, las er vor.

„Das bin ich“, sagte der Streuner schwanzwedelnd.

„Na, so ein Zufall. Meine Frau wünscht sich einen Hund. Ich glaube, da kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Spring auf.“ Der Hund sprang neben den Weihnachtsmann auf den Sitz des weich gepolsterten Schlittens. „Weißt du“, sagte der alte Mann. „Die Fahrt ist einsam. Pferde sind nicht sehr gesprächig. Was hältst du eigentlich von Gewerkschaften?“ Und so fuhren sie davon.

Der Hund hieß inzwischen Wuffel und war sehr glücklich bei Familie Weihnachtsmann. Das wusste Judie, weil Wuffel sie über Zugvögel immer auf den neusten Stand brachte. Wenn die Zugvögel dann zurückflogen, hatten sie auch immer eine liebe Botschaft von Judie an den ehemaligen Straßenhund.“

Die Maus verstummte.

„Also das ist Weihnachten?“, überlegte Hamsterdam. „Ein dicker alter Mann erfüllt Wünsche und dann macht die Gewerkschaft es ihm schwer?“

„Nein, es geht dabei um Freundschaft, Zusammenhalt und Familie“, meinte die Maus.

„Ich kotz’ gleich“, meinte Hamsterdam, der für so was nicht viel Sinn hatte.

„Wieso, was würdest du dir wünschen?“, fragte die Maus.

„Meine Freiheit“, seufzte er.

„Sag das doch gleich. Dafür braucht kein dicker alter Mann kommen“, rief eine andere Maus. Mit vereinten Kräften stemmte man den Käfig auf.

Hamsterdam schloss sich der Mäusekolonie an. Er redete zwar weniger als seine Mitstreiter, aber das war für alle okay. Außerdem hatte er sich einen besseren Namen gegeben. Er hieß jetzt Mister H.. Und strebte eine Rapperkarriere an, denn mit so einem Namen konnte man ja nur Rapper werden.

Melanie Schlämann lebt in Göttingen.

*

Weihnachten in T-Shire

Über Tlochglosterwinterlingshire, kurz T-Shire genannt, weil es ja sonst kaum jemand aussprechen könnte, liegt eine wunderstille Winternacht. Die Sterne glitzern von einem samtigen Himmel und ein fahles Mondlicht scheint auf die kleinen Häuschen, die von puderzuckrigem Neuschnee überzogen sind. Still ist es in T-Shire, es ist ja noch mitten in der Nacht. Die Stille hat etwas Festliches, als hätte sie ihr schönstes Kleid übergestreift, in Rot und Grün, passend zu den Efeukränzen an den Haustüren und den roten Bändern, mit denen sie geschmückt sind.

Alles liegt in völligem Dunkel, nur in einem Landhaus blinzelt verstohlen ein Licht durchs Fenster. Mr. Swoof ist längst aufgestanden, hat sich im kalten Bad gewaschen, den störrischen Bart gekämmt, sich die dicken Socken angezogen, die Schneehose und die Fellstiefel und die alte Karojacke mit dem Innenfutter aus Wolle, damit ihn nicht friert bei seiner Arbeit. Vermummt macht er sich auf den Weg zum Schuppen, zündet die rostige Lampe an, greift sich den Schneeschieber und fängt an, zu schippen, was das Zeug hält. Er macht einen Höllenlärm dabei und in den Nachbarhäusern ist das Schrraaap, Schraaaappp des metallenen Schneeschiebers auf dem Kopfsteinpflaster zu hören.

Nun könnte man meinen, dass sich die Nachbarn gestört fühlen würden in ihrem Schlaf, aber nein. Das schabende Geräusch löst wohlige Vorfreude auf den Festtag aus. Der alte Jack, der neben Mr. Swoof in einem kleinen zugigen Steinhaus wohnt, dreht sich genüsslich im Bett um und denkt nur: „Gleich ist es so weit!“, bevor er mit einem lauten Schnarcher wieder in einen kinderseligen Schlaf fällt.

Gegenüber von Mr. Swoofs Haus herrscht geschäftiges Treiben. Geweckt von den Geräuschen des Schneeschiebers hat Mrs. Beales sich aus dem Bett geschwungen und steht nun gähnend vor ihrem Herd. Im Halbschlaf setzt sie den Kessel auf, holt den besten Earl Grey aus der verzierten Teedose, gießt das kochende Wasser darauf und schlürft den ersten Schluck, kaum dass er ein wenig abgekühlt ist.

Sie tauscht ihren Morgenrock gegen das schicke schwarze Kleid, hastet ins Schlafzimmer und packt ein, was sie für diesen festlichen Tag braucht. Ein Blick aus dem Fenster zeigt ihr, dass Mr. Swoof zwei riesige rote Laternen, die fast so groß sind wie er selbst, vor seine Eingangstür wuchtet und sie weiß, dass es an der Zeit ist, aufzubrechen. Zuvorkommend hat Mr. Swoof für sie den Weg bis zum Hintereingang seines Hauses freigeschippt und sie eilt in die warme Küche. Dort streift sie die Kittelschürze über und wuchtet riesige Bleche auf die Holztische in der Mitte des Raumes. Alsdann stellt sie alle Zutaten neben die große Pfanne und beginnt ihr magisches Werk. Mrs. Beales ist ganz in ihrem Element, rührt und rührt, bis alles zusammen köchelt, wartet auf die richtige Farbe, ja, so muss es aussehen. Mit Kraft schleppt sie die Pfanne zum Tisch, verteilt die heiße Masse auf die Bleche und bereitet dann den Tee zu.

Schon klopft es, sie streicht noch rasch ihr Kleid glatt und öffnet, erfüllt von einer Mischung aus Vorfreude und Aufregung, die Tür.

„Liebe Mrs. Beales, guten Morgen, wie schön, Sie zu sehen! Sie sehen bezaubernd aus, wie immer.“ Galant ergreift Mr. Swoof ihre Hand, deutet sogar einen Handkuss an, und verwirrt Mrs. Beales damit vollends.

„Welch ein stattlicher Mann“, schießt es ihr durch den Kopf, während sie leicht errötet. Schnell wendet sie sich dem Teekessel zu und gießt eine gute Tasse für ihn ein. „Lieber Mr. Swoof, zuvorkommend wie immer, danke für das Kompliment. Ist alles bereit?“

„Ja, meine Liebe, alles ist fertig und wartet auf unseren Besuch. Herrlich, Ihr Tee, ich sollte ihn öfter genießen.“

„Aber, Mr. Swoof, Sie machen mich ganz verlegen.“

So stehen sie beide nebeneinander in der Küche – wie viele Jahre geht das nun schon so? – und schlürfen ihren Tee in harmonischer Zweisamkeit. Mr. Swoof wie immer in seinem besten Anzug und Mrs. Beales in ihrem schwarzen Kleid und der gestärkten weißen Schürze. Beide hängen ihren Gedanken nach und genießen das gemeinsame Schweigen, die Ruhe vor dem Sturm.

„Eine hübsche Frau, warum fragst du sie nicht mal, ob sie zum Essen kommen möchte?“, kreist es durch Mr. Swoofs Kopf.

„So ein eleganter Mann, der wäre der Richtige. Wieso lädst du ihn nicht mal zum Tee ein?“, fragt sich Mrs. Beales.

Aber wie jedes Jahr bleiben beide stumm wie die Fische und bringen kein Wort heraus.

„Es wird Zeit, meine Liebe, halten Sie mir bitte die Tüten auf?“

„Natürlich, gern.“

Mr. Swoof zieht ein riesiges Messer aus dem Messerblock und schneidet die köstliche Masse auf den Blechen in kleine Würfel. „Genau die richtige Konsistenz, Sie haben ein Händchen dafür, wirklich! Und dieser Duft …“ Mr. Swoof schnuppert hörbar den Wohlgeruch ein. Die beiden füllen die Tütchen mit den braunen Würfeln und Mrs. Beales verziert am Ende jede einzelne mit einem goldfarbenen Band. „So, geschafft, aber nun müssen wir uns eilen.“

Auf Silbertabletts tragen sie die Beutelchen nach vorn in den kleinen Laden, der im weihnachtlichen Schmuck erstrahlt.

„Mal sehen, ob er heute pünktlich ist.“

„Da, sehen Sie, da kommen sie“, ruft Mrs. Beales aufgeregt, nachdem sie aus dem Fenster geschaut hat. Hoch oben in der Luft hat sie ein kleines rotes Licht erspäht, unscheinbar bewegt es sich auf das Haus zu. Je näher es kommt, desto klarer kann sie die Silhouette erkennen. „Alle sechs, Donnerwetter, und wie schnell die heute unterwegs sind, ich hoffe, sie bremsen rechtzeitig.“

„Ach, das wird schon gut gehen, die Laternen weisen ihnen den Weg.“

„Mr. Swoof, gleich ist es so weit!“ Mrs. Beales ist so nervös, dass sie nicht bemerkt, wie sie die Hand von Mr. Swoof ergreift. Mit lautem pardauz landet das leuchtend rote Licht und gleitet mitten zwischen die beiden Laternen, die Mr. Swoof extra zu diesem Zweck aufgestellt hat.

„Ho, Ho, Ho!“, ruft es und beide eilen zur Tür, um zu öffnen.

Santa Claus ist vom Schlitten gestiegen und hat seinen Rentieren die Nasen gestreichelt, besonders Rudolphs rote Nase, die ihnen den Weg gewiesen hat in dieser dunklen Nacht. Wie jedes Jahr zieht es den Weihnachtsmann in den kleinen Laden von Mr. Swoof, um die leckersten Süßigkeiten für die braven Kinder zu holen. Staunend betrachtet er die riesigen Bonbongläser. Wie herrlich alles aussieht! Da sind die Johannisbeerbonbons mit Lakritzfüllung, funkelnde Goldnüsse mit leckerem Toffee gefüllt, Lakritzpfeifen mit bunten Deckeln in Rosa und Hellblau, Zitronenbonbons mit Brausepulverfüllung und das Wichtigste: der Fudge.

„Ich nehme von jedem etwas, ich kann mich nicht entscheiden!“

Mrs. Beales und Mr. Swoof bringen alles hinaus zum Schlitten, packen ihn richtig voll, es sollen ja alle Kinder etwas abbekommen.

„Und dieser Beutel ist für dich, Santa, damit du dich stärken kannst auf dem langen Weg durch die Kälte.“

Santa nimmt dankbar die Tüte mit dem lauwarmem Fudge und probiert sogleich ein Würfelchen davon.

„Hmm, herrlich! Ich liebe euren Fudge, ihr seid eine ganz besondere Frau, Mrs. Beales!“

„Danke, Santa, du beschämst mich, es ist doch nur Fudge.“

„Nein, es ist mehr als das. Es ist Kindheitserinnerung, süßer Traum, schwelgen im Karamellduft, es ist so, als hätte man alles Gute dieser Welt in seinen Händen. Es ist Liebe, das ist es! Er wird allen Kindern ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Und wenn sie alt geworden sind, werden sie immer noch an das Weihnachtsfest denken, an dem sie euren Fudge genossen haben.“

Mit lautem Getöse hebt sich der Schlitten in die Luft und unten legt Mr. Swoof verträumt den Arm um Mrs. Beales. Santa hat recht, sie ist eine ganz besondere Frau.

Helene Reinhardt – helenereinhardt.de.

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Der Kleine Bär feiert Weihnachten

Der Kleine Bär saß vor seiner Höhle, da er unsanft geweckt worden war. Er reckte und streckte sich und gähnte ein großes Bärengähnen. „Uuuuhhhhaaa!“ Schmatzend kratzte er sich sein dichtes Fell. Bis eben hatte er in seinem Bett gelegen, die warme Decke bis über beide Ohren gezogen und die molligen Socken an. Jetzt hockte er hier auf einem Stein und rieb sich seine kalte Nase.

Überall lag Schnee. Dicke Flocken fielen tanzend vom Himmel, verfingen sich in den großen Tannen und lagen wie Zucker auf ihren Ästen. Die, die den Weg zum Boden fanden, versuchte der Kleine Bär, mit seiner Zunge zu fangen, doch sie entwischten ihm immer wieder. Er sprang auf und ab, aber nach einer Weile gab er enttäuscht auf. Der Kleine Bär hatte noch nie in seinem Leben Schnee gesehen, wie auch, denn im Winter schlief er immer tief und fest.

Doch heute nicht.

Ein helles Licht hatte in seine Höhle geschienen, strahlender als die große Sommersonne. Es hatte ihn unsanft aus dem Schlaf gerissen und ihn dazu gebracht durch den tiefen Schnee zu stapfen, um herauszufinden, woher es kam.

Der Bär schaute zum Himmel. Tausend Gestirne tanzten am Firmament und ließen ihn staunen. Doch einen Stern beobachtete er ganz genau. Der Bär musste blinzeln, so strahlte der Himmelskörper. „Warum scheinst du so hell?“, wollte der Bär von dem Stern wissen, allerdings bekam er keine Antwort. Er rief noch einmal, etwas lauter, doch der Stern antwortete ihm immer noch nicht. Selbst als der Bär aus voller Kehle brüllte, blieb der Stern stumm.

„Wie unhöflich“, dachte der Bär.

Er überlegte kurz und verschwand in seiner Höhle. Er kramte und wühlte und nachdem er gefunden hatte, was er suchte, kam er heraus und stapfte entschlossen durch den Schnee. Er würde dem Stern einen Besuch abzustatten, denn dieser hatte ihn sicher nicht gehört.

Ein roter Schal und dicke Handschuhe schützten ihn vor der Kälte. Bei jedem Schritt, den er tat, knirschte es unter seinen Füßen, doch er fror nicht. Bären tragen keine Schuhe, denn sie haben dicke Fußsohlen, die sie vor Kälte schützen.

Nachdem er eine Weile gelaufen war, machte der Weg eine Biegung. Der Kleine Bär blieb stehen und kratzte sich den Kopf. Er brummte unentschlossen und konnte sich nicht so recht entscheiden, welche Richtung er einschlagen sollte.

Plötzlich hörte er eine aufgeregte Stimme. „Herrje, herrje, herrje.“ Der Bär spähte nach links und spähte nach rechts, doch niemand war zu sehen. „Herrje, herrje, herrje.“

Der Bär spähte nach oben. Er spähte nach unten und da: Für einen kurzen Augenblick sah er eine kleine Nasenspitze. Sie lugte aus einem Loch in der Erde und verschwand sofort wieder.

Die Nase gehörte einem Kaninchen, das immer wieder aus seiner Höhle heraussprang, um dann ganz schnell wieder, kopfüber, in ihr zu verschwinden, so als habe es zu viel Kaffee getrunken.