Wünsch dich ins Märchen-Wunderland - Martina Meier - E-Book

Wünsch dich ins Märchen-Wunderland E-Book

Martina Meier

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Beschreibung

Vor langer Zeit war an der Stelle, wo wir jetzt stehen, ein dichter, dunkler Wald. Dort lebten viele unsichtbare Wesen, von denen die Menschen auf dem Land meist nichts gewusst haben. Auch das Elfenmädchen Amena lebte einst in diesem Wald. Sie hatte eine kleine Stupsnase, große, kugelrunde Augen und einen süßen Schmollmund. Als sie sich eines Tages auf einen Stein neben dem See gesetzt hatte, betrachtete sie sich neugierig im Wasserspiegel. Sie war ein bisschen eitel. Ihre zarten Flügel waren wie feine Gespinste, die in allen Farben des Regenbogens leuchteten. Tautropfen blieben daran hängen und spiegelten sich in der Sonne. Auch im 2. Band unserer Reihe "Wünsch dich in Märchen-Wunderland" haben Autorinnen und Autoren wunderschöne Märchen und märchenhafte Gedichte zusammengetragen, um ihre Leser ins Land der Träume zu entführen ...

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Seitenzahl: 243

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Wünsch dich ins Märchen-Wunderland

Band 2

Martina Meier (Hrsg.)

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

© 2021 – Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen / Deutschland

Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de

In Zusammenarbeit mit

CAT creativ - Redaktions- und Literaturbüro Martina Meier

Tostner Burgweg 21c, 6800 Feldkirch / Österreich

Lektorat - Gestaltung - Buchsatz

cat-creativ.at

Alle Rechte vorbehalten. Taschenbuchauflage erschienen 2017.

Titelbild: gestaltet mit Bildern von © sidliks – Adobe Stock lizenziert

ISBN: 978-3-99051-027-8 - E-Book

ISBN: 978-3-86196-704-0 - Taschenbuch

*

Inhalt

Das Märchenbuch

Das Tier der Weisheit

Stärker als der Tod

Annabelle und Richard

Der Mond braucht Hilfe

Der Igel und sein Stachelkleid

Nurofelia im Raupenschmetterlingsland

Die Elfen und der Zwerg Malon

Hannibal – der Marienkäfer

Das Märchen vom Stier Josef

Auf dem Einhorn ins Traumland

Das Schaf Elfe und Falschzebra, das ein Richtigzebra war

Lalinchens tiefer Fall

Der Elfengoldbaum

Der Honigdrache und die Maus

Das Einhorn am Ende des Regenbogens

Falsche Frösche küsst man nicht!

Die kleine Prinzessin im Glück

Die Beschwerde der Nacht

Flickenliesl

Aurelia und die Monsterfische

Zwerge des Unterreiches

Claire und die Einhörner

Der Fluch der bösen Hexe

Der Veggitukka-Baum

Der Fluch der Winterhexe

Ein Pinguin kriegt Medizin

Wolfsmond

Der gute Mond

Die drei Wünsche des Paul-Leander

Lucies Freund

Sternenliebe

Die Prinzessinnen und der Stein der Weisheit

Willis schönster Ausflug

Die verwunschene Prinzessin

Die List der Königstochter

Prinzessin der Tiere

Das Ende des Regenbogens

Der Riese und der Bauernjunge

Der Glückspilz

Wenn Menschen und Huglins Freunde werden

Die Geschichte von Notre Dame

Unser Buchtipp

*

Das Märchenbuch

Ich fand es gestern Abend schon,

traut’ mich nicht, es aufzuschlagen,

aus Angst, nun nur noch voller Hohn

den Sinn zu hinterfragen.

Meine Kindheit es bestimmt’,

Träume mir beschert.

Und in mir es noch immer glimmt,

könnt’ singen unbeschwert,

wenn ich denke an die Tage,

an denen ich dort lachte,

dort, wohin ich mich nicht mehr wage,

seit Zeit zu alt mich machte.

Die Welten, die kein and’rer sieht,

niemand wird je sehen.

Die Seiten, sie summen das alte Lied,

das niemand wird verstehen.

Diese Welten, erfüllt mit Zauberklang,

mit magischen Geschöpfen,

Geister, Feen, mit denen ich sang,

und Drachen mit dreihundert Köpfen.

Es erzählt von kristallenen Seen,

von Wasser, funkelnd wie Glas,

durfte glitzernde Schönheiten sehen,

auf lebendigen Steinen ich saß.

Es erzählt von hohen Bäumen,

bis weit in den Himmel hinein,

und Pilzen, die Wege säumen,

in welche Zwerge passen hinein.

Es erzählt von lächelnden Blüten,

von Wiesen, weit wie das Meer.

Die Schmetterlinge behüten,

die dort flattern, ein buntes Heer.

Es erzählt von Königinnen,

die thronen in Blütenkelchen.

Die Bauernburschen von Sinnen,

wen wird sie wählen, welchen?

Es erzählt meine Kindheit, nur meine,

die Bilder vergangener Zeiten,

und einem anderen Kind die seine,

die Wünsche, die es leiten.

Denn irgendwo tief in mir drin

bin ich geblieben, wer ich einst war,

und selbst wenn die Jahre schwinden dahin,

die Träume von damals sind da.

Die Bilder von Wiesen, von Elfen und Feen,

von Königinnen und Blüten,

von Bäumen und Zwergen, von Pilzen und Seen

werd ich mit dem Leben behüten.

Sie formten und sie machten mich

zu dem Menschen, der ich heute bin.

Sie begleiteten und veränderten sich,

gaben Erwachsenwerden den Sinn.

Denn wer verlernt hat die Fantasie

der frühen Kindertage,

wie kann er glücklich werden, wie?

Suchend nach Antwort auf jede Frage?

Es gibt Wunder auf der Welt,

einst haben wir’s alle gesehen.

Wer die Lieder der Kindheit infrage stellt,

langsam muss vergehen.

Denn die Bilder von Wiesen, von Elfen und Feen,

von Königinnen und Blüten

leben nur so lange und werden geseh’n,

bis man aufhört, sie zu behüten.

Und deshalb wag ich den Blick hinein

in das Traumbuch meiner Kindheit

und all die Geschöpfe fallen mir ein

und die Wiesen wie das Meer so weit.

Und ich werd nicht müde, sie zu bestaunen,

zu stehen an fantastischen Orten,

mit ihnen um die Wette zu raunen,

zu versinken in geschriebenen Worten.

Drum hütet eure Träume gut,

die die Märchen euch gegeben.

Seid vor Neidern und Spöttern auf der Hut,

doch lernt, ihnen zu vergeben.

Denn auch in ihnen leuchtet das Licht

der Kindheit, der Fantasie,

zeigt sie ihnen, verwehrt sie nicht,

lehrt zu träumen sie.

Denn aus Träumen und Märchen besteht die Welt,

dank ihnen sind wir am Leben.

Sie sind das, was uns die Nächte erhellt,

und wir sind ihnen ergeben.

Carina Isabel Menzel, Jahrgang 1999. Ihre Hobbys: Schreiben, Lesen, Jazz- und Stepptanz, Filme, Theater, Flötenunterricht geben. Sie hat bereits einige Geschichten in Wettbewerben und Anthologien sowie ihren ersten Roman bei Papierfresserchens MTM- und im Herzsprung-Verlag veröffentlicht. Infos: www.carina-isabel-menzel.npage.de.

*

Das Tier der Weisheit

Einst saß er dort oben auf seinem Zweig,

ein mancher mag zweifeln, doch war er gescheit,

die Sorgen der Welt wirkten fern von dort oben

und so ruhte er sanft und sagenumwoben.

Kein Tier dieser Welt mag vernehmen im Traum,

was er schon gesehen hat von seinem Baum.

Ein jedes mag krabbeln und fliegen und schwimmen,

doch keins wagte jemals, den Zweig zu erklimmen.

So saß er und wartete auf seine Zeit,

und als sie dann kam, dann war er bereit

bald sprach’s sich herum in der weiten Welt:

Wer Sorgen hat, wird zum Uhu bestellt.

Gar so viele Bilder und so viel gesehen,

keiner je fragte, was mit ihm geschehen,

doch schien er schon immer und ewig zu sitzen

und die glitzernden Sonnenstrahlen gar zu besitzen.

Er sah hinunter auf die spiegelnden Seen

und Bäche und Täler wie sonst nie gesehen.

Ja, Berge und Gräser, wie sie flüstern so sachte,

die Sonne am Himmel, sie tanzte und lachte.

Da kamen die Tiere von fern und von nah

und für alle war die Weisheit da,

die Federohren gespitzt, ganz ruhig und weit,

ein jedes Tier bekam seine Zeit.

Sein Gefieder war leuchtend violett,

die Federn so weich und die Augen so nett,

ein strahlendes Gelb wie am Tage die Sonne,

ein funkelndes Blitzen voll Würde, voll Wonne.

Die and’ren, sie kamen und bewunderten ihn,

so alt und so weise der Uhu gar schien,

doch auf Fragen wie diese er lächelte mild

und erklärte, viel schöner noch sei sein Bild.

Die glitzernden Bäche unter dem Baum,

das ewige Grün im unendlichen Raum,

der Himmel so wolkenlos und so frei –

ja, jeder, der lebte, der kam hier vorbei.

Und der Uhu, er lauschte und gab seinen Rat,

wann wer auch immer ihn darum bat,

und die Tiere, sie waren für ihn sein Zuhaus’,

ja, die Sorgen, sie nahmen sogleich gern Reißaus.

Doch dies ist nun Jahre, Jahrzehnte gar her,

erinnern kann sich kein Einziger mehr,

doch gute Erinnerung schreibt so viel nieder

und eines Tages kommt der Uhu sicherlich wieder.

Carola Marion Menzel wurde 1999 in Heidelberg geboren. Ihre Hobbys: Schreiben, Tanzen, Zeichnen, Kino, Theater, Flötenunterricht geben. Sie kann schon auf zahlreiche Kurzgeschichten ihm Rahmen von Schreibwettbewerben und Anthologien sowie ihren ersten Roman bei Papierfresserchens MTM- und dem Herzsprung-Verlag blicken. Info: carola-marion-menzel.npage.de.

*

Stärker als der Tod

Es war ein Tag, wie Poseidon ihn mochte. Er schickte Blitz und Donner, bevor seine Tochter Iphigenie das Licht der Welt erblickte. Irgendwas hatte er trotzdem falsch gemacht, denn es sollte eigentlich ein Sohn werden. Die Kleine hatte ein winziges Gesicht mit großen Segelohren und murmelgrünen Kulleraugen. Schon als Kind war sie auffallend musikalisch. Sie spielte ständig auf ihrer Weidenflöte und beschwor dadurch eine ganz besondere Atmosphäre herauf. So fiel den Menschen um sie herum wieder ein, was sie vergessen, verloren oder geliebt hatten.

Das Flötenspiel beherrscht sie noch heute, es inspiriert zu neuen Ideen und macht mit jedem Ton selbst den Zweiflern Mut. Deshalb ist Iphigenie überall gern gesehen und eingeladen. Das gefällt Poseidon und er spricht voller Stolz über seine Tochter. Inzwischen ist aus der Kleinen, die im höchsten Maße kurzsichtig zu sein scheint, eine junge Frau geworden. Zum Ausgleich nehmen ihre Ohren das minimalste Geräusch wahr und in Momenten, in denen sie an gar nichts denkt, der Kopf einfach nur ganz leer wird, hört sie sogar zu ihrem Schrecken die Gedanken der Menschen um sie her. Eine schreckliche Begabung.

Es ist wieder mal Sommer geworden. Seit Längerem schon hält Iphigenies Tante jeden Morgen am Strand Ausschau nach Muscheln und feinen weißen Marmorstücken. Sie werden alle zur Verschönerung der edlen, ausgebauten Felsenhöhle Poseidons gebraucht. Hier demonstriert die geliebte Tante der jungen Nichte ihre Fähigkeiten, indem sie alles wohnlich und passend dekoriert.

Iphigenie hat die Flöte unter dem Umhang am Gürtel hängen und kann es kaum erwarten, ins Wasser zu schauen. Ihre kurzsichtigen Augen weiten sich und leuchten dabei eigentümlich. Da, sie kann es deutlich erkennen! In der Tiefe verborgen liegt eine magische Unterwelt. Sie ist ein verborgenes Paradies. Iphigenie kann sich dem Zauber dieser geheimnisvollen Welt nicht mehr entziehen. Dreimal muss sie von ihrer Tante angesprochen werden, damit sie in die Wirklichkeit am Strand zurückkehrt.

Iphigenie ist verzaubert vom Anblick dieser geheimnisvollen Welt und berichtet, so schnell sie kann, ihrem Vater davon. Er zupft brummelnd an seinem langen weißen Bart und glaubt ihr nicht. Er beauftragt die Tante, sich um seine Tochter und ihre Spinnereien zu kümmern. Es gelingt Iphigenie, ihre Tante mit ihrem Flötenspiel so zu begeistern, dass diese mit ihr anschließend gemeinsam zum Strand hinuntertanzt. Dort zieht sich Iphigenie die dünnen Sandalen von ihren Füßen und genießt den warmen Sand, der zwischen den Zehen und an den Fußsohlen kleben bleibt. Ihre Tante kann trotz größter Anstrengung die magische Unterwelt nicht entdecken und auch die vielen herbeigerufenen Nachbarn und Freunde erkennen nichts im Wasser. Einer jedoch, Amand, der größte Nebenbuhler Poseidons, der glaubt ihr sofort jedes Wort. Er sucht selbst schon lange nach diesem Paradies und hofft, Reichtümer dort zu finden.

In der Nacht entführt er Iphigenie überraschend und hält sie, an einen Baum gefesselt, auf einer Nachbarinsel gefangen. Sie soll ihm um jeden Preis den Weg zum versunkenen Paradies zeigen.

Sein schwarzer Bart flattert im Wind, als er mit ihr wenig später in einer sternklaren Nacht zum Strand von Poseidons Land mit einem selbst gebauten Floß hinüberfährt. „Es ist hell genug heute. Mond und Sterne reichen aus, um mir die Stelle am Strand zu zeigen, von der aus ich endlich das Paradies sehen kann. So wie du es gesehen hast, Iphigenie. Los, wenn dir dein Leben lieb ist, zeig es mir, und zwar sofort.“

Iphigenie hört die grausamen Worte. Er will sie also töten. Und sie erfährt, warum er dies auf jeden Fall machen wird. Amand hofft, ihr Tod breche dem starken Poseidon das Herz und er könne an dessen Stelle endlich die Herrschaft übernehmen.

Die Wachen am Strand haben die beiden noch nicht bemerkt. Die Suche nach Iphigenie soll laut dem Befehl Poseidons so lange fortgesetzt werden, bis man sie gefunden hat. Seit ihrem Verschwinden kontrollieren die Wachen den Strand rund um die Uhr. Sie haben sich um einen brennenden Holzstoß versammelt.

Das Licht der Fackeln flackert im kalten Wind, als Poseidon zu seinen Männern tritt. Er scheint um Jahre gealtert. Er vermisst seine Tochter so sehr und wünscht sich nichts sehnlicher, als das vertraute Flötenspiel zu hören und zu wissen, es gibt etwas in der Welt, das etwas ganz Besonderes ist. So wohltuend und befreiend, dass die Worte hierfür fehlen und es sich nur in Musik ausdrücken lässt.

Da hört er plötzlich Iphigenie lauthals um Hilfe schreien. „Vater, Vater, rette mich, ich bin hier!“

Die Wachen greifen nach ihren Schlagringen und Stöcken und laufen gemeinsam mit Poseidon auf Iphigenie und den gnadenlosen Amand zu. Der Himmel ist erhellt von Blitzen, die Poseidon zornig wie brennende Sicheln über ihn hinwegsausen lässt.

Während die bewaffneten Männer schreiend auf die beiden losstürmen, zieht Amand die zitternde Iphigenie fest an sich und drückt ihr die Kehle zu. „Poseidon, hör auf mich, willst du deine Tochter zurückhaben, dann schick deine Wachen fort! Geh mit ihnen heim und Iphigenie wird kein Haar gekrümmt. Ich will nur das versteckte Paradies sehen. Alles andere ist mir egal. Danach brauche ich sie nicht mehr. Einverstanden?“

Poseidon brüllt wütend: „Und wenn ich nicht einverstanden bin?“

Amand spuckt in den Sand. „Dann hast du deine Tochter heute das letzte Mal gesehen. Entweder erwürge ich sie oder ich stoße sie direkt ins Meer.“

Poseidon hebt seinen Dreizack und der Hall eines furchtbaren Donnerschlags lässt alle wie betäubt zu Boden stürzen. Nur Poseidon steht aufrecht da, mit zerzausten Locken und grimmigem, rot glühendem Gesicht. „Wehe dir, Amand, mich forderst du nicht noch einmal heraus!“ Plötzlich liegt ein dünner Nebelschleier wie ein feiner Pulverhauch über dem Strand. Darin sind Amand und Iphigenie spurlos verschwunden. „Nein! Iphigenie, meine Tochter! Wo bist du?“

Als der Nebel sich lichtet, erheben sich die Wachen und reiben sich ihre schmerzenden Köpfe. Sie rufen: „Was ist bloß passiert?“, und laufen aufgebracht am Strand hin und her.

Poseidon befiehlt mit eisiger Stimme, dass der Strand abgesucht und jeder Schlafende sofort geweckt werden müsse, um bei der Suche nach seiner Tochter zu helfen.

Mit Hunderten von Fackeln und spitzen Stöcken wird wenig später jeder Winkel und jeder Meter des langen, breiten Strandes durchkämmt. Erfolglos. Die Wolken schieben sich vor den Mond, als Poseidon mit gebrochener Stimme das Ende der Aktion ausruft.

Mit aschfahlem Gesicht sitzt er am nächsten Morgen vor seinem Frühstück. Er kann nichts essen, so speiübel ist ihm nach dieser furchtbaren Nacht. Er hat erfahren, dass der Leichnam Amands, bedeckt von grünen Algen, ans Ufer gespült worden ist.

Die Tante schluchzt unaufhörlich und versucht erst gar nicht, ihre Trauer zu verstecken. Poseidon bittet sie mit ungewöhnlich sanfter Stimme, ihn allein zu lassen. Sie verlässt daraufhin die geräumige, mit feinen Marmorstücken verzierte Höhle, in der selbst die großen, mit Perlen gefüllten Muscheln an Iphigenie erinnern. Die Tante steht am glucksenden Wasser und wischt sich über die Augen. „Wo bist du nur, Iphigenie? Ich wollte noch so viel mit dir zusammen erleben. Ich vermisse dich, mein Schatz. Jede Stunde an jedem Tag und immerzu denke ich an dich.“ Sie seufzt und glaubt plötzlich, Flötenspiel zu hören. Da bricht sie erneut in Tränen aus.

Doch das Flötenspiel hält an und zu ihrer Verwunderung winkt ihr eine Hand aus dem Wasser zu. Iphigenie hebt für einen kurzen Augenblick ihren Kopf aus dem Wasser und ruft: „Tante, du musst nicht mehr traurig sein. Es geht mir gut. Ich kann den ganzen Tag auf der Flöte spielen. Es ist wunderschön hier. Bitte, sag es auch Vater. Ich bin glücklich und weiß, dass wir uns wiedersehen. Liebe Tante, vergiss mich nicht und lebe wohl! Hörst du? Lebe wohl.“

Als Poseidon davon erfährt, steht er augenblicklich auf und wäscht sich erst mal gründlich. Er zieht sein bestes Gewand aus reinem Leinen an und geht mit der Tante zum Strand. Arm in Arm stehen sie vor den sich kräuselnden Wellen. Der Himmel ist blau und wolkenlos. Da geschieht es. Leises Flötenspiel dringt an Poseidons Ohr. Es wird lauter und ein stiller Frieden kehrt mit jedem Ton in seinem Herzen ein. Er schaut, der Melodie lauschend, versunken über das glitzernde Wasser hinweg bis zum hellen Horizont und flüstert leise: „Es gibt wirklich etwas, das ist stärker ist als der Tod.“

Regina Berger, geboren in Hagen/Westfalen, lebt, schreibt und arbeitet in Wuppertal.

*

Annabelle und Richard

In einem Park saßen jeden Tag zwei ältere Eheleute auf einer Bank unter einem Rosenbogen. Ihr Leben war geprägt von vielen Entbehrungen, die in Kauf genommen werden mussten. Um dem öden Alltag zu entfliehen, träumten sie sich in eine Fantasiewelt, deren Hauptfarbe Lila war. Nicht nur jede Wolke hatte diese Farbe, nein, fast die gesamte Umgebung. In ihrer Fantasie saßen die beiden unter einem lila Rosenbogen, der sich über eine lila Wiese wölbte, als wäre er ein Tor. In unmittelbarer Nähe ergoss sich eine Fontäne, deren Wasser nach Heidelbeeren schmeckte. Annabelle und Richard hatten sich schon daran gelabt, um ihren Durst zu stillen. Sie genossen die Ruhe, den Frieden und den Gesang der Vögel.

Plötzlich vernahm Annabelle ein Kichern. „Hast du das gehört?“

„Was denn, Annabelle?“

„Das Kichern.“

„Ich habe nichts gehört, tut mir leid.“

„Hast du dein Hörgerät an?“, fragte Annabelle ihn verärgert.

„Aber, Annabelle, hier brauchen wir das doch nicht.“

„Seltsam, dann habe ich mich getäuscht.“

„Das kann passieren“, meinte Richard und legte seinen Arm um seine Frau.

Sogleich vernahm Annabelle erneut das Kichern, diesmal etwas lauter als zuvor. „Richard, hast du es jetzt gehört?“

„Nein, tut mir leid.“

Doch Annabelle ließ das nicht gelten und machte sich auf die Suche nach dem Ursprung des Geräuschs. Dabei geschah etwas Unerwartetes. Sie fühlte sich fit, als sei sie wieder jung, und lief leicht wie eine Feder über die Wiese. Sie wähnte sich in einem Traum, aber dann sah sie, wie Richard sich die Augen rieb. Als könne er nicht glauben, was er sah. Es war wie ein Wunder.

„Annabelle, du bist wunderschön“, sagte Richard verzückt und schaute sie mit wässrigen Augen an.

„Danke für dein Kompliment. Aber ich bin doch schon so alt.“

„Nein, mein Schatz. Irgendetwas scheint die Zeit zurückgedreht zu haben.“

Einen Spiegel gab es leider nicht in der lila Welt. Und so glaubte Annabelle nach wie vor nicht daran, dass sie von einem Moment auf den anderen jung und hübsch geworden war.

„Ich weiß nicht, wie ich es dir beweisen kann“, meinte Richard.

Mit einem Mal beobachtete sie, dass ihr Mann ohne Brille und Hörgerät herumzulaufen begann. Außerdem waren Annabelles Gelenkschmerzen verschwunden, sie legte ihren Gehstock beiseite. Es war ein wunderbarer Traum, den sie mit ihrem geliebten Mann erleben durfte. Sie genoss eine Freiheit, die sie viele Jahre vermisst hatte.

„Annabelle“, begann Richard.

„Ja?“

„Wie fühlst du dich?“

„So gut wie noch nie.“

„Das freut mich. Mir geht es ebenso.“

Die beiden waren sich also einig. Nun, es war nicht die reale Welt, das war Annabelle klar. Dennoch war es eine, die ihr und Richard gefiel. Die beiden hatten zwei Kinder großgezogen. Leider gingen diese schon seit Jahren ihre eigenen Wege. Das stimmte sie sehr traurig, dennoch versuchten sie, es zu akzeptieren. In der lila Welt vergaßen Annabelle und Richard ihren Kummer, ihre Sorgen, Schmerzen und Probleme.

„Schau mal, Richard, da drüben. Ein Reh springt über die Wiese. Und dort fliegt ein großer Schmetterling, alles ist so wunderbar lila. Ich liebe diese Farbe.“ Annabelle wurde euphorisch.

„Na ja“, meinte Richard etwas mürrisch. „Bei Blumen habe ich nichts dagegen. Aber alles und überall ... ich weiß nicht.“

„Ich finde Lila sehr schön.“ Annabelle beharrte auf ihrem Standpunkt.

Sie diskutierten angeregt, bis sich jene mysteriöse Stimme erneut durch Gekicher bemerkbar machte. Annabell schrak zusammen, auch Richard schien nicht wohl zu sein.

„Wieso habt ihr Angst? Ich tu euch nichts“, wisperte es.

„Wer sind Sie?“, fragte Annabelle mutig.

„Einen Moment. Ich komme gleich“, erwiderte die Stimme.

Sie warteten ein paar Minuten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, doch dann staunten Annabelle und Richard beim Anblick eines Wesens mit schrumpeliger Haut und wenig Haaren auf dem Kopf, dem die geheimnisvolle Stimme gehörte.

„Woher kommst du?“, wollte Richard wissen.

„Aus der Welt eurer Träume.“

„Aber wir träumen doch nicht“, meinte Annabelle verwirrt.

„Doch. Denn eine Welt, in der alles nur eine einzige Farbe besitzt, gibt es nun mal ausschließlich in Träumen.“

„Und was jetzt?“, fragte Annabelle enttäuscht.

„Träume sind wie Seifenblasen, die zerplatzen. Aber lassen wir das. Genießt es, hier zu sein. Genießt es, so lange ihr könnt“, riet ihnen das Wesen und verschwand.

„Wir versuchen es“, rief Annabelle ihm nach.

„So ist es recht“, ermutigte sie das nun wieder unsichtbare Geschöpf.

„Hast du das gesehen, Richard? Es ist verschwunden.“

„Ja, Annabelle, und das Wesen hat recht. Wir sollten unsere Träume genießen.“

Verdutzt sah Annabelle ihren Mann an, als ihnen plötzlich ein lila Spiegel entgegenrollte.

Sie staunten nicht schlecht, als dieser sie ansprach. „Guten Tag. Ich bin der Spiegel der Wahrheit. In mir sieht jeder seine eigene Seele. Unverfälscht und pur.“

„Einen ähnlichen haben wir zu Hause“, sagte Annabelle verwundert.

„Sicher. Doch ich bin etwas Besonderes. Ihr werdet es merken.“

„Und was?“, fragte Annabelle.

„Dass ich euch die Wahrheit durch euer Spiegelbild zeige.“

Völlig unerwartet verschwand der Spiegel von der Bildfläche, nicht jedoch ohne einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Dafür tauchte etwas Neues auf. Annabelle und Richard konnten nicht glauben, was da auf sie zukam. Eine Mischung aus einem Vogel und einer Katze in Annabelles Lieblingsfarbe.

„Guten Tag, die Dame, der Herr. Ich heiße Sie im Land der Farbe Lila aufs Herzlichste willkommen.“

„Der ist aber freundlich, Richard. Das sind wir nicht gewohnt.“

„Stimmt, Annabelle“, pflichtete der Angesprochene traurig bei.

Neugierig fragte das Tier: „Aber Sie sind doch sehr nette und liebe Menschen, die es nicht verdient haben, schlecht behandelt zu werden.“

„Erklären Sie das mal denen, die uns nahestehen, vor allem unseren Kindern“, meinte Richard.

„Das würde ich gerne tun. Das Problem ist allerdings, dass dies Ihr Traum ist, deshalb kann ich Ihnen dabei leider nicht behilflich sein. Das müssen Sie beide schon selbst erledigen.“

„Trotzdem danke für den Rat“, meinte Annabelle. „Wir müssen mutiger werden und dürfen nicht alles hinunterschlucken. Denn sonst staut es sich an.“

„Nehmen Sie sich das zu Herzen. Es wird Ihnen, wenn Sie aus diesem Traum erwachen, besser gehen als je zuvor. Sicherlich, die Zipperlein des Alters werden bleiben. Dennoch werden Sie wesentlich glücklicher und zufriedener sein“, prophezeite das Tier dem Ehepaar und verschwand.

Da sagte Annabelle: „Richard, das Tier hat uns ein Geschenk dagelassen. Eine Kugel aus purem Gold. Meinst du, wir dürfen sie behalten?“

„Gewiss dürft ihr das“, sagte plötzlich jemand. „Bedenkt aber, es ist ein Traum. Haltet die Kugel fest, dann bleibt sie euch erhalten, wenn ihr erwacht, und ihr werdet glücklicher durchs Leben gehen als zuvor.“

„Sollen wir das glauben?“

„Gewiss, Annabelle. Hier sagen alle die Wahrheit, hast du das noch nicht gemerkt?“

„Doch. Es ist ungewöhnlich und etwas unheimlich. Dennoch finde ich es sehr schön, hier zu sein. Hier sind wir jung, können all das tun, was sonst nicht möglich ist.“

„Du hast recht, Annabelle. Aber irgendwie vermisse ich unser Zuhause. Mal ganz abgesehen vom Park und der Umgebung.“

„Ja, ich auch. Trotzdem möchte ich diese Unbeschwertheit noch etwas genießen.“

„Es sei dir gestattet, Annabelle. Aber nicht jeden Tag.“

„Oh, Richard. Du weißt, wenn wir träumen, dass wir dies stets gemeinsam tun.“

So ging die Diskussion weiter. Bis, ja, bis jemand ganz sanft an ihren Schultern rüttelte. Es war ein Enkel. Verblüfft schloss Annabelle das Kind in ihre Arme und wollte es am liebsten gar nicht mehr loslassen.

Kurze Zeit später kam die Mutter des Kindes wütend herbeigelaufen und wollte schimpfen. Doch Annabelle hielt sie davon ab.

„Aber, Oma“, sagte das Enkelkind, „was hast du mit Mama angestellt? Die ist so ruhig!“

„Oh, Kleines, das verrate ich dir später.“

Überrascht sah das Kind seine Großmutter an. Annabelle strich ihm übers Haar. Liebe lag in der Luft. Jeder spürte dies.

Langsam und glücklich liefen die vier nach Hause.

Annabelle und Richard hatten aus ihrem Traum gelernt, dass sie nicht alleine waren und niemals sein würden. Vor allem hatte Annabelle die Erkenntnis gewonnen, an sich zu glauben, den Mut niemals zu verlieren und das Leben so zu nehmen, wie es war. Ohne zu jammern oder zu meckern.

Seither träumen sich Richard und Annabelle immer seltener in ihr lila Land. Und wenn das Ehepaar heute noch lebt, dann hoffentlich glücklich und zufrieden.

Alexandra Dietz ist 1977 geboren und lebt seit kurzer Zeit in Pforzheim. Ihre ersten Gehversuche als Autorin machte sie mit Tierfabeln und Kindergeschichten. Seit 2014 ist sie Mitglied des Autorenvereins Goldstadt Autoren e.V.. Seit 2013 veröffentlicht sie in mehreren Anthologien des Papierfresserchen MTM-Verlags ihre Geschichten.

*

Der Mond braucht Hilfe

Es war einmal ein Mädchen, das in jeder Vollmondnacht von Albträumen geplagt wurde. Und so hatte es vor einigen Monaten beschlossen, in den Vollmondnächten nicht mehr zu schlafen. Stattdessen saß es die ganze Nacht am Fenster und sah mit bösem Blick zum Mond hinauf. Bis zu jener Nacht, in der sich eine schwarze Eule auf dem Baum vor seinem Zimmer niederließ.

„Du weigerst dich zu schlafen. Das gefällt mir nicht“, verkündete die Eule.

„Ich habe in den Vollmondnächten immer Albträume“, erklärte das Mädchen.

„Wenn ich dir helfe, sie zu vertreiben, gibst du mir dann dein Wort, dass du wieder schläfst?“

„Was muss ich dafür tun, dass du mir hilfst?“, fragte das Mädchen.

„Du musst nur schlafen. Den Rest überlasse mir“, meinte die Eule. Doch das Mädchen blieb skeptisch. „Ich verspreche dir, das ist kein Trick. Der Mond braucht deine Hilfe.“

„Der Mond?“, wiederholte das Mädchen überrascht.

„Jawohl, der Mond. Und wenn du ihm hilfst, wird dir das zugutekommen. Denn er bat mich, dir deine Albträume zu nehmen.“

„Warum?“, wollte das Mädchen wissen.

„Das will ich dir beim nächsten Vollmond verraten. Doch ich komme nur, wenn du dich nun schlafen legst.“

„Dann will ich das tun“, sagte das Mädchen und legte sich ins Bett.

„Nun, das war mein erster Besuch. Zweimal noch will ich kommen, zweimal noch musst du schlafen bei Vollmond. Dann bist du von den Albträumen befreit“, sagte die Eule, ehe das Mädchen die Augen schloss und einschlief.

Als das Mädchen am nächsten Morgen erwachte, erinnerte es sich, wie der Mond es zugedeckt und ihm einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte. Danach war er durch das Fenster hinausgeschwebt und auf seinen Platz am Himmelszelt zurückgekehrt.

Beim nächsten Vollmond wartete die Kleine ungeduldig, dass die Eule wiederkam, denn sie konnte es kaum erwarten, dass sie ihre Frage aus der ersten Vollmondnacht beantwortete.

Und so erklärte die Eule schließlich: „Der Mond hat zwei Aufgaben, er beschenkt die Menschen nachts mit Träumen und muss hell am Himmel leuchten. Doch in der Vollmondnacht braucht er fast seine ganze Kraft, um hell zu leuchten. Da er den Menschen aber trotzdem schöne Träume schicken möchte, will er sich die Träume anderer Leute leihen und weitergeben. Doch immer mehr Menschen weigern sich, in der Vollmondnacht zu schlafen. Und da er nicht genug Kraft hat, eigene Träume zu schicken, kommt es zu immer mehr Albträumen. Wenn der Mond und ich es allerdings schaffen, das zu ändern, und wieder mehr Menschen in der Vollmondnacht schlafen, dann wird keiner mehr Albträume haben. Doch dafür brauchen wir eure Mithilfe.“

Das Mädchen nickte eifrig und versprach: „Ich werde nun in jeder Vollmondnacht schlafen. Aber verrätst du mir auch, wie du es schaffst, die Albträume zu vertreiben?“

„Das verrate ich dir in deiner dritten Vollmondnacht. Denn einmal noch will ich kommen, einmal noch musst du schlafen bei Vollmond. Dann bist du von den Albträumen befreit.“

Das Mädchen legte sich schlafen. In dieser Nacht tanzte es im Mondschein auf der Wiese und mit ihm die Tiere des Waldes.

In der dritten Vollmondnacht setzte sich die Eule wieder auf den Baum vor dem Fenster. Die Eule verlangte von dem Mädchen, sich ins Bett zu legen. Und wie die Kleine da so im Bett lag, fiel ihr der helle Mondschein direkt ins Gesicht.

„Meine Flügel sind aus Mondstaub. Und sobald der Mondschein dort auftrifft, übertragen sie die Kraft des Mondes auf alles, was die Flügel vor dem Mond bedeckt.“ Die Eule breitete prompt ihre Flügel aus und schirmte den hellen Mondschein von dem Mädchen ab. Das Zimmer lag im Dunkeln, aber in den Flügeln konnte das Mädchen den Mond sehen. Und sie spürte seine Kraft.

„Nach der heutigen Nacht bist du von den Albträumen befreit. Denn du trägst die Kraft des Mondes nun in dir. Dafür verlässt sich der Mond auf dich, dass du ihm Kraft zurückgibst und beim Verteilen der Träume hilfst. Alles, was du dafür tun musst, ist, in den Vollmondnächten zu schlafen. Solltest du dies nicht machen, werden die Albträume wiederkommen.“

„Ich werde den Mond nicht enttäuschen“, sagte das Mädchen zufrieden.

„Dreimal war ich da, als der Mond war so nah. Noch mal kommen werd ich nicht, ich verlass mich auf dich“, sagte die Eule.

Das Mädchen schloss die Augen und fiel in einen ruhigen Schlaf. Es schwebte auf den lächelnden Mond zu, der es in eine zärtliche Umarmung schloss.

Die Vollmondnacht war gerade erst vorüber, doch die Kleine konnte die nächste kaum erwarten. Denn die Träume in den Vollmondnächten wurden zu ihren schönsten. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann träumt sie noch heute.

Christina Emmerling wurde 1992 in Würzburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Bereits während der Schulzeit und später neben der Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten begeisterte sie das Schreiben. Neben Kurzgeschichten schreibt sie Fantasyromane und arbeitet derzeit an einer Trilogie. Ihre erste Kurzgeschichte wurde 2013 in einer Anthologie veröffentlicht.

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Der Igel und sein Stachelkleid

Es war zu einer Zeit, als die Tiere noch nicht so lange auf der Erde waren. Manche hatten zwei Beine, manche vier. Manche konnten nur kriechen oder schwimmen. Aber die auf der Erde sahen einander alle ziemlich ähnlich. Die meisten waren sehr friedlich und fürchteten sich vor den Menschen. Natürlich hatte jedes Tier seine Eigenart oder Vorliebe. Die einen lebten gern im Wald und pickten Beeren, die anderen auf Feld und Flur, sie fingen Insekten.

Einige der Vierbeiner wiederum mochten die Gärten der Menschen, denn hier wuchsen saftiges Obst und knackiges Gemüse. Es gab dort auch freundliche Kinder, die sogar ein kleines Schälchen mit frischem Wasser vor die Haustür stellten. Die Tiere waren bescheiden und freuten sich über die Erfrischung.