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Studienarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Germanistik - Komparatistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Note: 1,0, Eberhard-Karls-Universität Tübingen (Deutsches Seminar), Veranstaltung: Hauptseminar: Poetik der Affekte, Sprache: Deutsch, Abstract: Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Gefühl des Ekels, seiner Darstellung und seinen möglichen Funktionen, in der Literatur. Die Werke zweier Autoren, die extensiv von der Darstellung des Ekelhaften Gebrauch machen, sollen die Grundlage dieser Untersuchung bilden. Bei den beiden Autoren handelt es sich um den französischen Schriftsteller und Dokumentator infamer Lüste Marquis de Sade und den russischen Skandalautor der postsowjetischen Epoche Vladimir Sorokin. Ein Vergleich dieser beiden Autoren scheint in vielerlei Hinsicht ergiebig. Nicht zuletzt auch, weil die Epochen, die diese beiden Schriftsteller geprägt haben, einige, wenn auch nicht auf den ersten Blick offensichtliche, Parallelen aufweisen, was dazu führt, dass sich auch in den Texten der beiden Autoren ähnliche Strukturen und Verfahren, unter anderem in der Funktionsweise des Ekelhaften, finden lassen. Der Marquis de Sade wurde geprägt von der Philosophie der Aufklärung und der Ästhetik der klassizistischen Kunst, die beide ganz deutliche Spuren in seinen Texten hinterlassen haben, während Vladimir Sorokin ein Kind des sozialistischen Russland ist und mit dem Stil und den Ideen des sozialistischen Realismus groß wurde. Eine der größten Gemeinsamkeiten zwischen dem Zeitalter der Aufklärung und dem des Sozialismus ist die Idee des Vorrangs der Interessen der Gesellschaft vor denen des Individuums, was auch ganz deutlich in den Ästhetiken dieser beiden Epochen zum Ausdruck kommt. Sowohl der Marquis de Sade als auch Sorokin brechen in ihren Texten das in ihrer Epoche gültige Diktat der abstrakten Gesellschaft über das Individuum auf, wodurch ihre Werke in einem großen Ausmaß provokativ wirken. Eines der Verfahren die sie dabei anwenden, ist die Darstellung des Ekelhaften, wobei das den Text rezipierende Individuum sich selbst im konkreten Gefühl des Ekels, unabhängig von der abstrakten Gesellschaft, als solches wahrnehmen kann.
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Diese Arbeit beschäftigt sich mit dem Gefühl des Ekels, seiner Darstellung und seinen möglichen Funktionen, in der Literatur. Die Werke zweier Autoren, die extensiv von der Darstellung des Ekelhaften Gebrauch machen, sollen die Grundlage dieser Untersuchung bilden. Bei den beiden Autoren handelt es sich um den französischen Schrift-steller und Dokumentator infamer Lüste Marquis de Sade und den russischen Skandalautor der postsowjetischen Epoche Vladimir Sorokin. In den russischen Medien wird Sorokin des öfteren mit dem berühmten Franzosen verglichen.1Während ein Vergleich mit dem Marquis de Sade für einen provokativen2Autor wie Sorokin schmeichelhaft sein dürfte, findet er selbst jedoch nur wenige Berührungspunkte zwischen den eigenen Texten und denen de Sades3. Ein Vergleich dieser beiden Autoren scheint nichtsdestotrotz in vielerlei Hinsicht ergiebig. Nicht zuletzt auch, weil die Epochen, die diese beiden Schriftsteller geprägt haben, einige, wenn auch nicht auf den ersten Blick offensichtliche, Parallelen aufweisen, was dazu führt, dass sich auch in den Texten der beiden Autoren ähnliche Strukturen und Verfahren, unter anderem in der Funktionsweise des Ekelhaften, finden lassen. Der Marquis de Sade wurde geprägt von der Philosophie der Aufklärung und der Ästhetik der klassizistischen Kunst, die beide ganz deutliche Spuren in seinen Texten hinterlassen haben, während Vladimir Sorokin ein Kind des sozialistischen Russland ist und mit dem Stil und den Ideen des sozialistischen Realismus groß wurde. Eine der größten Gemeinsamkeiten zwischen dem Zeitalter der Aufklärung und dem des Sozialismus ist die Idee des Vorrangs der Interessen der Gesellschaft vor denen des Individuums, was auch ganz deutlich in den Ästhetiken dieser beiden Epochen zum Ausdruck kommt. Sowohl der Marquis de Sade als auch Sorokin brechen in ihren Texten das in ihrer Epoche gültige Diktat der abstrakten Gesellschaft über das Individuum auf, wodurch ihre Werke in einem großen Ausmaß provokativ wirken. Eines der Verfahren die sie dabei anwenden, ist die Darstellung des Ekelhaften, wobei das den Text rezipierende Individuum sich selbst im konkreten Gefühl des Ekels, unabhängig von der abstrakten Gesellschaft, als solches wahrnehmen kann.
In seinem, in dieser Arbeit untersuchten, unvollendeten Episodenroman “Les cent vingt journées de Sodome”4, vermutlich im Jahre 1785 geschrieben, entwirft de Sade das ehrgeizige Projekt, alle bekannten perversen Leidenschaften in Form von kurzen Episoden zu schildern, wozu das Sujet von 120 Tagen auf einem abgelegenen Schloss in den Schweizer Bergen dienen soll. Dieser
1z.B. http ://www.proza.ru/texts/2000/10/18-28-e-01.html http ://www.svoboda.org/programs/rq/2002/rq.012402.asp
2Wobei Sorokin selbst sich nicht als provokativ sehen möchte. Er behauptet, beim Schreiben seiner Texte in keinem Augenblick den Rezipienten und seine Reaktionen im Blick zu haben.
siehe dazu z.B. ein Interview mit ihm in Laird, Sally : Voices of Russian Literature. Interviews with Ten Contemporary Writers. New York. 1999. S. 153-162.
3z.B. http ://www.inopressa.ru/sueddeutsche/2003/10/14/12 :18 :44/arc :sueddeutsche :culture
4Sade, Marquis de : “Les cent vingt journées de Sodome”. S. 11-451. In : Ders. Oevres complètes. Bnd. 1. Évreux. 1986.
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Katalog der Abarten enthält genauso wie die in den Jahren von 1979 bis 1984 entstandene Erzählsammlung “Der erste Subbotnik”5(“Pervyj subbotnik”) von Vladimir Sorokin ein großes Übermaß an potentiell Ekelhaftem. Wie man sehen kann, entstanden die beiden Werke zu einer Zeit, als die jeweilige Epoche ihren Zenit bereits überschritten hatte und Möglichkeiten zur eigenen Demontage bot.