Elisabeth von England (Das Werden einer Königin) - Gertrude Aretz - E-Book

Elisabeth von England (Das Werden einer Königin) E-Book

Gertrude Aretz

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Beschreibung

In "Elisabeth von England (Das Werden einer Königin)" schafft Gertrude Aretz eine fesselnde Biografie, die das Leben und die Herrschaft von Elisabeth I. von England eingehend beleuchtet. Durch ihren prägnanten literarischen Stil kombiniert Aretz gründliche historische Recherche mit lebendigen Erzählungen, die die Komplexität von Elisabets Charakter und den politischen Herausforderungen ihrer Zeit skizzieren. Die Autorin verknüpft den historischen Kontext mit psychologischen Einsichten und lässt die Leserschaft sowohl in die Machtspiele des 16. Jahrhunderts als auch in die innere Welt einer der bedeutendsten Monarchinnen eintauchen. Gertrude Aretz ist eine renommierte Historikerin und Biografin, die sich auf die Erforschung der Tudor-Dynastie spezialisiert hat. Ihre Faszination für die Politik und Persönlichkeit Elisabets sowie ihre Kenntnisse über das feudale England bilden das Fundament dieser eindrucksvollen Darstellung. Aretz' Zugang zu historischen Dokumenten und Korrespondenzen ermöglicht ihr, die oft übersehenen Facetten der Königin zu enthüllen, die sie zu einer Schlüsselfigur der englischen Geschichte machen. Dieses Buch ist für all jene zu empfehlen, die sich für die Geschichte Englands und die Rolle von Frauen in Machtpositionen interessieren. Aretz gelingt es, das faszinierende Bild einer Monarchin zu zeichnen, die in einer von Männern dominierten Welt nicht nur überlebte, sondern auch triumphierte. Eine ausdrucksstarke Lektüre, die sowohl Historiker als auch Allgemeininteressierte anspricht.

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Veröffentlichungsjahr: 2023

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Gertrude Aretz

Elisabeth von England (Das Werden einer Königin)

Elisabeth I. - Lebensgeschichte der jungfräulichen Königin
 
EAN 8596547744092
DigiCat, 2023 Contact: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Prolog
Erstes Kapitel. Heinrich VIII. und Anna Boleyn
Zweites Kapitel. Kinderjahre
Drittes Kapitel. Erste Heiratspläne
Viertes Kapitel. Gefahren und Versuchungen
Fünftes Kapitel. Die Wandlung
Sechstes Kapitel. Der Tod des jungen Königs
Siebentes Kapitel. Am Hofe der Spinne
Achtes Kapitel. Die Verschwörung
Neuntes Kapitel. Im Tower
Zehntes Kapitel. Die »ehrenvolle« Haft
Elftes Kapitel. Philipp
Zwölftes Kapitel. Langsame Versöhnung
Dreizehntes Kapitel. Neue Gefahren in Hatfield
Vierzehntes Kapitel. Verschwörer und Freier
Fünfzehntes Kapitel. An den Stufen des Thrones

Prolog

Inhaltsverzeichnis

Im November 1558 läuteten die Glocken von St. James eine blutige Zeit zu Ende. Maria Tudor, die Katholische, hatte ihre fünfjährige grausame Regierung beendet. Es war ein harter Kampf zwischen Katholiken und Protestanten gewesen. Dreihundert Protestanten ließen, während Maria auf dem englischen Throne saß, ihr Leben auf den Scheiterhaufen von Smithfield. Sie starben für ihren neuen Glauben. Viele andere traf das Beil des Henkers, der Marterpfahl oder die Kerker des Tower. Der Tochter Heinrichs VIII., aus seiner Ehe mit Katharina von Aragon, war es gelungen, das Staatsruder in die seit zwanzig Jahren verlassenen Bahnen der katholischen Herrschaft zurückzulenken. Mit schroffer Hand, allen Gegnerschaften zum Trotz, hatte sie es verstanden, sich zu behaupten. Jetzt aber, am Tage ihres Todes, vergaßen Katholiken und Protestanten, daß sie Feinde waren. Alle atmeten auf in dem einen Gedanken: Königin Mary ist tot! Ein langer, furchtbarer Traum war zu Ende! Und auf das Sterbegeläut folgten die jubelnden Glocken, die das stark protestantisch empfindende englische Volk aufforderten, vor einer neuen, jungen Königin das Knie zu beugen und ihr zu huldigen.

Die junge Herrscherin war Elisabeth, die Stiefschwester der Verstorbenen – und ihre Gegnerin. Zu dieser Gegnerschaft wurde der Keim bereits in der Kindheit in Elisabeths Herz gelegt, teils durch die vielgefährdete und beispiellos schwierige Lage, in der sie sich der eifer- und rachsüchtigen Schwester gegenüber befand, teils durch die kirchlichreligiösen Spannungen Englands überhaupt.

Sowohl Maria als auch Elisabeth durchliefen eine harte Schule des Lebens. Ihre Kindheit und Jugend im Hause des gemeinsamen Vaters war reich an grausigen Geschehnissen. Maria Tudors Stolz wurde viele Jahre auf eine harte Probe gestellt. Heinrich VIII. ließ seine Frauen, wenn sie ihm unbequem wurden, entweder hinrichten oder er verstieß sie. Marias spanische Mutter erlitt das immerhin weniger grausame Schicksal. Sie wurde verstoßen. An ihrer Stelle erkor Heinrich eine junge, reizende Engländerin, die spätere Mutter seiner Tochter Elisabeth, Anna Boleyn. Sie endete auf dem Schafott.

Das Kind, dem Anna das Leben gab, war bestimmt, England einst zu Größe und Selbständigkeit zu führen. Aber der Weg bis zu dieser Höhe erwies sich für Elisabeth als gefahrvoll und schlüpfrig. In ihrem jungen Leben waren Hinrichtungen und Folterungen an der Tagesordnung. Lieblosigkeit, Verstellung, Intrigen, Lüge, Verrat, die stetige Angst vor einem grausamen Tode formten frühzeitig ihren Charakter zu jener diplomatischen, ausweichenden, abwartenden, ungemein überlegenen Kunst des Handelns und Wirkens als echtes Kind ihrer Zeit. Kaum dreijährig, sieht Elisabeth sich der Mutter beraubt. Man gibt sich keine Mühe, vor ihr zu verbergen, welche Todesart Anna Boleyn erlitten hat. Durch Feuer und Eisen muß Elisabeth gehen. Ein Schauder erfaßt einen, wenn man an ihre gefahrvolle Jugend denkt, und bewundernd sieht man, wie sie immer wieder die Oberhand behält. Wie sie ihr wildes Tudortemperament bezwingt, ihren unbändigen Stolz und den aufbrausenden Geist niederdrückt – bis auch an sie die Reihe kommt, unumschränkt herrschen zu können. Wundervoll die Kühle ihres Denkens und Tuns in der größten Gefahr. Außergewöhnlich das starke Persönlichkeitsgefühl. Aber erschreckend die frühe Beherrschung und Verstellung ihres wahren Charakters, ihres glühenden Empfindens in Haß und Liebe, ihres ehrgeizigen Strebens nach Ruhm und Macht. Die jugendliche Elisabeth schreitet zielbewußt auf ihrem Weg, ohne sich den Anschein zu geben, etwas anderes zu wünschen, als was die göttliche Vorsehung ihr in den Schoß wirft. Sie hat sich so in der Gewalt, daß sie auch vor der drohenden Gefahr eines frühen gewaltsamen Todes ihre Kaltblütigkeit nicht verliert. Als sie, zwanzigjährig, auf Befehl ihrer Schwester in Wind und Regen im offenen Boot über die Themse in den Tower geschleppt wird und nahe daran ist, daß auch sie, gleich ihrer Mutter, das Schafott besteigen muß, da hat sie in äußerlich kühler Haltung nur den einen Wunsch: nicht auf englische Art, mit dem Beil, sondern, wie es in Frankreich Sitte sei, mit dem Schwert geköpft zu werden. Sie will auf ritterliche Weise sterben. Damals glaubt keiner in ihrer Umgebung, daß für sie noch einmal die Sonne scheinen werde. Aber ihre Klugheit und eine merkwürdige Macht, die sie oft über Menschen gewinnt, bei denen man eine Beeinflussung von ihrer Seite am wenigsten vermuten kann, retten sie. Als Elisabeth in ihrer herben Jugend vor den Staatsräten in Hampton Court steht, um gegen die Anklage der Beteiligung an Wyatts Verschwörung mit einer Klarheit des Verstandes und raffiniertester Berechnung zu protestieren, da erweicht sie nicht nur das harte Herz ihres strengsten Richters, des Königs Philipp, sondern sie erweckt in ihm auch als Frau Bewunderung. Von diesem Augenblick an steht Elisabeth in ihres Schwagers Gunst. Doch der Grimm der langsam hinsiechenden Königin Mary verstärkt sich, je sichtbarer alle Hoffnungen und Huldigungen sich Elisabeth zuwenden. Nichts indes verrät in der Haltung der jungen zukünftigen Königin von England den nahen Triumph. Sie läßt niemand in ihre Seele schauen. Nur einem einzigen wagt sie zu vertrauen. Schon steht der Freund an ihrer Seite: Sir William Cecil, der klügste der Staatsmänner des elisabethanischen Englands.

Als endlich Maria 1558 die Augen schließt, ist für Elisabeth alle Qual, alle Angst, aller Schrecken zu Ende. Sie ist frei! Die fünfundzwanzigjährige Elisabeth dankt bei ihrer Thronbesteigung nur Gott allein für die glückliche Befreiung aus dem »Netz der Spinne«.

Erstes Kapitel. Heinrich VIII. und Anna Boleyn

Inhaltsverzeichnis

Vielleicht war Elisabeths Geburt bereits der Auftakt zu dem tragischen Ende ihrer Mutter. Heinrich VIII. hatte den Erben seines Thrones erwartet. Eine Tochter wurde ihm an seiner Statt am 7. September 1533 in Greenwich geboren. Trotz des maßlosen Jubels der Londoner Bevölkerung, trotz der pompösen Tauffeierlichkeiten, die monatelang darauf folgten, war die Geburt dieses Kindes eine gewisse Enttäuschung für Heinrich. Die schöne Anna Boleyn hatte seine Hoffnungen nicht erfüllt, wenn auch die Aussicht bestand, daß sie später ein zweites Kind, einen Sohn, zur Welt bringen könne. Er hätte aber gerade in dem ersten Kind der geliebten Frau gern den Träger seiner Dynastie gesehen. Hatte er nicht hart genug darum gerungen? Um Anna auf den englischen Thron zu setzen, hatte es Heinrich auf den Bruch mit Rom ankommen lassen und seine zwanzigjährige Ehe mit Katharina von Aragon eigenmächtig geschieden. In Westminster ließ er die neue junge Königin krönen, was keiner Frau nach ihr wieder geschah. Annas bezaubernde Jugend, ihr heißes Temperament, ihre dunklen Augen, ihre unvergleichliche Schönheit berauschten Heinrich. Sechs Jahre kämpfte er um sie, ehe er sie zu sich erheben konnte. Und dann erlebte sie doch nur ein relativ kurzes Glück an seiner Seite. Ehe sie seinem Begehren nachgab, hatte er versichert, sie »aufrichtig zu lieben und zu ehren und ihr immerdar zu dienen«. Das schrieb er ihr. »Ich beschwöre Euch«, bat er flehentlich, »in diesem selben festen und beständigen Vorsatz zu beharren, und ich versichere Euch, daß ich meinerseits es Euch nicht nur geziemend vergelten, sondern Euch womöglich noch an Treue des Herzens übertreffen werde.«

2. Anna Boleyn, Mutter der Königin Elisabeth Stich nach einem Gemälde von Holbein

Die junge Hofdame der Königin forderte eine hohe Gegenleistung. 1526 wurde Anna Boleyn Heinrichs Geliebte unter der Bedingung, daß er sich von Katharina scheiden lasse. Heinrich selbst wünschte es. Er brauchte einen Erben. Von der jungen schönen Anna, die er liebte, hoffte er ihn zu bekommen. Der Preis ihrer Gunst sollte die englische Krone sein. Zäh verfolgte Anna ihren Plan. Endlich, am 25. Januar 1533, erreichte sie ihr Ziel, nachdem Heinrich einen jahrelangen, hartnäckigen Kampf mit dem Papst geführt hatte. Die römische Kirche lehnte es ab, auf die unzulänglichen Gründe hin die Scheidung über seine erste Ehe auszusprechen. Er aber hielt fest an dem Versprechen, das er der Geliebten gegeben. Er schuf die englische Hochkirche! Der Bruch mit Rom war endgültig. Er brauchte bald weder Dispens noch Einwilligung des Papstes mehr, um seine neue Königin zum Throne zu führen.

Und doch war es noch zu früh, um alles öffentlich geschehen zu lassen. Ganz im Geheimen fand im Schloß York, dem heutigen Whitehall, die Trauung Heinrichs mit Anna Boleyn statt. Es war Eile geboten. Sie war guter Hoffnung. Sie trug das Kind unter dem Herzen, das einst bestimmt war, Englands größte Königin zu werden. Es waren nur drei Zeugen bei der Trauung anwesend. Rowland Lee, Bischof von Lichfield, traute das Paar im guten Glauben, denn der König hatte ihm die Versicherung gegeben, er habe endlich vom Papst Dispens und die Auflösung seiner ersten Ehe erlangt. Nur wolle er vorläufig alles Aufsehen um dieses Ereignis vermeiden. Deshalb müsse die Trauung in aller Stille vollzogen werden. Und so geschah es. Erst vier Monate später, im Mai desselben Jahres, wurde Heinrichs Ehe mit Katharina von Aragon für nichtig erklärt, aber nicht durch den Papst, sondern durch Heinrichs Willkür, als Oberhaupt der neuen Hochkirche, zu dem er sich aber offiziell erst im Jahre 1534 erklärt. Der kürzlich vom Papst zum Erzbischof von Canterbury erhobene Thomas Cranmer ist die Haupttriebfeder der ganzen Intrige und sein Stellvertreter.

Im Juni darauf wird Anna Boleyn gekrönt mit allem Pomp, der in England bei derartigen Ereignissen, an denen das ganze Volk teilnimmt, üblich ist. Nun ist sie anerkannte Königin. Bald steht das Ereignis bevor, das Heinrichs sehnlichsten Wunsch erfüllen soll. Es ist eine Tochter, kein Sohn! Heinrichs Leidenschaft für Anna scheint von diesem Augenblick an im Verblassen. Neue Liebesabenteuer des Königs rufen heftige Auseinandersetzungen zwischen ihm und ihr hervor. Sie liebt ihn. Sie will sich ihn nicht entreißen lassen. Ihr beleidigter Stolz, ihr heißes Temperament reißen sie zu Szenen hin. Er bedeutet ihr brutal, sie solle sich nicht in seine Privatangelegenheiten mischen. Sie solle bedenken, was sie gewesen sei. Trotzdem sie jetzt Königin sei, könne er sie wieder in die Tiefe, in das Nichts stürzen. Anna schäumt. Eine ihrer jungen Hofdamen erregt besonders ihre Eifersucht. Sie weiß, was ihr bevorsteht. Wie ihre eigene Jugend über die ältliche Katharina von Aragon einst triumphierte, so wird jetzt Jane Seymours Schönheit die noch junge Anna von des Königs Seite verdrängen und sich den Platz an der Sonne sichern. Heinrich wirft die Frauen weg, wenn er sie satt hat, wenn ein neues Abenteuer, neue Liebesleidenschaft lockt. Ihm wird es auch diesmal nicht schwer werden, einen Grund zu finden, um Anna Boleyn, seine Königin, loszuwerden. Es sind gewisse Leute um ihn, die längst Anna ihr Glück neiden. Verrat und Mißgunst erfassen den günstigen Augenblick und kommen dem König in seinen Absichten entgegen. Nichts wird leichter und schneller wahrgenommen als das vergehende Interesse eines Mannes für eine Frau. Haß, Neid, Ehrgeiz bemächtigen sich des nur noch an einem Faden hängenden Glücks. Es ist jetzt nicht mehr schwer, es ganz zu zerstören.

So skrupellos Heinrich selbst in Liebesangelegenheiten ist, er duldet nicht, daß die Frauen ihn betrügen. Der leiseste Verdacht kann ihm genügen oder zum Vorwand dienen, ein junges Leben zu verderben, das ihm im Wege steht. Frivolität und Ungebundenheit bei Frauen liebt er nur, so lange sie seinem persönlichen Vergnügen dienen, ihn ergötzen. Erfahrung und seine eigenen Gelüste machen ihn mißtrauisch und ungläubig. Es bedarf keiner großen Beweise, Heinrich von der Untreue und den Ausschweifungen einer Frau zu überzeugen. Sein Hof ist nicht dazu angetan, aus den Frauen, die in seiner Sphäre leben, unantastbare Wesen zu machen. Liebesverhältnisse verheirateter Frauen sind keine Ausnahme. Die Männer sind hemmungslos im Lebensgenuß, auch eine Königin ist für sie nicht unerreichbar. Intrige und Böswilligkeit sind Heinrich bereitwillige Helfer, das Glück der jungen Königin an seiner Seite zu untergraben. Er schenkt den Einflüsterungen nur zu gern Gehör, denn schon ist Anna ihm für seine Liebe zu Jane Seymour unbequem. Was ihm einst an Anna gefiel: ihre Koketterie, ihr leichtes, fast französisches Temperament, ihre fröhliche Ausgelassenheit, stößt ihn plötzlich ab. Er findet sie oberflächlich, keck. Er findet die Ansicht der Feinde Annas bestätigt, daß die Königin sich ihrer Würde nicht bewußt sei und allzu viel Frivolität an den Tag lege. Er sieht ihre entzückende Schönheit nicht mehr, ihre Jugend gilt ihm nichts mehr – sie ist jetzt 28 Jahre alt! Sein Interesse für Anna ist erloschen. Bald legen sich die Höflinge, als sie merken, daß der Einfluß der Königin auf ihren Gemahl von Tag zu Tag geringer wird, keinen Zwang mehr auf. Unumwunden sprechen sie zu Heinrich von dem zügellosen Leben, das Anna vor und während ihrer Ehe mit ihm geführt hat. Der intrigante Thomas Cromwell, des Königs Geheimsiegelbewahrer, besonders tut alles, um Anna zu vernichten. Die so schnell zu Ruhm und Glanz Gelangte hat böse Feinde. Manchem am Hofe hat sie den Einfluß auf den König geschmälert, manchem hat sie die Staatskarriere verdorben. Die Katholischfühlenden hat sie mit Arroganz und Hochmut behandelt. Jetzt rächen sich besonders die, die sich durch den Protestantismus der Königin beleidigt sehen und ihre Übermacht fürchten. Kein Mittel ist Annas Feinden zu schlecht, um ihr Heinrichs völlige Ungnade zu verschaffen. Man geht so weit, sie der Blutschande mit ihrem Bruder, Lord Rochfort zu beschuldigen. Heinrich glaubt es, ohne Beweise dafür zu haben. Fünf andere Männer werden genannt, denen die Königin ihre Gunst schenkte. Bei zweien scheint der Beweis augenscheinlich. Der Sänger und Tänzer Mac Smeaton und Lord Norris. Beide kommen in den Tower. Alle erwartet das Schafott. Bis zum Tode leugnet Lord Norris als echter Ritter jede Schuld Annas. Der Tänzer allein gesteht einiges, um der qualvollen Folter zu entgehen. Man weiß nicht, ob er in seiner Todesangst die Wahrheit spricht. Aber auch ihm nützt das Geständnis nichts. Auch ihn trifft des Henkers Beil.

Die Renaissancemenschen setzen ihren Leidenschaften selten Schranken. Heinrich genügen diese Sühneopfer zweier Menschenleben nicht. Sein Herz sinnt auf noch mehr Rache. Anna Boleyn, die er zur Königin hat krönen lassen, hat ihm in den Augen der Welt die Schande des Ehebruchs angetan. Sie hat sich in seinen Augen als Dirne benommen. Dafür muß sie büßen. Seine erste Frau hat er verstoßen, weil er einen Sohn wünschte, sie ihm aber ein Mädchen gebar. Er hat sie verstoßen, weil sie ihm nicht mehr gefiel, weil sie alt wurde. Die zweite, kokett, genußsüchtig, schön und jung, gefällt ihm vielleicht in seinem Innern noch, aber auch sie hat ihm nicht den von Wahrsagern prophezeiten Thronerben geschenkt. Es muß eine andere sein, die das Orakel erfüllt. Er will und kann aber Anna nicht ihrem Leben der Freude und des Genusses überlassen. Wohl hat er ihre Liebhaber beseitigt; sie wird sich andere nehmen, wenn Heinrich sich von ihr scheiden ließe. Daher muß Anna sterben. Anfangs zwar gibt es zwischen den furchtbaren Szenen des Königs und der Königin immer wieder Versöhnung. Anna ist Heinrichs größte Liebe gewesen. Immer wieder versteht sie es, ihn an sich zu ziehen, bis ihr Schicksal um so sicherer entschieden ist, als sie fast drei Jahre nach der Geburt ihrer Tochter Elisabeth, am 29. Januar 1536, einen toten Knaben zur Welt bringt. Damit sieht Heinrich die Hoffnung auf einen Thronerben vernichtet. Er will Anna nicht mehr. Sie hat ihn doppelt enttäuscht.

Am 2. Mai, nur wenige Monate nach dem unheilvollen Ereignis, verkünden die Kanonen des Tower, daß man das Tor der großen Staatsverräter öffnen wird, um es hinter einer sehr hohen Persönlichkeit wieder zu schließen. Von der Themse her ist in heimlicher Nacht ein Boot gekommen. An Bord befindet sich die unglückliche Königin, die für immer die Ungnade ihres Herrn und Gemahls getroffen hat. Es nützt ihr nichts, daß sie hoch und heilig ihre Unschuld beteuert. Es nützt ihr nichts, daß sie an Heinrich schreibt: »Niemals hatte ein Fürst eine Frau, die ihre Pflichten treuer und in größerer Liebe erfüllte, als Anna Boleyn.« Heinrich beachtet diesen Brief kaum. Eine neue Leidenschaft hält ihn gefangen. Er hat keine Zeit, kein Interesse, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Er hat nur Auge und Ohr für Jane Seymour. Mit ihr feiert er rauschende Feste, mit ihr hält er tolle Gelage, erlebt er neue Liebe, einen neuen Rausch, während Anna Boleyn im Kerker des Tower auf den Knien liegt und heiße Gebete zu Gott schickt. Während sie in finsteren, schauerlichen Nächten zu Tode verwundet schluchzt, Gott möge sie erhören und des Königs Herz erweichen. Es ist nicht möglich, daß er sie, die er geliebt, so jung, fallen lasse, daß er sie dem Henker ausliefern werde. Umsonst! Das Todesurteil wird wenige Tage später gesprochen, ohne Anna Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu verteidigen. Als man sie am 19. Mai zur Richtstätte führt, ist sie gefaßt. Sie geht aufrecht in einem tiefausgeschnittenen schwarzen Kleid, das ihr todbleiches Gesicht nur noch mehr hervorhebt. Sie hat dieses Kleid angelegt, damit dem Henker erspart bleibe, ihr die modische steife Halskrause mit der Schere aufzuschneiden.

Nachdem sie alle, denen sie Unrecht getan, um Verzeihung gebeten hat – auch für Heinrich betet sie zu Gott – fällt das schöne Haupt Elisabeths Mutter unter dem Beil. Gleich nach der Hinrichtung spricht derselbe Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, der sich einst am eifrigsten um die Scheidung Heinrichs von Katharina von Aragon bemühte, jetzt die Nichtigkeitserklärung der Ehe des Königs mit Anna Boleyn aus. Und damit macht er sein Patenkind, Prinzessin Elisabeth, rechtlos, zum Bastard! Sie hat nicht nur die Mutter verloren, sondern auf ihr lastet auch der Makel der Illegitimität.

Im Grunde genommen bleibt das Unglück Anna Boleyns für viele ein Rätsel. Manche am Hofe wollen durchaus nicht an die vorgebrachten Gründe glauben. Die Protestanten, deren Beschützerin sie war, zweifeln. Hat sie wirklich die Ehe gebrochen? Oder war alles nur Vorwand von Heinrich, um sie los zu sein? Waren hier Intrigen ihrer Feinde im Spiel? Hatten sich die Katholiken für den Bruch Heinrichs mit Rom an Anna, der Ursache dazu, der glühenden Protestantin, gerächt? Viele Jahre später, als ihre Tochter Elisabeth zur Regierung kam, meldete sich noch einer der Verteidiger der Ehre Annas bei der Königin. Elisabeth erhielt im September 1559 einen Brief des Doktors Alexander Ales, eines angesehenen Protestanten. Als Augenzeuge des Todes ihrer Mutter bezeugte er der Königin: Anna sei das Opfer ihrer Anhängerschaft an die Reformation gewesen. Die Verleumdungen über ihr Privatleben habe man nur als Vorwand gebraucht, um ihren Einfluß auf Heinrichs Kirchenpolitik zu vernichten. In ihrem Innern pflichtete Elisabeth dieser Annahme wohl bei, sie tat indes nichts, um die Ehre ihrer unglücklichen Mutter zu rehabilitieren. Vielleicht wollte sie aus kluger Vorsicht das Vergangene nicht wieder aufstöbern. Vielleicht wären Dinge zum Vorschein gekommen, die die Rechtmäßigkeit ihrer Thronfolge hätten erschüttern können. Aber nicht nur aus diesen Staatsgründen unterließ Elisabeth es, sondern die Erinnerung an ihre Mutter hatte sich in ihrem Herzen nicht befestigen können. Sie war noch zu klein gewesen, um das Furchtbare im Leben Anna Boleyns richtig zu erfassen und nachzuempfinden. Eine Hinrichtung war außerdem eine nicht außergewöhnliche Staatshandlung, von der die damalige Zeit weiter kein Aufhebens machte. Was Elisabeth von der Schönheit und Jugend, von der Liebenswürdigkeit und Beliebtheit Anna Boleyns wußte, erfuhr sie höchstens heimlich von Freunden ihrer Mutter, denn sprechen durfte man in Gegenwart des Kindes nie öffentlich von Anna. Ihren Tod beklagten übrigens wenige. Die meisten wagten nicht, ihr Bedauern zu zeigen. La reine est morte, vive la reine, hätte man an Heinrichs Hofe rufen können, als Anna nicht mehr unter den Lebenden weilte. Die neue Leidenschaft Heinrichs VIII., Jane Seymour, ließ jetzt als zukünftige Königin alles Gewesene vergessen.

Zweites Kapitel. Kinderjahre

Inhaltsverzeichnis

Das Kind Elisabeth, über dessen Taufbecken einst vier Lords einen prächtigen Thronhimmel hielten, dem die Tochter des Herzogs von Norfolk, Maria Howard, den hermelingefütterten rotsamtenen Taufmantel mit der endlosen Schleppe wie den Purpurmantel einer Königin nachtrug, dieses Kind geriet durch die Nichtigkeitserklärung der Ehe und den Tod seiner Mutter nicht nur in eine zweideutige, sondern auch in eine sehr armselige Lage. Wäre Lady Margaret Bryan nicht gewesen, wer weiß, was aus der armen Kleinen geworden wäre. In dieser gutherzigen Dame findet die von ihrem Vater Verstoßene, ebenso wie auch ihre jetzt neunzehnjährige Stiefschwester Maria, eine zweite Mutter und Helferin.

Fern vom Hofe in London, wo mit dem Einzug der neuen Königin Glanz und Freude herrschen, lebt die kleine Prinzessin Elisabeth auf Schloß Hunsdon, ihrer Kinderseele glücklicherweise unbewußt, das Leben einer Mißachteten. Auch Maria verbringt hier ihre bittere, von Scham und Schmerz über das Schicksal ihrer Mutter, Katharinas von Aragon, zerrissene Jugend, in ständiger Auflehnung gegen den Vater und seine »Konkubine«. Nie hat Maria Anna Boleyn anders betitelt. Heinrich VIII. kümmert sich weder um diese noch um die andere Tochter. Die kleine Elisabeth haßt er nicht. Er haßt besonders Maria, die von ihrer spanischen Mutter her Strengkatholische. Er fürchtet ihre anklagenden Augen, ihr ganzes ostentativ zur Schau getragenes Wesen der beleidigten Tochter. Einst hat sie der kleinen Schwester Elisabeth alle Rechte abtreten müssen, sogar ihren Titel Prinzessin von Wales. In Hunsdon oder Hatfield lebt sie seit drei Jahren auf Anna Boleyns Veranlassung als Enterbte, wie eine Gefangene. Solange Elisabeths Mutter lebte, durfte Maria es nicht wagen, an ihren Vater, ja nicht einmal an ihre unglückliche Mutter zu schreiben. Als die Sterbende im Januar 1536 nach ihrem Kinde verlangt, wird der Tochter verboten, ihr Lebewohl zu sagen. So wenig menschliches Gefühl zeigte Heinrich dieser Tochter gegenüber, und Anna Boleyn unterstützte ihn darin.

Nun aber hat das gleiche Unglück Annas eigene, auf so glanzvolle Weise zur Welt gekommene Tochter Elisabeth ereilt. Auch sie ist von ihrem Vater vergessen, entrechtet, allen Glanzes beraubt. In Hunsdon, einer kleinen, armseligen Hofhaltung, unter der Oberaufsicht Lady Bryans, besitzt das Kind kaum das Nötigste. Die Erzieherin muß sich an den allmächtigen Staatssiegelbewahrer, Lord Cromwell, der Anna Boleyn aufs Schafott gebracht hat, wenden, damit er beim König vorstellig werde, der kleinen Prinzessin Kleider und Wäsche zu beschaffen. Lady Bryan weiß nicht einmal, wie und als was sie ihre Schutzbefohlenen nun behandeln soll. »In welchem Verhältnis Mylady Elisabeth jetzt betrachtet werden soll«, schreibt sie, »kenne ich nur vom Hörensagen. Ich weiß auch nicht, wie ich sie und mich oder einen der Leute, die unter mir stehen, das heißt, ihre Wärterinnen und Diener, anzusehen habe. Ich bitte Sie daher, Mylord, um Ihr Wohlwollen für meine Kleine. Ich bitte Sie, ihr ein paar Kleider zukommen zu lassen, denn sie hat weder Wäsche noch Rock, noch Leibchen, noch Unterkleid, noch etwas an Leinenzeug, weder Hemden noch Tücher. Sie besitzt keinen Mantel, kein Häubchen. Ich habe, mit Euer Gnaden Erlaubnis, damit hausgehalten, so lange es ging, aber nun kann ich, auf mein Wort, nicht mehr weiter. Bitte, bitte, Mylord, sehen Sie zu, daß meine Gnaden das Nötige bekommen.«