Enterprise 2.0 und interne Unternehmenskommunikation - René Sternberg - E-Book

Enterprise 2.0 und interne Unternehmenskommunikation E-Book

René Sternberg

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Beschreibung

Das Netz verändert alle und alles: Kommunikation, Verhalten wie auch Organisationen. „Enterprise 2.0 und interne Unternehmenskommunikation“ untersucht den Einsatz von Web 2.0-Anwendungen in Organisationen. Wie stark können die dem Web 2.0 zugrunde liegenden Prinzipien der Teilhabe, Selbstorganisation und Transparenz in Organisationen gelebt werden? Anhand zahlreicher Experteninterviews werden die Möglichkeiten neuer Formen interner Kommunikation dargestellt, die den Informationsfluss, aber vor allem auch Aufmerksamkeit und Resonanz verbessern helfen, so wie es eine Interviewpartnerin treffend beschreibt: „Im Endeffekt haben nachher über 1.000 Menschen diesen Beitrag gelesen. Ich bin auf Platz eins im Voting gekommen und ich habe festgestellt aufgrund der Kommentare, die in dieser Plattform waren, dass ich zum ersten Mal nicht alleine war.“

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Seitenzahl: 501

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SchriftenreiheMobiles Breitband & Digitale Öffentlichkeiten

Herausgegeben von Bernd Holznagel und Klaus Siebenhaar

Band 6

René Sternberg

Enterprise 2.0 und interne Unternehmenskommunikation

Basis dieser Veröffentlichung ist die Dissertation mit dem Titel „Der Einfluss von Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation des sozialen Systems Organisation – Eine empirische Studie über die Bearbeitung der Komplexität in der internen Kommunikation“.

Die Dissertation wurde eingereicht bei der Fakultät für Humanwissenschaften der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und verteidigt am 16.06.2014. Die Gutachter waren Prof.Dr.Eckhard Dittrich und Prof.Dr.Werner Vogd.

1. Auflage 2016

© B&S SIEBENHAAR VERLAG, Berlin/Kassel und beim Autor

Alle Rechte vorbehalten

Satz: Bild1Druck, Berlin

Umschlaggestaltung: Visulabor® Berlin/Leipzig

Umschlagmotiv: © Konstantin Yuganov – Fotolia.com

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2016

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme.

ISBN 978-3-943132-87-8

www.siebenhaar-verlag.de

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

Danksagung

1. Einführung in das Thema der Arbeit

ERSTER TEIL – DIE FORSCHUNGSPERSPEKTIVE

I Zugänge zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit

1. Theoretische Untersuchungsdimension: Das Kommunikationsmodell nach Luhmann

1.1 Verbreitungsmedien – Sprache, Schrift, Buchdruck

1.2 Verbreitungsmedium – Internet

1.3 Zusammenfassung der kommunikationstheoretischen Vorüberlegungen

2. Untersuchungsgegenstand: Enterprise 2.0 in Organisationen

2.1 Social Media, Web 2.0 und Enterprise 2.0

2.2 Enterprise 1.0 versus 2.0

2.3 Verbreitung von Enterprise 2.0

2.4 „direktzu“

2.5 Organisationen

2.6 Enterprise 2.0 und Organisationen

2.7 Systeme auf der Basis von Entscheidungskommunikation

2.8 Die Formalisierung des Informellen und die Informalisierung des Formalen

2.9 Die drei Erfahrungsdimensionen

3. Forschungszugänge: Systemtheoretische Methodologie, qualitative Sozialforschung & Organisationssoziologie

3.1 Systemtheorie und dokumentarische Methode

3.2 Die Gleichzeitigkeit von Stabilität und Flexibilität in Organisationen

3.3 Abgrenzung zur Techniksoziologie und Netzwerkforschung

3.4 Die Forschungsstrategie: Verbindung von Systemtheorie, dokumentarische Methode und Organisationsforschung

II Methodologie des Erhebungs- und Auswertungsverfahrens

1. Einordnung des Forschungsvorhabens

2. Experteninterviews

3. Zur Methodologie der dokumentarischen Methode

3.1 Die Unterscheidung von immanentem und dokumentarischem Sinngehalt

3.2 Beobachtung erster und zweiter Ordnung: vom Was zum Wie

3.3 Grundbegriffe der dokumentarischen Methode

3.4 Die Auswertung mit der dokumentarischen Methode

3.5 Gütekriterien und Kontrolle

3.6 Zusammenfassung: Vorzüge des Auswertungsverfahrens für die Analyse des empirischen Materials

ZWEITER TEIL – DIE EMPIRISCHE UNTERSUCHUNG

III Feldzugang & Sample

1. Zugang zum Untersuchungsfeld

2. Auswahl des Samples

3. Organisationsbeschreibungen

3.1 Organisation ACD

3.2 Organisation Foo

3.3 Organisation Dendo

3.4 Organisation Müller

IV Zur Empirie des Einflusses von Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation

1. Umgang mit transparenter Kommunikation

1.1 Formale versus informelle Kommunikation – die Ausweitung der transparenten, informellen Kommunikation

1.2 Abteilungsübergreifende Kommunikation – Abteilungsübergreifende Transparenz von Kommunikation

1.3 Hierarchische Kommunikation – der Informationsblitz

1.4 Zusammenfassung des Themas Umgang mit transparenter Kommunikation

2. Auswahl des Kommunikationsweges

2.1 Formale versus informelle Kommunikation – Übergang von formaler zu informeller Kommunikation

2.2 Abteilungsübergreifende Kommunikation – die „Gatekeeper“ in der abteilungsübergreifenden Kommunikation

2.3 Hierarchische Kommunikation – die Filter in der dialogischen Kommunikation

2.4 Zusammenfassung des Themas Auswahl des Kommunikationsweges – die Ausbreitung der dialogischen Kommunikation durch die neuen Kommunikationsmedien

3. Regulation von Kommunikation

3.1 Formale versus informelle Kommunikation – der Wandel der Steuerung von schriftlicher Kommunikation

3.2 Abteilungsübergreifende Kommunikation – abteilungsübergreifende Abstimmung und soziale Kontrolle

3.3 Hierarchische Kommunikation – Ausdifferenzierung der Steuerungsmöglichkeiten von Kommunikation und die Abwägung zwischen Chance und Risiko in der offenen Kommunikation

3.4 Zusammenfassung des Themas Regulation von Kommunikation

4. Sinngenetische Typenbildung

4.1 Dialogische Kommunikation bzw. Austausch über Probleme

4.2 Steuerung von Kommunikation

4.3 Einschätzung der Relevanz von Informationen/Problemen

4.4 Effizienz in der Kommunikation bzw. Schnelligkeit bei der Problemlösung

4.5 Abwägung der Möglichkeiten und Gefahren bei transparenter Kommunikation

DRITTER TEIL – DISKUSSION DER ERGEBNISSE

V Zusammenfassung und Ausblick

1. Übersicht über die Entwicklungen in der internen Kommunikation einer Organisation, welche durch Enterprise 2.0 verursacht werden

2. Enterprise 2.0 als Bearbeitungsstrategie für das Problem der Regulation von Anschlusskommunikation

3. Das Ende der Hierarchien?

4. Weiterführende Fragen

VI Fazit

VII Anhang

1. Abbildungsverzeichnis

2. Abkürzungsverzeichnis

3. Beispiel eines Leitfadeninterviews

4. Interviewsequenzen

VIII Literaturverzeichnis

IX Anmerkungen

X Der Autor

B&S Wissenschaft

Danksagung

Zahlreiche Menschen aus meinem Umfeld sowie mein Doktorvater Herr Prof.Dr.Dittrich und mein Zweitgutachter Herr Prof.Dr.

1. Einführung in das Thema der Arbeit

„Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstände, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur zu hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen“ Bertolt Brecht (1932/1967, S.129)1.

Brecht wollte aus dem Distributionsapparat Radio einen Kommunikationsapparat machen, was nie gelang. Im Zeitalter des Internets wird diese Utopie durch die sogenannten sozialen Medien genährt. Konsumenten werden zu Produzenten. In Facebook kommunizierten 2013 über eine Milliarde Menschen2 miteinander und über Twitter monatlich mehr als 200 Millionen3. Pro Minute werden ca. 100 Stunden Videomaterial auf Youtube4 hochgeladen und pro Tag ca. 500 Millionen Fotos ins Netz gestellt sowie geteilt (Meeker/Wu 2013). Die Art und Weise wie Menschen miteinander kommunizieren ändert sich dramatisch. Letztlich wird lediglich ein Internetzugang benötigt, der durch Smartphones theoretisch 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht, um zu kommunizieren.

Die ständige Verfügbarkeit und die Nutzung von Kommunikationsmedien führen zu einer „Explosion von Kommunikationsmöglichkeiten“ (Luhmann 1997, S.302). Dies weckt auch das Interesse von Unternehmen. Die Hoffnungen auf Arbeits- und Kulturveränderungen in Organisationen sind massiv gestiegen (Rossi 2013). Auf die Frage, wie sich die interne Unternehmenskommunikation bei Foo5, einem der untersuchten Unternehmen, ändern wird, antwortete Herr E:

116 

Foo_Herr E: […] also ich sehe ganz klar die Zukunft im Foo Social Network6, ich sehe dass die Dialogwelt draußen auch die Dialogwelt drinnen sein wird, ich sehe dass Unternehmen, […] ganz anders in Zukunft arbeiten werden, viel arbeitsplatzunabhängiger viel kollaborativer viel mehr vernetzt […] also ich glaube dass wir am Anfang äh eines evolutionären Schrittes stehen, der viel schneller gehen wird [als frühere Schritte]

Gestützt wird diese Hoffnung ebenfalls durch eine Untersuchung des McKinsey Global Institute, die im Juli 2012 erschien (vgl. Chui et al. 2012). Diese besagt, dass 70 % der weltweiten Unternehmen mindestens eine soziale Technologie nutzen, wovon 90 % über einen wirtschaftlichen Nutzen berichten. Besonders bei den Wissensarbeitern7 sehen die Autoren Potenziale, die durch die Nutzung von Social Media gehoben werden, da sie jede Woche 28h ihrer Arbeitszeit damit verbringen, E-Mails zu schreiben, Informationen zu suchen und interne Zusammenarbeit zu verwirklichen. Das sogenannte Enterprise 2.0 könnte bei diesen Problemen helfen. Enterprise 2.0 wurde als Begriff von McAfee 2006 geprägt und meint Anwendungen oder Programme, die dabei helfen, die Arbeitspraxis und den Ertrag der Wissensarbeiter transparent zu machen (McAfee 2006, S.23). Der Begriff umschreibt den Einsatz von Web 2.0-Anwendungen innerhalb von Organisationen und den kulturellen Wandel, der durch den Einsatz verursacht wird8.

Die gerade erwähnte Studie von McKinsey kommt zum Schluss, dass die Arbeitsproduktivität der Wissensarbeiter um 20 bis 25 % durch den Einsatz von Enterprise 2.0 steigt. Des Weiteren soll die interne und externe Kollaboration sowie Kommunikation doppelt so effektiv ablaufen. Das gesamte Potenzial der Wertschöpfung wird mit 900 Milliarden bis 1,3 Billionen US-Dollar beziffert (vgl. Chui et al. 2012). Die Studie zeigt eindrucksvoll die Hoffnungen9 in die Entwicklung, die mit der Implementierung von Enterprise 2.0 verbunden sind. Dennoch gibt es auch große Bedenken. Die IT-Analysten von Gartner10 veröffentlichten Anfang 2013 eine viel diskutierte Studie, in der sie bezüglich Enterprise 2.0-Projekte feststellten: „However, Gartner, Inc. estimates that through 2015, 80 percent of social business efforts will not achieve the intended benefits due to inadequate leadership and an overemphasis on technology“ (van der Meulen/Rivera 2013)11. Die Gründe sind demnach, wenig adäquate Führungsmodelle und mangelnde Kenntnis bezüglich der sozialen Aspekte, die beim Einsatz von Enterprise 2.0 eine Rolle spielen. Stefan Pfeiffer, Marketing Lead Social Business für Europa bei der IBM12, konstatierte auf der Cebit 2013 in einem Redebeitrag: „Früher glaubte man, dass man die Technologie nur über den Gartenzaun schmeißen muss und es funktioniert. Heute weiß man, dies wird nicht klappen.“13 Es scheint so, als ob das Potenzial riesig wäre, aber es ist schwer, dieses Potenzial zu erschließen. Woran liegt das?

Bis vor kurzem war die vorherrschende Meinung, dass die Technik hinter den Web 2.0-Anwendungen nicht ausgereift sei, weshalb es eine Frage der Zeit sei, bis die Potenziale ausgeschöpft werden könnten14. Mittlerweile wird immer klarer, wie auch das Zitat von Gartner zeigt, dass die starke Fokussierung auf die technischen Aspekte von Enterprise 2.0 ein Fehler war. „Nicht die Einführung des technischen Systems, sondern der Wandel des, sozialen Systems’ ist letztlich der Maßstab für den betriebswirtschaftlichen Erfolg“ (Buhse 2011). Die Potenziale von Enterprise 2.015 können nur ausgeschöpft werden, wenn sich neben der Technik auch die Kultur der Organisation wandelt (vgl. Rossi 2013; Mc Affee 2006, S.23; Würdemann 2012, S.197 ff; Hinz/Darius 2012, S.255 ff). Wegen dieser Erfahrungen ist die Technik nicht der zentrale Schwerpunkt der vorliegenden empirischen Arbeit. Technik ist lediglich die Basis für eine immer größere orts- und zeitungebunde Kommunikation. Der umfassende Einsatz der Technik erfolgt wahrscheinlich nur, wenn sich die Unternehmenskultur ebenfalls wandelt, weshalb hier die Änderungen der internen Kommunikation im Fokus stehen.

Gerne wird unter dem Begriff Unternehmenskultur 2.0 alles zusammengefasst, was sich durch Enterprise 2.0 ändert oder geändert werden muss (Jäger/Petry 2012). Diese Arbeit will genauer hinter den Begriff Unternehmenskultur 2.0 schauen. Meines Erachtens ist unklar, was sich durch den Einsatz von Enterprise 2.0 in einer Organisation16 ändert und wo die Grenzen dieser Änderungen liegen. Es gibt unzählige offene Fragen, wie: Kommt es durch den Einsatz von Wikis, Blogs und sozialen Plattformen im Unternehmen zu einer selbstorganisierten, bereichs- und hierarchieübergreifenden Kommunikation und Kooperation? Wie viel Wissen wird transparent und damit zugänglich? Wie stark können die dem Web 2.0 zugrunde liegenden Prinzipien der Teilhabe, Selbstorganisation und Transparenz in Organisationen gelebt werden?

In der vorliegenden Studie liefert die Auswertung von 27 Experteninterviews, die in vier Organisationen durchgeführt wurden, Antworten auf die aufgeworfenen Fragen. Eine grundsätzliche Erkenntnis ist, dass die informelle Kommunikation, die bisher beim Kaffeeautomaten oder beim Mittag in der Mensa getätigt wurde, nun zusätzlich in den Web 2.0-Anwendungen für alle einsehbar stattfindet. Diese transparente Kommunikation schafft einerseits neue Probleme und bietet andererseits Möglichkeiten. Das zentrale Problem ist die Informationsüberflutung, die durch die transparente Kommunikation in den Web 2.0-Anwendungen verstärkt wird. Außerdem ist ein Kontrollverlust über Kommunikationswege festzustellen. Möglichkeiten sind beispielsweise das kommunikative Durchbrechen von Grenzen zwischen den Hierarchieebenen und Abteilungen, wodurch Probleme gelöst werden, die bisher nicht angegangen wurden. Frau D dazu:

Abb. 1: Mitarbeiter beobachtet die informelle Kommunikation am PC (CC Martin Springer)

163 

Dendo_Frau D: also nur noch mal abschließend, ich fand dieses „direktzu“17 so toll, weil ich wirklich nach Monaten wo ich von jedem gehört habe ja das ist halt so und das wird sich in dieser Firma anscheinend nicht ändern und damit müssen wir leben und ja Italien antwortet nicht und dass ich wirklich nach nach Monaten .. wo ich mit diesem Problem gekämpft habe, eine so direkte tolle Antwort bekommen habe, die auch eine Reaktion ausgelöst hat […] und ich ich für mich empfinde da schon gewissen Stolz, etwas in dieser Firma bewirkt zu haben …. […]

Frau D konnte durch das Nutzen der Web 2.0-Anwendung „direktzu“ die Lösung eines Problems anschieben. Sie wurde durch die Antwort des CEO in der Anwendung ermöglicht, da sie eine abteilungsübergreifende Lösungserarbeitung auslöste. Weitere von Enterprise 2.0 verursachte Möglichkeiten, die im Laufe der empirischen Auswertung der Arbeit aufgezeigt werden, sind beispielsweise die Änderung des Flusses von Informationen. Mehr Informationen gelangen von unten nach oben, wodurch Entscheidungen auf der Grundlage einer breiteren Informationsbasis getroffen werden. Oder, die Änderung der Steuerungsmöglichkeiten von Kommunikation, da auf der einen Seite das klassische Blockieren von Informationen nicht mehr so leicht möglich ist, aber auf der anderen Seite neue Möglichkeiten der Steuerung entstehen. Die Einstelloptionen der Anwendungen sind beispielsweise eine mächtige neue Quelle der Steuerung.

Durch die Bearbeitung, Überprüfung und Erweiterung folgender Forschungsfrage lassen sich meines Erachtens diese und weitere Entwicklungen im Zusammenhang mit Enterprise 2.0 aufzeigen: Welchen Einfluss hat Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation einer Organisation? Die Änderungen in der internen Kommunikation stehen demnach im Fokus des Interesses. Da durch Enterprise 2.0 besonders die transparente informelle Kommunikation zunimmt, kann die interne Kommunikation nur angemessen analysiert werden, wenn neben der formalen auch die informelle Kommunikation im Fokus steht. Formale Kommunikationen verdeutlichen Strukturen und Prozesse, die leicht beobachtet und erfasst werden können. Dazu gehören die Hierarchien einer Organisation, die Unternehmensziele, die formalisierten Verhaltens- und Kommunikationsregeln. Letztlich sind dies strukturelle Vorgaben oder offizielle Regeln, die an die Mitarbeiter und ihr Handeln herangetragen werden. Informelle Kommunikation wird transparent bei internen Prozessen, die oft mit inoffiziellen Regeln umschrieben werden (vgl. Kühl 2012 S.68 ff). Diese Prozesse können nur schwer beobachtet werden18, da Mitarbeiter zwar ihr tägliches Handeln unter anderen an inoffiziellen Regeln orientieren, ihnen dies aber oft nicht bewusst ist.

Bisher wurde der Einfluss von Enterprise 2.0 auf Organisationen im Allgemeinen aus verschiedenen Perspektiven analysiert. Dazu gehören die wissenschaftlichen Untersuchungen von Petry und Schreckenbach (2012 u. 2013), welche eher quantitativ orientiert erforschten, wie weit sich Enterprise 2.0 bisher ausbreitete und welche Änderungen von den Mitarbeitern registriert werden. Ähnliche eher arbeitspraktische und quantitativ orientierte Studien wurden von Wirtschaftsinstituten und Unternehmensberatungen durchgeführt. Beispiele sind Bitkom, die sich mit dem „Einsatz und [den] Potenziale[n] von Social Business für ITK-Unternehmen“ beschäftigten (Bitkom 2013) und die Studie „Enterprise 2.0 study“, die von der europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde (Europäische Kommission 2010). Die bisher erwähnten Arbeiten werden in der vorliegenden Studie als Grundlage für Begriffsdefinitionen und für die Verdeutlichung der Relevanz des Themas verwendet. Diese Arbeit dient im Gegensatz zu den quantitativ ausgerichteten Studien nicht dazu, um den Umfang der Nutzung von Enterprise 2.0 zu erfassen. Stattdessen steht der Wandel der internen Kommunikation im Mittelpunkt, welcher durch Enterprise 2.0 verursacht wird.

Weitere relevante Forschungsarbeiten im Bereich des Enterprise 2.0 wurden über das Wissensmanagement geschrieben. Der Wissenstransfer stand bei der Dissertation von Goertz (2011) im Mittelpunkt, der sich besonders für das Verhalten bei der Suche nach Informationen im Unternehmenskontext interessierte. Er stellte fest, dass die Potenziale von Web 2.0-Anwendungen als Quelle von Informationen bisher unzureichend genutzt werden. In einer Studie des Lehrstuhls für Innovationsmanagement und Entrepreneurship der Universität Potsdam wurde die Steuerung des impliziten Wissenstransfers im Enterprise 2.0 analysiert (vgl. Hölzle et al. 2013). Zentrale Ergebnisse sind, dass die Prämisse „Wissen ist zum Teilen da“ in vielen Unternehmensgrundsätzen (54 %) verankert, aber die Umsetzung durch erhebliche kulturelle Barrieren bisher mangelhaft ist (73 %). Enterprise 2.0 werde oft als isoliertes Projekt betrachtet und nach der technischen Implementierung nicht kontinuierlich unterstützt. Auch die in der Wirtschaftsinformatik zu verortende Arbeit von Stocker und Tochtermann (2010) beschäftigt sich mit Wissenstransfer beim Nutzen von Wikis und Weblogs, die zum Austausch vom expliziten Wissen genutzt werden. Die Autoren attestieren der Nutzung von Enterprise 2.0 ein großes Potenzial, welches jedoch bisher unzureichend ausgeschöpft wird. Das Nutzen von Wiki und Weblog erfordere eine Abkehr von gewohnten Nutzungspraktiken und eine Einbettung in einen definierten Business-Case (vgl. Stocker/Tochtermann 2010, S. VIII).

In der vorliegenden Arbeit liegt der Fokus nicht beim Wissensmanagement, sondern bei der internen Kommunikation, die sich durch Enterprise 2.0 wandelt. Beide Bereiche sind nicht klar voneinander abgrenzbar, da die Kommunikation die Grundlage des Wissensmanagements ist. Die Arbeiten zum Wissensmanagement wurden genutzt, um Anregungen für die Erstellung des in diesem Projekt genutzten Fragebogens zu erhalten und um potenzielle Themenbereiche zu identifizieren, die reichhaltige Einsichten versprechen.

Inhaltliche Überlegungen wurden von folgenden Arbeiten besonders beeinflusst: Funken/Schulz-Schäffer veröffentlichten einen Sammelband zur Digitalisierung der Arbeitswelt. Dort beschäftigten sie sich mit der Neuordnung formaler und informeller Prozesse in Unternehmen. Die Autoren untersuchten die Auswirkungen von Enterprise 1.0 auf formale und informelle Prozesse und Strukturen (vgl. 2008). Diese stehen in einem komplexen Wechselverhältnis von Formalität und Informalität zueinander. Die Autoren stellen bezüglich des Einsatzes von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien fest:

„Auf der einen Seite lassen sich Arbeitstätigkeiten und Arbeitsabläufe mit den Mitteln heutiger Informations- und Kommunikationstechniken – auch über räumliche und zeitliche Distanzen hinweg – rigider vorstrukturieren, umfassender steuern und lückenloser überwachen. Auf der anderen Seite bilden diese Techniken eine infrastrukturelle Voraussetzung für dezentrale, kompetenzorientierte und weniger hierarchisch vorstrukturierte Formen der Arbeitsorganisation und begünstigen entsprechende Entwicklungen“ (Funken/Schulz-Schäffer 2008; S.21).

Das Wechselverhältnis zwischen Formalität und Informalität rückt in dieser Arbeit ebenfalls in den Fokus, wobei der Untersuchungsgegenstand nicht mehr Enterprise 1.0 ist, sondern Enterprise 2.0. Dort weitet sich die transparente informelle Kommunikation massiv aus, weshalb zu erwarten ist, dass sich das Wechselverhältnis ändert. Die Frage, wie eine große Masse von informellen Informationen formalisiert werden kann, rückt im Enterprise 2.0 in den Vordergrund.

Abb. 2: Organisationsstruktur Heterarchie (nach vgl. Hagen 2013)

Eine weitere wichtige Frage betrifft die Hierarchien in Organisationen. Einige Autoren stellen die Hierarchien von Organisation in Frage bzw. prognostizieren einen größeren Umbau. Hagens These ist, dass sich die Hierarchie einer Organisation zur Heterarchie wandelt. Dies bedeute den Wandel von der pyramidialen Hierarchie zu einer Art Wollknäuel, in dem alle Einheiten miteinander interagieren (s. Abb. 2). Dies führe zum Organisieren von Instabilität, wohingegen Hierarchie Stabilität organisiere (vgl. Hagen 2013). Husband kreierte den Begriff Wirearchy. Wirearchy ist ähnlich der Heterarchie und kann als Netzwerkstruktur umschrieben werden. Laut Husband lässt Enterprise 2.0 Organisationen flache Hierarchien herausbilden, wohingegen Enterprise 1.0 die Hierarchie als Basis aufweist (Husband 2013, S.28). Inwieweit sich Hierarchien einer Organisation durch den Einsatz von Enterprise 2.0 wirklich wandeln, soll in dieser Arbeit untersucht werden.

Da die interne Kommunikation in Organisationen im Mittelpunkt der Arbeit steht und sich diese durch den Einsatz von Enterprise 2.0 wandelt, soll das Kommunikationsmodell von Luhmann (1997) diese Studie rahmen. Dies bedeutet nicht, dass die Systemtheorie in dieser Arbeit umfänglich angewendet wird. Lediglich das Kommunikationsmodell bildet den Rahmen, da mit dessen Hilfe aufgezeigt werden kann, wie sich Kommunikation durch den Einsatz der modernen elektronischen Medien wandelt. Parallel dazu wird herausgearbeitet, dass dieses Kommunikationsmodell einer Aktualisierung bedarf. Luhmanns Ausführungen treffen exakt auf Enterprise 1.0 zu, jedoch nicht auf Enterprise 2.0, welches sich erst deutlich nach seinem Tod (1998) umfänglich herausbildete. Er sah die neuen Möglichkeiten der Verbindung von Sender und Empfänger von Informationen nicht voraus.

Damit das Wechselverhältnis zwischen Formalität und Informalität, der Wandel der internen Kommunikation und die Auswirkungen des Wandels auf die Hierarchie einer Organisation durch eine empirische Arbeit analysiert und die Ergebnisse angemessen dargestellt werden können, wird folgender Aufbau der Arbeit gewählt.

Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit ist eine qualitativ-empirische Studie, die den Einfluss von Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation in Organisationen analysieren will. Dabei stehen 27 Interviews aus vier Organisationen im Mittelpunkt der empirischen Auswertung. Um Aussagen bezüglich des Einflusses von Enterprise 2.0 treffen zu können, müssen Organisationen ausgewählt werden, die eine unterschiedliche Nutzungsintensität von Web 2.0-Anwendungen aufweisen. Deshalb werden in dieser Arbeit Interviews aus einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes, die Enterprise 2.0 bisher überhaupt nicht verwendet, einer kleinen Firma, die Enterprise 2.0 sehr intensiv nutzt und zwei Großunternehmen analysiert. Die Großunternehmen sind in ihrer Mitarbeiterschaft sehr heterogen und versuchen, Enterprise 2.0 zu implementieren, wobei die Firma Foo schon umfassender Web 2.0-Anwendungen ausprobiert als das andere Großunternehmen19 (s. Kap. III.3).

Damit die Auswertung der Experteninterviews in den vier Organisationen gehaltvoll erfolgen kann, soll diese Arbeit in drei Hauptteile gegliedert werden, in denen sich theoretische, empirische und synthetisierende Überlegungen ineinander verschränken bzw. aufeinander aufbauen (vgl. Schäffer 2003, S.25). Im ersten Teil wird zunächst der theoretische und praktische Zugang zum Forschungsgegenstand dargelegt. Dabei wird besonders auf Luhmanns Kommunikationsmodell eingegangen. Dieses postuliert, dass Kommunikation eine Synthese von den drei Selektionen ist: Information, Mitteilung und Verstehen (vgl. Luhmann 1997, S.190 ff). Verkürzt gesagt bedeutet dies, es muss auf der Senderseite immer selektiert werden, welche Information gesendet wird, wie diese versendet wird (Form und Medium), und auf der Empfängerseite muss selektiert werden, wie etwas verstanden wird. Die Art und Weise der Selektionen verändert sich mit den einzelnen Verbreitungsmedien. Diese Änderungen werden im Kapitel I.1 für das Verbreitungsmedium der Sprache, der Schrift, dem Buchdruck und dem Internet genauer dargestellt, um daran Hypothesen anzuschließen, wie die Selektionen sich im Enterprise 2.0 ändern könnten. Eine wesentliche Erkenntnis ist dabei, dass sich durch die technischen Verbreitungsmedien im Internet die Informationsmenge massiv ausweitet, was Mitarbeiter einer Organisation als Informationsüberflutung wahrnehmen:

23 

Müller_Kasia: yes but I don’t like WAVE (,) because it is like a river. if you put some information on Monday […] on Friday is not visible. […]

Wave ist ein soziales Intranet, welches bei Müller, wo Kasia arbeitet, ausprobiert wird. Die Informationen werden dort wie bei Facebook eingestellt und wandern von oben nach unten, was Kasia als Fluss empfindet, der dazu führt, dass sie ältere Informationen nur schlecht wiederfindet. Die Informationsüberflutung führt, kommunikationstheoretisch ausgedrückt, zu einem Problem der Anschlusskommunikation. Es ist deutlich schwieriger sicherzustellen, dass auf eine Information, die im Enterprise 2.0 gegeben wird, eine Reaktion und damit Anschlusskommunikation erfolgt. In der Auswertung der Empirie (s. Kap. IV) können verschiedene Strategien zur Bewältigung der Informationsüberflutung herausgearbeitet werden. Dazu gehören z. B. Strukturen und Prozesse, die die Einschätzung der Relevanz einer Information oder eines Problems erleichtern oder Nutzungspraxen, die die Transparenz von informeller Kommunikation einschränken. Kasia nutzt beispielsweise anstatt Wave Skype oder E-Mail, wenn sie ein Problem intensiv diskutieren will (vgl. Kasia 23). In diesem Fall sind Informationen im Skype oder E-Mail an bestimmte Mitarbeiter adressiert und somit nicht einsehbar für andere.

Bevor die empirische Auswertung erfolgt und verschiedene durch Enterprise 2.0 neu ausgelöste Strategien zur Bearbeitung des Problems der Anschlusskommunikation rekonstruiert werden, muss im Kapitel I.2 und I.3 der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt werden. Dabei erfolgt erstens eine Abgrenzung von Enterprise 2.0 zu Web 2.0 und eine Erklärung, was dieses „2.0“ bedeutet. So betrifft Enterprise 2.0 den organisationsinternen Einsatz von Web 2.0-Anwendungen. Zweitens wird verdeutlicht, wie stark Enterprise 2.0 bisher verwendet wird. Drittens wird eine theoretische Rahmung der schon angesprochenen Punkte des Wechselverhältnisses zwischen Formalität und Informalität, des Wandels der internen Kommunikation und die Auswirkungen des Wandels auf die Hierarchie versucht.

Des Weiteren bedarf es für die Leser einer Erläuterung, wie die empirischen Daten erhoben und ausgewertet wurden (s. Kap. II). Ziel der Arbeit ist, das explizite und implizite Wissen der Interviewten zu erfassen. Dies ist wichtig, da formale und informelle Kommunikation innerhalb der Organisationen untersucht wird. Als Erhebungsmethoden für beide Wissensarten bieten sich z. B. teilnehmende Beobachtung, Gruppeninterviews oder Experteninterviews an. Aufgrund der Beschränkungen des Zugangs zum Untersuchungsgegenstand und ethischer Bedenken, die eine teilnehmende Beobachtung ausschließt, wird im Kapitel II beschrieben, warum Experteninterviews (vgl. Meuser/Nagel 1991) als Erhebungsverfahren durchgeführt wurden und was bei diesem Verfahren beachtet werden muss. Essentiell ist die Art und Weise des Leitfadens und der Interviewdurchführung, bei denen einerseits ein Rahmen (interne Kommunikation) gesteckt wird und andererseits eine möglichst große Offenheit bei der Beantwortung der Fragen zugelassen wird.

Rekonstruktive Verfahren wie die Grounded Theory, die Narrationsanalyse, die objektive Hermeneutik und die dokumentarische Methode sind geeignet, um implizites und explizites Wissen zu rekonstruieren. Dies gelingt, weil neben den Argumenten auch Erzählungen und Beschreibungen der Interviewten in den Fokus der Auswertung geraten. Nicht nur, was gesagt wird, sondern auch wie es gesagt wird, gelangt in die Analyse. Die Auswertungsverfahren haben jeweils unterschiedliche Fokussierungen und Schwerpunktsetzungen. Die dokumentarische Methode wurde ausgewählt, weil sie m. E. am besten zum Erkenntnisinteresse der Arbeit passt (s. Kap. II.3). Mit ihr können kollektive informelle Prozesse und Sinnstrukturen der Mitarbeiterschaft rekonstruiert werden (vgl. Przyborski/Wohlrab-Sahr 2010, S.184), die den Einfluss von Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation in Organisation erhellen.

Im zweiten Teil der Arbeit werden in drei Themenbereichen die Ergebnisse des empirischen Materials aufgezeigt, um im Anschluss die Befunde in einer sinngenetischen Typenbildung zu verdichten (s. Kap. IV.4). Dies bedeutet, es können verschiedene Typen identifiziert werden, in denen die interne Kommunikation bearbeitet wird und die sich durch den Einsatz von Enterprise 2.0 ändern. So können z. B. Informationen nicht mehr so einfach in Organisationen blockiert werden, weshalb sich die Steuerung von Kommunikation ändert. Auch die Möglichkeiten des Austausches von Informationen oder über Probleme steigen massiv an.

Im dritten Teil der Arbeit werden die Ergebnisse der empirischen Auswertung diskutiert. Eine Frage ist die nach dem Umgang mit der gesteigerten Transparenz in der Organisation. So kann eine Organisation nicht prozessieren, wenn alle Informationen transparent werden (vgl. Vogd 2011, S.148). Es ist demnach zu erwarten, dass Enterprise 2.0 nicht nur die Transparenz steigert, sondern auch Prozesse und Strukturen entwickeln, die Transparenz vermeiden. Wie diese genau aussehen, wird dargestellt. Außerdem wird die Frage nach dem „Ende der Hierarchien“ (Kühl 2002, S.38) aufgegriffen. Bisher änderte sich nichts an der Vormachtstellung von Hierarchien in Organisationen. Ändert Enterprise 2.0 etwas daran?

Dieses Projekt bearbeitet mit Enterprise 2.0 einen Untersuchungsgegenstand, der selbst gerade erst im Entstehen ist. Dies erschwert das Erfassen des Phänomens erheblich. In den Vorüberlegungen werden mit Luhmanns Kommunikationsmodell, einigen organisationssoziologischen Erkenntnissen und der Rahmung des Untersuchungsgegenstandes verschiedene Konzepte und Theorien, wie die Balance zwischen Stabilität und Flexibilität einer Organisation oder das Wechselverhältnis von Formalität und Informalität einbezogen, die in ihrer Komplexität in dieser Arbeit nicht wiedergegeben werden können. Auch sind andere Herangehensweisen an das Phänomen des Einflusses von Enterprise 2.0 auf die interne Kommunikation einer Organisation denkbar. Aufgrund der hohen Dynamik ist es sogar möglich, dass sich die Sinnhaftigkeit bestimmter Zugänge in kurzer Zeit stark wandelt. Mittlerweile sollte beispielsweise die interne Kommunikation über Smartphones unbedingt in eine Untersuchung mit einbezogen werden, welche zum Erhebungszeitraum dieser Arbeit (2011 bis Januar 2012) noch keine große Rolle spielten. Dennoch bin ich überzeugt, dass ich im Laufe der Arbeit aufzeigen kann, wie durch den in dieser Arbeit gewählten Zugang Erkenntnisse generiert werden können, die sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis Relevanz aufweisen und die Grundlage für sich anschließende weitergehende wissenschaftliche Forschungsfragen sein können.

Erster Teil – Die Forschungsperspektive

I Zugänge zum Untersuchungsgegenstand der Arbeit

Dieses Kapitel zeigt den theoretischen und praktischen Zugang zum Forschungsgegenstand auf. Zunächst wird auf das Kommunikationsmodell von Luhmann und im Speziellen auf die unterschiedlichen Verbreitungsmedien eingegangen, um im Anschluss den Untersuchungsgegenstand Enterprise 2.0 in Organisationen genauer einzugrenzen. Diese Überlegungen münden in die Vorstellung von drei Erfahrungsdimensionen, die den roten Faden in der empirischen Auswertung bilden werden. Im letzten Teil des Kapitels wird erläutert, warum und wie kommunikationstheoretische Überlegungen der Systemtheorie mit der qualitativen Sozialforschung und Organisationssoziologie in dieser Arbeit zusammengebracht werden.

1.Theoretische Untersuchungsdimension: Das Kommunikationsmodell nach Luhmann

„Die Gesellschaft wird demnach […] allein durch die Operation, die Gesellschaft produziert und reproduziert, [charakterisiert]. Das ist Kommunikation.“ (Luhmann 1997, S.70). Den kontinuierlichen Prozess der Selbsterschaffung und -erhaltung des Systems bezeichnet Luhmann als „Autopoiesis“20 (ebenda, S.65). Luhmann begreift Kommunikation als kleinste Einheit eines sozialen Systems. Diese Einheit besteht aus Information, Mitteilung und Verstehen und ist zeitpunktgebunden, da sie nach ihrem Vorkommen sofort verschwindet. Dies gilt für alle drei Komponenten, die jeweils durch Kommunikation erzeugt werden, sich wechselseitig voraussetzen und zirkulär verknüpft sind.

Der Kommunikationsprozess kann demnach als dreifache Selektion von Information, Mitteilung und Verstehen verstanden werden. Was verbirgt sich für Luhmann hinter den einzelnen Komponenten?

Information: Die Übertragung von Informationen von einem Lebewesen auf ein anderes (bei Luhmann von Alter zu Ego) ist für ihn unmöglich (vgl. ebenda, S.194). Es ist nie sicher, was bei den Interaktionsteilnehmern vom Gesagten wie verstanden und wie es verarbeitet wird. Deshalb sei Kommunikation kein Übertragungsprozess von Informationen. Für Interaktionsteilnehmer ist eine Information nur dann eine Information, wenn sie etwas ist, was er nicht oder nicht sicher weiß (vgl. ebenda, S.39). Sie enthält demnach eine Neuigkeit und setzt Nichtwissen beim Rezipienten voraus, damit Informationen aufgenommen werden können. Die Selektion der Information wird von Alter durchgeführt und betrifft demnach das Was (Inhalt).

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