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Verzweifelt und von allen verlassen, geht die junge Cathy nach dem Ende ihrer Beziehung mit Anthony nach Sydney. Hier findet sie Trost bei dem attraktiven Tom. Fünf Jahre kümmert er sich liebevoll um sie, dann ist es soweit: Er bittet sie um ihre Hand - genau an dem Tag, als Anthony wieder in ihr Leben tritt …
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
Er liebt mich mehr als du erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Emma Darcy Originaltitel: „Don’t Ask Me Now“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 726 - 1987 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Umschlagsmotive: jacoblund GettyImages
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733755959
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Der interessierte Kunde schüttelte ungläubig den Kopf. „Erstaunlich! Genauso etwas suche ich. Woher haben Sie dieses prächtige Stück?“
Cathy lächelte. „Der Tisch gehörte ursprünglich einem Stoffhändler aus Wauchope, das ist eine Holzfällerstadt an der Nordküste.“
„Richtig, ich kenne den Ort. Er liegt am Hastings River.“ Der Mann schwieg einen Augenblick. „Und diesen Tisch fanden Sie bei einem Stoffhändler?“, wiederholte der Kunde nachdenklich.
„Ja, er benutzte ihn, um darauf Stoffe auszubreiten. Deshalb ist der Tisch so großflächig. In den Schubladen wurden Scheren, Stecknadeln, Nähgarn, Bänder, Rüschen und Spitzen aufbewahrt, was man eben so zum Schneidern braucht. An der Vorderkante der Arbeitsplatte verlief eine kupferne Messlatte. Leider musste sie entfernt werden, damit die Oberfläche abgehobelt werden konnte. Wenn Sie es wünschen, lasse ich sie wieder anbringen.“
„Auf keinen Fall“, winkte der Mann ab, „für meine Karten besitzt der Tisch alle nötigen Eigenschaften. Sie sagten, er sei aus Zedernholz gefertigt?“
„Das ist richtig.“ Cathy öffnete einige Schubladen, um auf die rotbraune Maserung des Holzes hinzuweisen.
„Natürlich“, stimmte der Kunde zu, „solche Schubladen werden heutzutage nicht mehr hergestellt. Beachten Sie nur diese Fugen. Daran erkennt man echte Handwerksarbeit.“
„Deshalb haben gute Antiquitäten auch ihren Preis“, warnte Cathy mit freundlichem Lächeln.
Sie war sicher, dass der Mann zum ersten Mal ihr Geschäft besuchte, denn sie besaß ein gutes Gedächtnis für Gesichter. Sie schätzte ihn auf etwa fünfzig Jahre. Sein Anzug war gut geschnitten, aber nicht gerade neu. Ob der Wink mit dem Preis angekommen war?
Sie schaute verstohlen auf ihre Armbanduhr. Dieses Verkaufsgespräch dauerte schon zehn Minuten länger als geplant. Normalerweise kamen die Kunden für Cathy immer an erster Stelle.
Jedoch am heutigen Abend ging es um sehr wichtige Dinge, und trotzdem versuchte sie, die Bedeutung dieses Abends zu verdrängen. Aber das gelang ihr leider nicht. Vielleicht spielten schmerzliche Erinnerungen eine entscheidende Rolle. Würde sie an diesem Abend für immer die Schatten der Vergangenheit überwinden?
Jemand berührte sie an der Schulter. Cathy fuhr herum. Barbara, die umsichtige Assistentin, stand lächelnd hinter ihr.
„Mr. Crawford ist im Büro und möchte Sie sofort sprechen. Er meint, ich soll mich weiter um den Kunden kümmern.“
Cathy schmunzelte. Tom sorgte schon dafür, dass sie rechtzeitig das Geschäft verließ. Sie blickte durch die Tür und sah im höher gelegenen Büro Toms Gestalt im Türrahmen lehnen. Sein Haar wirkte unordentlich, als wäre er ungeduldig mit den Fingern hindurchgefahren.
Tom war nicht sehr groß und sah auch nicht besonders gut aus. Sein Gesicht wirkte ein wenig grob geschnitten, besonders die römische Nase, das Kinn und der kurze Nacken unterstrichen diesen Eindruck. Eine gewisse Charakterstärke, die seine Gesichtszüge kennzeichnete, und die intelligenten, scharf blickenden Augen machten vieles wieder wett. Aus Cathys Sicht war er attraktiv – viel zu attraktiv, und darum glaubte sie, dass Tom für sie nicht in Frage käme.
Cathy wandte sich wieder ihrem Kunden zu. „Bitte entschuldigen Sie mich, Mr. …“
„Henleigh – Ralph Henleigh“, half er ihr weiter.
„Sehr erfreut, Mr. Henleigh. Ich bin Cathy Lawrence. Leider zwingt mich ein Geschäftstermin, unser Gespräch jetzt zu beenden. Meine Assistentin wird Sie sicherlich genauso gut beraten. – Barbara, Mr. Henleigh interessiert sich für diesen Tisch. Er braucht ihn für seine Karten.“
„Karten, Mr. Henleigh? Sind Sie Kartograph?“ Barbara übernahm geschickt das Gespräch.
Cathy wusste, dass sie Barbara vertrauen konnte. Innerhalb kürzester Zeit hatte sie begriffen, worauf es in dieser Branche ankam.
Tom lächelte, während Cathy das Büro betrat.
„Du bist als Geschäftsfrau eine Persönlichkeit, Cathy. Da musst du nicht mehr jeden Verkauf selbst tätigen.“
„Es ging um eine größere Sache.“ Cathy nahm ihre Handtasche vom Schreibtisch.
„Zum Glück gibt es im Leben Wichtigeres als Geschäftsabschlüsse, Cathy.“
„Einen solchen Unsinn solltest du mir nicht einreden, Tom!“ Sie lächelte ihn spöttisch an. „Immerhin schulde ich dir noch Geld.“
Er war ihr gefolgt und legte jetzt die Hände leicht um ihre Taille, dabei drehte er sie zu sich herum. Sein Gesicht wurde weich, und die braunen Augen leuchteten auf.
„Geld ist für mich nie wichtig gewesen, Cathy. Das weißt du doch.“
Sie presste die Lippen zusammen. Natürlich, dachte sie. Wer genug Geld besitzt, braucht sich darüber keine Gedanken zu machen.
„Für mich ist es wichtig“, erklärte sie knapp.
„Das errichtet seit Jahren eine völlig unnötige Schwelle zwischen uns“, fuhr er fort. Seine Stimme bekam einen tiefen, eindringlichen Klang. „Und was den heutigen Abend betrifft, sollst du eins wissen: Für mich zählt allein die Tatsache, dass du an meiner Seite bist.“
Sie drehte den Kopf weg, damit er nicht sah, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Wie leicht konnte Tom so etwas sagen! Vielleicht stimmte es sogar. Aber Tom gehörte zur Oberschicht. Es lag ihm im Blut, etwas Aufmunterndes, Liebenswürdiges zu sagen, wenn es angebracht schien. Cathy dagegen wusste nur zu gut, wie man sich als Außenseiter fühlte. Sie schluckte ein paar Mal heftig und brachte dann doch ein kleines Lächeln zustande.
„Vielen Dank. Aber jetzt sollte ich nach Hause fahren und mich für dich schön machen.“
Er spürte, dass sie sich ihm entziehen wollte, und umschlang sie leicht mit beiden Armen.
„Du musst dich nicht erst schön machen. Du bist schön.“
Tom wollte sie küssen, aber das konnte Cathy in diesem Augenblick nicht ertragen – nicht in Erwartung dieses Abends, die sie so sehr in Spannung versetzte.
„Nicht hier, Tom“, bat sie. „Du weißt doch, ich zeige Gefühle nicht gern in der Öffentlichkeit.“
„Das hier ist nicht gerade öffentlich.“
„Privat aber schon gar nicht.“ Sie deutete mit dem Kopf zur Glastür, durch die man in den Verkaufsraum sehen konnte.
„Cathy …“ Es klang so, als erreiche jene innere Erregung auch ihn. Wortlos nahm er ihren Ellenbogen und führte sie aus dem Büro.
Cathy empfand große Dankbarkeit für Toms Rücksichtnahme. Kaum ein Mann würde das geschehen lassen, was sie Tom zumutete. Dies wusste sie genau, und oft genug war sie selbst unglücklich über die Kluft zwischen ihnen, die sie verschuldete. Doch dann dachte sie wieder daran, dass Tom zur selben Gesellschaftsschicht gehörte wie der Mann, der sie, Cathy, fast zerstört hätte. Das konnte sie niemals vergessen.
Barbara warf Cathy einen triumphierenden Blick zu, als diese mit Tom durch das Geschäft ging. Also hat Mr. Henleigh den Tisch tatsächlich gekauft, dachte Cathy. Man soll die Menschen eben nie ausschließlich nach ihrem Äußeren beurteilen. Erleichtert atmete sie auf. Das Geschäft zumindest ging gut. Sie musste wohl kaum den finanziellen Zusammenbruch fürchten, wenn etwas nicht wie gewünscht lief. Auch wäre Tom ihr jederzeit zu Hilfe gekommen. Andererseits machte es sie froh und stolz, dass sie ihr Geschäft aus eigener Kraft aufgebaut hatte. Sie konnte ihm fast den ganzen Kredit zurückzahlen, den seine Firma ihr großzügig gewährte. Die finanzielle Abhängigkeit war demnach fast überwunden.
Vielleicht können wir ja auch heute Abend endlich die scharfen Gegensätze überwinden, die sich aus unserer verschiedenartigen Herkunft ergeben, dachte sie hoffnungsvoll.
Es geschah zum ersten Mal, dass Cathy von Tom zu einem Fest in seinen Kreisen eingeladen wurde. Sie hatte zunächst so heftig abgelehnt, dass er beinahe gekränkt war. Er blieb jedoch ruhig, und Punkt für Punkt widerlegte er ihre Einwände. Schließlich erkannte Cathy: Entweder sie nahm seine Einladung an, oder sie verlor ihn.
Tom begleitete sie zum Wagen. Er wartete, bis sie die Tür aufschloss und auf dem Fahrersitz Platz nahm. „Sei bitte pünktlich um acht Uhr fertig“, erinnerte er sie.
Seit vier Jahren lebte sie nun in Sydney. In dieser Zeit hatte sie alles gelernt, was ein kultivierter Mensch wissen und beherrschen musste. Sie sprach gepflegt und akzentfrei, besaß einen untadeligen Geschmack und wusste sich bei jeder Gelegenheit zu benehmen. Doch ihr Selbstbewusstsein wuchs trotzdem nur sehr langsam. Obwohl sie in diesen vier Jahren so viel Erfolg und Anerkennung erlebt hatte, fürchtete sie den Abend, der vor ihr lag.
Als Cathy schließlich mit allen Vorbereitungen fertig war, verspürte sie nach wie vor Furcht. Es half nichts, dass Tom sie mit Komplimenten überschüttete. Die Angst lag wie eine Klammer um ihr Herz und machte sie stumm, während sie in die Stadt fuhren.
Als sie die Eingangshalle zum Ballsaal betraten, zitterten ihre Knie. Besonders schlimm war in diesem Augenblick, dass sie auf die Begrüßung durch das Empfangskomitee warten mussten, das gerade mit einer anderen Gruppe von Gästen sprach. Dann endlich kamen sie an die Reihe. Cathy wurde noch aufgeregter, als Vera Pallister sie von Kopf bis Fuß kritisch musterte.
Dies war also der entscheidende Moment. Wenn die anerkannte First Lady der Gesellschaft von Sydney sie akzeptierte, dann musste der Abend eigentlich gut gehen.
Cathys Herz klopfte heftig. Langsam und tief holte sie Atem, um ihre Erregung zu verbergen. Einen Augenblick lang wünschte sie, ihr Kleid wäre weniger auffallend. Aber dazu war es zu spät.
Schließlich hatte sie eine schlanke, wohl geformte Figur und konnte das eng anliegende, tief ausgeschnittene Oberteil ihres Abendkleides durchaus tragen. Die weiten, plissierten Ärmel und der weich fallende Rock wirkten im Übrigen geradezu mädchenhaft bescheiden.
Sie war sich sicher, dass ihr Make-up stimmte. Schließlich hatte sie Kosmetikerin gelernt und wusste, jede Farbe genau richtig einzusetzen.
Da sie an diesem Abend ein weißes Kleid trug, hatte sie grelle Effekte vermieden. Ihr Gesicht wirkte völlig natürlich. Nur der roséfarbene Lippenstift und ein Hauch von Lidschatten in Türkis über ihren blauen Augen traten ein wenig hervor. Das dichte schwarze Haar hatte sie von Marc Eamens frisieren lassen, dem zurzeit bevorzugten Frisör der Gesellschaft. Exquisit geschnitten, umschmeichelte es jetzt in duftigen Locken ihr ebenmäßiges ovales Gesicht.
Vera Pallister beendete ihre kritische Betrachtung und schenkte jetzt dem Mann an Cathys Seite volle Aufmerksamkeit. „Schön, Sie zu sehen, Tom – und in so charmanter Begleitung.“ In ihrer Stimme schwang ein fragender Ton mit.
„Miss Cathy Lawrence – Mrs. Vera Pallister“, stellte Tom die beiden Damen einander vor.
„Lawrence?“
Die abfällige Betonung, mit der Vera Pallister Cathys Nachnamen aussprach, war unüberhörbar, aber Cathy überwand die aufkommende Verstimmung und erklärte mit größter Selbstverständlichkeit: „Sie werden meine Familie sicher nicht kennen, Mrs. Pallister. Wir stammen vom Land.“
„Cathy und ich sind Geschäftspartner“, fügte Tom mit deutlichem Stolz hinzu.
„Ach ja?“ Jetzt zeigte Vera Pallister Interesse. „Um welche Geschäfte geht es, meine Liebe?“
„Antike Möbel. Ich kaufe und verkaufe“, antwortete Cathy. „Ist das ein gutes Geschäft, Tom?“
„Das Beste, das ich je angefangen habe.“ Toms Lächeln wirkte zweideutig.
Vera lachte verständnisvoll und legte eine Hand auf seinen Arm. „Bitte, grüßen Sie Ihre Mutter von mir, wenn Sie sie besuchen.“ Dann schenkte sie Cathy ein anerkennendes Lächeln.
„Ich wünsche Ihnen beiden viel Vergnügen bei unserem Ball.“
Cathy schritt wie auf Wolken, als Tom sie durch die Flügeltür in den Ballsaal führte.
Sie hatte bestanden. Sie wurde akzeptiert, und Vera Pallister hatte sie willkommen geheißen.
„Mr. Crawford! Einen Augenblick bitte!“
Ein Fotograf winkte ihnen und bat sie, für ein Foto neben einer der Marmorsäulen zu posieren.
Tom zögerte, dann lächelte er Cathy zu. „Warum nicht? Ich hätte gern ein Foto von dir in diesem Kleid.“
Der Auslöser klickte, und der Reporter bat: „Darf ich den Namen Ihrer Begleiterin wissen, Mr. Crawford?“
„Miss Cathy Lawrence. Die Besitzerin von ‚The Cedar Heritage‘. Dort finden Sie die besten Antiquitäten von Sydney“, erwiderte Tom schlagfertig.
Als sie weitergingen, gab Cathy ihm einen Schubs mit dem Ellenbogen. „Ich dachte, heute Abend wird nicht gearbeitet?“
„Man soll nie unterschätzen, was ein kleiner Hinweis in den Gesellschaftsspalten bewirken kann“, entgegnete er vergnügt. „Die Damen, die diese Zeilen lesen werden, sind unter Umständen künftige Kundinnen.“
„Stimmt, doch über mich wird bestimmt niemand etwas schreiben.“
„Aber natürlich. Ich sehe auch schon die Überschrift: ‚Die schönste Frau auf dem Wohltätigkeitsball‘.“
„Wahrscheinlich heißt es: ‚Am Arm von Thomas Henry Crawford dem Dritten ging …‘“, neckte Cathy, und die Erregung ließ ihre Stimme freudig klingen.
Selbst wenn das Foto nie in einer Zeitung erscheinen würde, so hatte sie doch an dem herausragenden Ereignis der Saison, dem Wohltätigkeitsball, teilgenommen. Glücklich und dankbar drückte sie Toms Arm. Ohne seine Unterstützung wäre ihr das nie gelungen.
Sein Lächeln wirkte so liebevoll, dass ihr Herz stark zu pochen begann. Er lächelte selten, aber wenn es geschah, entspannten sich seine Gesichtszüge, und in seinem erstklassig geschnittenen Abendanzug, das sonst so widerspenstige Haar sorgfältig gekämmt, fand sie ihn richtig schön. Stolz erfüllte sie, dass er sie zur schönsten Frau des Balles erklärte.
Das Orchester spielte gerade nicht, während Cathy und Tom den Ballsaal betraten. Von allen Gästen wurden die beiden aufmerksam beobachtet, als sie zu ihrem Tisch gingen. Graziös schritt sie neben Tom her. Jetzt spürte sie genau, dass niemand etwas an ihrer Erscheinung auszusetzen fand. Es war ein herrliches Gefühl.
Cathy wurde erst wieder nervös, als Tom sie seinen Freunden am Tisch vorstellte. Mit diesen Menschen musste sie den Abend verbringen, und dazu gehörte mehr als ein bezauberndes Kleid und ein geschicktes Make-up. Aufmerksam behielt sie sämtliche Namen der vorgestellten Anwesenden im Gedächtnis. Darin besaß sie schließlich Übung.
Die Blicke der Damen waren interessiert, die der Herren bewundernd. Cathy stellte wieder fest, dass sie ohne Einschränkung anerkannt wurde.
Dann begann das Orchester zu spielen, und sich drehende Paare füllten die Tanzfläche. Mit weit geöffneten Augen nahm Cathy all das Schöne auf. Noch nie in ihrem Leben hatte sie eine solche Ansammlung von kostbarsten Abendroben gesehen. Die Damen am Tisch machten ausführliche Bemerkungen darüber – sehr kenntnisreich und nicht immer wohl wollend. Irgendjemand meinte schließlich: „Ich finde Ihr Kleid übrigens ganz zauberhaft, Cathy. Es ist sicher von Pruce Acton, stimmt’s?“
„Ich danke Ihnen“, lächelte Cathy und überhörte die Frage. Eines wusste sie, dass es besser war, weniger, als zu viel zu sagen. Außerdem hielt sie einen Wettstreit mit den anderen Damen für unangebracht.
„Möchtest du tanzen?“, unterbrach Tom die Unterhaltung.
„Ja, sehr gern.“
Er stand auf und reichte ihr mit leicht angedeuteter Verbeugung die Hand. Tom ragte zwar nur einen Kopf über Cathy hinaus, doch seine Gestalt war breit und kräftig, sodass Cathy sich stets zerbrechlich fühlte, wenn er sie in die Arme nahm.
„Ist es ein Kleid von Pruce Acton?“, erkundigte er sich amüsiert, als sie leichtfüßig über das Parkett glitten.
Cathy lachte und schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Das Kleid ist schön, deshalb kaufte ich es mir.“
„Das war ein guter Kauf. Manche Frauen machen ein schreckliches Theater um ihre Garderobe. Mir ist das unverständlich. Schließlich zählt allein der Mensch, der in diesen Kleidern steckt.“
„Ich bin froh, dass du so denkst, Tom. Ohne deine Unterstützung hätte ich es nie geschafft.“
„Unfug. Du bist ehrgeizig, intelligent und willensstark. Du würdest es auch ohne mich zu etwas bringen. Ein Gewinn für mich, dass ich dich getroffen habe. Sonst wäre ein anderer jetzt der Glückliche.“
„Nein, ich meine nicht nur die finanzielle Hilfe. Bei dir fühlte ich mich immer als gleichwertig, selbst damals, als ich dich beinahe wie ein Bettler um einen Kredit bat.“
An Toms sonderbarem Gesichtsausdruck merkte Cathy, dass er nichts verstand. Ein Mensch in seiner gesellschaftlichen Stellung würde niemals ganz begreifen, um was es ihr ging. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Sie war in seinen Kreisen akzeptiert worden und wurde behandelt wie „eine von uns“.
„Niemand könnte dich je als Bettlerin betrachten, Cathy, weil du dein geschäftliches Vorhaben bis in die kleinsten Einzelheiten sorgfältig durchdacht hast. Selten ist mir ein derartig intelligenter und klarer Geschäftsvorschlag begegnet.“
Cathy war zu glücklich, um jetzt weiter zu diskutieren. Es war ja auch alles Vergangenheit – seit vier Jahren Vergangenheit. Fünf, setzte sie in Gedanken hinzu, denn fünf Jahre war es her, seit sie den Einfall gehabt hatte, ein Antiquitätengeschäft zu eröffnen. Fünf Jahre, in denen sie hart arbeiten musste, fest entschlossen, ihr Leben erfolgreich zu gestalten. Mit Toms Hilfe war es gelungen.
Sie war so glücklich, dass sie sich zu einer für sie völlig ungewöhnlichen Handlung hinreißen ließ. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Toms Wange. „Ich danke dir für alles, was du mir gewesen bist“, flüsterte sie.
Seine Arme umschlossen sie ganz fest. „Ich habe meinen Lohn erhalten, denn ich durfte dich kennen lernen und gemeinsam mit dir arbeiten. Es bleibt für mich immer ein Vergnügen, mit dir zusammen zu sein.“
Cathy strahlte. Tom war ein wunderbarer Mensch, der beste Freund, den sie sich wünschen konnte. Vielleicht sollte er mehr als nur ein Freund sein. Sie atmete tief durch, als sei ihr eine große Last vom Herzen genommen.
Cathys Augen leuchteten. Sie lag in Toms Arm und wirbelte über die Tanzfläche. Die Menschen in ihren Abendkleidern ringsherum glichen glitzernden Sternen.
Und dann, mit einem Male, bemerkte sie den Kopf mit dem hellen, von der Sonne gebleichten Haar. Es schmerzte, als hätte ihr jemand mit der Faust in den Magen geschlagen. Das kann nicht sein. In atemlosem Schrecken starrte sie der Gestalt entgegen, die langsam näher kam. Das darf nicht wahr sein, es muss ein Irrtum sein – bitte, bitte, er darf es nicht sein, flehte sie in Gedanken.
Aber der hellblonde Kopf verschwand keineswegs. Nein, er kam direkt auf sie zu. Cathys Herz hämmerte. Sie wollte ihm nicht begegnen, sie durfte ihm nie wieder gegenüberstehen! Erst recht nicht wollte sie an die Vergangenheit erinnert werden und schon gar nicht an ihn.
Der blonde Mann kam näher. Plötzlich tanzte kein anderes Paar mehr zwischen ihnen, und sie sahen sich von Angesicht zu Angesicht.
Ein Blick aus grünen Augen traf Cathy, und zu ihrem maßlosen Entsetzen weckte er Erinnerungen, die sie längst tot und begraben glaubte.
Anthony!
Sie fühlte, wie ihre Knie nachgaben. Anthony! Fünf Jahre war das her. Fünf Jahre, und trotzdem wirkte er auf sie so aufregend wie damals.
Einige Paare tanzten an ihnen vorüber und unterbrachen den Blickkontakt. Eine wilde Erregung überfiel Cathy. Soll er doch kommen, dachte sie. Soll er doch kommen und mich ansehen. Dann begegnet er einer Frau, die vor ein paar Jahren jenes Mädchen war, das seinen Eltern gesellschaftlich nicht passte. Ein Mädchen, das für ihren Sohn nicht gut genug war. Vielleicht täte ihnen ihre Entscheidung jetzt leid? Seit heute Abend bin ich für jeden Mann gut genug.
Dieser Gedanke machte sie stolz und half ihr, die Fassung wieder zu finden.
Als Anthony mit seiner Partnerin wieder näher herantanzte, begegnete sie seinem überraschten Blick mit einem selbstbewussten, amüsierten Lächeln.
Natürlich erkannte er sie, aber er mochte nicht so recht glauben, was er sah, das bemerkte sie wohl. Er hingegen schien unverändert. Vielleicht gab es ein paar Fältchen mehr. Aber das war’s auch schon. Sein schönes Gesicht mit den faszinierenden Augen war tief gebräunt. Alle Mädchen in Armidale beneideten Cathy damals um die Freundschaft mit Anthony Jones. Sein gutes Aussehen, die bemerkenswerte Figur und sein natürlicher Charme machten ihn stets zum Liebling der Frauen. Nur ein Mädchen aus bescheidenem Elternhaus, wie Cathy, durfte für Anthony Jones eben keine gleichwertige Partnerin sein.
Seine Tanzpartnerin sprach lächelnd mit ihm. Er antwortete, ohne den Blick von Cathy zu nehmen. Eingehend betrachtete er ihr Haar, das damals lang und wellig die Schultern bedeckte. Seine Blicke umfingen das Gesicht, welches jetzt zarter und feiner gezeichnet wirkte. Dann folgten seine Augen den schlanken Halslinien bis zum Nacken hinunter, dorthin, wo er sie so oft küssen durfte.
Cathy spürte das Blut in die Wangen steigen, und es machte sie verlegen. Ich darf doch nichts mehr für Anthony empfinden, sagte sie sich. Ich bin mit Tom zusammen! Mit Tom, der mir vertraut. Ganz anders als Anthony. In Toms Armen kann ich sicher und geborgen sein – das fühlte ich bei Anthony nie.
Eine große Leidenschaft, das war es, was sie mit Anthony verbunden hatte. Zusammen durchlebten sie schwindelnde Höhen, und dann stürzte sie allein in die Tiefe der Verzweiflung. Es wurde eine quälende Liebe. Schließlich überwog der Schmerz. Am Ende reichte sein Gefühl für sie nicht aus, und das konnte sie niemals vergessen.
Also, dann lass los, sagte sie streng zu sich selbst. Anthony, das ist Vergangenheit, der gehört zu einem anderen Leben.
Der Tanz war zu Ende. Cathy suchte Halt an Toms Arm, als sie zu ihrem Tisch zurückgingen. Sie versuchte den ersten Schock zu überwinden und war fest entschlossen, sich den Abend nicht verderben zu lassen.
Beherrscht und schon leicht entspannt saß sie auf ihrem Stuhl und lauschte dem Geplauder der anderen Damen. Insgeheim amüsierte es sie, wie ereignislos das Leben dieser Frauen verlief. Tom schenkte ihr ein Glas Champagner ein, und in seinen Augen leuchtete noch immer ein warmes, liebevolles Lächeln. Das beruhigte sie vollends.
Ein Kellner kam und stellte die Platte mit Vorspeisen auf den Tisch. Sie nahm ein Crouton mit Leberpastete und Kaviar. Es war köstlich. Sie nahm ein anderes und reichte es Tom. „Das wird dir schmecken“, sagte sie, und dann wäre ihr das Brotstückchen fast aus der Hand gefallen, denn sie sah Anthony herüberkommen.
Tom nahm das Scheibchen, steckte es in den Mund und wies mit dem Kopf in Anthonys Richtung. „Ein Bekannter?“
„Ja“, flüsterte sie aufgeregt, und die Stimme drohte ihr zu versagen. Um davon abzulenken, griff sie rasch nach dem Champagnerglas.
„Hallo, Cathy! Guten Abend.“
Da war sie, diese dunkle, tönende Stimme, die ihren Körper bis ins Innerste erschüttern konnte.
„Guten Abend, Anthony. Welche Überraschung, dich hier zu treffen!“ Die Stimme klang kühl. Anscheinend unbewegt hielten ihre blauen Augen seinem Blick stand.
„Ehrlich gesagt, darauf war auch ich nicht vorbereitet“, gab er zu und wandte sich dann an Tom: „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Anthony Jones. Wie ich hörte, kennen Sie meine Schwester Vanessa.“
„Ach ja! Natürlich!“, bestätigte Tom, stand auf und schüttelte die ausgestreckte Hand. „Ist sie denn heute Abend auch hier?“
„Ja. Kommen Sie doch einmal an unseren Tisch. Vanessa bedauert es sehr, dass Sie so lange nichts voneinander hörten.“
Tom lächelte unverbindlich und begann Anthony am Tisch vorzustellen. Aber der kannte schon die meisten Anwesenden. Natürlich, dachte Cathy bitter. Die Wohlhabenden kennen sich. Es sind ja nicht viele. Sie gehen in dieselben Schulen und auf dieselben Feste. Da trifft man stets nur seinesgleichen. Ich hätte damit rechnen müssen, dass Anthony hier ist. Für Leute wie die Jones’ spielen ein paar hundert Kilometer keine Rolle. Schließlich besitzen sie ein Privatflugzeug samt Privatflugplatz auf ihrem Landsitz.
Landsitz! Cathy dachte an Mirrima, den Besitz der Jones’. Wer über so herrliche Ländereien verfügt, heiratet kein armes Mädchen, selbst, wenn die Eltern einverstanden sind. Beim Gedanken an Anthonys Eltern begann ihr Herz schneller zu schlagen. Ob Stephanie und Carlton Jones auch da sind, überlegte sie. Anthony sprach nur von seiner Schwester. Na, wenn schon, dachte sie mit aufkommendem Trotz. Vera Pallister und Toms Freunde akzeptieren mich – was können mir dann die Jones’ noch anhaben?
Charmant lächelnd meinte Anthony zu Tom gewandt: „Genauer gesagt, bin ich wegen Ihrer Partnerin herübergekommen. Gestatten Sie, dass ich mich einen Augenblick mit Cathy unterhalte? Wir haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen. Es gibt sicher eine Menge zu erzählen.“
„Bitte, nehmen Sie Platz“, lud Tom höflich ein.
„Ich danke Ihnen.“ Anthony rückte einen Stuhl so, dass er schräg hinter Cathy saß, und legte einen Arm über die Lehne ihres Stuhls.