Ergreife den Augenblick - Bruno Martin - E-Book

Ergreife den Augenblick E-Book

Bruno Martin

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Beschreibung

Lebe im Jetzt! Das Leben ist wie ein Fluss, es ist Bewegung und Veränderung. Sich des eigenen Lebensflusses bewusst zu sein, die unterschiedlichen und oft herausfordernden wechselnden Strömungen, Blockaden und Ausuferungen zu erkennen und zu meistern, erfordert tägliche Aufmerksamkeit. Veränderte Blickweisen können helfen, die eigene Lebenswirklichkeit immer wieder neu zu erschaffen, um in Harmonie mit den Veränderungen zu fließen. Aufmerksamkeit auf den Augenblick ist der Schlüssel zum Öffnen der Vielfalt eigener Lebensräume. Dieses Buch gibt Inspirationen, um die inneren und äußeren Wirklichkeiten im Fokus eines Übungsprogramms zu betrachten, bewusst zu erfahren und gegebenenfalls zu verändern. Schritt für Schritt können so die unterschiedlichen Facetten des Seins und Bewusstseins erfahren werden, um die eigenen Lebenswirklichkeiten neu zu erschaffen.

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Seitenzahl: 193

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Doch der den Augenblick ergreift,

das ist der rechte Mensch.

Johann Wolfgang von Goethe in: Faust I, Studierzimmer

...denn das ist eben die Eigenschaft

der wahren Aufmerksamkeit,

dass sie im Augenblick

das Nichts zu Allem macht.

Johann Wolfgang von Goethe in: Wanderjahre I,2

Inhalt

Vorwort

Die Welt muss in jedem Augenblick neu erschaffen werden

Einführung in das Übungsprogramm, Arbeit mit Themen

Zur Methode

1 - Leben im gegenwärtigen Augenblick

Das Wunder der Achtsamkeit

Aufmerksame Wahrnehmung

Mit Aufmerksamkeit Zufälle überlisten

Bin »Ich« wirklich

Wenn plötzlich alles anders ist

Von der heilsamen Kraft des Vergessens

2 - Die Sinne überschreiten

Durch die Sinne zum Sinn

Die Welt mit anderen Augen sehen

Erschütterung der Luft

Luft zum Atmen

3 - Lücken für das Unsichtbare schaffen

Magisch denken lernen

Ein Muster im Kopf halten

Sich mit dem Möglichkeitsfeld verbinden

Dem Denken auf der Spur

Neue Ideen entstehen lassen

Wirklichkeit wirklich werden lassen

Die Richtigkeit einer Handlung

4 - Offene Weite, nichts von heilig

Was das Leben von mir erwartet

Sich selbst finden

Unwirklichkeit entsteht im Kopf

Mache deine eigene Gehirnwäsche

Leiden ist unnötig

Hilfe annehmen lernen

Achtsame Einfühlung wecken

Wie Gefühle sich anfühlen

Liebe ist mehr als alles andere

5 - Intelligente Herausforderungen

Wenn Irrtümer Wege zur Wahrheit werden

Bedeutungsloses wird bedeutungsvoll

Erfahrungen mit Tiefe füllen

Wenn Spinnen trainiert werden

Handeln ohne zu handeln

Der richtige Zeitpunkt

Die Welt verstehen

Die richtige Ordnung finden

6 - Wenn Unmögliches möglich wird

Feinere Energien

Ich bin die Wirklichkeit

Geist ist gegenwärtig

Bibliografie

Vorwort

Vor einiger Zeit erwähnte mein Freund Peter, dass er immer noch gerne in meinem 2004 veröffentlichten Buch Zen der plötzlichen Erleuchtung liest und immer wieder die eine oder andere Anregung für sein Leben nutzt. Da ich mich gerade mit dem Gedanken beschäftigte, ein neues Buch zu schreiben, schaute ich nochmals in dieses »alte« Buch hinein. Dann sah ich: Damals habe ich viele interessante Dinge geschrieben, die es wirklich wert sind, sie nach fünfzehn Jahren wieder in die Welt zu bringen.

Dieses Buch hat mich seit seiner Veröffentlichung zu vielen neuen Ideen und Büchern angeregt.1 Sie waren in mancher Hinsicht »theoretischer« und »philosophischer«. Nachdem ich jetzt dieses Buch neu lese und bearbeite, kommt mir der Gedanke, dass es im Verhältnis zu den späteren Büchern recht »einfach« geschrieben ist, doch dadurch auch verständlicher. Und wenn es mich zu vielen weiteren Inspirationen und Gedanken angeregt hat, dann ist es eigentlich auf seine Weise tiefsinniger als es scheint.

Seit fünfzig Jahren gehe ich den Weg der »Harmonischen Entfaltung« und lehre viele Menschen, wie sie diesen Weg auch gehen können. Die Philosophie und Theorie ist ein Sache. Sie ist wichtig für das Verständnis, warum es sich lohnt »an sich selbst zu arbeiten«, das innere Sein zu entfalten. Bei meinen Seminaren hingegen ist es mein Anliegen vor allem die praktischen Aspekte herauszuarbeiten und damit das theoretische Wissen zu einer lebendigen Erfahrung werden zu lassen. Denn »grau ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum« wie Herr Goethe sagt. Und er sagt auch: »Die Theorie an und für sich ist nichts nütze, als insofern sie uns an den Zusammenhang der Erscheinungen glauben macht.«

Wichtig sind die Erfahrungen, die eine Spur in unserem Sein hinterlassen. Das war und ist das Konzept dieses Buches. Ich hoffe, dass es dich liebe Leserin, lieber Leser dazu »verführt«, über die Theorie hinaus eigene Erfahrungen zu sammeln , die belebend und bleibend sind. Die Zusammenhänge erscheinen dann durch »das, was durchscheint«. Und vor allem soll das Buch zu eigenen, neuen Erkenntnissen inspirieren!

Auch wenn die Themen des früheren Buches relativ zeitlos sind, ist mir klar geworden, dass ich es so nicht einfach unverändert auflegen kann. Leben ist immer wieder neu und anders, wir nehmen es nur selten wahr. Daher beherzige ich auch meine These von damals, die Welt immer neu zu sehen. So bin ich mit einem frischen Blickwinkel an den früheren Text herangegangen, habe die Reihenfolge geändert, einige Kapitel des früheren Buches herausgenommen oder neu bearbeitet, neue Kapitel hinzugefügt und vieles komplett verändert oder aus späteren Büchern in dieses Buch übernommen und dem Konzept angepasst. Etwas neu zu sehen bedeutet auch, es neu zu erschaffen.

Der Zen-Philosoph Alan Watts schrieb im Vorwort zu einem Buch Offene Weite: »Einige Kritiker werden mich der Wiederholung zeihen, aber ich als Lehrer habe oft feststellen müssen, dass die meisten nichts verstehen, wenn man nicht seine Gedanken wiederholt ‒ sie in andere Worte kleidet oder neue Bezüge herstellt, wie ein Musiker sein Thema variiert. Dabei meine ich mit Verstehen nicht einfach das verbale Begriffsvermögen ‒ ich meine das Gefühl, das durch 'Mark und Bein' geht.«2

Ich hoffe, dass dieser Impuls mir auch mit diesem neuen Buch gelungen ist!

Bruno Martin

»Der Versuch, durch Vertreiben des Dunkels

zum Licht zu gelangen,

ist dualistischem Denken entsprungen

und wird den Yogi

nie zum Verständnis des GEISTES führen.«

»Selbst-Natur ist Selbst-Erkenntnis;

sie ist kein bloßes Sein, sondern Erkennen.

Wir können sagen, dass sie ist,

indem sie sich erkennt;

Erkennen ist Sein, und Sein ist erkennen...

Die Natur spiegelt sich in sich selber,

was unaussprechliche

Selbst-Erleuchtung bedeutet.«3

1 Siehe die Bibliografie am Ende des Buches.

2 Alan Watts: Offene Weite, nichts von heilig, 1982, S. 7

3 Beide Zitate: D. T. Suzuki, Zen - Lehre vom Nichtbewussten, München 1957

Die Welt muss in jedem Augenblick neu erschaffen werden

Einführung in das Übungsprogramm

»Die Welt muss jeden Augenblick neu erschaffen werden. Deshalb ist jeder Augenblick eine Gelegenheit, die Welt anders zu gestalten. So wirkt die schöpferische Intelligenz.«

Anthony Blake4

Bist du5 bereit? Bereitschaft ist lebendige Weisheit. Sie setzt voraus, sich auf etwas Neues einzulassen. Wer meint, alles zu wissen oder sich selbst schon ausreichend zu kennen, den Sinn oder auch »Unsinn« des Lebens bereits gefunden zu haben, kann nichts Neues mehr erfahren. Eine Zen-Geschichte illustriert diesen Gedanken:

Ein berühmter Professor sucht einen Zen-Meister auf und bittet ihn um Unterrichtung. Doch er wartet nicht, bis der Meister etwas sagen kann, sondern der Gelehrte erläutert dem Meister minutenlang ohne Unterbrechung sein Wissen über Zen. Als der Tee hereingebracht wird, schenkt der Gastgeber Tee in die Tasse des Gastes ein, hört aber nicht damit auf, obwohl sie überläuft. Der Gelehrte beobachtet das und schreit auf, um den Roshi aufzuwecken, weil er meint, dieser merke es nicht. Der Roshi erwidert dann lapidar: »Dein Geist ist genauso übervoll wie diese Tasse. Du kannst nichts Neues aufnehmen, sonst würde dein Geist genauso überlaufen...« So etwas erlebe ich leider häufig...

Manchmal greift das Leben selbst ein, um uns aufzuwecken. Das müssen nicht immer dramatische Momente oder sogar Unglücke sein. Auch schöne, aufregende Erfahrungen, wie die Geburt eines Kindes, eine Verliebtheit, eine Begegnung mit einem faszinierenden Menschen kann das Leben völlig auf den Kopf stellen. Plötzlich ist ein neuer Faktor ins Leben getreten, der uns vor völlig unbekannte Probleme oder Herausforderungen stellt. Das Leben ist im Fluss, die Dinge verändern sich andauernd. Die Welt holt dich ein, bevor du es bemerkt hast. Damit deine Aufmerksamkeit wach ist, bevor das Leben dich aufrüttelt, kann dir dieses Buch eine Übungsmethode zeigen, um in der Geistesgegenwart zu leben unter dem Motto: Erkenne und ergreife die Chance des Augenblicks. Damit bist du in der Lage, die sich ständig verändernden Anforderungen des Lebens zu meistern.

Dieses Trainingsprogramm kann zu einem einzigartigen Selbst-Experiment werden, indem du dich darauf einlässt. Es zeigt dir eine Richtung mit drei ineinander verschränkten Dimensionen: Geist - Erfahrung - Wirken:

1. Du bekommst Anregungen, bekannte Dinge und Ideen auf neue Weise zu betrachten.

2. Du kannst ein Übungsprogramm erproben, mit dem du Schritt für Schritt die unterschiedlichen Facetten deines Seins und Bewusstseins ergründest.

3. Du erschaffst dir nach und nach neue Räume und Lebenswirklichkeiten.

Es ist mehr als Lebenshilfe oder »Ratgeber«. Du folgst mit den Anregungen in diesem Buch keinen Lebensweisheiten, die vielleicht überhaupt nicht zu dir passen und die sich ein Autor, eine Autorin ausgedacht haben. Es geht vielmehr darum, dir einen inneren Weg zu zeigen, dein eigenes Leben mit Achtsamkeit und Aufmerksamkeit zu erforschen und auf vielfältige Weise alle deine Potenziale selbst zu erkennen.

Arbeit mit einem Thema

Das grundlegende Übungsschema des Buches besteht in einem wöchentlichen Thema, das ausführlich erläutert wird. Mit eigenen Beobachtungen und Anstrengungen können diese Anregungen überprüft und durch die eigenen Erfahrungen erweitert oder besser erkannt werden. Alle Übungen sind so konzipiert, dass sie Teil deines persönlichen Tages- und Wochenablaufs sein können – und fördern so das Erwachen aus dem »alltäglichen Schlaf«.6 Die vorgeschlagenen Übungen sind Anregungen, die ihre Wirkung dann entfalten, wenn sie praktiziert werden. Sie stehen für eine aufmerksame Zugewandtheit dem Leben gegenüber und sind Beispiele, keine umfassenden, alle Aspekte des Themas spiegelnde Philosophie. Ich möchte dir Raum für deine eigenen Vorstellungen und Ideen geben. Ziel des Programms ist es, ein harmonisches Wachstum auf allen Ebenen der Körper-Seele-Geist-Einheit zu erreichen. Das bedeutet nicht, dass es ein vorgegebenes »Leistungsziel« gibt. Es geht vielmehr um intelligentes Vorgehen, damit du lernst, in jedem Augenblick die geeignete Aktion zu wählen, um mehr über sich selbst zu erfahren. Das Herausragende an dieser Methode ist, dass sie im Kontext unseres täglichen Lebens steht. »Das Leben ist der beste Lehrmeister«, sagte mir John G. Bennett einmal.

Mit diesem Trainingsprogramm lade ich dich ein, einige Schritte auf einem spirituellen Weg voranzugehen, und du wirst überrascht sein, wenn viele Übungsthemen »weltlich« zu sein scheinen.

Warum »spiritueller Weg«? Ein spiritueller Weg unterscheidet sich in vieler Hinsicht von einem religiösen Weg. Bei einem spirituellem Weg geht es um direkte Erfahrung, nicht um Glauben. Was beide im Kern gemeinsam haben, ist ein Streben nach menschlicher Vollkommenheit oder der Vollendung einer Aufgabe, die der Mensch und die Menschheit als Ganzes auf dieser Erde möglicherweise haben. Eine Religion setzt jedoch den Glauben an eine Allmacht voraus, welche die menschlichen Geschicke bestimmt, während ein spiritueller Weg die eigene Erfahrung und die daraus gewonnene Erkenntnis fördert. Deshalb setzt dieses Übungsprogramm keinerlei Art von Glauben voraus oder gibt irgendeine Ideologie behaftete Richtung vor. Die einzige Richtung ist deine Entscheidung und der Wunsch, mehr und mehr ins Leben und ins Bewusstsein »aufzuwachen«. Der vorgeschlagene Weg steht in der Tradition der »Schulen des Augenblicks« und ist für Menschen in einer »aufgeklärten« westlich-demokratisch geprägten Gesellschaft konzipiert. Es ist ein lebendiger Weg »zu sich selbst«, der nie aufhört.

4 In: Anthony Blake, Intelligenz Jetzt, Neuauflage 2020, BoD

5 Wie in meinen anderen Büchern spreche ich dich, liebe Leserin, lieber Leser per »Du« an, weil ich keinen künstlichen Abstand herstellen möchte. Im Grunde gehen wir den Weg gemeinsam und auf Augenhöhe. Ich als Autor und Lebenslehrer bin kein Besserwisser, ich habe aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung vielleicht nur mehr Einsichten gewonnen, die ich dir zur eigenen Erkenntnis weitergebe.

6 So bezeichnet G. I. Gurdjieff den gewöhnlichen Wachbewusstseinszustand der Menschen, die mehr oder weniger automatisch und ohne Achtsamkeit ihr Leben leben. Siehe P. D. Ouspensky: Auf der Suche nach dem Wunderbaren.

Zur Methode

Du begegnest hier Themen. die mehr als eine Idee sind, über die man nachdenkt. Es bietet jeweils einen der vielen Aspekte praktischer Weisheit, die in der eigenen Beobachtung erfahren werden. Die Richtung eines Fokus auf ein vorgeschlagenes Thema bietet die Möglichkeit, achtsam eine Woche lang sich nur auf diesen Aspekt auszurichten, so dass du nicht gleichzeitig viele andere Dinge beachtest - die du selbstverständlich auch nicht vernachlässigen solltest...

Diese eigene direkte Erfahrung kann deinem Leben eine zusätzliche Qualität geben. Beobachtung bedeutet in diesem Zusammenhang bewusste Wahrnehmung - dazu mehr in weiteren Kapiteln. Lasse dabei die Idee zu, dass es weder einen Beobachter noch etwas Beobachtetes gibt. Unser normales Denken ist zu dualistisch ausgebildet, um etwas ausdrücken und zu verstehen, das jenseits dieser Dualität vorhanden ist.

Das Ziel des Übungsprogramms ist, auf ein neues praktisches Verstehen des Lebens hinzuarbeiten, womit das Leben reicher wird und eine tiefere Qualität bekommt. Es sind keine Regeln oder Befehle, die Themen werden im Handeln entdeckt, in den allgemeinen Situationen des Alltags. Einen Hinweis solltest du beherzigen: Du gehst ein Risiko für dich selbst ein, denn es kann dein Leben verändern.

Manchmal können deine Erkenntnisse während der Übungswoche wie eine Erleuchtung sein, ein »Aha-Erlebnis«, an dem es keine Zweifel gibt. Manche der Themen scheinen auf den ersten Blick »ausgefallen« oder »verrückt« zu sein. Lasse die Anregung auf dich wirken und lerne, zuerst eine Erfahrung zu machen, bevor du ein Urteil fällst.

Eine Voraussetzung ist wichtig: Du solltest diesen Themen mit einer ernsthaften Haltung begegnen. Das bedeutet nicht »heilig« oder »schwer«, sondern mit Absicht - mit der Absicht, sich wirklich auf eine innere Arbeit einzulassen. Es schadet eher, dir vorzumachen, d. h. zu meinen, du würdest »an dir selbst arbeiten«.7 Du weißt selbst, was es bedeutet Anstrengungen zu machen, um ein Ziel zu erreichen. Diese hier vorgeschlagene Art der »bewussten Anstrengung« könnte insofern schwierig sein, weil du nie weißt, was es überhaupt nützt und ob du etwas zurückbekommst. Immer wieder aufmerksam in die Welt zu schauen kann auch anstrengend sein, doch es ist eine erfreuende Aktivität, weil sie unser Leben mit Kraft erfüllt.

Die meisten vorgeschlagenen Themen sind für eine Woche konzipiert. Es empfiehlt sich, am Montag mit dem Thema zu beginnen und am Sonntag die vergangene Woche noch einmal vor dem inneren Auge zu reflektieren. Wenn du keine Erkenntnisse oder Ergebnisse hast – oder die Übung schlicht während der Woche vergessen hast, versuche diese Übung in der nächsten Woche wieder anzugehen oder auch zu einem späteren Zeitpunkt. Auch das Vergessen der Übung ist ein wertvoller Hinweis.

Zu den Themen gibt es konkrete Übungsvorschläge, die direkt zu deiner Seinsentwicklung beitragen können. Diese Übungen haben eine tief greifende Wirkung. Gehe verantwortungsvoll damit um. Einzig das Risiko einer Veränderung deines Bewusstseins musst du selbst eingehen.

Lege dir - falls du so etwas gewöhnlich machst - ein Notizbuch an (geht auch im Smartphone...), um Stichworte und Beobachtungen aufzuschreiben, so dass du später sehen kannst, was du im Laufe der Zeit entdeckt hast - und wie oft du die Übung vergessen hast! Später kannst du diese Beobachtungen durch weitere Erkenntnisse ergänzen. Auf diese Weise überprüfst du auch deine Arbeitsfortschritte.

In der früheren Fassung des Buches gab es eine Reihe von Übungen, bei denen die Aufmerksamkeit nach innen gerichtet wurde, um die eigene Körperwahrnehmung zu trainieren und tiefere Schichten des Seins zu wecken. Die meisten dieser Übungen habe ich in mein Gurdjieff Praxisbuch 1 von 2014 übernommen. Daher werde ich in diesem Buch gegebenenfalls auf die Übung hinweisen, so dass du diese Übung in diesem Praxisbuch nachschlagen und durchführen kannst.

Ich empfehle dir, die Themen in der gedruckten Abfolge zu bearbeiten. Sie sind sinnvoll aufeinander aufgebaut. Aber vielleicht liest du dich erst einmal in das Buch hinein, um einen Überblick zu bekommen, in welche Richtung es dich führen kann. Es ist kein Krimi, bei dem man sich nicht den Schluss vorwegnehmen möchte. Wenn du dich zu einem bestimmten Thema des Buches besonders hingezogen fühlst oder es gerade bei dir anliegt, solltest du dich selbstverständlich diesem Thema widmen.

Bitte gehe davon aus, dass viele Dinge, die hier vorgeschlagen werden, keine unmittelbaren Auswirkungen haben - wirkliche Veränderungen sind nicht »greifbar« im materiellen Sinne. Das macht unsicher. Doch dass, was ich als »innere Arbeit« bezeichne kann wie ein »homöopathisches Mittel« wirken. Zuerst kommt die »Erstverschlimmerung« - im Falle des Übungsprogramms vielleicht Frustration oder Ärger, weil anfangs nichts Konkretes, Greifbares geschieht. Doch das Mittel wirkt weiter und nach und nach stellen sich Veränderungen ein, wenn du dabei bleibst. Aus etwas, das wahrscheinlich war, wird auf einmal etwas Wirkliches und Bewusstes, und dieses hat sich dabei ebenfalls verändert.

Wenn mehr »Licht« in Form von »Bewusstseinsquanten« in dein Leben eindringt, kann es in dir von »Innen« zu leuchten beginnen. Das wirkt sich nicht nur auf Geist und Wesen aus, sondern auch auf das körperliches Befinden. Diese Arbeit schafft keine neuen Abhängigkeiten, sondern erweitert die Möglichkeiten für selbstverantwortliches Handeln. Es ist dein Leben. Bist du bereit?

Die Welt ist heute zu einem großen Teil von Leuten

dominiert, die anderer Leute Aufmerksamkeit auf sich

ziehen, sei es in Erziehung, Wirtschaft,

Politik oder Religion.

Inmitten all dieser Aufmerksamkeit heischenden

Aktivitäten kommt der einzelnen Person

eine passive Rolle zu,

sie reagiert nur auf das, was von außen kommt.

Dies ist unfreiwillige Aufmerksamkeit.

Was uns hier interessiert,

ist freiwillige Aufmerksamkeit,

bei der wir selbst die Initiative übernehmen.8

John G. Bennett

7 »Innere Arbeit« lässt sich schwer beschreiben. Einige Aspekte dazu findest du im Buch Harmonische Entfaltung, ab S. 79

8 John G. Bennett: Die inneren Welten des Menschen, S. 49

1 - Leben im gegenwärtigen Augenblick

»Meine wunderbare magische Kraft liegt im Wasser holen und Holz hacken.«

Zen-Weisheit

Wenn der »gegenwärtige Augenblick alles ist, was wir haben«, wie es einer meiner Lehrer, John G. Bennett, sagte, müssen wir uns fragen: Was ist der gegenwärtige Augenblick? Ist es eine Momentaufnahme mit einem Foto, das wir bei einem schönen entspannten Ballspiel am Meer mit Kindern oder Freunden aufnehmen - oder einem schrecklichen Ereignis, wie dem Einsturz der Bürotürme durch den Terroranschlag von 9/11, das wir im Fernsehen beinahe »live« miterleben konnten?

Bennett sagt auch, dass sich der »gegenwärtige Augenblick« ausdehnen oder zusammenziehen kann. Das bedeutet, dass es bei dem Begriff nicht um eine Zeitsekunde geht, sondern vielmehr um ein waches Gegenwärtigsein, um eine bewusste Wahrnehmung des Lebens im »Jetzt«. Die Zen-Erkenntnis des Anfangszitats bringt auf den Punkt, dass der Mensch im alltäglichen Leben wach sein, gegenwärtig in dem, was er gerade macht, und sich dabei seiner selbst gewahr sein sollte – nicht nur im Rückzug, im geschützten Raum, in dem alle in Stille meditieren. Selbstverständlich hilft diese Art der Besinnung sich innerlich zu beruhigen und zu regenerieren. Doch erst im Alltagsleben zeigt sich dann, ob wir »bei uns selbst« sind, egal welche Dinge uns ablenken.

Je intensiver die Erfahrung dieses Zustands ist, umso mehr spielt die Zeit dabei keine Rolle: Wir sind mit voller Aufmerksamkeit in uns zentriert und erleben den Augenblick als eine zeitlose Dimension. Wir sind bei uns selbst. Und dadurch »verweilen wir im Augenblick«, wie Goethe es sagt. Verweilen finde ich einen sehr schönen Ausdruck für das bewusste Gegenwärtigsein, das nicht von der Uhr abhängt. Je tiefer wir in unserem Wesen verwurzelt sind, umso tiefer und zeitloser ist unsere Erfahrung.

Das Entscheidende dabei ist, ob wir eine aufmerksame, bewusste Erfahrung machen oder ob die Erfahrung unbewusst, gewissermaßen von unserem Wachbewusstsein unbemerkt geschieht. Vielleicht bleibt etwas in unseren Gehirnzellen haften, so dass wir uns später daran erinnern, doch nur eine bewusste Erfahrung hinterlässt einen Eindruck in unserem inneren Sein.

Die Suche nach Selbsterkenntnis geht nicht durch einen zwanghaften Wunsch, sich selbst zu erkennen.

Sie ist vielmehr eine Öffnung für die Möglichkeiten, die ein inneres Gewahrsein bietet, sei es beim Holzhacken oder beim Boden wischen.

Das Wunder der Achtsamkeit

»Achtsamkeit ist ein aufmerksames Beobachten, ein Gewahrsein, das völlig frei von Motiven oder Wünschen ist, ein Beobachten ohne jegliche Interpretation oder Verzerrung.«

Jiddu Krishnamurti (1895-1986)

Vor rund 2500 Jahren lehrte Gautama Buddha Achtsamkeit als ein wesentliches Element seiner Lehre. Er sagte in einem Vortrag: »Aufmerksamkeit ist der Weg, der zur Befreiung vom Tode führt; Unbedachtsamkeit ist der Weg, der zum Tode führt.«

In den vergangenen zwanzig Jahren ist Achtsamkeitstraining bis hinein in viele Wirtschaftsunternehmen gelangt und wird dort in Seminaren für Manager angeboten. Kein Wunder: Denn wenn die Mitarbeiter achtsamer in ihren Tätigkeiten sind, geschehen weniger Fehler, und wenn sie entspannter und achtsamer sind, steigt auch die Produktivität. Ich erlebe immer wieder, wie wenig achtsam Menschen im Allgemeinen sind. Ein junger Mann half uns, ein Badezimmer zu streichen. Nicht nur, dass er die Kanten nicht mit Malerband abklebte (obwohl gesagt), damit die Farbe nicht auf Stellen kam, wo sie nicht hingehörte, sondern auch, dass er alles unaufgeräumt hinterließ, den Pinsel nicht abwusch... Verzeihlich, weil er ja nicht an Achtsamkeit arbeitete - aber auch Menschen, die das üben, machen ähnliche Dinge...

Achtsamkeit und Aufmerksamkeit werden oft gleichbedeutend gebraucht, doch sie sind ein „Geschwisterpaar“. Achtsamkeit bedarf der Aufmerksamkeit. Beide haben jedoch unterschiedliche Qualitäten, die aber zusammengehören:

Achtsamkeit wird vom buddhistischen Hintergrund ausgehend definiert als ein empfängliches, urteilsloses Beobachten und Gewahrsein dessen, was innen und außen im gegenwärtigen Moment vorgeht ohne sofort irgendeine Reaktion darauf zu haben.

Für mich beinhaltet sie aber auch, auf etwas oder jemanden zu achten, möglichst vieles zu beachten, achtsam mit etwas oder jemandem umzugehen (seien es Dinge, Pflanzen, Tieren oder Menschen). Achtsamkeit ist so eine sensitive Wachheit, Einfühlungsvermögen und ein feines Gespür für eine Situation.

Um jedoch achtsam zu sein, bedarf es der Aufmerksamkeit. Diese kann ich fokussieren, auf etwas richten. Sie ist die Fähigkeit, etwas zu bemerken, wahrzunehmen, konzentriert und absichtsvoll zu handeln. Mit geschulter Aufmerksamkeit habe ich außerdem die Fähigkeit, nach innen zu schauen, zum Beispiel den eigenen Körper, die eigenen Gefühle und Gedanken wahrzunehmen – und gleichzeitig sich selbst und die Umwelt wahrzunehmen. Dafür ist Achtsamkeit allein nicht ausreichend. Aufmerksamkeit kann in jeder Situation entweder selektiv, konzentriert, erweitert, geteilt und anhaltend sein, manchmal sogar alles zugleich.

Bei beiden Definitionen geht es letztlich um aufmerksame Wahrnehmung der inneren wie äußeren Abläufe. Und meiner Erfahrung nach bedeutet das auch, dass die Selbstwahrnehmung nicht von der Wahrnehmung der Außenwelt getrennt werden kann. Versuche selbst herauszufinden, wie du dieses Wissen für dich fruchtbar machen kannst.

Mit geübter Aufmerksamkeit und Achtsamkeit können kleinste Veränderungen in der privaten und beruflichen Umgebung mit wacheren Sinnen wahrgenommen werden. Menschen, die in therapeutischen und heiltätigen Berufen arbeiten und auch Künstlerinnen oder Künstler haben oft eine Form von »sechstem Sinn«, der sich aus erhöhter Aufmerksamkeit und Achtsamkeit zusammensetzt, wobei ihre Intuition auch eine »übersinnliche« Fähigkeit sein kann.9

Jeder Mensch hat diese sensorische Fähigkeit, sie ist nicht auf Berufsgruppen beschränkt. Grundsätzlich ist es für jede/jeden möglich, fein-sinnig zu sein, denn Achtsamkeit und Aufmerksamkeit lassen sich trainieren.

Wie geht es dir, wenn du diesen Qualitäten in dir nachspürst? Empfindest du dich als ein Mensch, der hauptsächlich aufmerksam oder achtsam ist im alltäglichen Leben? Verspürst du das Bedürfnis, beides zu sein - aufmerksam und achtsam? Verfeinerte Achtsamkeit im Allgemeinen und eine bewusste, erweiterte Aufmerksamkeit im Besonderen können in eine Lebensqualität des Wohl-Seins in allen Wirklichkeiten führen.

Jiddu Krishnamurti (1895-1986) sagte: »Bei der Förderung der geistigen Entwicklung sollte nicht die Konzentration, sondern die Aufmerksamkeit im Mittelpunkt stehen.«

Bewusstes Gehen

Nehme bei einem Spaziergang durch einen Wald den Weg wahr, auf dem du gehst. Spüre die Steinchen auf dem Weg, die Sonne (oder den Regen...), die durch Blätter oder Nadeln der Bäume scheint, den Himmel über dir, die vielfältigen Farben des Waldes, das grüne Moos und die vermodernden Äste, die herumliegen. Atme bewusst durch die Nase ein und aus, spüre, wie die »Lebensenergie« der Luft in dich und alle Zellen strömt. Vielleicht kannst du auch wahrnehmen, wie es sich anfühlt, durch ein »Meer aus Luft zu schwimmen«.

Du kannst diese Übung noch intensivieren, wenn du einmal Kieselsteine mittlerer Größe in beide Hände nimmst und die Arme beim Gehen damit einige Minuten hinauf und herunter bewegst. Dabei nimmst du auch deinen Körper wahr, nicht nur die Umgebung. So kannst du ganz einfach eine erweiterte Aufmerksamkeit trainieren.

Erhöhte Achtsamkeit in allen Lebensbereichen kann in eine Wachheit führen, aus der heraus das Leben in zunehmend größerer Gelassenheit und mit tieferem Verständnis für seine Eigenheiten gelebt werden kann.