Eric - Aus dem Leben eines Miststücks - Andy Claus - E-Book

Eric - Aus dem Leben eines Miststücks E-Book

Andy Claus

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Beschreibung

Eric Falk ist ein attraktiver Journalist Ende zwanzig. Aufgrund eines Schicksalsschlages, den er nicht verwinden kann, scheitert er in seinem Beruf, verliert Arbeit und Wohnung, lebt schließlich als Gelegenheitsarbeiter in einem heruntergekommenen Apartment. Dann endlich begreift er, dass es so nicht weitergehen kann. Die einzigen beiden Freunde, die ihm aus besseren Zeiten geblieben sind, helfen ihm dabei, auch wenn sie alles andere als einverstanden mit den Plänen sind, die er entwickelt hat. Eric setzt alles daran, den reichen Medienmogul Clemens Morgenstern kennenzulernen. Er weiß, dieser lebt für die Öffentlichkeit in einer intakten Familie, heimlich jedoch geht er seinen schwulen Neigungen nach. Durch einige wohldurchdachte Schachzüge gelingt es Eric, diesen Mann kennenzulernen und seine komplette Familie gegen ihn aufzuwiegeln. Er spinnt Intrigen, bis Clemens Morgenstern schließlich allein dasteht. Das ist der Zeitpunkt, auf den er gewartet hat. Geld, großzügige Geschenke und sein neues Zuhause in einer Villa verändern sein Leben. Doch wirklich zufrieden scheint er noch immer nicht zu sein. Ist Eric wirklich nur ein berechnendes Miststück? Oder gibt es ein handfestes Motiv, warum er Clemens Morgenstern zugrunde richten will? Wieso hasst er den Mann, der ihm ein gutes Leben ermöglicht?

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Seitenzahl: 592

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Andy Claus

Eric

Aus dem Leben eines Miststücks

Roman

Infos zu Andy Claus sind zu finden unter:

www.andy-claus.de

Weitere Romane:

Masken aus Glas ISBN 978-3-934825-14-7

Herbstgewitter ISBN 978-3-934825-20-8

Sascha - Das Ende der Unschuld ISBN978-3-934825-26-0

Ulrich von Eichendorf ISBN978-3-934825-34-5

Tödliche Verführung ISBN978-3-934825-48-2

Die Qual der Bestie ISBN 3-938607-0-41

Louis und Justin ISBN978-3-934825-56-7

Kristallseele ISBN978-3-934825-63-5

Kurzgeschichten:

Gay Universum 1 ISBN978-3-934825-37-6

Gay Universum 2, ISBN978-3-934825-44-4

Himmelstürmer Verlag, part of Production House GmbH

Kirchenweg 12, 20099 Hamburg

E-mail: [email protected]

www.himmelstuermer.de

Foto:Christopher Schmidt,www.csartphoto.de

Umschlaggestaltung: Olaf Welling, Grafik-Designer, AGD, Hamburg.

Originalausgabe, Oktober 2007

E-book: März 2013

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

Rechtschreibung nach Duden, 24. Auflage

Printed in Czech. Rep.

ISBN print: 978-3-934825-82-6

ISBN epub: 978-3-86361-306-8

ISBN pdf:978-3-86361-307-5

Kapitel I

Eins

Die Sonne stand jetzt am späten Nachmittag bereits tief, sie tauchte die Kölner Innenstadt und sogar die im Stau stehenden Autos in ein beinahe romantisches Licht. Keiner der im Feierabendstress vorbeieilenden Menschen war wirklich warm gekleidet, der November war gerade einmal kühl, aber nicht kalt zu nennen.

Gerade lichtete sich die Schlange ein wenig, die Wagen kamen in Bewegung, eine große S-Klassen Mercedes Limousine fuhr vom Ebertplatz Richtung Innenstadt auf den Hansaring. Der Benz in silbermetallic spiegelte in der Sonne und schnurrte beim Anfahren, wurde dann jedoch unvermittelt einer Vollbremsung ausgesetzt. Ein junger Mann lief in Höhe der Bremerstraße auf die Fahrbahn, ohne sich umzusehen, der Kotflügel des höchstens vierzig Stundenkilometer schnell fahrenden Benz erwischte ihn und schleuderte ihn zuerst auf die Kühlerhaube, dann rutschte er auf der anderen Seite wieder hinunter und fiel auf die Straße, wo er liegen blieb. Ohne selbst auf den Verkehr zu achten, verließ der Fahrer den Benz und lief zu dem verletzten, jungen Mann, der gerade dabei war, sich aufzurichten.

„Wie können Sie einfach auf die Straße rennen? Haben Sie keine Augen im Kopf oder sind Sie betrunken?“, rief der Fahrer aus.

„Danke, machen Sie sich keine Sorgen, mir geht es gut. Ich hoffe nur, Ihrem Schmuckstück da ist nichts passiert!“

Der junge Mann wies mit einem ironischen Grinsen auf die S-Klasse und erhob sich dann komplett in die Senkrechte. Etwas unsicher auf den Beinen tastete er sich ab. Der Fahrer des Wagens, ein teuer gekleideter, gut aussehender Mann in mittlerem Alter, fühlte sich genötigt, nun doch auf sein Opfer einzugehen.

„Geht es Ihnen wirklich gut?“

„Na ja, vor ein paar Minuten ging es mir noch besser!“

„Soll ich einen Krankenwagen rufen?“

„Nein, lassen Sie mal!“

Man sah dem Fahrer an, dass er die Verantwortung gerne abgegeben hätte, dies aber nicht so unverblümt zugeben wollte. Außerdem schielte er seitlich auf den Kotflügel, wahrscheinlich um zu sehen, ob es Kratzer gab.

„Ich muss zu einem Termin, ich hab leider keine Zeit mehr. Der Krankenwagen wäre in ein paar Minuten hier.“

„Ich sagte doch … nein! Machen Sie sich bloß keine Probleme, fahren Sie zu Ihrem Termin, ich komme schon klar!“

„Das ist unvernünftig, lassen Sie sich doch wenigstens untersuchen. Ich kann Ihnen auch ein Taxi rufen, das sie in eine Klinik bringt!“

„Nerv nicht, Mann!“

Damit drehte er sich um und humpelte davon, wobei er diesmal auf den Verkehr achtete.

„Hey, warten Sie! Sagen Sie mir wenigstens Ihren Namen …“

„Eric Falk!“, rief der andere über die Schulter zurück und verschwand zwischen den Passanten.

Zwei

Clemens Morgenstern kam noch rechtzeitig zu seiner Besprechung bei RTL. Es ging um Werbung für seinen neuen Fernsehsender, den er vor nicht allzu langer Zeit gekauft und seinem Medienimperium angefügt hatte. Telemax hieß der Sender und im Gegensatz zum Vorbesitzer hatte Clemens vor, etwas daraus zu machen. Hauptsächlich ging es um neue Spielfilme und aktuelle Dokumentationen, das alles jedoch ohne die Erfolgsbremse des Pay-TV. Die Werbung sollte den Sender finanzieren, aber dafür musste er erst einmal selbst bekannt genug sein. Deswegen war Clemens hier, bei solch großen Summen ließ er sich persönliche Verhandlungen nicht nehmen.

Was ihn jetzt doch sehr in seinem Verhandlungsgeschick störte, war, dass er dauernd an Eric Falk dachte. Er sah den attraktiven jungen Kerl ständig vor sich, machte sich Gedanken darum, ob ihm wirklich nichts passiert war. Er konnte es sich nicht leisten, als Fahrerflüchtling in der Presse aufzutauchen, wenn Eric es sich doch noch anders überlegte. Außerdem gab es tief in seinem Inneren noch ein ganz anderes Gefühl. Clemens begriff, dass er in erster Linie nicht an das Unfallopfer, sondern an den begehrenswerten Mann dachte. Im Bewusstsein wies er das weit von sich, in seinem Geschäft war er es gewöhnt, unterschwellige, unerwünschte oder geschäftsschädigende Empfindungen zu verdrängen. Trotzdem blieb der Gedanke aktiv.

Klar, er hatte sich in seinen 49 Jahren mit seiner schwulen Vorliebe arrangiert, sie war ihm alles andere als fremd und hatte sich nie ganz verdrängen lassen. Fest stand jedoch, dass er, um Komplikationen zu vermeiden, niemals eine Beziehung zu einem Mann eingegangen war oder eingehen würde. Was er in dieser Hinsicht an Sex brauchte, kaufte er sich. Ansonsten war er Medienboss, Familienvater und Ehemann in genau dieser Reihenfolge. Er lebte mit seiner zweiten Frau und den beiden erwachsenen Kindern aus erster Ehe in Köln Lindenthal und nach außen hin gaben sie die perfekte Familie ab.

Trotzdem spukte Eric auch noch auf der Heimfahrt in seinem Kopf herum. Er ließ sich nicht abschütteln, wie Öl sickerten die Gedanken immer aufs Neue in sein Bewusstsein. Er hatte so eine Ahnung, dass das Opfer seines Kotflügels nicht auf Frauen stand. Es wurde ihm nicht wirklich klar, worauf diese Einschätzung fußte, aber er war trotzdem beinahe sicher. Er hatte zwischenzeitlich eine Antenne dafür entwickelt, durch die er meist richtig lag. Obwohl er es sich nicht eingestehen wollte, hatte er die Entscheidung schon getroffen. Sie hieß Eric Falk - er musste ihn ausfindig machen.

Drei

Eric humpelte noch ein Stück, bis er sicher war, dass Clemens Morgenstern ihn nicht mehr sehen konnte, dann verfiel er in eine normale Gangart. Es hatte doch etwas für sich, sportlich zu sein, wenn man einen Unfall glaubwürdig darstellen wollte. Er lief Richtung seines 40-Quadratmeter-Apartments in der Weidengasse und grinste vor sich hin. Beinahe wäre es schief gelaufen, aber dann hatte es besser geklappt als erwartet. Jetzt war nur noch wichtig, ob er genügend Eindruck bei dem Älteren hinterlassen hatte, damit dieser ihn suchte. Eric hatte sich extra einen Festnetzanschluss zugelegt, um im Telefonbuch zu stehen, allzu schwierig würde es für den Medienmogul also nicht werden.

Er schloss auf und betrat seine Wohnung. Die Vorhänge waren zugezogen, das diffuse Licht verbarg jedoch nicht die Unordnung. Überall lagen Anziehsachen herum, in der Küchennische stapelte sich schmutziges Geschirr. An den Wänden hingen Poster von Männerakten, die schon bessere Zeiten gesehen hatten, Risse an den Seiten wurden mit Tesa geklebt. Nur ein altes Sideboard war ordentlich, auf ihm standen wie auf einem Altar verschiedene Bilderrahmen mit Fotos, die Eric mit einem anderen jungen Mann zeigten. Die silbernen Rahmen stachen aus der staubigen Ärmlichkeit des restlichen Zimmers hervor und wirkten wie aus einer anderen Welt. Die Bilder stammten aus einer sehr glücklichen Zeit, denn die beiden Männer lachten ungezwungen, sie küssten sich und einmal war hinter ihnen das Meer zu sehen. Mitten unter den Fotos stand eine gerahmte Todesanzeige, daneben lag ein Tagebuch.

Eric zog die Schuhe aus und ließ sie achtlos liegen, dann holte er sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank, warf sich auf die Couch und schaltete den kleinen Fernseher an. In Gedanken mit seinem Plan beschäftigt, leerte er die Flasche, wurde dann müde und schlief an Ort und Stelle ein. Erst das Telefon weckte ihn, als es schon dunkel war. Er hob ab und seine Stimme klang noch schlafmäßig konfus, als er sich meldete.

„Hier spricht Clemens! Wie geht es Ihnen?“, erklang es am anderen Ende. Beinahe hätte Eric sich verplappert, aber es fiel ihm noch früh genug ein, dass er offiziell mit dem Namen noch nichts anzufangen wusste und so antwortete er:

„Muss ich Sie kennen?“

„Sie sind mir heute vor den Wagen gelaufen!“

„Ach so, Sie sind das!“

„Sind Sie in Ordnung?“

„Was wollen Sie hören? Natürlich geht es mir gut … mal abgesehen von ein paar Lappalien. Aber das wird schon wieder!“

„Kann ich irgendwas für Sie tun?“

„Nicht wirklich!“

„Sie hören sich nicht gut an.“

„Wie klingen Sie denn, wenn Ihnen alles weh tut?!“

„Soll ich Sie abholen und doch noch in eine Klinik fahren?“

„Hören Sie, damit Sie endlich mit dem Mist aufhören … ich bin nicht versichert, eine Untersuchung kann ich mir nicht leisten. Kapiert? Wenn ich an Ihre Automarke denke, wird das etwas sein, das Sie sich nicht vorstellen können! Trotzdem ist es so und jetzt lassen Sie mich endlich mit Krankenhäusern in Ruhe!“

„Haben Sie wenigstens Tabletten gegen die Schmerzen?“

„Nein, kann ich mir im Moment auch nicht leisten!“

Einen Moment lang schwiegen sie, dann fuhr Clemens fort:

„Ich könnte Ihnen welche bringen.“

„Unsinn! War es das jetzt? Ich will mich wieder hinlegen!“

„Aber …“

Eric hatte aufgelegt und wieder stahl sich das wissende, erwartungsvolle Lächeln in sein Gesicht. Er stand auf, ging ins Bad und duschte, schlang sich danach nur ein knappes Handtuch um die Hüften. Er betrachtete sich im teilweise blinden Spiegel und schmunzelte spöttisch. Das war sein Kapital, mit dem er die Schlacht schlagen würde! Im Gesicht etwas Rebellisches, das an James Dean erinnerte, einen traumhaften, muskulös sehnigen Körper und das Wissen darum, was er wollte. Er kämmte seine noch nassen, dunkelblonden Haare streng zurück, ging wieder in den Wohnraum und schaute sich um. Sein Blick fiel auf das Sideboard. Er öffnete eine der Schubladen und sortierte die silbernen Rahmen dort hinein. In diesen Augenblicken war der Blick aus seinen blauen, fast topasfarbenen Augen schwermütig, das berechnende Grinsen aus seinem Gesicht völlig verschwunden. Jedes Bild hielt er einen Moment lang fest und schenkte ihm einen langen Blick, manche streichelte er, ehe er sie weglegte. Auch das Tagebuch und die Todesanzeige ließ er in der Schublade verschwinden. Anschließend schaltete er den Fernseher aus, ging zur mit einer einfachen Klinke versehenen Wohnungstür und versicherte sich, dass er sie nicht abgeschlossen hatte, zog dann das Bettzeug auf der Matratze glatt, die unter dem einzigen Fenster am Boden lag, schaltete das Licht aus und legte sich hin. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob er tatsächlich die richtigen Knöpfe gedrückt hatte.

Vier

Clemens war zu Hause angekommen, aber er ging seiner Familie aus dem Weg und sofort in sein Arbeitszimmer. Es war beinahe einundzwanzig Uhr, draußen stockdunkel und in seinem Inneren herrschte noch immer ein Wirrwarr aus widersprüchlichen Gefühlen. Was konnte es bringen, den Kontakt zu Eric herzustellen, fragte er sich, während er auf seinem PC bereits telefonbuch.de eingab. Dann hatte er die Nummer nebst Adresse vor sich und nahm den Hörer.

Nach dem Gespräch mit Eric saß er eine Weile nur da. Anscheinend lebte der andere nicht gerade auf der Sonnenseite, dadurch ergaben sich vielleicht Möglichkeiten. Im Geiste rieb sich Clemens die Hände. Die Adresse in der Weidengasse wie die ärmlichenUmstände sprachen dafür, dass sein Instinkt ihn nicht getrogen hatte. Eventuell war Eric einem kleinen Arrangement gegen Cash nichtabgeneigt? Clemens’ letzter Sex mit einem Callboy lag immerhin mehr als drei Jahre zurück. Körper gegen Geld, damit hatte er immer die besten Erfahrungen gemacht und das war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch die Art, wie er an diesen Mann herankommen konnte, ohne dass Gefühle oder Ansprüche die Übereinkunft verkomplizieren würden, dessen war er sich in diesem Moment absolut sicher. Sein Plan stand schon eine Minute später fest.

Er, Clemens, würde in irgendeiner Apotheke Schmerzmittel kaufen und auf jeden Fall hinfahren. So hatte er einen guten Vorwand, falls es vor Ort doch anders aussah, als er es vermutete. Schon im nächsten Moment hatte er die Wagenschlüssel wieder in der Hand, verließ das große, luxuriöse Anwesen im Kölner Westen und fuhr zurück in die Innenstadt. Es war so etwas wie ein Kulturschock, als er eine halbe Stunde später vor dem verwitterten Haus in der Weidengasse stand, in welchem sich laut Telefonbuch Erics Wohnung befand. Der Putz war alt, schmutzig und teilweise großflächig vom Mauerwerk abgefallen, die Scheiben in der Haustür durch weißes Plastik ersetzt, die beiden Steinstufen zu dieser Tür glänzten speckig und waren ausgetreten. Nur auf einer der sechs weißen, beschädigten Klingeln stand ein Name und es war nicht Falk, deshalb drückte Clemens gegen die Tür, die sich auch öffnen ließ. Es roch muffig im Hausflur, nein, es stank. Als Erstes fiel Clemens beinahe über einen Kinderwagen, der innen vor der Treppe stand. Dann fand er den Lichtschalter, der eine nackte Glühbirne aufleuchten ließ, die von der vergilbten Decke baumelte. Als Nächstes fiel sein Blick auf die Kellertür, vor der Müll lag, unter anderem fleckige Zeitungen, benutzte Babywindeln und jede Menge leere Weizenkornflaschen. Er rümpfte die Nase und hielt sich vom schmierigen Handlauf fern, als er die erste Stufe betrat. Die Stiegen waren steil und knarrten, als er langsam weiterging. Im ersten Stock hörte er Kindergeschrei hinter einer Tür, hinter der anderen die laute Stimme eines Mannes, der in einer fremden Sprache auf eine Frau einredete, die hin und wieder nur kurze, spitze Erwiderungen einwarf. Schließlich stand er im zweiten Stock vor einer Tür, auf die in Augenhöhe mit schwarzem Edding ‚Eric Falk’ geschrieben stand. Er klopfte, es folgte jedoch keine Reaktion. Die Klinke wirkte einladend, er zögerte nur kurz, dann drückte er sie herunter und die Tür gab nach.

„Hallo?!“, fragte er in die Dämmerung des sich anschließenden Raumes hinein, erhielt jedoch auch darauf keine Antwort. Er machte einen Schritt vorwärts, seine Augen gewöhnten sich nur langsam an die Dunkelheit. Er konnte durch das Flurlicht in seinem Rücken lediglich eine abgewetzte Couch, einen Fernseher, einen kleinen Tisch mit zwei übervollen Aschenbechern und viel Staub erkennen. Er tastete seitlich der Tür nach einem Lichtschalter, fand ihn und ein nicht allzu helles Licht an der Zimmerdecke, verpackt in eine Lampe aus Draht und sandfarbenem Papier, gab ihm den Blick auf die Matratze und Eric frei.

Einen Moment lang nahm ihm der Anblick den Atem. Konnte sich ein Mensch ohne jeden Vorsatz im Schlaf so malerisch drapieren? Sein Blick tastete den wohl definierten Oberkörper des Schlafenden ab, er stellte sich vor, wie es unter der Decke weiter ging und schluckte trocken. Erics Gesicht wirkte entspannt, die weichen, leicht welligen Haare, das schmale Gesicht mit den hohen Wangenknochen und die vollen Lippen bildeten einen reizvollen Gegensatz zu seinem energischen Kinn und den heraustretenden Unterkieferknochen. Clemens schätzte ihn auf Ende zwanzig und wieder schweifte sein Blick in tiefere Gefilde ab. Kurz unterhalb der Lenden drückte sich etwas gegen die Decke, das ihn auf der Stelle geil machte.

Clemens musste seinen Blick losreißen und sah sich kurz im Zimmer um. Die Männerakte an den Wänden, das ärmliche Mobiliar – er lag tatsächlich völlig richtig. Eric war schwul und auch, wenn er nicht stricherte, so konnte er offensichtlich doch jeden Cent gebrauchen.

Fünf

Eric lag auf der Matratze und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Er war beinahe sicher, dass er nicht lange warten musste, bis Clemens Morgenstern auftauchte. Bei den Informationen, die er über den Mann besaß, hatte er den Hinterhalt bestens platziert.

Er lag im Dunklen und lauschte auf die Geräusche im Haus. Noch hörte er nur den üblichen Lärm und nichts Ungewöhnliches. Seine Gedanken schweiften ab, er sah das Bild des immer noch interessant aussehenden, älteren Mannes vor sich. Ihm war das unnachgiebige Gesicht genauso geläufig wie die nicht mehr so ganz durchtrainierte Figur mit dem Bauchansatz, er kannte seinen rücksichtslosen Lebenslauf im Mediengeschäft genau wie die Leichen, die er im Keller hatte. Eric hatte nicht vor, irgendwelche Rücksichten zu nehmen. Jetzt, wo er entschlossen war, sich ein Stück vom großen Kuchen zu holen, gab es keinen Weg zurück.

Eric hörte das Knarren der Treppen und hielt einen Moment lang den Atem an. Es dauerte nicht lange, bis er das verhaltene Klopfen vernahm. Er zupfte an seiner Decke, legte sich so ausdrucksvoll wie möglich hin, wobei er wirklich nur das Nötigste seines makellosen Körpers verdeckte und verhielt sich ruhig. Er starrte in die Dunkelheit des Zimmers, bis sich die Tür öffnete und er Morgensterns Stimme hörte. Er blinzelte und sah die Umrisse des Mannes in der Tür, dann schloss er die Augen und stellte sich schlafend.

Er vernahm die näher kommenden Schritte auf den abgenutzten, dunkelrot lackierten Dielenbrettern, auf denen nur eine schäbige Teppichbrücke quer durchs Zimmer lag. Als die Bewegungen verstummten, wusste er, Clemens Morgenstern stand am Fußende und betrachtete ihn. Er war sich bewusst, wie aufreizend er dort lag, auch, dass er nicht alles zeigte, trotzdem fühlte er sich in diesen Augenblicken vollkommen nackt. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, die Augen geschlossen zu halten, er drehte den Kopf, damit Clemens Morgenstern das Zucken seiner Lider nicht bemerkte. Eigentlich erwartete er, endlich angesprochen zu werden, aber Clemens stand weiter ruhig vor der Matratze. Irgendwann hielt Eric es nicht mehr aus, er drehte sich auf die Seite und zog die Decke dabei hoch. Schon kurze Zeit später hörte er ein weiteres, verhaltenes ‚hallo’ und konnte nun erwachen. Er spielte den erstaunt-erschrocken-ärgerlichen Part sehr gut, was es mit sich brachte, dass Clemens ihm erst einmal die Packung Paracetamol hinhielt.

„Und dafür brechen Sie in meine Wohnung ein?“

Eric hatte sich aufgesetzt und machte keine Anstalten, die Tabletten entgegenzunehmen. Clemens ließ sie auf die Bettdecke fallen.

„Die Tür war offen, ich bin kein Einbrecher!“

„Die Tür war zu, sie war lediglich nicht abgeschlossen. Sie haben kein Recht …“

„Ich wollte Ihnen nur das Medikament bringen!“

Clemens musste zugeben, dass es nicht so lief, wie er es gerne gehabt hätte.

„Ja, danke! Und nun wollten Sie sicher wieder gehen?“

„Ich …“

„Wollten Sie doch, oder?“

Eric machte einen aufgebrachten Eindruck, es sah nicht so aus, als ob er mit sich reden lassen würde. Clemens, der eigentlich nur Menschen kannte, die mehr oder weniger freiwillig das taten, was er verlangte, sah in diesem Fall keine Möglichkeit, das Ruder herumzureißen.

„Ich wollte Ihnen nur etwas Gutes tun, schließlich sind Sie vor mein Auto gerannt und auch wenn es nicht meine Schuld war, mache ich mir Gedanken!“

„Das ist außerordentlich edelmütig von Ihnen. Machen Sie sich die nächsten Gedanken bitte hinter dem Steuer Ihrer Limousine!“

Eric beharrte darauf, dass Clemens die Wohnung verließ und dieser spürte allmählich Wut in sich aufsteigen. Er war es nicht gewöhnt, dass man so mit ihm umsprang. Gleichzeitig wollte er noch nicht aufgeben, er musste Eric einfach haben.

„Gut, wenn Sie meine Sorge nicht zu schätzen wissen, fahre ich wieder heim … hier ist meine Nummer, wenn ich doch noch helfen kann, melden Sie sich! Ich möchte mir nicht irgendwann vorwerfen lassen, es hätte mich nicht gekümmert, was mit Ihnen ist.“

Er nahm die Tablettenpackung, notierte „Clemens“ und eine Handynummer darauf und verließ ohne weiteren Gruß Erics Wohnung. Er hatte ihm absichtlich nicht seine Visitenkarte gegeben, Eric musste nicht wissen, wer er war. Solange es sich vermeiden ließ, wollte er keine schlafenden Hunde wecken. Bei dem, was er von Eric wollte, genügte es, wenn offensichtlich war, dass er Geld hatte.

Eric blieb im Bett sitzen und zündete sich eine Zigarette an. Als die Tür hinter Clemens ins Schloss gefallen war und sich dessen Schritte die Stufen hinunter entfernten, begann er breit zu grinsen. Er nahm die Packung zur Hand und studierte die exakte Handschrift.

„Hab dich!“, murmelte er dann und schaute auf die Uhr. Die Fahrzeit nach Köln Lindenthal schätzte er auf ungefähr eine halbe Stunde. Er würde also zwanzig Minuten abwarten, bevor er Clemens anrief. Jedenfalls sollte er schon fast zu Hause sein. Er stand auf, holte sich ein weiteres Bier aus dem Kühlschrank und fixierte die Uhr auch während des Trinkens.

Nach einer sehr lang anmutenden Viertelstunde nahm er den Hörer schon einmal zur Hand, die letzten fünf Minuten seiner selbst gesetzten Frist zogen sich endlos. Dann endlich wählte er.

„Ja bitte?!“

Clemens Stimme klang herrisch.

„Eric hier! Ich wollte mich entschuldigen. Ich glaube, ich hab mich ziemlich blöd benommen. Ich würde Sie gerne auf einen Kaffee oder ein Bier einladen!“

Clemens durchfuhr ein freudiger Schreck, als er Erics Stimme hörte, was er sich natürlich nicht anmerken ließ.

„Und woher kommt der plötzliche Sinneswandel?“

„Ich war vorhin noch nicht ganz wach!“

Clemens entschied sich, aufs Neue entflammt, dies großzügig als Entschuldigung gelten zu lassen. Dann konnte aus seinem Plan ja doch etwas werden und das vielleicht sogar noch heute! Sex mit Eric würde ihm doch sehr entgegenkommen, denn seit er ihn dort hatte liegen sehen, wurde er die unterschwellige Geilheit nicht mehr los.

„Wo sollen wir uns treffen?“, fragte er.

„Ich dachte, Sie kommen wieder zu mir. Ich hab alles hier!“

‚Da wette ich drauf!’ antwortete Clemens, allerdings nur in Gedanken.

„Ich bin spätestens in einer halben Stunde da.“

„Okay!“

Clemens drehte bei der nächsten Gelegenheit und fuhr zurück. Er war ungeduldig und voller Erwartung. Eigentlich hatte er zu diesem Zeitpunkt bereits das Gefühl, die Zügel wieder fest in der Hand zu halten. Es ging halt nichts über Menschenkenntnis und die Gabe, andere nach seinem eigenen Willen manipulieren zu können! Er gab Gas.

Nachdem sie aufgelegt hatten, begann Eric, das Zimmer aufzuräumen. Clemens sollte sehen, dass er bereit war, ihm einen Wert zuzumessen. Es war der Moment, wo er ihm entgegenkommen musste, damit er nicht vom Haken sprang. Bis er eintraf, hatte Eric eine Menge zu tun. Viel konnte man aus der desolaten Wohnung ohnehin nicht herausholen, aber zumindest lag jetzt nichts mehr herum, Boden und Möbel waren frei von abgelegten Sachen. Dass die Dinge nun in Müllbeuteln im begehbaren Minischrank standen, störte keinen großen Geist. Eric hatte ein weißes Bettlaken über die abgewetzte Couch gelegt, den kleinen Tisch abgewischt und staubgesaugt. Dann stellte er zwei Kaffeebecher, Milch und Zucker hin. Schließlich machte er noch sein Bett, worin er normalerweise keinen Sinn sah. Er stimmte die Beleuchtung ab und kam zu dem Schluss, nicht die Deckenlampe einzuschalten und dafür in der Küchennische Licht zu machen. Das schmutzige Geschirr hatte er soweit möglich im Backofen gestapelt und kurz, bevor Clemens eintraf, in fliegender Hast noch die Flächen abgewischt.

Das indirekte Licht ließ das Ergebnis seiner rasanten Arbeit einigermaßen wohnlich erscheinen. Der zweite Akt konnte eingeläutet werden.

Sechs

Eric entschied sich für eine weitere Dusche, die Putzaktion hatte ihn doch heftig zum Schwitzen gebracht. Es war ihm klar, dass er es vor Clemens Eintreffen nicht mehr schaffen konnte, aber das wurde in seinen Augen nicht wirklich zum Problem, das Gegenteil war der Fall.

In aller Ruhe ging er ins Bad, duschte, zog sich als alleiniges Kleidungsstück eine Jogginghose über und ging barfuss gleich zur Tür. Allerdings stand Clemens nicht wie erwartet davor. Er hörte seine Schritte noch unten auf den letzten Stufen, dann die Haustür. Er rannte zum Fenster, riss es auf und sah, dass sein verhinderter Besucher wohl wieder auf dem Weg zu seinem Wagen war. Er rief seinen Namen, worauf Clemens stehen blieb und zu ihm hochschaute. Er war auf ein Heranwinken hin bereit, wieder zurückzukommen, was Eric ein gutes Gefühl gab.

Dann endlich ließ er ihn in seine Wohnung. Es duftete nach Kaffee, Clemens schaute sich erstaunt um und fühlte sich aufgrund des großen Aufwands in so kurzer Zeit geschmeichelt.

„Ich hab noch geduscht und Ihr Klopfen deswegen nicht gehört. Tut mir leid! Bitte nehmen Sie Platz.“

Clemens beobachtete jede Bewegung des anderen, zog ihm in Gedanken die dünne Jogginghose aus, die alles darunter Liegende deutlich erahnen ließ. Als Eric die Kaffeekanne holte und kurz aus dem Gesichtsfeld des Älteren verschwand, versuchte dieser, sich zu sammeln. Es war unglaublich, welchen Eindruck Eric auf ihn machte, er stand in hellen Flammen. Seine Gier auf den anderen zündelte wie ein Kleinkind mit Streichhölzern an seinen sämtlichen Nervenenden herum. Sein Jagdinstinkt war hellwach, allerdings handelte es sich bei dieser Beute eindeutig um Hochwild. Instinktiv wusste er, dass er Eric nicht wie einen Callboy behandeln durfte, wenn er ihn haben wollte, zumindest nicht jetzt schon. Trotzdem nahm er sich vor, die Herumschwänzelei baldmöglichst zu beenden und die Karten unverhohlen auf den Tisch zu legen. Geradeaus kam man noch am schnellsten zum Ziel.

„Hast du Tabletten genommen? Du musst ja hier in der kurzen Zeit bis zu meiner Rückkehr ganz schön gewirbelt haben ...“, sagte Clemens und ging damit zum vertrauten ‚du’ über.

„Ja klar!“, antwortete Eric und hoffte, er konnte die Packung irgendwann unauffällig verschwinden lassen, damit seine Lüge keine Chance bekam, aufzufliegen. „Nimmst du Milch und Zucker?“, lenkte er ab und ging gleichzeitig auf das Angebot zum Duzen ein.

„Nein, schwarz!“

Einen Moment lang schwiegen beide, dann entschloss sich Clemens, mehr über Eric in Erfahrung zu bringen.

„Wie kommt es, dass du in einem so heruntergekommenen Haus lebst?“

„Manchmal geht das Leben halt eigenartige Wege!“, antwortete Eric ausweichend und lehnte sich zurück, wobei der Hosenbund so tief rutschte, dass er die Leistengegend freilegte. Clemens’ Blick folgte den beiden ausgeprägten Vertiefungen an den Rändern des Beckenknochens abwärts. Beinahe hätte er vergessen, was er gerade sagen wollte. Er riss sich los und zusammen.

„Welche Wege?“

Eric zögerte, es war, als wolle er nicht mit der Sprache heraus.

„Das ist eine lange Geschichte.“

„Es interessiert mich wirklich.“

„Warum?“

„Es gibt keinen bestimmten Grund. Es interessiert mich aus diesem Augenblick heraus, wie ein Mensch wie du so tief sinken kann.“

„Ein Mensch wie ich?“

„Du bist überdurchschnittlich attraktiv! Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du Ähnlichkeit mit James Dean hast?“

„Was du nicht sagst! Mein Aussehen hat mir noch nie irgendetwas leichter gemacht!“

„Dann machst du etwas falsch!“

Clemens lächelte anzüglich.

„Ich bin kein Stricher, falls du das annehmen solltest. Ich hab nicht immer so gelebt.“

„Wie lange wohnst du hier?“

„Etwas mehr als zwei Jahre. In dem Jahr davor ging es unaufhaltsam bergab, das war die Zeit, in der ich alles verloren habe, was ich besaß. Früher war ich freier Journalist, heute bin ich studierter Gelegenheitsarbeiter mit Hartz 4.“

„Und was hat dich so aus der Bahn geworfen?“

„Der Tod meines Freundes.“

Es war Eric anzusehen, dass das Gespräch in eine Richtung lief, in welcher es zu emotional wurde. Deshalb blockte er Clemens’ nächste Frage auch ab, bevor er sie stellen konnte, stand auf und fragte:

„Möchtest du ein Bier? Ich brauch jetzt eins!“

„Nein danke, nicht auf den Kaffee!“

Einige Zeit verlief das Gespräch eher allgemein.

Dann begann Clemens aufs Neue, persönliche Fragen zu stellen.

„Und was arbeitest du im Moment?“

„Zeitarbeitsfirma … die haben jetzt nix für mich. Das wird sich Richtung Sommer hoffentlich wieder ändern. Wahrscheinlich gehts dann auf den Bau. Ich mache alles, wenn wenigstens ein bisschen Kohle dabei abfällt.“

Eric zuckte resigniert die Schultern und trank aus der Flasche.

„Auf dem Bau? Entschuldige, aber das ist für mich ein wenig wie Perlen vor die Säue werfen!“

„Danke für die Blumen, aber du bist wohl der Einzige, der das so sieht! Ich bin 29, mir wird Warner Bros. sicher keine Hauptrolle im nächsten Kassenschlager aufdrängen.“

„Ich könnte dir etwas anbieten!“ Clemens hielt den Zeitpunkt für gekommen.

„Was?“

„Eine anständige, möblierte Wohnung und großzügiges, monatliches Taschengeld bei so gut wie freier Zeiteinteilung! Keinerlei Verpflichtungen, du kannst ansonsten tun, was du willst, müsstest mir nur hin und wieder … na ja, sagen wir, zur Verfügung stehen.“

Erics Blick wurde lauernd, dann zog er ironisch eine Augenbraue hoch.

„Ich glaube, ich hatte schon erwähnt, dass ich kein Stricher bin!“

„So solltest du das auch nicht sehen. Es ist ein Geschäft, ich will etwas, das du hast und umgekehrt. Wenn du unbedingt ein Etikett draufkleben willst, sieh diese Übereinkunft einfach als sexuelles Abenteuer, das dir als Nebeneffekt hier raus hilft.“

„Aber ich finde dich nicht im Geringsten attraktiv!“

Das saß! Clemens traute seinen Ohren nicht, so etwas war ihm noch nicht passiert. Übergangslos wurde er sauer, gleichzeitig sein Wunsch aber auch stärker, den hübschen Kerl da vor sich zu knacken und die Arroganz aus ihm herauszustoßen. Er überging die Bemerkung.

„Du kannst es dir überlegen. Ich werde dich nicht oft in Anspruch nehmen, das lässt mein Zeitplan gar nicht zu.“ Clemens stand auf. „Du hast meine Telefonnummer, ruf an, wenn du dich entschieden hast!“

Damit ging er zur Tür. In Eric tobte ein Kampf. Das war genau das, was er erreichen wollte, aber der Verlauf ging in eine Richtung, die ihn zum Schmarotzer machen würde. Sobald er es war, der Clemens hinterher telefonierte, hatte der ihn in der Hand. Das konnte er nicht zulassen. Die Sache konnte nur funktionieren, wenn Clemens befürchten musste, ihn zu verlieren. Schnell stand er auf, entledigte sich seiner Hose, bevor der andere die Wohnungstür erreicht hatte.

„Wie viel ist dir das denn wert?“

Clemens schaute sich um und schnappte nach Luft. Er kam wieder näher, aber als er die Hand ausstreckte, trat Eric einen Schritt zurück.

„Wie viel?“

„Fünfhundert Euro monatlich und eine bessere Wohnung!“

„Machst du Witze?“

Er begann, an sich herumzuspielen, was ihm eine latente Erektion einbrachte. Dabei sah er Clemens unverwandt in die Augen.

„Tausend?“

Eric schüttelte den Kopf und lächelte maliziös.

„In Ordnung, wie viel willst du?“

„Zweitausend und die Wohnung. Und höchstens vier Mal im Monat Dienstleistung an vorher festgelegten Tagen.“

Längst hatte das Blut Clemens’ rationales Organ verlassen und die schwellenden Regionen seiner diensteifrigen Männlichkeit versorgt, unter seiner Schädelplatte blieb nur eine Notversorgung zurück, die ihm jetzt zumindest das Weiteratmen ermöglichte. In diesen Momenten war er bereit, zu allem ‚ja’ zu sagen.

„Okay, alles, was du willst! Komm her!“

Aufreizend langsam bewegte sich Eric in seine Richtung, bis er vor ihm stand. Er ließ zu, dass Clemens ihn anfasste, sich an ihm rieb. Erst als er ihn küssen wollte, drängte er ihn von sich weg.

„Ach ja, ehe ich es vergesse … Küsse sind nicht inbegriffen. Und ich will Vorkasse!“

Er drehte sich um, ging zur Couch zurück und bückte sich mit der Kehrseite zu Clemens, um seine Hose aufzuheben. Diese Aussicht war nun endgültig zu viel. Clemens zögerte keine Sekunde und stand im nächsten Moment hinter ihm. Er griff nach seinen Hüften, zog ihn an sich und stammelte irgendetwas Unverständliches. Als er ihn kurz los ließ, um seine Hose zu öffnen und das offensichtliche Tor aller Verheißung zu erobern, richtete Eric sich schnell auf und drehte sich um.

„Ich sagte Vorkasse!“, wiederholte er mit einem süffisanten Blick auf die Erektion in Clemens’ Hand. Dessen Gesicht war hochrot, sein Blick verschleiert und der Atem kam stoßweise und laut. Er hörte die Worte, aber alles, was er fühlte war, dass es jetzt kein Zurück mehr geben konnte. Eric begriff, dass er zu weit gegangen war, um sich auf gar nichts einzulassen. Er streckte die Hand aus und legte sie um Clemens’ Ständer, zog ihn an diesem grob zu sich heran, bis dessen Gesicht ganz nah vor seinem eigenen war.

„Okay, gegen einen kleinen Vorgeschmack ist nichts einzuwenden. Aber dann gehst du!“

Sein Griff wurde härter, er bewegte die Hand ein paar Mal nur ansatzweise auf und ab und spürte schon im nächsten Moment, dass Clemens kam. Er stöhnte auf, legte anschließend seine Stirn auf Erics nackte Schulter, um zu Atem zu kommen und seinen Muskeln eine Chance zu geben, mit dem Zittern aufzuhören. Eric ließ die Vertraulichkeit nur kurz zu, dann trat er zurück, griff sich diesmal weniger aufreizend die Hose und schlüpfte hinein.

Clemens kam derweil wieder zu sich und begriff die Situation. Er konnte nicht fassen, wie sehr er sich selbst verloren, sogar dieses Almosen angenommen hatte. Er fühlte sich wie ein Pubertierender, konnte sich nicht erinnern, wann ihm so was das letzte Mal passiert war. Irgendwie war er peinlich berührt und zornig auf sich selbst wegen dieses Kontrollverlustes. Er konnte nicht zulassen, dass Eric glaubte, Macht über ihn zu haben.

„Nun ja, viel ist es nicht, was du anzubieten hast!“, sagte er deshalb, brachte seine Kleidung in Ordnung und verließ ohne weiteren Gruß beinahe fluchtartig das Apartment. In diesem Augenblick war er sicher, den anderen nicht mehr sehen zu wollen, ja, er fühlte sogar einen gewissen Hass auf Eric.

Dieser blieb allein in der Wohnung zurück und ging zum dritten Mal an diesem Tag unter die Dusche, um Clemens’ Spuren abzuwaschen. Er war sich nicht ganz im Klaren darüber, wie die Sache nun gelaufen war. Wer war der Gewinner dieser üblen, kleinen Szene?

Er kam zu dem Schluss, dass er abwarten musste. Er durfte sich auf keinen Fall dazu hinreißen lassen, Clemens anzurufen, selbst wenn es das sonst schon gewesen war. Er hatte hoch gepokert und vielleicht war das, was er vorhatte, an diesem Punkt bereits gescheitert. Er nahm sich vor, das zu akzeptieren, wenn dem tatsächlich so war.

Sieben

Clemens war an jenem Tag auf schnellstem Weg nach Hause gefahren. Er ging zu Bett und war froh, dass seine zweite Frau und er getrennte Schlafzimmer hatten. Er war noch immer sauer und schwor sich, den Kontakt zu Eric nie wieder aufzunehmen. Und selbst, wenn dieser anrief, würde er ihm einen Korb geben. Er konnte es nicht riskieren, dass er noch einmal derart die Kontrolle über sich verlor. In dem Zusammenhang war er froh, dass Eric nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte, es gab also außer der unpersönlichen Handynummer keine Berührungspunkte und das war gut so.

Seine Wut hielt bis zum nächsten Mittag, das war dann der Zeitpunkt, als er zum ersten Mal wieder begehrlich an Eric dachte. Er gab sich Mühe, das miese Gefühl der letzten Nacht erneut heraufzubeschwören, was aber immer weniger funktionierte. Er ertappte sich dabei, dass er wünschte, der andere würde sich melden. Bei einer zweiten Chance konnte er ihm beweisen, dass er normalerweise nicht so schwach und seinen Reizen gegenüber machtlos war. Dieses Gefühl steigerte sich in den nächsten Tagen, oft genug konnte er sich kaum auf die Arbeit konzentrieren. Er merkte es, wollte es aber nicht akzeptieren, glaubte sich stärker als dieses Verlangen. Nicht umsonst hatte er es beruflich und privat so weit gebracht, er war stark und zugunsten höherer Ziele manchmal eiskalt, auch sich selbst gegenüber.

Er konnte nicht wissen, dass Eric in diesen Tagen mehr als einmal den Hörer in der Hand hielt, um ihn anzurufen. Die innere Stimme, welche ihn davon abhielt, war jedoch laut genug, um ihn immer wieder auflegen zu lassen. Eric war klar, dass alles einen völlig falschen Verlauf nehmen würde, wenn er jetzt nachgab. Dann konnte er sich die Sache auch ganz schenken, was er sowieso liebend gerne gemacht hätte. Ihm lag absolut gar nichts an Clemens, er war nur das leider unumgängliche Mittel zum Zweck.

Beinahe zwei Wochen waren vergangen, Eric glaubte schon nicht mehr daran und sah seinen Plan gescheitert, als er an einem Freitagmorgen in seinem verbeulten, alten Metallbriefkasten einen großen Umschlag vorfand. Er öffnete ihn noch an Ort und Stelle und hielt wenig später einen Zettel mit einer Adresse am Rudolfplatz und zwei Schlüssel in der Hand. Es gab weder einen Absender noch ein persönliches Wort. Einen Moment lang wusste er nicht, was das zu bedeuten hatte, dann schwante es ihm langsam. Er machte einen Sprung, boxte den Arm in die Luft und rief:

„Gewonnen!“

Ein Hausbewohner, der auf zwei Meter nach Alkohol stank und gerade an ihm vorbei wollte, grinste dümmlich, erklärte: „Genau, das sag ich auch immer!“, und torkelte weiter zur Haustür hinaus. Eric lachte ihm hinterher und rannte dann immer zwei Stufen nehmend hinauf zu seinem Apartment. Dort schnappte er sich eine Jacke und machte sich umgehend auf den Weg zum Rudolfplatz.

Er staunte nicht schlecht, als er vor dem Gebäude mit der angegebenen Hausnummer stand. Es war ein fünfstöckiger, moderner Neubau mit sehr viel Glas, er wirkte eher wie ein Bürogebäude. Wohnungen am Rudolfplatz überhaupt, und dann noch in einem solchen Haus, mussten ziemlich kostspielig sein. Kurz bezweifelte Eric, dass dies die richtige Adresse war, aber einer der Schlüssel passte auf die aufwändig verglaste Eingangstür. Er durchquerte eine Art Lounge und kam dann zum Fahrstuhl. Er musste ganz nach oben und drückte erwartungsvoll den Knopf. Der Lift ruckte an und einen kurzen Moment lang spürte Eric, dass sein Herz heftig klopfte. Dann öffneten sich die Lifttüren mit einem leisen Surren und er stand auf einem mit hochglanzpolierten Granitfliesen ausgelegten Flur. Die Wände waren von unten bis zur Mitte mit hellem Holz getäfelt, die andere Hälfte wurde mit einer farblich passenden, unaufdringlichen Mustertapete verkleidet. Eric sah sich um. Es gab nur eine Tür in diesem Flur und auch, wenn es eigentlich keine andere Möglichkeit gab, staunte er, als der zweite Schlüssel tatsächlich passte. Er betrat die Wohnung.

Er hatte nicht gelogen, als er Clemens von seinem früheren Leben erzählte, es war ihm tatsächlich besser gegangen, als er noch als Journalist für verschiedene Tageszeitungen und Magazine tätig war. So luxuriös allerdings war seine Wohnung auch zu den erfolgreichsten Zeiten nicht gewesen. Das Studio ging über die komplette Grundfläche des Hauses, Mittelpunkt war ein riesiges Wohnzimmer, das man betrat, wenn man zur Haustür hereinkam. Atelierfenster ließen getöntes Licht herein, die Einrichtung bestand aus hellem Holz, Glas und Chrom, es gab viele große Pflanzen und eine Wohnlandschaft aus beigem Waschleder war der Blickfang. Eric durchquerte den mindestens sechzig Quadratmeter großen Raum und öffnete die erste Tür. Er stand im geräumigen Bad, wie alles war es mit blankem, hellem Granit gefliest. Auch die große, halb in den Boden eingelassene Badewanne wurde in diese Fliesen gebettet. In der Dusche kam das Wasser aus verschiedenen Düsen ringsherum. Der absolute Blickfang allerdings war eine kleine Sauna aus nordischem Fichtenholz, die in eine Ecke des Bads integriert war. Er pfiff anerkennend, öffnete die Glastür und warf einen Blick in das Innere der Kabine. Der Platz reichte für zwei, allerhöchstens drei Personen. Eric schüttelte den Kopf und grinste, dann verließ er das Bad und ging weiter. Auch das Schlafzimmer, die Küche und ein weiteres Zimmer waren im gleichen, gehobenen Stil gehalten, alles wirkte blitzsauber, erstklassig und trotzdem wohnlich. Zurück im Wohnzimmer blieb Eric wie angewurzelt stehen. Die Gegenleistung für das alles hier würde heftig ausfallen, aber die Fahrkarte musste und würde er jetzt knipsen.

Sein Blick fiel auf den niedrigen Couchtisch und seine ohnehin großen Augen wurden noch größer. Dort lag Geld und er musste keinHellseher sein, wenn er die Summe auf 2000 Euro schätzte. Daneben fand er eine Din A4 Seite, auf der handschriftlich nur ein paar Worte standen - heute Abend, 21 Uhr!

Acht

Clemens Morgenstern hielt zum ersten Mal in seinem Erwachsenenleben nicht durch. Sein Verlangen nach Eric beeinflusste jeden Aspekt seines Tages und das meist negativ. Und so entwickelte er anfangs eher spielerisch, dann jedoch systematisch, wie es normalerweise seine Art war, einen neuen Plan. Unter Einbeziehung seiner Eigentumswohnung am Rudolfplatz würde er aus den 2000 gezahlten Euro so viel herausholen, wie es ihm möglich war. Er wusste, wenn er Eric erst ein paar Mal gehabt hatte, würde sein Interesse sowieso nachlassen und dann konnte er ihn aus der Wohnung werfen. Ein kleiner Tribut an seinen Ärger, den er immer noch empfand, weil der andere aus ihm ein beinahe willenloses Stück Fleisch machte.

Nachdem er diesen Entschluss gefasst hatte, schien er ihm der einzig Richtige. Er sah es nicht so, als würde er nachgeben. Der kurzzeitige Luxus würde Eric noch sauer aufstoßen und er, Clemens, konnte inklusive der kleinen Rache des baldigen Rauswurfs alles nacheinander auskosten. Die Schwuchtel musste erst gebacken werden, die ihm den Schneid abkaufte. Eine schöne Fassade reichte nicht aus, um ihn auf Dauer zu Fall zu bringen. Zu seiner Wut kam hinzu, dass er weder seine eigene Vorliebe noch Schwule an sich akzeptieren konnte. Er nahm seine heimlichen Abenteuer als ein notwendiges Übel, dem er nicht mehr Zeit widmete, als unbedingt sein musste. Schließlich war er jemand und konnte es sich nicht leisten, dass man mit dem Finger auf ihn zeigte. Das gleiche galt für seine Familie. Sie konnte gut leben, er war noch niemals knauserig. Aber dafür gab es ein Gebot, an das sich alle zu halten hatten - der Name Morgenstern musste unter allen Umständen sauber bleiben.

In der letzten Nacht hatte er persönlich den Briefumschlag eingeworfen und alles weitere vorbereitet, heute war der Tag, an dem Eric zu seinem Eigentum auf Zeit werden würde. Clemens sagte zwei Termine ab und verbrachte die meiste Zeit in seinem Büro damit, sich den Abend auszumalen. Er hatte genau gesehen, dass sich seine Mitarbeiter in den letzten beiden Wochen manch konsternierten Blick zuwarfen, sie wunderten sich über die offensichtliche Unkonzentriertheit und Lustlosigkeit des Chefs. So etwas hatte es noch nie gegeben und die ersten Gerüchte über eine eventuelle Krankheit wurden verbreitet. Aber das würde sich bald wieder ändern.

Endlich kam der Abend. Er war kurz zu Hause gewesen und hatte es nicht vermeiden können, ein kurzes Gespräch mit seiner Frau Helen zu führen. Sie war wieder einmal betrunken gewesen, deshalb konnte er die Schuld am unwirschen Abbruch der Unterhaltung auf sie abwälzen. Anschließend hatte er ein Bad genommen, besonderen Wert auf seine Kleidung gelegt und befand sich nun auf dem Weg zum Rudolfplatz.

Eric seinerseits hatte den Tag über die wichtigsten Sachen aus seinem Apartment geholt und mit einem Taxi zum Rudolfplatz gebracht. Es handelte sich nur um persönlichen Kram, denn ansonsten war von Bettwäsche über Geschirr bis zu Elektrogeräten alles vorhanden. Bevor er das schäbige Haus in der Weidengasse zum letzten Mal verließ, klingelte er im Paterre beim Vermieter und übergab ihm den Schlüssel. Die Miete für den laufenden Monat war bezahlt, danach gab er das Apartment frei. Er ließ sich auf keine Diskussion ein und floh schon im nächsten Moment aus seinem ungeliebten Leben in eine ungewisse Zukunft.

Im Gegensatz zu Clemens verdrängte er den Gedanken an den Abend und wenn dieser sich doch in den Vordergrund wühlte, sagte er sich, dass das zu schaffen war. Er musste seine Karten weiterhin besonnen ausspielen, das stand fest. Aber das traute er sich zu. Er wusste genug von Clemens Morgenstern, um die richtigen Schalter zu bedienen.

Als er mit seinen drei Sporttaschen voll persönlichem Kram im Wohnzimmer stand, kam er sich ein wenig verloren vor. Das alles hier hatte noch so gar nichts von ihm, aber das würde sich ändern. Er brachte seine Sachen ins Schlafzimmer und danach Sauberes wie Schmutziges zum Waschen ins Bad. Was nun fehlte, war Waschpulver. Das brachte ihn darauf, im Kühlschrank nachzusehen, aber auch der war bis auf zwei Flaschen Sekt leer. Kurzfristig entschloss er sich, die wichtigsten Dinge einzukaufen. Es war gerade Mittag vorbei, er hatte genügend Zeit dafür.

Drei Stunden später räumte er den Einkauf weg und schaltete die Waschmaschine an. Er hatte es nicht vorgehabt, aber das Geld in der Tasche hatte ihn gejuckt. Er kaufte sich auch Kleidung, warf einiges der alten Klamotten weg, statt sie zu waschen und hatte die ganze Zeit über ein eigenartiges Gefühl. Es war wie vor drei Jahren, als es plötzlich immer weiter abwärts ging, alles kam ihm wie ein Traum vor, nur diesmal ging es in einem einzigen, großen Satz aufwärts. Er machte sich jedoch keine Illusionen, dieses ‚Aufwärts’ stand auf tönernen Füßen.

Unaufhaltsam näherte sich der Abend. Eric war nervös, wusste, wie er sich selbst verhalten würde, trotz aller Informationen war der Glücksspielfaktor allein Clemens. Er nahm sich eine der Sektflaschen, setzte sich auf die Couch und schaltete den an der Wand hängenden, extragroßen Panasonic Plasmafernseher an. Es war neunzehn Uhr und es gab nichts mehr zu tun, als zu warten. Schon ziemlich schnell folgte das zweite Glas Sekt.

Als Clemens den Benz in die zum Haus gehörende Tiefgarage fuhr, ärgerte er sich über seine innere Aufregung. Immer wieder versuchte er sich einzureden, dass alles das passieren würde, was er wollte, Eric konnte einfach nicht anders, als seine Wünsche zu erfüllen. Aber er blieb unsicher, ein Gefühl, das er seit Jahren nicht mehr so empfunden hatte. Es ließ sich nicht leugnen, es war aufregend – um einiges interessanter als die gekauften One-Night-Stands, deren Verlauf er minutiös berechnen konnte.

Er hatte einen Schlüssel und auf dem Weg hierher war er fest entschlossen, ihn ohne Anmeldung zu nutzen. Jetzt stand er zwanzig Minuten zu früh vor der Tür und rang mit sich. Wieso ließ sein Durchsetzungswille schon wieder nach? Wie um sich selbst etwas zu beweisen, benutzte er den Schlüssel.

Eric saß auf der Couch und lächelte ihm entgegen. Er schien nicht überrascht über den unangemeldeten, vorzeitigen Eintritt. Clemens ließ keine Verlegenheit aufkommen, er hängte seinen Mantel an die Garderobe und setzte sich neben Eric.

„Freut mich, dass du unser kleines Arrangement angenommen hast!“

„Warum sollte ich nicht, du bist auf meine sämtlichen Forderungen eingegangen!“

„Was nach sich zieht, dass du jetzt auf meine eingehen wirst!“

„Natürlich!“

Eric stand auf, zog den Pulli, dann die Hose aus, nackt blieb er einen Moment vor Clemens stehen, dem schon wieder Hals und Hose zu eng wurden.

„Na, was ist? Wie hättest du es denn gerne? Soll ich hinhalten? Willst du geritten werden? Extrawünsche?“

„Ich will dich ficken!“, antwortete Clemens heiser.

„Okay!“

Eric kniete sich mit leicht gespreizten Beinen neben ihn auf die Couch und ließ sich nach vorne fallen, die Aussichten waren prächtig. Trotzdem hatte Clemens plötzlich ein Problem. Er rechnete damit, einen gewissen Widerstand brechen zu müssen. Das hier war zu leicht und somit absolut abtörnend. Sein Hirn pfiff seine Mannen zurück und seine halb gare Erektion fiel in sich zusammen wie Hefeteig bei Durchzug. Das wiederum weckte Erinnerungen. Schon öfter hatte er keinen hoch bekommen, bei Frauen fingen diese Schwierigkeiten schon vor ein paar Jahren an. Bei Männern hielt er etwas länger durch, aber auch da hatte er schon den einen oder anderen Hänger gehabt, insbesondere, wenn es ihm zu einfach gemacht wurde.

„Was ist?“, fragte Eric, obwohl er genau wusste, was vor sich ging.

„Du präsentierst dich mir wie ein Stück Vieh, darauf kann ich verzichten!“

Clemens sprang hoch und begann auf und ab zu rennen, während Eric sich normal hinsetzte.

„Heißt das, du verlangst keine Willigkeit?“

„Doch natürlich … aber doch nicht so!“

„Wie ist man denn willig, ohne willig zu sein? Du hast bezahlt und kannst von mir verlangen, was du willst, ich habe mich verpflichtet, es zu tun! Soll ich mich wehren und dann ergeben? Kein Problem! Ich wusste ja nicht, dass du auf Dominanzspielchen stehst!“

Es fiel Eric schwer, ernst zu bleiben, am liebsten hätte er breit gegrinst. Das klappte ja nun wirklich wie am Schnürchen. Bei Clemens war spätestens jetzt alles vorbei.

„Halt endlich den Mund, du Aas!“

„Aber wieso denn?“ Erics unschuldiger Augenaufschlag wirkte auf Clemens zum Kotzen infantil. Das passte nicht zu diesem Mann, nein absolut nicht! Aber er konnte ihm nicht wirklich etwas vorwerfen und das machte ihn rasend. Er fasste einen Entschluss und stoppte seinen Lauf durchs Zimmer.

„Ich werde jetzt gehen und am Sonntag wiederkommen. Dann bist du fällig und wenn ich vorher eine Packung Viagra schlucken muss, damit mich dein demonstratives Entgegenkommen nicht kastriert! Wenn ich einen tumben Stricher will, geh ich an den Bahnhof!“

Eric nickte. Er wusste bereits sehr genau, wie sein nächster Schritt aussehen würde. Dafür musste Clemens jedoch erst einmal die Wohnung verlassen, am besten wutentbrannt. Deswegen setzte er noch einen drauf.

„Wenn man sich jemanden für Sex kauft, sollte man nicht impotent sein, dann nützt der beste Partner nichts! Ich würde dich auch windeln oder an deinen Zehen lutschen, wenn es das ist, was dich scharf macht!“

„Freu dich auf übermorgen!“, war das Letzte, was Clemens sagte, dann riss er seinen Mantel vom Haken und war im nächsten Moment draußen. Es war nicht zu glauben, aber Eric hatte ihn schon wieder ausgetrickst. Übelster Laune machte er sich auf den Weg zum Fahrstuhl und stieg auf der Parketage aus.

Währenddessen sprang Eric hastig in seine Klamotten. Barfuss folgte er Clemens und erreichte die Parketage, als der andere gerade am Benz ankam und mit einem Piepton nebst Aufleuchten aller Lichter die Zentralverriegelung öffnete. Ziemlich schnell war er hinter ihm und riss ihn an der Schulter unsanft herum. Clemens war überrascht, er wehrte sich nicht und ließ es zu, dass Eric ihn mit dem Körper gegen den Wagen drückte, seine Handgelenke nahm und beide Arme ausgestreckt auf das Mercedesdach schob. Dann öffnete er Clemens’ Hemd und begann, seinen Oberkörper mit kleinen Bissen zu überdecken. Clemens spürte seinen heißen Atem und stöhnte leise auf, aber als er die Arme herunternehmen wollte, presste Eric sie zurück auf das Dach.

„Lass das!“, knurrte er unwillig und begann, Clemens’ Hose zu öffnen. Langsam ging er vor ihm in die Hocke und bei Clemens war nichts mehr von Problemen zu merken. Er ließ die Arme seitlich ausgestreckt auf dem Wagendach liegen, lehnte sich zurück und schaute an sich hinunter, beobachtete Eric, wie er mit seiner Erektion spielte. Er fühlte sich wehrlos, die Freiwilligkeit seiner Untätigkeit war aus seinem Kopf verschwunden. Eric saugte an ihm, massierte ihn und zog, drehte und presste Körperteile, für die eine solche Behandlung nicht alltäglich war. Irgendwann hielt Clemens es nicht mehr aus.

„Ich will dich … jetzt sofort!“, krächzte er heiser.

„Warte!“, antwortete Eric und legte noch einen Zahn zu. Er drang mit dem Daumen in Clemens ein und verstärkte die Reibung mit seinem Mund derart, dass der andere ein weiteres Mal kurz vor dem Höhepunkt stand. An dieser Stelle brach er ab. Er richtete sich auf, gab Clemens’ Ständer jedoch nicht frei, hielt ihn mit an der Wurzel verstärktem Druck in der Hand.

„Gleich hier auf der Motorhaube? Oder willst du es dir für nächstes Mal aufheben, dann vielleicht an einem anderen Ort? Du kannst mich überall haben!“

Er senkte den Kopf, massierte mit der freien Hand Clemens Brust und zog mit den Zähnen an einer seiner Brustwarzen. Gleichzeitig wurde der Rhythmus seiner anderen Hand schneller, Clemens hatte nicht die geringste Möglichkeit, sich wirklich zu entscheiden. Er warf den Kopf zurück und japste, als bekäme er keine Luft mehr. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, sein Leben verlasse ihn durch den Unterleib, seine Knie wurden weich.

„Du verdammtes Miststück!“

Grinsend stand Eric vor ihm.

„Warum? War es nicht gut?“

Clemens richtete seine Kleidung und schaute sich um. Er glaubte zwar, dass es in diesem privaten Parkhaus keine Kameras gab, aber sicher war er nicht. Der eben noch empfundene Kick der relativen Öffentlichkeit wandelte sich in Angst vor Entdeckung.

„Du weißt verdammt genau, was ich meine. Es soll immer nach dir gehen, nicht wahr? Aber so läuft das nicht.“

Eric lächelte noch immer, legte seinen Zeigefinger unter Clemens’ Kinn und seine vollen Lippen formten sich zu einem Kuss. Er hauchte ihn in die Luft, sagte: „Wir werden sehen … melde dich, wenn du Sehnsucht bekommst, ich bin für dich da!“, drehte sich um, ging weg und war kurz darauf im Lift verschwunden.

Zurück blieb Clemens, der zwischen dem Gefühl einer tiefen Befriedigung und erneuter Wut pendelte. Sehnsucht? Was bildete diese kleine Sau sich ein? Sehnsucht war ein zärtliches Gefühl und das würde es nie sein, das ihn in Erics Arme trieb.

Neun

Eric schloss diesen Abend mit dem Genuss der zweiten Flasche Sekt und dem Gefühl ab, dass alles bestens gelaufen war. Als er am nächsten Morgen im fremden Bett erwachte, diesmal nicht mit Rückenschmerzen wie auf der Matratze, hatte er schon ein wenig den Eindruck, in dieser Wohnung nicht mehr völlig fremd zu sein. Aber er wusste, noch war sie nicht erobert.

Er stand auf, zog sich an und machte sich mit der Bahn auf den Weg nach Melaten, dem großen, alten Friedhof im Kölner Westen. Vom Eingang Piusstraße ging er zwischen den hohen Bäumen und grandiosen Grabmälern zehn Minuten bis zu seinem Ziel, dem Grab seines Freundes Henrik.

Er erklärte ihm, dass er heute ausnahmsweise mal samstags kommen müsse, weil er am Sonntag etwas vor habe und erzählte in Gedanken von den Geschehnissen. Er zündete vier Kerzen an, für jedes Jahr ihres Zusammenseins eine, was er für sich zur Tradition erhoben hatte. Selbst zu Zeiten, als er sein Leergut sammeln und zu Geld machen musste, weil er völlig abgebrannt war, ließ er es sich nicht nehmen, jeden Sonntag vier große, weiße Grablichter hierher zu bringen. Auch heute erinnerte er sich wieder an ihre gemeinsame Zeit, schöpfte Kraft durch die Liebe, die er noch immer empfand, hatte an diesem Tag aber auch so etwas wie ein schlechtes Gewissen.

Als Henrik vor drei Jahren mit 25 starb, war Eric 26. Seither hatte er weder eine Liebes- noch eine Sexbeziehung begonnen und nun verspürte er das Bedürfnis, sich vor seinem toten Freund zu rechtfertigen. Erst, nachdem er am Grab alles durchdacht hatte, in seinen Gedanken Henriks Antworten hörte, war er beruhigt. Als er Melaten anderthalb Stunden später wieder verließ, war ihm leichter. Er ging bei McDonalds frühstücken und hinterher kaufte er noch einige Dinge für den morgigen Tag. Dann hatte er es eilig, wieder zurück in die Wohnung am Rudolfplatz zu kommen. Nach den wenigen Stunden Abwesenheit hatte er bereits das Gefühl, sie könne sich wie ein Trugbild auflösen, wenn er nicht zugegen war und sie mit seinem Geist, seinem Leben füllte.

Es gab an diesem Samstag nicht mehr viel zu tun, er genoss einfach die saubere, luxuriöse Umgebung, schrieb in sein Tagebuch, das er in letzter Zeit etwas vernachlässigt hatte, schaute dann Fernsehen und döste. Gegen Abend bestellte er Pizza und Salat und raffte sich anschließend auf, um ins Bett zu gehen. Er stellte eines von Henriks Bildern auf den Nachttisch, legte sich hin und rollte sich auf die Seite. Er deckte sich bis zu den Ohren zu, nahm das zweite Kissen vor seinen Bauch, umfing es mit den Armen und zog die Beine an. So schaute er das Bild an, bis er einschlief, ohne das Licht zu löschen. Er schlief dreizehn Stunden bis zum Sonntagmorgen durch.

Zehn

Clemens hatte sich für den gleichen Samstag vorgenommen, einige geschäftliche Dinge zu erledigen, die in den vergangenen beiden Wochen liegen geblieben waren. Er tat das von seinem Arbeitszimmer zu Hause in Lindenthal aus. Ausnahmsweise hatte er das Frühstück zusammen mit seiner Frau Helen und seinen beiden erwachsenen Kindern aus erster Ehe, der neunzehnjährigen Tara und dem achtundzwanzigjährigen Constantin, eingenommen. Wie immer war die Atmosphäre weitgehend eisig, auch wenn er diesmal darauf verzichtet hatte, Helen und Constantin vorzuhalten, was er von ihnen erwartete. Allein seine hübsche Tochter, die sich weitestgehend an das hielt, was Clemens sich für sie vorstellte, versuchte wieder einmal vergeblich, so etwas wie Normalität an den Tisch zu bringen und wenigstens allgemein gehaltene Gespräche zu führen. Aber auch sie gab es nach zehn Minuten auf und verfiel wie die anderen in Schweigen.

Helen trank bereits zum Frühstück Champagner, sie würde heute wohl wieder ohne jede Zurückhaltung versacken. Clemens nahm es zur Kenntnis, sagte jedoch auch dazu nichts. Seine Gedanken sprangen von seinen Geschäften zum morgigen Treffen mit Eric und zurück, da war kein Platz für etwas anderes. Den Tag über konnte er sich konzentrieren, erledigte einiges und erst, als er nach Mitternacht in seinem Bett lag, gestattete er sich, an Eric zu denken. Er hatte zwar wieder eine Vorstellung davon, wie sein Besuch ablaufen sollte, aber gleichzeitig so eine Ahnung, dass es wieder anders kommen würde. Eric erwies sich bisher als unberechenbar, etwas, das Clemens einerseits maßlos ärgerte, ihm andererseits aber auch imponierte. Die Wut vom Vortag war inzwischen verflogen, es überwog die Spannung, was am nächsten Tag passieren würde. Kam er endlich zum Ziel? Die Stimme in ihm, die sagte, es käme dabei nur auf ihn selbst und seine Wünsche an, war inzwischen etwas leiser geworden.

Am Sonntag nach dem Mittagessen, Clemens war mit seinen Gedanken der Zeit des Tages bereits weit voraus, konnte er einem Gespräch mit seinem Sohn Constantin nicht ausweichen. Der Achtundzwanzigjährige kam unangemeldet in sein Büro und verlangte eine größere Summe Geld. Normalerweise wurde das nicht zum Problem, aber es war das dritte Mal innerhalb von einem Monat, dass er zusätzlich zu seinem großzügigen Unterhalt Geld wollte. Clemens wusste, dass sein Sohn gerne spielte, er hatte sich inzwischen auch damit abgefunden, dass er vor einigen Jahren beschlossen hatte, nicht mehr zu arbeiten, obwohl ihm eine glänzende Karriere als Rechtsanwalt offen gestanden hatte. Jetzt allerdings traf Constantin ihn auf dem falschen Fuß.

„Such dir einen Job, wenn du Geld brauchst! Ich denke, für diesen Monat reicht es! Außerdem … wann wirst du dich einmal daran halten, dass ich hier im Arbeitszimmer nicht gestört werden will?“

Constantin legte den Kopf schief und schaute seinem Vater über den Schreibtisch hinweg direkt in die Augen.

„Gib mir die Fünftausend, dann hast du deine geschätzte Ruhe!“

Wieder einmal wurde Clemens der tieftraurige Ausdruck in den dunklen Augen seines Sohnes bewusst. Früher hätte man seinen Allgemeinzustand als ‚schwermütig’ umschrieben. Heute wäre die Diagnose wohl schwere Depression und man hätte etwas dagegen tun können, aber Constantin hasste Ärzte.

Kurz rang Clemens mit sich, dann kapitulierte er vor dem inzwischen anklagenden, fast feindlichen Blick. Er wich ihm aus, indem er aufstand, zum Safe in der Wand mit den Regalen ging und ein Bündel Geld herausnahm. Er reichte es Constantin.

„Mehr gibt es nicht in diesem Monat!“

„Ja klar!“, antwortete Constantin, verzog herablassend und leicht spöttisch das Gesicht. „Es sei denn, ich brauch noch was!“

Dann war Clemens wieder allein. Er hasste diese Konfrontationen mit der Familie. Er ließ ihnen die größtmögliche Selbstbestimmung, wieso konnten sie ihn im Gegenzug dafür nicht in Ruhe lassen? Schließlich hatte er mehr als genug damit zu tun, ihnen ein solch ausgezeichnetes Leben ohne finanzielle Sorgen zu ermöglichen. Hatte er da nicht auch ein Recht auf eigene Interessen und Zeiten, in denen er sich nicht auch noch mit innerfamiliären Problemen auseinandersetzen musste? Er war 49 Jahre alt, wie viel Zeit würde ihm noch bleiben? Gefühlsmäßig verbunden war er lediglich seiner Tochter Tara, von seiner zweiten Frau und seinem Sohn hatte er sich innerlich entfernt, fühlte sich nur noch aus traditionellen Gründen für sie verantwortlich und natürlich für die Öffentlichkeit.

Nicht, dass er jemals tatsächlich das Vorzeigefamilienoberhaupt gewesen wäre, das er so gerne darstellte, in letzter Zeit jedoch, genau genommen seit das mit seinen Potenzproblemen begonnen hatte, hätte er sehr oft und gerne auch die Fassade einstürzen lassen. Er fühlte sich zerrissen, ein substanzielles Übersättigungsgefühl setzte ihm genauso zu wie der unkontrollierbare Impuls, etwas Neues zu finden, etwas von Grund auf Außergewöhnliches, das ihn nicht anödete. Er war satt und zugleich hungrig wie ein ausgestoßener Kojote.

Er machte sich einen Whisky auf Eis, trank ihn am Fenster stehend und versuchte, sich wieder auf Eric einzustellen. Es gelang ihm relativ schnell, er hatte inzwischen einen Automatismus entwickelt, der ihn aus solchen Situationen heraushalf.

Schon gegen siebzehn Uhr machte er sich auf den Weg. Auch diesmal benutzte er ohne zu klingeln den Schlüssel. In der Wohnung empfing ihn Appetit machender Essensduft und Eric war nicht zu sehen, dafür aber klappernderweise aus der Küche zu hören. Was versuchte er denn jetzt? Clemens war aufgrund der Aussicht auf ein von Eric gekochtes Essen unangenehm berührt, er hatte nicht vor, hier mit Pizza oder Linsensuppe eine Zweitfamilie zu gründen. Was das Essen anging, war er verwöhnt und hatte keinen Bedarf, sich von einem Gespielen verköstigen zu lassen. Außerdem, wenn er sich einen Mann hielt, dann sicher nicht, um bei ihm zu essen oder andere Alltäglichkeiten mit ihm zu absolvieren. Trotzdem war er neugierig. Er ging zur Küchentür.

Eric nahm gerade etwas aus dem Backofen und wurde seiner ansichtig, als er sich umdrehte.

„Du bist schon da? Ich hatte eigentlich gehofft, früh genug fertig zu werden!“

„Ich habe schon gegessen!“, brummte Clemens mürrisch.

Eric schaute ihn kurz an, zuckte die Schultern und sagte:

„Ich aber noch nicht!“

Unbeeindruckt machte er weiter, während Clemens ihm zuschaute und sich ziemlich überflüssig vorkam. Aber natürlich konnte er Eric nicht untersagen, sich etwas zu essen zu machen.

„Was kochst du?“

„Forelle mit Kastanienblättern in Lauch-Trüffel-Soße!“

Clemens zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

„Wenn du nichts essen willst, machst du dann wenigstens schon mal den Wein auf? Er steht auf der Dachterrasse, damit dürfte er die richtige Temperatur haben. Nimm bitte den Barbaresco.“

Wenig später deckte Eric nur für sich den Tisch, er fragte auch nicht noch einmal, ob Clemens es sich überlegt hatte. Der schaute zu und hielt sich an seinem Glas Rotwein fest. Es sah lecker aus, er hätte jetzt gerne zumindest einmal probiert. Aber die Blöße gab er sich natürlich nicht. Er wunderte sich nur ein weiteres Mal über Eric, weil der nicht versucht hatte, ihn zu überreden. Sichtlich zufrieden saß der Jüngere ihm gegenüber und ließ es sich schmecken. Als der Teller leer war, lehnte er sich zurück und zündete sich eine Zigarette an.