Erscheinungen am See Oneida - Sophie von La Roche - E-Book

Erscheinungen am See Oneida E-Book

Sophie Von La Roche

0,0

Beschreibung

Die Geschichte eines jungen französischen Paars, das im Bundesstatt New York, am See Oneida, ein neues Leben beginnen möchte ...

Das E-Book Erscheinungen am See Oneida wird angeboten von Jazzybee Verlag und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 528

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Erscheinungen am See Oneida

Sophie von La Roche

Inhalt:

Marie Sophie von La Roche – Biografie und Bibliografie

Erscheinungen am See Oneida

Erstes Bändchen

Zweytes Bändchen

Drittes Bändchen

Erscheinungen am See Oneida, Sophie von La Roche

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849618506

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Marie Sophie von La Roche – Biografie und Bibliografie

Schriftstellerin, geb. zu Kaufbeuren am 6. Dezember 1731, Tochter des in Frankreich und Holland gebildeten Arztes Gutermann von Gutershofen, das älteste von 13 Kindern eines herben strengen Vaters und einer milden, schwärmerischen Mutter, folgte 1743 den Eltern nach Augsburg. Gleich Wieland las und lernte sie erstaunlich früh und viel; nicht zum Vorteil origineller Produktionskraft. Dem frühreifen gebildeten und hübschen Mädchen fehlte es nicht an Freiern (Mein Schreibetisch, 2, 131). Als liebende Braut des geistvollen Arztes Bianconi ging sie, 1748 der Mutter beraubt, zu ihrem Großvater Gutermann nach Biberach, die Hochzeit war bestimmt, doch die schon anfangs kaum überwundenen Konflikte des protestantischen Vaters mit dem Katholiken Bianconi lösten in letzter Stunde die Verlobung. 1750 finden wir Sophie, deren Vater zu einer zweiten Ehe schritt, wieder in Biberach bei Pastor Wieland’s, ihren Verwandten. Sie schloss eine empfindsame Seelenfreundschaft mit dem um zwei Jahre jüngeren Haussohn Christoph Martin, wurde dem Scheidenden Geliebte, Ideal, Muse und empfing aus Tübingen und Zürich Klopstockisirende Oden und Briefe. Sie ist die Doris seiner verstiegenen Lyrik, für sie entstand „Die Natur der Dinge“ und der antiovidische „Lobgesang auf die Liebe“, in den „Moralischen Erzählungen“ erscheint sie als Serena, in den „Sympathien“ als Ungenannte etc., noch im „Don Sylvio“ als Felicia. Aber der junge Schwärmer ließ sich durch Klatschereien seiner Mutter zum sachten Rückzug bestimmen. Sophie gab ihm den Abschied und schloss eine Vernunftheirat mit dem kurmainzischen Hofrat Georg Michael Frank von La Roche, einem liebenswürdigen sicheren Mann, der durch taktvolles Benehmen auch den murrenden Wieland gewann. Sie zogen 1754 nach Mainz. Hier im bunten und leichten Treiben wandelte sich die Klopstock-Enthusiastin an der Seite ihres kühleren Gatten, eines aufgeklärten Katholiken, und seines Gönners, des Ministers Graf Stadion, eines französisch gebildeten Skeptikers, in eine gewandte Weltdame, die fortan auch die geliebte Schwärmerei nicht ohne kokett bewusste Selbstgefälligkeit betrieb. Die spätere Flucht zu Jean-Jacques und den Engländern hat daran nichts geändert. 1762 übersiedelten sie mit Stadion auf Schloss Warthausen bei Biberach. Wieland trat in den angeregten Kreis, neue Freundschaft erblühte, er häutete sich als Mensch und Poet, Sophiens Schriftstellerei regte sich zunächst nur in der Korrespondenz mit der klugen Julie von Bondeli, um einen größeren Anlauf im Amthaus von Bönigheim zu nehmen, wo La Roche nach dem Tode des Grafen von 1768-70 wohnte. Sophie würzte auf Rath des Pfarrers Brechter durch Abfassung ihres ersten, berühmtesten und besten Buchs, der „Geschichte der Fräulein von Sternheim“, die Einsamkeit, die ihrer geselligen Natur nicht behagte.

1771 kam ihre Glanzperiode. La Roche wurde kurtrierscher Geheimrath, bald Kanzler mit dem Sitz in der schönsten deutschen Landschaft, zu Ehrenbreitstein nämlich, wo sich nun der bedeutendste deutsche Salon jener Zeit auftat. Neben der Mutter, die so stattlich die Honneurs machte, stand die reizende „Max“ (Maximiliane Euphrosyne), bei der sich schon der Dichter der „Sommernacht“, J. G. Jacobi, allerdings fast provoziert durch einen anonymen Huldigungsbrief und eine Amorstatuette aus Bönigheim, einen Korb geholt. Auf den Tischen lagen neue Bücher und die gehaltvollen Briefe der Bondeli, neben denen Leuchsenring seine Portefeuilles ausschüttete. Die Brüder Jacobi kamen und waren Zeugen einer in Freytag’s „Bildern“ hübsch verwerteten Rührscene zwischen Sophie und Wieland. Merck führte den jungen Goethe ein, der, inzwischen berühmt geworden, einen zweiten Besuch mit Lavater und Basedow abstattete, Heinse erschien, aus der Nähe sprachen häufig vor die Familien v. Stein, Minister Groschlag, Dumeix, Domherr von Hohenfeld als Intimus: alle von Loeper (s. u.) trefflich charakterisiert. Junge Talente, wie Lenz, näherten sich ihr brieflich. Konversierend, korrespondierend, reisend gewann die Kanzlerin einen an Zahl und Bedeutung ungemeinen Anhang. An sie richtete der kleine Jacobi ein offenes Schreiben in Sachen Klotz-Hausen, um sich vor der Welt als lieblicher Unschuldsfänger zu behaupten. Aber den Darmstädter Damen missfiel, wie Caroline an Herder berichtet, das anspruchsvolle, pretiöse Gebaren der berühmten Frau, oder wie sie allenthalben hieß: der „Sternheim“.

Der Roman erschien 1771 in zwei Teilen als „Geschichte der Fräulein von Sternheim. Von einer Freundin derselben aus Originalpapieren und andern zuverlässigen Quellen gezogen“. Sophie ist in die Schule der Engländer gegangen und ihr später Erstling weist auf Richardson zurück. Die Intrige erinnert an „Clarissa“, ist aber reicher, ebenso die stark in Briefen und Tagebüchern arbeitende Komposition. Sophie von Sternheim steht neben Clarissa, wie Lord Derby neben seinem Landsmann Lovelace. Dem gewissenlosen Roué sieht man den blassen Schwärmer Seymour und den zweiten Grandison Lord Rich (Hohenfeld) gegenüber. Das Ganze ist die Leidensgeschichte weiblicher Tugend, die aber endlich nach vieler Täuschung, Verfolgung und Misshandlung an der Seite eines würdigen Mannes belohnt wird. Die Verfasserin liebt die englischen Romane „wegen der Reinheit und Zartheit des Gefühls, auch wegen der schönen Schwärmerei für melancholische Naturszenen“. Diese Elemente sind bei ihr selbst reichlich vertreten, aber auch in der Stimmung geht der Roman entschieden über die monotone Richardsoniade hinaus, denn die L. R. kontrastiert als Rousseauistin Land und Stadt, Tugend und höfisches Laster, wagt revolutionäre Anklagen gegen die Wollust der Fürsten und wendet sich als liebevolle Pädagogin den Bauerkindern zu. So sprach aus den langatmigen Sätzen des frauenzimmerlichen Romans zugleich schönselige Tugend, patriotischer Freimut, mannigfaltiger Natursinn, werktätiger Philanthropinismus. Man begreift den Erfolg. Herder war entzückt, Goethe in den „Frankfurter gel. Anzeigen“ nennt den Roman kurzweg „eine Menschenseele“; nur Einer hatte schon dem ersten Manuskript von 1769 keinen Geschmack abgewinnen können, eben der Vertrauensmann und Herausgeber: Wieland, der seine Abneigung gegen die Richardsonsche Richtung, die er mühsam, aber gründlich überwunden, brieflich und in Noten kundgab. Er hatte kein Verhältnis zu dem Buch und, offen gesagt, kein Verhältnis mehr zu der „Sternheim“ selbst. Man schalt und höhnte ihn. Sophie setzte ihn ab und erhob Goethe zu ihrem geheimen Sekretär, der nun in das handlungsleere zweite Buch „Rosaliens Briefe an Mariane von St.“, einen Würzruch seines Fäßleins dämpfte und selbst als schlittschuhlaufendes Genie vorgeführt wurde. Erfindungsarm, im puren Erlebnis schwelgend, bringt Sophie auch in ihren Romanen alle lieben Bekannten, Stadion und Wieland zuvörderst, an und geht später zur breiten intimen Mittheilung von Erinnerungen über, wie das nachmals die Enkelin Bettina auf ihre poesievolle Weise tat. Strenge der Technik fehlte schon der „Sternheim“, „Rosaliens Briefe“ (1791 hinkt „Rosalie und Cleberg auf dem Lande“ nach) lassen sich möglichst bequem gehen. Ein paar Episoden geben Facta, sonst bilden „Freundschaftliche Frauenzimmerbriefe“ ein „Seelentagebuch“ voll Naturempfindung, reich an Volksfiguren, die bereits kleine „Bauernromane“, d. h. Dorfgeschichten abspielen. Zu Rousseau und Richardson ist Goethe’s „Werther“ getreten, aus dessen zweitem Teil uns nicht mehr Lotte und Kestner, sondern die schwarzäugige Max und ihr Gatte anschauen. Die La R. war nicht nur schwärmende Sternheim, sondern auch praktische hausbackene Schwäbin. Sie hatte auch von dem harten Wesen des Vaters etwas geerbt und, wie sie selbst auf Liebe verzichtet, aber doch ein tüchtiges, glückliches Leben gezimmert, so meinte sie jetzt als Mutter heiratsfähiger Töchter rücksichtslos verfahren zu dürfen. Im Frühjahr 1774 musste die Max den verwitweten Kaufmann Brentano in Frankfurt heiraten. 1779 wurde Luise dem Hofrat Möhn angetraut, den Frau Rath kaum zu ausfallend ein „Ungeheuer“ nennt und in dessen Haus der kleine Clemens Brentano trostlose Tage verleben sollte. Drei von acht Kindern Sophiens sind im zartesten Alter gestorben. Fritz, eine Zeit lang bei Wieland in Erfurt, ging in einem Abenteurerleben unter, Karl wurde ein tüchtiger Beamter der preußischen Bergverwaltung, ihr Liebling Franz, Lerse’s Schüler, der eben als junger Forstbeamter die Braut heimführen wollte, starb 1791.

Im Herbste 1780 übersiedelte sie nach dem Sturz des Kanzlers nach Speier. Dem sehr geschmälerten Einkommen suchte Sophie mit der Feder aufzuhelfen. Sie hatte spät begonnen und auch dann mit der Veröffentlichung nicht geeilt. Jetzt wird die Dilettantin zur unermüdlichen Berufsschriftstellerin, die Herrin des literarischen Salons zur Lehrerin der weiblichen Jugend, die Mitarbeiterin an Jacobi’s Frauenzimmerjournal „Iris“ zur fleißigen, wortreichen Herausgeberin einer Zeitschrift für „Teutschlands Töchter“, „Sternheim“ zur „Pomona“. Sie gewann einen Stab namhafter Gehilfinnen und ihrer „Pomona“, 1783, gefördert auch durch die Gunst einiger Großen, weite Verbreitung. „Briefe an Lina, ein Buch für junge Frauenzimmer, die ihr Herz und ihren Verstand bilden wollen“, schloss sich an. Wieland stand ihr durch die Aufnahme „moralischer Novellen“ à la Marmontel in den „Merkur“ bei. Noch immer erweiterte sich ihr Kreis, besonders durch die Winteraufenthalte in Mannheim. 1783 stellte sich Schiller ihr vor; „Kabale und Liebe“ fand sie aber „abscheulich“ (an Jacobi, 20 I. 85). Ihren Franz brachte sie zu Pfeffel nach Colmar. Das Alter schien die Energie und auch die Reiselust der Unverwüstlichen nur zu steigern. Hatte man sie früher in Hamburg freundlich aufgenommen, so feierte sie 1784 wahre Triumphe in der Schweiz, wo sie nicht nur die Landschaft bewunderte und auf Wieland’s und Juliens Spur wandelte, sondern eine Menge interessanter Menschen, wie Gibbon, Raynal, Mercier, Tissot, Saussure, Madame Necker kennen lernte; Bonstetten, Matthisson, Salis gehören dann zu ihren Intimen. 1785 besuchte sie Paris und teilte sich zwischen Busson und Mad. de Genlis, einer ihr verwandten Gouvernantennatur. So verkehrte sie 1786 in England mit Herschel und mit Miß Burney. Ihre Virtuosität im Bekanntschaftschließen, in empfindsamen Begrüßungen, schmeichelnder Konversation und interessanten Anspielungen auf Wieland’s Jugendliebe und dazu das süßsaure Verhalten der Kolleginnen sind nicht ohne Komik. Von London heimgekehrt, folgte sie dem Gatten nach Offenbach, wo dieser am 21. Nov. 1788 starb. Sie ist mehrmals in die Schweiz gereist und war 1799 mit ihrer Enkelin Sophie Brentano der Gast Wieland’s in Osmannstädt, herzlich aufgenommen, aber ein mehr drückender, als willkommener Besuch. Ihre Wärme fand bei Schiller, Herder und Goethe keine Nahrung. Sie sei eine nivellierende Natur, die das Niedrige empor-, das Hohe herabziehe und alles in derselben Sauce, einer altmodischen Rührseligkeit nämlich, anrichte, lautet Goethe’s scharfes, aber nicht ungerechtes Urteil. Clemens brachte sie nach Offenbach zurück, wo sie im kleinen Haus und Garten der Erziehung ihrer Enkelinnen oblag und die Erlebnisse, besonders ihrer Reisen mit oder ohne romanhafte Zutat verarbeitete. Eine Gruppe bilden: 1787 „Tagebuch einer Reise durch die Schweiz“, 1788 „Tagebuch einer Reise durch Holland und England“, 1791 „Briefe über Mannheim“, 1793 „Erinnerungen aus meiner dritten Schweizerreise“, 1799 „Reise von Offenbach nach Weimar und Schönebeck“. Es fehlt nirgends an Beweisen vielseitiger und verständiger Anteilnahme, mannigfaltiger Lektüre und feiner Empfindung, aber alles wird zu weich gekocht, sie kann nicht scharf charakterisieren, macht zu viele Worte, kramt in Sentiments und stellt sich etwa in der „Dritten Schweizerreise“ („Meinem verwundeten Herzen zur Linderung, vielleicht auch mancher trauernden Seele zum Trost geschrieben“) aller Welt als Mutter der Max und Luisens, die sie apostrophiert, als des teuren Franz beraubte Greisin vor. Außer den verschiedenen ausdrücklich „moralisch“ genannten Erzählungen veröffentlichte die alternde Pädagogin 1789 „Geschichte von Miß Lony“, das lesbarste ihrer späteren Werke, wieder die Leiden einer schönen Seele behandelnd, bei Reventlows in Richmond entworfen und ein Monument für Gräfin Julie; 1795 „Schönes Bild der Resignation“ und 1797, auf Grund von Mittheilungen der Schwiegertochter, „Erscheinungen am See Oneida“, mit Beziehungen auf die politischen Stürme; 1794–97 die Fortsetzung der Linabriefe „Lina als Mutter“; als matter Nachzügler seit 1801 „Fanny und Julia“, „Liebehütten“, „Herbsttage“, „Melusiens Sommerabende“ angelehnt an St. Pierre, mit ihrem Porträt und einer Lebensskizze, herausgegeben von Wieland, dem Pathen ihres ersten Versuchs. 1799 hatte sie in dem zweibändigen Sammelwerk „Mein Schreibetisch“ alle Läden dieses treuen Möbels, das ihr seit Biberach überallhin gefolgt war, vor dem Publikum umgekehrt: Lesefrüchte aus allen Ländern und Zeiten mit Bevorzugung der Engländer, Idealistisches und Abschnitzel fürs praktische Leben im besonderen Hinblick auf Erziehung, Gedichte verschiedener Verfasser, Listen von Bildern, Verzeichnisse zu lesender Bücher, abgerissene Erinnerungen, Schreiben von Jacobi und Schiller, die französischen Briefe Juliens von Bondeli.

Erstes Bändchen

Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin von Wallis gebornen Prinzessin von Braunschweig.

Edle Wißbegierde und Menschenliebe leiteten Euer Königliche Hoheit, schon in der ersten Blüthe Ihres Lebens zu gründlicher Kenntniß der Erde und ihrer Bewohner; die Wunder und Wohlthaten der Schöpfung waren Ihrem forschenden Geiste ehrwürdig; Glück und Verdienste Ihrer Neben-Menschen eine Angelegenheit Ihres gütevollen Herzens. Diese Ueberzeugung sagte mir, daß Euer Königliche Hoheit die Denkblätter von dem See Oneida und seiner Insel gnädigst aufnehmen werden von

Höchst Ihrer unterthänigsten altergebensten Dienerin Wittwe von la Roche.

»Oft wendet eine edle, gefühlvolle Seele ihr Auge von den Begebenheiten, welche das Schicksal als eine Folge der französischen Staatsveränderung zusammen reihte – oft aber kehren auch ihre Blicke gegen den Schauplatz trauriger Auftritte zurück, in der schönen Hoffnung, etwas Gutes herbey geführt zu sehen.« –

Wissen Sie noch, meine Freundinn, wer dieses sagte, als eine werthe Hand die Morgens-Zeitungs-Blätter zum Lesen faßte, und man erinnerte, Abends vorher versichert zu haben, keine mehr zu berühren? O, gönnen Sie, – nach dem Verwerfen meiner ersten Briefe, – diesen Papieren auch einen der Blicke, welche auf Gutes zählen! – denn gewiß – Sie finden es an dem See Oneida. –

Helfen Sie meinen Freund mit mir versöhnen – und vergeben Sie beyde dem Verfasser des Genius unsers Zeitalters, daß er, wie Sie sagen, mich so phantastisch stimmte. Ich glaube selbst, daß ich manche weitschweiffende Ideen habe, unter welchen meine Reise nach Amerika gerechnet werden kann; aber warum sollen nur Kaufleute, Eroberer, Physiker und Maler ferne Welttheile besuchen? warum nicht auch, nach Lorenz Sterne, ein gefühlvoller Reisender? Warum wollte man mir nur die Wanderungen auf die Berge in Europa vergeben, und nicht auch die nach dem See Oneida? Warum liebt mein Freund alles, was die alte und neue Dichtkunst hervor brachte, und sollte er mit den wahren Bildern edler Empfindung zürnen, indem der Gang meines Geistes, wie der von seinen Lieblings-Poeten, das freye Ungebundene liebt, und wie Dichter immer auf Neues sinnen, auch mit Begierde Neues sucht? Ich unterwerfe mich gerne dem Ausspruch, daß die Erstern durch einen Genius, ich nur durch Phantasie geführt wurde; es bleibt doch Aehnlichkeit zwischen den vorgezogenen Günstlingen und mir. Dichter schaffen mit ihrem Geiste das Mögliche, Große und Schöne, welches sie in der wirklichen Welt zu sehen wünschen; – und mein Herz sucht es auf, wo ich es zu finden hoffen kann. Neues lieben wir alle in Allem. – Meine in Europa gemachten Reisen, zeigten meinen gesättigten Begierden und meiner immer regen Einbildungskraft keine Aussicht mehr auf ganz unbekanntes, weder in Menschen noch Dingen; denn ich wollte noch nicht nach Rußland. – Ostindien, wohin ein Freund mich mitnehmen wollte, hat nichts reitzendes für mich; denn, freymüthig gesagt, ist es mir zu weit von meinem Vaterlande, und meinen Lieben; zu viel von Leidenschaften beherrscht, zu vergoldet, zu heiß, zu weichlich und zu grausam. Nordamerika war mir nahe; eine Art Sympathie zog mich an, die Wesen dieses Welttheils kennen zu lernen; müde des Denkens und Nachsuchens, über das was seyn könnte, da ist und da war; – überzeugt in Amerika Anfang und Fortgang des Anbaues der Vernunft und der Erde zu sehen, ging ich, ohne von Ihnen und meinem Freunde Abschied zu nehmen; denn ich besorgte, mein Widerstreben gegen Ihre Vorstellungen würde Sie unzufrieden machen; ich wollte Sie nicht vergebens reden lassen, und meinen Plan ausführen. Möge meine Aufrichtigkeit dem Geiste und dem Herzen meiner Freunde genügen, und ihre Güte das übrige meiner Rechtfertigung besorgen!

Sie, meine Freundin! dachten einst nur im Scherz meine Reisebeschreibung zu fordern, aber ich weihe sie Ihnen und Ihren Wünschen für mich. Heben Sie sie gütig in einer Ecke Ihres Cabinets auf, diese Blätter, denn sie können von hier aus nichts anders seyn, als Merkstäbe von dem Wege meiner Beobachtungen und Gefühle; einst werde ich sie mit Ihnen durchgehen, Ihre Fragen darüber hören, Erläuterung über das Dunkle geben, und dem Freunde und der Freundin mündlich sagen, was sich mit Dinte nicht sagen läßt. Da ich also meine Gedanken bey Ihnen, wie auf den Altar der Muemosine niederlegen will, so muß ich genau bey meiner Abreise anfangen, und erzähle dann: – Sontags den 28. Juny schiffte ich in dem Fahrzeuge Hußmann, mit einer schätzbaren Familie aus dem Hessischen, von Braak unweit Bremen ab, und kam den 29. in die Nordsee, wo alles anfing krank zu werden. Fünf Tage segelten wir bey sehr günstigem Winde, mit welchem wir in den Canal zwischen Frankreich und England kamen, wo wir beyde Küsten, doch die von Frankreich nur in den emporragenden Bergen erkannten, welche den folgenden Tag verschwanden; England aber kamen wir so nahe, daß ein Flintenschuß hingereicht hätte. Dieser Anblick erneuerte in meiner Seele den Wunsch, dieses mir so werthe Land noch einmal zu besuchen, ja es dünkte mich schön, Ihnen beyden ein Rendezvous in London zu geben, und mich freute sehr, daß wir in vier Tagen durch den Canal waren, weil ich dadurch unserer Zusammenkunft um so viel näher schien, da wir in 9 Tagen 200 teutsche Meilen zurück gelegt hatten. –

Bey dem Eintritte in das spanische Meer, begegneten uns drey englische Kriegs-Schiffe, nebst funfzehn amerikanische Kauffarthey-Schiffe, welche sie, ich weiß nicht aus welcher Ursache, genommen, und nach Brittanien führten; auch fühlten wir ihre Herrschaft auf dem Meere, denn unser Schiff mußte halten, und ein englischer Officier, der zu uns an Bord kam, untersuchte Alles. Da er überzeugt war, daß unser Schiff nach Amerika bestimmt sey, durften wir weiter segeln. Dieser Gegenstand meiner Beobachtungen war neu, und staunend der Anblick schwimmender Vestungen und Gebäude großer Schiffe, welche auf dem unermeßlichen Raume des Weltmeers, so gehorsam einen bezeichneten Weg befolgen müssen. Ich ließ mir von dem Steuermann die Gegend von Albion zeigen; meine Einbildungskraft stellte mir diese Kriegsschiffe in Linien, ich dachte mir ein Seegefecht – den Muth und die Größe des menschlichen Geistes, der die hohe Kunst der Schiffarth und des Schiffbaues, zu dieser Vollkommenheit führte. Denn was ist alles andre, so durch Arbeit, Kunst und Gewalt auf dem festen Lande geschieht, gegen die Unternehmungen zu Wasser? Ich betrachtete mit neuer Aufmerksamkeit unser Schiff, und machte Vergleiche mit einem Kriegsschiffe von 100 Canonen, und dem was an Menschen, Mund-Vorrath, Kugeln und hundertfachen andern Bedürfnissen da seyn muß. Was für eine Last zwischen hölzernen Wänden! Was werden die Zimmerleute, Nagelschmiede, Schlosser, Segeltuchweber und Anker-Schmiede für wichtige Menschen, wenn ihre guten Arbeiten als Schutzgeister des Lebens und des Glücks so vieler tausend Sterblichen erscheinen! Ich suchte mit einer Art Liebe und Ehrfurcht, die Freundschaft unsers Schiffcapitains zu gewinnen, um etwas von seinen, zur Schiffarth nöthigen Büchern zu lesen, weil ich nun den ausübenden Theil dieser Wissenschaft vor Augen hatte. Der gute Capitain war sehr geneigt dazu, aber da er seit 30 Jahren Seereisen macht, hatte er wenig mehr zu lernen, also auch wenige Bücher bey sich. Mein freywilliges Studiren dauerte auch nicht lange, indem ein 48 Stunden daurender Sturm uns Reisenden eine allgemeine Lection gab, welche aber sehr glücklich vorüber ging, hingegen einer sehr widrigen Witterung Platz machte; denn bald hatten wir Windstille, bald eine Art Sturm. Dieses dauerte bis den 15. August, da wir nur noch einen halben Segel gebrauchen durften. Die Wellen wurden zu Gebirgen, auf deren Spitze das Schiff bald hier, bald dorthin geschleudert ward. Ich konnte nicht lange bey diesem Gleichnisse verweilen, denn ich fühlte die Verschiedenheit zu stark, zwischen dem seligen Staunen über Größe, Festigkeit und feierlicher Stille der Alpen um die Senn-Hütten, gegen den schreckvollen Anblick der um unser Schiff brausenden und tobenden Berge. O! wie lieb, wie unschätzbar wird die ihre Kinder so geduldig tragende Mutter Erde in einem solchen Moment; denn niemand konnte sich aufrecht erhalten, Kisten und Kasten, welche nicht fest waren, wurden wie Bälle herum geworfen. In fünf Minuten war der Wind von Südost in Nordost, und ehe man sichs versah, schlug eine Welle alle Fenster unserer Cajüte in Stücken, und das Wasser strömte in den Raum. Alles glaubte nun, das Schiff sey geborsten, und wir würden sinken. O, meine Freundin, was für eine Erfahrung, ein solches Tod-und Jammer-Geschrey zu hören! Ich war stille, sagte mir aber doch sehr ernst: was hattest du hier zu thun? dann aber ruhig: sterben müssen wir, es sey auf diese oder jene Weise. Indessen hatten die Schiffsleute die Wahrheit entdeckt, und beruhigten Alle. Groß und innig war die Freude, noch zu leben, und herzlich schmeckte der Punsch, in welchem wir uns neue Gesundheit zutranken. Nun konnte ich auch bey der beruhigten See, ihre so verschiedenen ungeheuren Fische sehen, deren einige über 50 Schuh lang waren, Meerschlangen von 25 Schuh, und den prächtigsten Farben. Ich betrachtete alle, nicht nur als Gegenstände der Neugierde und Bewunderung der Mannigfaltigkeit aller Arten Geschöpfe, sondern auch mit dem Schauder erregenden Gedanken; vor wie kurzer Zeit ich in Gefahr stand, die Nahrung eines von ihnen zu werden, und in diesen Moment schien mir das glänzende Farbenspiel ihrer Schuppen düster und unangenehm; desto ergötzender war mir aber bey dunkler Nacht der Anblick der Wellen, welche alle entzündet schienen, da man staunend durch ein Feuer-Meer zu segeln glaubte, indem zugleich die ganze Luft beleuchtet war. Den 25. August ertönte von dem Mastbaume der frohe Ruf: Land! Land! Ich sah nun in meinen Reisegefährten das Entzücken der Freude, wie ich vor wenigen Tagen den allgemeinen Jammer der Angst gesehen hatte. Wir liefen darauf den 28. August glücklich in den Hafen zu Baltimore ein; viele Teutsche kamen uns zu bewillkommen, Erfrischungen und Dienste aller Art anzubieten, aber auch tausend Fragen zu machen. Baltimore, ein hübsches Städtchen von 2000 Häusern, zählt 14000 Einwohner, liegt an dem prächtigen Flusse Surquehanna und vergrößert sich täglich, indem ein Theil der Handlung von Philadelphia sich hieher zog, weil dieser Fluß immer beschifft wird, und sich ein beträchtlicher Seehafen formirt. Da ich sicher bin, daß meine Freundin auch den ökonomischen Theil meiner Ueberfahrt zu kennen wünscht, so will ich dieses nachholen. Ich mußte, da ich in der Cajüte, als dem besten Theile des Schiffes zu wohnen verlangte, 100 Thaler bezahlen; mein Bette, Wein, Zitronen-Saft in Bouteillen, gesalzne Butter, dürre Zungen und Würste, feinen Zwieback, Zucker, Caffee und Mandeln mitnehmen, welches mir auch wieder so viel kostete. Das gewöhnliche Essen besteht in gesalzen Rindfleisch, Stockfisch, Bohnen und Grütze.

Ich eilte meine Reise fortzusetzen, und verließ Baltimore zwey Tage nach meiner Ankunft, um sogleich Neu-Jersey aufzusuchen, welches mir als der Garten von Nordamerika bekannt war: ein Ausdruck der auf mich wirkte, wie die Benennung der Bergstraße, als Garten von Teutschland, in unserm Europa mich eher anlockte, als das schöne Mannheim; – so durchreiste ich Jersey ehe ich Philadelphia besuchte, und wahrlich ich staunte bey jedem Schritte meines Pferdes in den prächtigen Kornfluren, und zwischen den vielfachen Kräutern, die so üppig da wachsen, und die Erde mit dem lieblichsten Grün schmücken. Mein mir seit meiner englischen Reise so werthes Ferren-Kraut, stand in höchster Schönheit; das zweyblättrige Kolben-Kraut, Indian Graß, typha latisolia, wovon man die Saamen-Woll benützt, und aus den Stengeln geflochtene Sachen macht, traf ich in der höchsten Vollkommenheit an. Diese Freude über die Pflanzen-Welt wurde für mich dadurch erhöht, weil ihre, mehr als anderwärts, herrlich grüne Farbe, den Eisentheilchen des Bodens zugeschrieben wird. Sie wissen, daß ich Eisen mehr als andre Metall-Arten schätze, ich freute mich also, daß mein, allen Menschen so nützlicher, Liebling, in seinen kleinsten Theilen die Gabe der Verschönerung zeigte: die Menge prächtiger weißer Cypressen, welche zu tausenden, 120 Schuh hoch wachsen, und ihren Sümpfen den Namen; Cypressen-Sümpfe gaben, würden Jersey allein reich machen können, weil dieses Holz so dauerhaft zum Schiffbau, Zimmerholz, Bretter, Stäbe und Dachschindeln ist. Magnolia, Wallnüsse, rothe Cedern, Eichen, Sommer-Lorbeer, rother Maßholder zu Tischlerarbeit, Buchen, Eschen, wilde Castanien, der blumigte Fischerbaum, Accacia, Ulmen, Pech-Kiefer, Persimon, der eine Art Mispel trägt, aus welcher man eine Gattung leichtes Bier braut. – – – O, meine Freundin! wie glücklich machte mich die Pflanzen-Welt, wovon ich die Beschreibung der Bäume meinem Freunde, die schönen fruchttragenden Sträuche aber Ihnen weihe. Sie haben nie solche Heidel- Johannis- Moos- Erd- und Brombeeren gesehen, so wie mir die an den Bäumen sich aufschlängelnden Fuchs-Trauben, ganz unbekannt waren, welche sehr klein, in ihrer Blüthe einen herrlichen Geruch verbreiten, eßbar sind, Wein geben, und deren gedörrte Beeren zu Backwerk dienen. Dieses Gewächs werde ich suchen in Ihren und meinen Garten zu pflanzen, so wie das hanfartige Apoeynum, aus welchem schon die Indier Stricke, Säcke und Decken machten. Ich hatte jetzo die mächtigen Schifftragenden Flüsse: Hudson und Belavare gesehen, welche Jersey der Länge nach von Pensilvanien abschneiden. Nun ging ich nach dem Wasserfall des Passaik, welcher in einem, auf der Höhe liegenden Moor entstand; aber nach einem langsamen ruhigen Lauf zwischen zwey Reihen mit Kiefern bewachsenen Bergen stellte sich ihm auf einmal ein großer Fels entgegen und hemmte seinen Gang. Der Druck des Wassers sprengte den Fels bis in die Tiefe, nun stürzt der Fluß durch eine 30 Fuß breite Spalte 70 Schuh hoch in einen grundlosen Schlund, in welchem er sich von dem Falle zu erholen scheint; dann ohne das mindeste Brausen zwischen den Steinmassen hervorkommt, und sich als stillfließender Strom verbreitet, welcher auf der Abendseite durch ein hohes Ufer eingeschlossen wird, von dessen Höhe man die schönste Aussicht nach den fruchtbaren östlichen Flächen hat. Jersey ist meist von Holländern und Engländern angebaut, welche den Geist der Ordnung und Nettigkeit ihres Vaterlandes in allem zeigen.

Denken Sie, was für einen ergötzenden Anblick dieser Fleck der fruchtbarsten Erde dem Auge gewährt. Mais, 8 Schuh hoch, viel von meinem lieben wilden Spargel dazwischen; Buchweizen, der zu Kuchen, sonst aber wie Hafer zur Fütterung gebraucht wird; tausend Weizen-Felder, welche Korn und Mehl zur Ausfuhr liefern; Roggen, der unter Mais-Mehl gemischt, ein gutes Brod giebt, welches von allen Einwohnern gebraucht wird; Erbsen, aber sehr wenig, weil ein in Amerika eignes Insect, Brunus genannt, sie zerstört, hingegen wird sehr viel Gerste gebaut: Obst- und Küchen-Gärten im höchsten Flor: Wasser-Melonen giebt es so viel, daß im Sommer die Feldarbeiter sie, wie es in Italien üblich ist, zum Labsal erhalten; großer weisser Winterkohl, Artischocken, alle Arten Rüben, Bohnen, Zwiebeln, Knoblauch, Salatkräuter, Raute, Salbey, Senf, besonders eine Menge der schönsten Aepfel, von welchen der vortrefflichste Cider gemacht wird: jeder Bauerhof hat auch seine eigne Presse; Pfirsiche werden häufig zu Branntwein und zu Schweinsmast gezogen, Kirschen, Birnen und Wallnüsse in Menge; da man weiß, daß die europäischen Obstbäume früher blühen, als die amerikanischen, so hat man viele gepflanzt. Sie können leicht denken, daß mir diese Aussicht und dieser Wasserfall eine außerordentliche Freude machten, aber die Nachricht, daß die waldigten Theile dieses Gartens von Panther, Tieger, Wölfen, Luchse, Bären, rothen und grauen Füchsen bewohnt waren, und noch sind, machte mich etwas ernst und mißmuthig. Meine Freundin weiß, daß ich von allen vierfüßigen Thieren nur Pferde, Rindvieh, Schaafe, Hirsche, Rehe, Haasen und zahme Schweine liebe, also waren mir alle oben benannte, im Walde und dem Garten zu viel; die Pelz-Thiere, als: Waschbären, Marder, Fischotter, Bieber, Caninchen, will ich wegen ihren wärmenden Fellen, und wegen dem Nutzen der Handlung gerne dulden; wildes Geflügel söhnte mich etwas mit den rauhen Waldbewohnern aus. Fasanen, Kalkutten, Purpur-Drossel, Schnepfen, Lerchen, Wachteln, Perl- Reb-und Birkhühner, Wander-Tauben, welche sich auch von Eicheln nähren, und des Jahrs viermal kommen, leicht zu fangen sind und delicates Fleisch haben, und die Wander-Drossel, sind alle in wohlthätiger Menge da. Aber wie diese Erde in allem ein Gegengewicht hat, so giebt es auch alle Arten Raubvögel: Falken, Adler, Eulen, Krähen, ja einen, der den schrecklichen Namen: Menschenfresser, hat. Hingegen wieder alle wahrhaft liebenswürdige Wasservögel: Schwanen, wilde Enten und Gänse in reichem Ueberflusse. Die Zucht zahmer Gänse aber, wird in den niedern Gegenden, durch ein mir verhaßtes Geschöpf, die Schildkröten gestört. – See- und Fluß-Fische haben alle Provinzen in Uebermaß; diesen Auszug habe ich wegen Ihnen und mir selbst niedergeschrieben. Ebelings Staats-Calender von Nordamerika belehrt Sie noch besser in Allem, und ich gehe nun nach dem berühmten Philadelphia – wirklich eine der schönsten Städte alter und neuer Welt. Ihre breiten geraden Straßen, mit den abgesonderten Wegen für Fußgänger, welche alle Nächte beleuchtet sind; Wasser-Rinnen, Brunnen, zierliche Häuser und die, wie in London, reitzenden Kaufläden, und Reinlichkeit; – aber wie sollte sich Penn wundern, die völlig europäische Pracht, in Equipagen, Hausrath, Kleidung, Gastgeboten und allen Belustigungen zu sehen! – Es ist ohnmöglich, Ihnen einen Begriff davon zu geben. Die Gegend, der große Fluß Delavare, der Shulkyl, alles erregt Staunen, und giebt dem Begriff von Schönheit mit Größe vereint. Nur muß ich bekennen, daß mich diese Pracht schmerzte; daß die Idee von Penn mich verfolgte, und daß, nachdem ich viele Wanderungen gemacht hatte, der lebhafte Wunsch in mir entstand: Europäer in einer neuen Anpflanzung zu sehen; um nach dem so vollkommnen Philadelphia und den schönen Garten von Jersey, ganz wilde Natur und erste arme Holzhütten zu betrachten. Ich sprach in ein Paar Familien davon, und wurde angewiesen, nach dem in Neuyorks Gebieth liegenden See Oneida zu reisen, wo ein teutscher Kaufmann, Scriba, eine große Strecke Landes gekauft, und einen seiner Freunde aus Holland überredet habe, sich bey ihm ein Landguth anzubauen, und die Colonisten anleiten zu helfen, welche er hinführe, um nach dem Bedingnis des Congresses, in zehn Jahren eine Stadt errichtet zu sehen. Diese Leute wären noch nicht lange hingezogen, bey diesen könnte ich meine Neugierde vollkommen befriedigen. Die Jahrszeit war schön, ich bekam von einem schätzbaren Mann Emphelungsschreiben, nahm einen braven jungen Zimmermann, der auch neues Land suchte, mein Bett und andre Bedürfnisse mit mir, und machte mich in einem gemächlichen Fuhrwerke mit einem braven Philadelphier, welchem dieser Weg bekannt war, mit großen Freuden reisefertig. In Wahrheit, das Auge des Philosophen genießt viel, bald an prächtigen Flüssen, bald durch unermeßliche Wälder, längst hohen Bergen und engen Thälern hin. Anfangs noch einige artige Dörfer, dann abgesonderte Wohnungen, in welchen die Menschen weise genug sind, ihr Glück in Gemüthsruhe und in der Natur zu suchen. Wir waren bey einem dieser einsamen Pächter über Nacht, der ehemals in einem Städtchen wohnte und mir sagte:

»Wie wohl ist meiner guten Frau und mir, bey unserer täglichen Arbeit, welche uns Statt Besuche, und Abends die versammelte Familie Statt großer Gesellschaft dient; das Gewühl der Städte hat keinen Werth für uns, – wie oft sagen wir: Bäume verläumden nicht, und verführen unsere Töchter nicht.« – – – –

Wie soll ich aber meinen Freunden das Staunen schildern, in welches meine Einbildungskraft, meine Vernunft und meine Gefühle versetzt wurden, als ich in dem, wenig Tage vor meiner Ankunft, durch Ahndung errichteten Loghouse oder Holzhütte ankam, welche Herr Scriba mir und meinen Gefährten einräumte, nachdem er mich seinem Freunde Vandek und seiner eigenen Familie vorstellte. Die lange, 400 englische Meilen daurende Reise; alle Naturscenen von Gebirgen, Flüssen, Seen, unabsehbaren Flächen, seit Jahrhunderten nur vor Gottes Augen geblühter und verwelkter Millionen Pflanzen und grünen Wildnissen, an welchen ich vorüber gekommen; der Anblick des 18 Stunden langen See's Oneida, in welchem die Stralen der niedergehenden Sonne eine lange Feuersäule bildeten, welche sich längst einer Insel, an den Ufern des festen Landes ausdehnten, und die hölzernen Häuser der Europäischen Ansiedler beleuchteten; die, in dieser weiten Einsamkeit, feyerliche Stille, zu welcher ich, von dem geräuschvollen Philadelphia an, durch bewohnte und unbewohnte Gegenden gelangt war, hier wo man nicht einmal die Räder meines Wagens tönen hörte. – Alles dieses hatte schon auf mich gewirkt; ja es erschien mir die Idee meiner Freunde in Europa, in einigen dunkeln Vertiefungen der Wälder, mit dem Gefühl: ach wie weit bin ich von ihnen, dem Aufenthalt einer Menge von wilden Thieren, und vielleicht auch wilder Menschen gegen über! An dem See aber frenete ich mich innig, zu Teutschen zu kommen: lebhafte Neugierde führte sämtliche Hüttenbewohner, welche von der Feldarbeit zurückgekehrt vor ihren Thüren saßen, mit Nachbarn und ihren Kindern schwatzten, zu mir. Alle eilten meiner kleinen Kutsche nach, alle rusten: willkommen! obschon uns keiner kannte; alle drängten sich die späten Ankömmlinge zu sehen, und nach der freundlich erhaltenen Sitte der Gastfreyheit, beeiferten sie sich nach den Pilgern zu fragen und ihnen Herberge und Dienste anzubieten. Doch dieses war mir nicht so neu, weil ich es auf allen Reisen durch die vereinigten Provinzen erfahren hatte. Meine Briefe verschafften mir die allergünstigste Aufnahme, und ich speiste in Gesellschaft der zwey Familien sehr vergnügt zu Nacht; dennoch schlief ich spät ein, und war unruhig. Die unglückliche Eigenschaft, Ideale zu denken, hatte mir schon einige Unzufriedenheit gegeben, und ich besorgte, bey Tages Anbruch würden auch die übrigen Bilder, welche ich mit so neuen lieblichen Farben ausgemahlt hatte, in den See niedersinken. – Ich stand früh auf, öffnete meinen Koffer, kleidete mich an, und betrachtete den Bau meiner Stube, welche natürlich, wie die Wohnungen aller Colonisten, aus lauter auf einander gelegten, grob behauenen Baumstämmen bestand, deren Zwischenräume mit Moos ausgestopft wurden. Alles Geräth ist äußerst einfach, wirklich ganz nach der Kindheit der Künste des Zimmermanns und Schreiners. Denken Sie sich die Freude meines Kopfs, über die so oft getadelte Anhänglichkeit an Rousseau, um dessentwillen ich Schreinerey gelernt hatte; und da ich auf so viele hundert Meilen das satyrische Lächeln meines Freundes nicht sehe, so habe ich Muth genug Ihnen zu bekennen, daß alle meine Werkzeuge, ja das Model, meines mir noch immer so lieben Säpflugs, und die kleine Drehmachine, mit mir an die User des See's Oneida kamen, und daß ich durch sie mein Andenken in der neuen Stadt gründen und verewigen will. Ich spreche noch nicht davon, aber da ich heute Nachmittag die Fruchtfelder betrachtete, und sie wegen der darauf stehenden Baumstumpen, einen unabsehlich großen Gottesacker voll Leichensteine ähnlich fand, so habe ich mir den Augenblick vorgesetzt, meinen Freunden ihre Aecker reinigen zu helfen, und dann mit meinem Säpflug zu beweisen, daß sie Zeit, Korn und Arbeiter sparen, daneben auch bessere Erndte, und schöneres Stroh erhalten sollen. – – Meine Freundin wird nun sagen, daß unsre Lieblingsgrillen einen sehr langen Flug aushalten, indem sie unermüdet aus einer Ecke meines schwäbischen Vaterlandes, bis nach Nordamerika hinüber schwebten. Aber ich will von Ihrem kleinen Spott und meinen Phantasien hinweg, zu den wirklichen Wohnungen von 10 Familien eilen, welche diese neue Pflanzstadt bevölkern wollen. Ich ging mit herzlichem Segen umher, besuchte Alle, und wünschte ihnen die Fruchtbarkeit der Ehen, welche ich schon in andern Gegenden von Nordamerika sah, indem ich selten unter fünf Kinder, mehrmal aber 7, 8, ja 11 und 12 von einer Mutter getroffen hatte. Doch dünkten mich die jungen Leute der Holländer und Teutschen nicht so stark und schön, als die Stämme der Eingebohrnen, von welchen ich einige bey einem Handel von Biber- und Bärenfellen sah, und mich bey ihrer Schönheit und Stärke an den Auftritt des großen englischen, in Amerika gebohrnen Mahlers: West, erinnerte, welcher in Rom bey dem ersten Blick auf den Apoll des Vaticans ausrief: »O was für eine Aehnlichkeit mit einem jungen Krieger der Mohawks, welcher den Bogen gespannt, das Aug' auf den Feind geheftet, ihn mit schnellen Schritten verfolgt!« – – – nur diejenigen, welche wie ich, diese edlen Gestalten sahen, werden finden, daß West nicht als Amerikaner, sondern als Kenner großer edler Schönheit der Natur und Wahrheit, die Kunst in der Nachahmung zu beurtheilen wußte.

Heute wünsche ich, daß Sie alle Tage, neben dem Gebet für mein Leben, den Himmel auch anflehen möchten, mir die Gabe des guten Erzählens zu verleihen, damit ja nicht das mindeste von der Geschichte verloren gehen möge, welche mir der schätzbare Vandek und seine vortreffliche Frau bekannt machten. Gerne möchte ich sie dem Geiste und dem Herzen meiner Freundin ganz darstellen, weil ein Frauenzimmer von Ihrem Alter die schönste Rolle darin spielt. Ich dachte nur den Jahrhunderte gehäuften Reichthum einer fruchtbaren, noch nie benutzten Erde kennen zu lernen: ursprüngliche Pflanzen und Thiere zu beobachten, und zu sehen, wie Colonisten sich dabey benehmen, wie Verstand und Herz in dieser Ferne und Verschiedenheit, mit dem vaterländischen Boden, sich in erfinderischem Fleiß und freundlicher Hülfe unter ihnen zeigen würden. Diese Gegenstände meiner Aufmerksamkeit dünkten mich Beschäftigung genug für meinen Geist; aber wieviel mehr wollte mir das Schicksal geben! –

Der teutsche Haupt-Director hatte mich den ganzen Morgen in der Gegend und bey seinen Arbeitern umher geführt: der Holländer bat uns auf den folgenden Tag zu Tische; als wir dem Hause uns näherten, wurde ich gebeten, ja nicht viel von Europa, am allerwenigsten von Frankreich zu reden, indem ein Coloniste und seine Frau mit uns speisen würden, welchen diese Erinnerung schmerzliche Gefühle geben könnten: ich möchte nur diese zwey Menschen beobachten. –

Diese Vorbereitung spannte meine Erwartungen ungemein. Vandek, seine Frau und fünf Kinder, hatte ich den Morgen in seiner, mit dem Geiste der hölländischen Reinlichkeit und Ordnung beseelten Wohnstube gesehen, der Tisch zum Mittagessen wurde im Freyen, nahe an dem User des See's gedeckt. Der Platz war auf festem Sande, sehr eben, und wie die Bänke, mit schönem Moos und Waldblumen bestreut: eine herrliche Reihe von Bäumen beschattete uns, und die Insel zeigte sich gegen über. Madame Vandek schien noch im Hause beschäftigt: ich mit ihrem Manne im Gespräch auf- und abgehend, wurde sehr überrascht, auf einmal zwischen einem Bouquet von Bäumen, einen großen jungen Mann von 27 Jahren mit leichtem edlen Schritt, und einer schönen Frau von etwa 24 Jahr, recht geschmackvoll Europäisch gekleidet, mit einem allerliebsten Knaben von drey Jahr, gegen uns kommen zu sehen. Ich betrachtete sie erst schweigend, dann bat ich aber Vandek mit einem Blicke voll Verwunderung, mir diese Art räthselhaften Auftritts zu enthüllen. –

»Es ist Herr und Frau von Wattines aus Flandern, die bey uns wohnen.« –

Eine solche Erscheinung, sagte ich, hätte ich in dieser Gegend nicht vermuthet. – Je näher sie kamen, desto höher stiegen die Gefühle des Erstaunens in meiner Seele; mein geistvoller Vandek lächelte, und indem er auf seine Wohnung deutete, sagte er, seinen Frießrock fassend: »nicht wahr, das schlichte Gewand des Batavers paßt besser zu einer Holzhütte, als die Eleganz eines Hofmanns?« – Ich war nun überzeugt, daß die zwey guten Fremdlinge zu den zerstreuten Emigrirten des französischen Adels gehörten, und der Ausdruck: Hofmann, dessen sich Vandek bedient hatte, sagte mir, daß Herr von Wattines einst bey Hofe lebte, und nun hier! tönte in meiner Seele, da ich auf das Loghouse, den See und die halbe Wildnis umher blickte. – – Der Mann erschien mir, als ein durch Sturm zur Erde gebogner junger Baum, den eine sorgsame Hand an einen nahstehenden Wildstamm sanft erhob, und festband, um wieder in gerader Richtung fortzuwachsen. Die Frau war mir eine schöne, mit einem Sprößling, in das Gras ihrer Blätter sich bis zum Brechen neigende Nelke. Ich mußte, so bald ich ihnen genannt war, mich etwas entfernen, um meine Rührung zu verbergen, und ging den Seribas entgegen, mich ganz zu sammeln. – Wir speißten vergnügt, tranken vortreffliches Bier, auch Jerseyer Cider; doch denken Sie sich meine Empfindungen, als ich folgende Geschichte hörte: – nachdem ich gefragt wurde, wie mir das eingebeitzte Fleisch schmeckte? und ich bey der Antwort: vortrefflich! zugleich meinen Teller hinreichte, und mir noch ein Stück ausbat, ich aber alle mit bedeutender Miene, doch sehr freundlich aufeinander blicken sah, rief ich mit einer Art von Sorge, doch dabey lächelnd: habe ich etwas, gegen die Sitten am See Oneida, Unschickliches gethan, da ich das zweyte Stück forderte? –

Nicht das mindeste. Im Gegentheil freuen wir uns, daß ein Europäer in den ersten Tagen diese Speise freywillig ißt, da wir dieses nur durch Noth lernten. – Diese Bemerkung dünkte mich sonderbar, und ich dachte sogleich an Büffelfleisch, sagte es, und kaute mit eben so kluger Miene, wie Wein-Prüfer Wein kosten. Alle Augen waren auf mich geheftet; ich blickte auch in der Runde nach ihnen, wobey ich zugleich wiederhohlte: daß ich dieses Fleisch sehr zart und schmakhafter fände, als unser Europäisches Ochsenfleisch. Vandek sagte nun:

Sie haben uns alle davon essen sehen; es wird Ihnen also nicht am Namen, sondern an der Sache liegen, und nicht zuwider seyn, daß es die Lende von einem Bären war, womit ich meine Gäste bewirthete. – Der Gedanke wirkte mechanisch auf mich, denn ich sagte mit einem sichtbaren Stutzen:

Bärenfleisch! – Alle schwiegen; aber ich setzte schnell hinzu:

Sie sehen, was Gewohnheit den Worten für eine Gewalt giebt; da ich bey dem Bilde eines Bären etwas zurück schauderte, ohngeachtet ihr Beyspiel bey Tische, und meine so eben gemachte Erfahrung des Wohlgeschmacks dieses Fleisches, mich daoor schützen sollten. Aber ich habe jetzt doppelte Freude; einmal, ein Vorurtheil verlohren zu haben, und, mir sagen zu können, daß rechtschafne Menschen in den Wäldern dieses fernen Bodens, die Bären zu den angenehmen Nahrungsmitteln zählen können. Sie müssen, setzte ich hinzu, mir diese Jagd bekannt machen.

Sehr gerne, sagte einer, aber nicht wie Herr von Wattines diesen Bären fieng.

Sie können leicht vermuthen, daß der Ton in welchem dieses gesprochen wurde, meine Augen nach Hrn. v. Wattines lenkte, und mich wünschen machte, die Geschichte dieses Fangs zu hören. – Der edle Mann sagte:

Ich stimme mit meinen Freunden in den herzlichen Wunsch, daß ja niemand anders und ich selbst auch nie wieder in den Fall komme, eine solche Jagdgeschichte zu erzählen. – Nun deutete er nach einem Theil des See's, gegen die Länge des Waldes hin, und sagte:

»Dort war ich, um etwas Wild aufzujagen; der Bär kam langsam zwischen den Bäumen, hervor; ich zielte, und glaubte ihn richtig gefaßt zu haben, schoß, traf ihn, aber nicht tödtlich; sah ihn nach mir laufen, und eilte so schnell ich nur konnte einem Kahne zu, der am Ufer lag, und stieß ab. Das Thier schwamm mit mehr Schnelligkeit, als ich rudern konnte, und war nahe dabey seine Tatzen anzulegen, wodurch er den Kahn umgestürzt, und ich also entweder damit unter das Wasser gebracht und ertrunken, oder in seine Klauen gerathen wäre; denn mein Schwimmen konnte mich nicht retten, und keine Seele war in der Gegend nahe genug. Gott gab mir den Gedanken und die Kraft, aus dem Strick des Kahns, ich weiß nicht wie, eine Schleife zu machen, und schenkte mir das Glück, gerade den Hals des Thieres zu treffen, und die Schleife zuzuziehen. Erst nach einigen Minuten war ich gefaßt genug aus dem Kahne zu springen, und, meinen erstickten Feind nach mir ziehend, an das User zu schwimmen. Schauder überfällt mich heute noch bey deutlicher Vorstellung meiner Gefahr, und selten gehe ich, an der in meinem Hause aufgestellten Haut vorbey, ohne dem Himmel für die gesegnete Gegenwart des Geistes zu danken.« – Seine liebenswürdige Frau hatte während der Erzählung Thränen der Sorge und der Liebe in ihren schönen Augen. Mir war auch eine Bewegung des Entsetzens durch die Seele gegangen, und alle sprachen mit erneuter Bewunderung und Freude von dieser glücklichen Klugheit, welche ihnen einen würdigen Freund erhielt; – und, setzte Vandek hinzu, Herrn von Wattines auf immer mit uns verband.

Hier bemerkte ich, daß die Frau sich sanft gegen Frau Vandek neigte, und sie zärtlich küßte; zugleich aber ihren Knaben umarmte, die Thräne im Auge zertheilte, und wieder ruhig um sich blickte. Dieser kleine Umstand zeigte mir etwas Besonderes in der Geschichte der Wattines und ihrer Verhältnisse mit Vandek. Doch das muntre, durch die Jagd-Erzählung unterbrochene Tischgespräch wurde wieder belebt: wir tranken guten Caffee, und ich begleitete mit Frau Vandek die Wattines nach Hause. Ernst betrachtete ich die über eine Holzform gezogene Haut des Bären, welche wie eine Art von Trophee, mit dem Strick um den Hals aufgestellt ist, und dem kleinen Caremil zum reiten dient. Das Haus der Wattines ist viel kleiner als die andern, sie haben auch weniger Dienstboten, Kühe und Schaafe; aber ihr Hof und Garten ist nach der Vestungsbaukunst mit Pallisaden und Gräben eingefaßt und beschützt, weil sie, da ihre Länderey als der zuletzt angesiedelten Familie, an der äußersten Seite steht, den Anfällen der aus dem dichten Gehölze kommenden Bären und Füchsen am meisten ausgesetzt seyn würden. So hatte Wattines seine als Ingenieur-Officier erlernte Wissenschaft, für die Sicherheit seines Wohnsitzes verwendet. Ich erkannte das Vaterland dieser guten Menschen an dem Eingange in ihr Haus, da man wie in Flandern über einen kleinen Graben an der Landstraße hin eine schmale Brücke von einigen Schritten bis an die Hausthüre geht, wo zu beyden Seiten Accacien gepflanzt sind, und zu einer Laube gebogen werden, in welcher ein paar einfache Sitze zur Abendruhe, und dem Anblick der vorübergehenden Nachbarn dienen. In der Stube fand ich nur äußerst einfaches Holzwerk, wie es einem Loghouse zukommt, aber was mich staunen machte, war eine aus 300 Bänden bestehende Bücher-Sammlung der besten französischen Schriftsteller, und die Englische Monathschrift universelle Magazin. – Der edle, bisher ganz schweigend mit uns gegangene Wattines lächelte gegen mich, saßte aber mit ernster gerührter Miene meine Hand und sagte:

Dieses erwarteten Sie nicht in meiner Hütte, aber diese Freunde erhielten das Leben meiner Seele, wie Milch der treuen Mutter das Leben ihres Kindes, wobey er auf seine Frau deutete, welche sich eben gesetzt hatte, ihrem Säuglinge die Brust zu geben. – Das äußere Betragen dieses Mannes und seiner Frau, hatte ganz die seine Form dessen, was wir unter dem Namen große Welt bezeichnen. Sein Aufenthalt an dem See Oneida, war mir eine Erscheinung, einiger, auf den Trümmern eines Schiffs, vom Sturm an eine Insel geschleuderten Menschen. Der Ton und Gang seiner Ideen, wie richtig gestimmte aber zu schwach gespannte Sayten einer prächtigen Leyer, deren Töne nun in einer Art von Wüste verhallen. Ich fühlte Theilnahme an ihm, und eine Art fromme Ehrfurcht für sie, wie für eine Märtyrin des Schicksals; aber ich wagte keine Frage darüber. Der Abend neigte sich, die Schaafe kamen vom Felde zurück. Frau Vandek nahm Abschied, und ich begleitete sie zu Hause. Nun kam ich zu meinem teutschen Landsmann, und erzählte diesem, wie sehr mich das Wesen und die Umstände der zwey liebenswürdigen Wattines eingenommen habe: daß ich sicher sey, die Pariser Revolution habe sie aus ihrem Vaterlande getrieben, aber so weit bis zu den Ufern des See's Oneida, dünke mich noch andre Beweggründe zu verbergen. – Er antwortete mir: wenn Sie noch einige Zeit bey uns bleiben, so werden Sie alles entdecken können. Im Ganzen ist die Verkettung des Vandek und Wattines eine merkwürdige Erscheinung, und konnte nur durch die eiserne Hand der Gesetze der Noth hervorgebracht werden. –

Wattines wurde durch die Liebe zur Fürsten-Regierung, und Vandek aus Haß gegen sie hierher geführt. Ersterer floh aus Europa, wo man seinen geliebten König von dem Thron stürzte, der Zweyte, weil Holland seinen Prinzen wieder aufnahm. Mangel des Vermögens hinderte sie, gute angebaute Ländereyen oder Güther in der Nachbarschaft großer Städte zu kaufen: Bedürfnis des geselligen Lebens mit guten vernünftigen Menschen verband uns zusammen. Dieses kann für Sie, der nur beobachten will, einen großen Werth haben, und wird Sie gewiß für Ihre Reise belohnen. Ich als erster Ankäufer dieses öden Landes, darf mich nicht mit solchen Betrachtungen aufhalten, und muß für das Beste des Lebens meiner Famille und der Colonisten sorgen, welche aus Vertrauen auf mich hierher zogen. Wie sehr freute ich mich, als Ihre mitgebrachten Briefe, mir einen Mann verkündeten, welcher allein den Gang der Anlage einer neuen Colonie sehen will, voller Güte zu uns kam, uns gewiß gerne seine Einsichten mittheilt, so wie er unsere Erholungsstunden versüßt. Vandek ist ein Gelehrter, der sich nun als Familienvater der Landwirthschaft widmet, mit welchem ich als einem gebohrnen Holländer auch von Producten und Erwerb sprechen kann. Fleiß und Sparsamkeit seines National-Characters, seine Sitten und Lehren als Geistlicher, sind mir von unschätzbarem Werthe und Nutzen für meine Colonie. Ihm wird es auch wohl thun, hie und da ein Stündchen mit Ihnen zu sprechen, so wie ihn die Bücher von Wattines freuten. Dieser ist auf einer andern Seite viel für uns geworden, weil wir den klagenden Colonisten sagen konnten:

Seht! dieß war ein reicher junger Edelmann in Frankreich, der alles verlohr, und eben so dürftig hierher kam, als Ihr, auf der Insel allein wohnte, mit seiner schönen jungen Frau arbeitete, Geduld hatte, und Gott vertraute. Wir sind gleich mit nachbarlicher Hülfe unserer eigenen Landeleute hergekommen, haben Handwerkszeug und Nahrungsmittel mitgebracht, welches alles der gute Mann und seine Frau nicht hatten. Seht, wie beyde noch arbeiten, und euch und eure Weiber noch vieles lehren können. –

Dieses wirkte viel; denn unsere teutschen Landsleute sind noch sehr an den alten Begriff der Vorzüge des Adels geheftet, und beurtheilen das Schicksal der Wattines nach dem, was sie besaßen und verlohren. Die meisten unserer Leute haben ihre Wohnung und ihre Felder auf der Insel besucht, alle kamen von Hochachtung und Mitleiden durchdrungen zurück, und der letzte Auftritt des Hrn. v. Wattines, da seine Gegenwart des Geistes, sein Muth und seine Geschicklichkeit ihn von der augenscheinlichen Todesgefahr rettete, hat diese Gesinnungen mit einer Art höherer Ehrfurcht verbunden, und nicht nur das, sondern unsere Jungens, und Handwerks-Gesellen, ja selbst Männer, üben sich mit Schleifen machen, und haben Pflöcke mit einem Stück Bärenhaut auf einem Bret befestigt, welches einige Buben ziehen, und andre dastehende bemühen sich, dem Pflock die Schleife überzuwerfen, und den Bären, wie sie ihn nennen, nach sich zu schleppen; ja viele tragen jetzo einen Strick bey sich, um mit ihrer Geschicklichkeit und Stärke auch einst einen Fang zu machen. – Mich dünkt dieser Tag und diese Unterredung war die Hälfte meiner Reise werth; aber mein Hauswirth und seine Frau endigten mit der Versicherung, daß die Wattines sich sehr über meine Ankunft freueten, weil ich so geläufig französisch spräche, und Frankreich kenne, indem sie wie alle Emigrirte, an ihrem Vaterlande, seiner Sprache und Gewohnheiten hängen. Er dankte mir dabey nochmals für den jungen Zimmermann, welchen ich mitbrachte: ihm wird morgen nach dem Gottesdienste, ein Stück Feld und Wald zugemessen werden. Ja der Kaufmann, der heute lange mit ihm redete, und seinen guten Verstand schätzt, will ohne Kaufschilling und ohne Pacht für ihn sorgen. Sie können nicht glauben, meine Freunde! Mit was für einem vergnügten Herzen, ich in mein Loghouse kam; diesen jungen Mann versorgt, und die Colonie mit einem nützlichen Bürger bereichert zu haben. Es war ein wahres Fest, diese Aufnahme des neuen Einwohners der künftigen Stadt, und gewiß konnte in der ganzen Christenheit kein Sonntag schöner gefeyert werden. Vandek hielt erst die Gebete, dann eine kurze rührende Rede; über die göttliche Vorsicht und Bestimmung der Menschen, welche sie alle von so verschiedenen Gegenden hierher führte, um den ursprünglichen Beruf, bete und arbeite, hier auszuüben; es koste Mühe, gösse aber seeligen Trost in das Herz, als guter Hausvater und nützlicher Mensch zu leben. Er sey sicher, daß nicht einer unter ihnen sey, der nicht mit ihm Gott danke, daß er jetzo die Schritte eines guten Zimmermanns hierher leitete, weil sie gerade noch einen solchen Mitbürger gewünscht hätten, um noch in der schönen Jahreszeit ihre Wohnungen alle gesund und nützlich auszubauen. Gewiß würden auch alle mit ihm jeden Fußbreit Erde, der ihrem neuen Nachbar zugemessen würde, segnen, und ihm hülfreiche Dienste leisten, wo er es brauchte; und Gott würde diese Ausübung der Nächstenliebe an ihnen lohnen. Nun zog alles hinaus, die Meßstangen wurden von jungen Leuten, in vollem Jubel getragen: kleinere Knaben, und die Mädchen trugen Baumzweige und Tannenreißig, welche sie auf die gemessenen und etwas aufgehackten Striche der Felder des neuen Landmanns legten, so daß der ganze Umfang des ihm zugetheilten Bodens, eine zwey Fuß breite Einfassung hatte, die von beyden Seiten an den ausgesteckten, und mit Waldblumen verzierten Bäumen endigten, welche man an der Stelle eingegraben hatte, wo das Wohnhaus hinkommen soll. Dieser, nebst dem bestimmten Hofplatz, war seit ein paar Tagen gereinigt und geebnet, und Baumstämme statt Bänken umher gelegt: dort hatten während dem Abmessen des Landes, die Weiber Mittagessen und Bier zugetragen, und alles, Herr und Knecht, Frauen und Mägde, Kinder und Alte, verzehrten ihr Mittagbrod mit freundlicher Eintracht und Munterkeit. Ich gab gutes englisches Bier, auf die Gesundheit des Zimmermanns zu trinken, und Vandek sagte: wir sind hier in dieser Wildnis viel glücklicher als der berühmte Lord Baco, Canzler von England, mitten in London war, da er in seinem Alter zu arm wurde, um sich gutes Bier zu kaufen. Diese wohl angebrachte Erinnerung, verhinderte jeden Wunsch nach Wein. Die Zufriedenheit wurde vermehrt, da ich einen Vorrath Braten, Schinken, Bier und Punsch zum Vesperbrod schaffte, meine Flöte nahm, und ein paar junge Einwohner ihre Geigen holten, dann wechselsweise Musik machten, sangen und tanzten, nachdem alle in einer Reyhe geschlossen, den neuen Hofraum umhüpften. Bey Sonnen-Untergang kehrten alle vergnügt nach Hause zurück; indem der Ober-Anordner frühes Schlafengehen und frühe Arbeit mit einander verbindet. Den Morgen nachher besuchte ich das Vorrathshaus, wo Breter, Nägel, Korn, Hülsenfrüchte, Mehl, gesalzen Fleisch, Oehl, Butter, Salz, Sämereyen, grobes Tuch, Leinen, Kochgeschirr, Eisenwerk und so weiter liegt. Diese wichtige Hütte steht neben dem Platze, wo einst in der neuen Stadt 4 große Gewölber zu den Niederlagen von Lebensmitteln und Waaren erbaut werden, daneben aber mit den Mauern der zwischen ihnen laufenden breiten Gänge in dem obern Stockwerke, wieder vier eben so große Stuben tragen, und zwischen ihnen eben solche helle Gänge formiren sollen: wo die Einwohner hingehen und sicher seyn können, in jeder dieser Stuben an gewissen Tagen der Woche bey ihren Vorstehern einen Vorrath von Klugheit und Erfahrung zu benöthigten Rathschlägen, Güte und Gerechtigkeit in Streit, Sicherheit für wichtige Urkunden, und eine allgemein nützliche Büchersammlung zu finden. Diesem doppelten Ratthause gegen über soll die Kirche, und unmittelbar neben ihr, auf einer Seite die Wohnung des Pfarrers, auf der andern Seite die Schule und das Haus des Schulmeisters seyn. Der Raum zwischen diesen Gebäuden soll den Hauptplatz der Stadt bestimmen, und zwey andre, der dritten und vierten Seite des Quadrats gegen über stehende Häuser, soll eines dem Arzte und Chirurgo, das andre dem Mauermeister und dem Holzverwalter angewiesen werden: wo dann den aufwachsenden Knaben, bey dem Schulunterrichte zugleich von der ersten Jugend an, Bild und Begriff von Pflichten und Verdiensten nützlicher und nöthiger Menschen und Wissenschaften sich einprägen; Erwachsene aber sogleich die Häuser zu finden wissen werden, wo sie in Sorgen und Leiden der Seele und des Körpers Hülse und Erleichterung finden können. Zwischen diesen vier Gebäuden laufen die vier Hauptstraßen in die Länge und Quere hin, an welchen nachwachsende und nachfolgende Einwohner sich nach Willen und Vermögen anbauen sollen. Längst dem Rathhause gegen den See, wird ein offner Gang, ein Warff und ein Landungsplatz für Schiffe angelegt. Sie können nicht glauben, meine Freunde! wie sonderbar mein Herz bewegt wurde, als ich den kleinen rauhen Grundriß in der Hand auf den noch leeren Platz, zwischen den einzelnen Holzhütten hinblickte, und mir sagte: »diese Stelle war also seit Jahrtausenden noch nie bebaut, nie von Menschen bewohnt, nun sind welche da, die von ihrem, so viele hundert Jahre cultivirten Vaterlande, die Kunst zu dem Bau der Holzhütten mitbrachten, und, sagte meine Einbildungskraft, in zehn Jahren werden links und rechts hinlaufende Häuser entstehen: nun ist einfaches Bedürfniß, Genügsamkeit, ämsiger Fleiß und Eintracht, Verehrung der Fruchtbarkeit des Bodens, einfache Wohnung, Kleidung und Speisen in diesen Hütten: und nach diesem Zeitraume werden aufkeimende Lustgärten, Verschönerungen, Geschmack und Begierden des Ueberflusses mit allen Fehlern in die Seelen der Bewohner derselben folgen; und dann auch Unmuth und Schmerz in den schätzbarsten Menschen entstehen, welche zum Entbehren bestimmt zu seyn dünkten.« – Dieser Spaziergang und dieses Denken kostete mich Seufzer, und verdarb mir beynahe die Hälfte der ersten Freude. Ich ging zu Vandek, und erzählte ihm diese in mir entstandene Unzufriedenheit. Er sagte mir: dieses geschieht immer, wenn wir die wirkliche Welt nach Idealen beurtheilen, denn was sollen die Bewohner dieser Ufer vornehmen? Immer in Holzhütten bleiben und ihr Korn zwischen Grabmälern fortpflanzen, wie Sie von unsern Aeckern sagten? Bedenken Sie, daß der gesunde menschliche Geist nicht gerne stille sieht, und daß wir alle aus Ländern kamen, wo wir Wohlstand, Künste und angenehmen Genuß des Lebens sahen, daß vielleicht der Kummer, es nicht so zu haben, uns hierher führte. Wir sangen mit harter Arbeit an, wissen aber, daß es für uns ist, und arbeiten um so ämsiger, immer das Auge auf die Zukunft des Genusses geheftet, wie wir andre den Erfolg ihres Fleißes genießen sahen; denn diese Ideen und Gefühle verlieren sich nie. Und warum sollen wir für das Vergnügen einer philosophischen Phantasie immer nur die Rollen der ersten Scene der Cultur durchspielen? Gönnen Sie uns die Aussicht der Freude des Höhersteigens, des Weiterumsehens auf der Bahn von Glück des Erdelebens, der Kräfte des Verstandes und der Kunstfähigkeit, wie unsere Vorfahren in Europa, und die frühern Colonisten Westindiens genossen: helfen Sie uns bey unsern Anlagen durch Vortheile der Handarbeit, eine Abkürzung des mühevollen Weges finden, den wir noch vor uns haben: geben Sie uns Auszüge richtiger, für Alle passende, Begriffe, von Bedürfniß, Glück Pflichten; damit unser Geist auch Umwege und Zeitverlust der Vorurtheile vermeide.

Mein Freund muß sich noch der Miene erinnern, welche ich hatte, wenn mir in jüngern Jahren ein begangener Fehler so deutlich bewiesen wurde, wie Vandek mich von dem Unrecht meines Wunsches überzeugte, daß die Colonie ja nicht sobald zu den Ideen des Schönen gelangen möge. Ich suchte mich zu vertheidigen, und versicherte, daß ich weit entfernt sey, den Gang ihres Geistes und ihres Wohlstandes gehemmt zu wünschen, daß ich nur den Leidenschaften den Zugang erschweren möchte; weil diese immer das Glück der Menschen zerstören. Er lächelte und sagte:

Dieß heißt dem Seefahrer sehr freundlich gewünscht, daß er keinem Winde ausgesetzt seyn möge, weil es sehr gefährliche Stürme giebt; aber es ist männlicher zu sagen: Sorgen Sie für einen geschickten Steuermann. – Dieses werden wir bey der Erziehung unserer Kinder thun, indem wir soviel möglich ihrer Vernunft zu den Kräften helfen wollen, Schiff und Seegel, bey Wind und Ruhe, nach dem bestimmten Hafen zu bringen. –

Vortrefflich, sagte ich, – hier und in meinem fernen Vaterlande werde ich den Himmel um Segen zu diesem Plane bitten.

Dank, recht schönen Dank und Lohn für Ihre Liebe, erwiederte er, schwieg dann etwas nachdenkend, und ich rufte mir unsre Unterredung zurück, um auszufinden, ob ich etwas gesagt hätte, so ihn beleidigen könnte. Da ich ihn von Moment zu Moment forschend anblickte, sagte er, ich kenne ihn wohl, den traurigen Einfluß der Leidenschaften, aber sie sind in der moralischen Welt durch eine allmächtige Hand eingeführt, wie nützliche und schädliche Thiere unser liebes Amerika bewohnen. Wir Menschen haben aber die Kraft erhalten, beyde zu zähmen und zu überwältigen, wenn wir nur immer eben so ernsthaft für die Ruhe unserer Seele sorgten, als Sie uns hier, unsern Schlaf, und unsere Besitzungen gegen die Einfälle der Thiere besorgen sehen. Doch, wer die Vorsicht versäumt, wird durch Schaden klug, oder durch Unglück gestraft. Ich glaube, daß wir neuen Bewohner dieser Gegend alle, durch versäumte Vorsicht auf unserer ersten Lebensbahn Schaden genommen hatten, wünschen Sie uns nur, daß wir jetzo klüger seyn mögen... Nun erwiederte ich, vergeben Sie mir, tbeurer Vandek! mich dünkt ich habe einen Gegenstand berührt, der Ihnen unangenehm ist. – Er sagte sanft aber ernst: blos deswegen, weil er mir mit dem Wort Leidenschaft, die Ursache meiner Entfernung von Freunden und Europa zurück ruft. Ein in mir liegendes Ideal vollkommner Regierung und Glück meines Vaterlandes, wurde der Gegenstand einer, wie ich glaubte, schönen und gerechten Leidenschaft meiner Seele. Ich strengte mich an, verbessern und abändern zu helfen, es wurde auch Aenderung hervorgebracht, aber nichts besseres. – Ich möchte mir früher gesagt haben: wo Menschen sind, ist Unvollkommenheit. Sey du der beste, thue das beste in deinem Beruf, aber nicht mit Leidenschaft, sie führt dich zum Verderben, und erbittert die andern. Sie, junger Mann! setzte er lächelnd hinzu, leiden auch an dem Weh der Ideale: nehmen Sie sich in acht! das wirkliche Leben leidet darunter; wir werden unzufrieden mit dem was wir hören und sehen, werden ungerecht und strenge gegen unsern Nächsten und unser Schicksal, und was das schlimmste ist, man stiftet selten Gutes; wenigstens wünsche ich seit Jahren, daß nur Poeten und Künstler, die gefährlichen Reitze der Fähigkeit Ideale zu schaffen kennen möchten, weil diese ihr Glück dadurch gründen, und das Vergnügen der andern, durch Darstellung schöner Bilder befördern. –

Ich mußte bekennen, daß er recht habe, sagte aber, daß ich die Gabe, Ideale zu denken, für ein süßes Geschenk der Natur halte. Schnell faßte er mich bey der Hand, und antwortete:

Gut, bleiben Sie immer bey dem Genuß des Denkens und Dichtens; aber gehen Sie nie so weit, weder von sich selbst noch von andern ungewöhnliche Dinge zu fordern.

Während diesem Gespräche waren wir aus seinem Loghouse herausgetreten, um noch etwas auf und ab zu gehen, als uns Wattines entgegen kam, und Vandek mir nur ganz kurz sagte:

Hier kommt ein menschliches Wesen, das wirklich zu Idealen gehört. –

Wie so, sprach ich?