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Jeder von uns hat eine Geschichte zu erzählen, eine Mischung aus gelebten Erfahrungen – guten wie weniger schönen –, die unserem Leben Bedeutung geben und uns als Persönlichkeit ausmachen. Aber wissen wir in einer Welt, in der es immer mehr ums "Performen" und um Selbstdarstellung geht, überhaupt noch, wie man die eigene Geschichte authentisch erzählt? In "Erzähl mal, wer du bist" zeigt uns Dr. Dennis Rebelo, der Begründer des Peak-Storytelling-Modells, wie wir mit Leichtigkeit kommunizieren und Beziehungen herstellen können. Der erste Schritt ist, uns über bedeutsame Momente in unserem Leben klar zu werden: Welche Erfahrungen haben dich zu dem Menschen gemacht, der du heute bist? Diese Elemente deiner Geschichte, die über reine Fakten hinausgehen, sorgen dafür, dass du eine emotionale Verbindung zu deinen Zuhörern aufbaust und für sie präsent und sichtbar wirst. Tauche also ein in die Feinheiten des "Personal Storytelling" und werde zum Meister/zur Meisterin deiner eigenen Erzählung. Dabei veränderst du auch dich selbst auch weiter zum Positiven. Denn indem du dir deiner Stärken und Erfolge immer mehr bewusst wirst, baust du neues Selbstvertrauen auf und kannst somit dein Potenzial noch leichter entfalten.
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Seitenzahl: 277
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Dr. Dennis Rebelo
So vermittelst du deine wahrePersönlichkeit, deine Werte und Ziele
Aus dem amerikanischen Englischvon Ursula Bischoff
Die englische Originalausgabe ist 2021 unter dem Titel Story Like You Mean It. How to Build and Use Your Personal Narrative to Illustrate Who You Really Are bei Scribe Media, 507 Calles St, Suite #107, Austin TX 78702, USA, erschienen.
© 2021 Dr. Dennis Rebelo
Arranged via Licensor’s Agent: DropCap Inc.
All rights reserved.
Hinweis: Die in diesem Buch verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen. Auf eine Doppelnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
1. eBook-Ausgabe 2023
© der deutschsprachigen Ausgabe 2023 Scorpio Verlag, ein Imprint der Europa Verlage GmbH, München
Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich
Redaktion: Ulla Rahn-Huber, Mainz
Layout und Satz: Margarita Maiseyeva
Konvertierung: Bookwire
ePub-ISBN: 978-3-95803-489-1
Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.
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Meinen Studierenden in allen Altersgruppen und Lebensphasen gewidmet: Ohne euch wäre meine Geschichte weniger facettenreich – und buchstäblich nicht möglich.
EINFÜHRUNG
1. KAPITEL: EIN PLÄDOYER FÜR DAS STORYTELLING
2. KAPITEL: VERSTEHE DEINE GESCHICHTE UND DU VERSTEHST DICH SELBST
3. KAPITEL: ERZÄHL MAL, WER DU BIST
4. KAPITEL: PEAKSTORY – ERZÄHLEN MIT METHODE
5. KAPITEL: STORY-STECKBRIEFE SCHREIBEN
6. KAPITEL: THEMEN UND ROTE FÄDEN
7. KAPITEL: DEINE PEAKSTORY ENTWICKELN
8. KAPITEL: PHILOSOPHIE FÜR (MEHR ALS) EIN ENGAGIERTES LEBEN
9. KAPITEL: DEINE PEAKSTORY VORTRAGEN
10. KAPITEL: DER ULTIMATIVE BRÜCKENBAUER
FAZIT
QUELLEN
DANKSAGUNG
»Erzähl mal, wer du bist.«
Ein Mensch, der so angesprochen wird, fühlt sich oft überrumpelt. Zögerlich gibt er Auskunft über seinen Bildungsweg, die bisherigen beruflichen Tätigkeiten und anvisierten Ziele. Es klingt ein bisschen so, als würde er eine Website verlesen, einen vorformulierten Text, gespickt mit Standardformulierungen – die 30-Sekunden-Präsentation eines Lebenslaufs, auswendig gelernt und jederzeit abruf- und abspulbar. Was fehlt, ist der Erzählfluss, das, was diesen Menschen wirklich ausmacht. Was er von sich erzählt, bleibt im Belanglosen stecken.
Eine totale Katastrophe ist es vielleicht nicht, aber er bringt die zeitlichen Abläufe durcheinander und ist sichtlich frustriert, wenn er merkt, dass sich die Zuhörenden abwenden und das Interesse verlieren. Eine unbehagliche Situation für alle Beteiligten.
Nach längerem Gestotter platzt er schließlich mit der Gegenfrage heraus: »Und was ist mit dir?«
Die andere Person reagiert auf Anhieb. Sie erklärt in wenigen Sätzen die wichtigsten Entscheidungen und Aktivitäten in ihrem Leben, schildert, welche Hindernisse sie überwunden, wie sie mit anderen zusammengearbeitet hat und wie sie an den Punkt gelangt ist, an dem sie heute steht, auf dem Weg zu ihrem nächsten Ziel. Alle hören gebannt zu. Sie sind aufmerksam, lassen sich von der Geschichte mitreißen und stellen eine emotionale Verbindung zu dem Erzählenden her.
Erstere Reaktion kennen wir vermutlich alle aus eigener Erfahrung. Wir spüren, dass man uns nicht wirklich zuhört. Und hinterher ärgern wir uns über uns selbst und denken: »Dies oder jenes hätte ich sagen sollen.« Oder: »Warum habe ich das nicht erwähnt?«
Aber so muss es nicht sein.
Stell dir vor, du betrittst einen Raum, in dem zum Beispiel eine Konferenz, ein Vorstellungsgespräch oder eine Besprechung über die aktuelle Geschäftsentwicklung stattfindet. Vielleicht bist du auf diesem Gebiet die Top-Expertin. Oder du hältst nach einer Gelegenheit Ausschau, dich zu profilieren, dir einen Namen zu machen. Ungeachtet der Situation, für dich steht viel auf dem Spiel. Du möchtest unbedingt gehört werden, möchtest zeigen, was in dir steckt. Du bist gut vorbereitet und startklar. Und dann fragt irgendjemand – die Frage ist nahezu unvermeidlich – nach deinem Werdegang, nach deinem Hintergrund.
»Erzähl mal, wer du bist.«
Du hast nun die Chance, das Urteil zu beeinflussen, das sich die anderen über dich bilden. Die willst du dir nicht entgehen lassen. Eine banale Geschichte ist nicht nur schlecht erzählt, sondern stellt auch eine verpasste Gelegenheit dar.
In diesem Buch erfährst du, wie du die Chance ergreifst, deine PeakStory zu erzählen – dein ganz persönliches Narrativ, das nicht nur deine Qualitäten und Fähigkeiten zum Ausdruck bringt, sondern auch zeigt, was dich zu dem Menschen gemacht hat, der du heute bist, und wohin du von hier aus willst. Wir begeben uns auf eine Reise, in deren Verlauf du eine Menge über dich selbst, dein wahres Potenzial und deine Motivationen erfährst.
Mit der Aufforderung »Erzähl mal, wer du bist« ist in Wirklichkeit gemeint: »Erklär mir, wie du mein Leben bereichern kannst. Sag mir, warum ich dir zuhören sollte.«
Auch wenn jemand sagt: »Erzähl mir etwas über deine Firma«, bedeutet das im Klartext: »Erzähl mal, wer du bist – und warum ich mir etwas über deine Firma anhören sollte.«
Wir kennen alle die Situation. Mal sind wir selbst angesprochen, mal schauen wir zu, wie es anderen ergeht, wenn sie mit einem Mal im Fokus stehen. Früher oder später gerät jeder in Zugzwang, weil unser Gegenüber etwas über uns erfahren möchte, das nichts mit unserer Arbeit oder einem der von uns vermarkteten Produkte zu tun hat. Es geht plötzlich um uns selbst.
Es gibt nur einen Grund, warum wir ungestraft davonkommen, wenn wir immer wieder zu derselben alten Leier greifen: die Tatsache, dass die anderen es genauso machen.
Ob wir zu einer Konferenz, einem Vorstellungsgespräch, einer Verkaufstagung oder einer Orientierungsveranstaltung unserer künftigen Firma oder Bildungsinstitution erscheinen, die Menschen, denen wir dort begegnen, fragen sich: »Was für einen Beitrag kann diese Person für uns leisten? Was bringt sie in die Konferenz, die Schule oder Firma ein? Warum versucht sie, uns von diesem Produkt oder dieser Dienstleistung zu überzeugen?« Wenn Leute dir Fragen zu deiner Person stellen, kannst du ihnen an den Augen ablesen, dass sie etwas Positives über dich hören möchten – aber du greifst auf den Klassiker zurück: »Ich habe einen Hund und eine Katze namens Felix, die oft aneinandergeraten.« Oder: »Mir gefällt die Uni. Sie hat einen guten Ruf, und meine Tante hat hier auch schon studiert.« Oder: »Ich bin echt froh über meinen Job bei ABC Redlich, LLC Elementar, PQR, Z (oder bei welcher Firma auch immer … den Namen kannst du selbst einsetzen). Ich gehöre seit acht Jahren zur Belegschaft, das Betriebsklima ist super. Was soll ich sagen? Es gefällt mir echt gut hier.«
Wenn du so von dir erzählst, sagst du nicht das Geringste über dich aus, und deshalb erreichst du damit auch nicht das Geringste.
Heute redet alle Welt über Energieeffizienz. Wie viel verbrauchen wir? Wie viel fließt nach? Das Gleiche gilt für die Geschichten, die wir erzählen. Die Zuhörenden ziehen im Anschluss automatisch Bilanz: Entweder wir haben ihnen Energie abgezogen, oder wir haben einen positiven Input in den Raum gegeben. Niemand wird auf dem Heimweg sagen: »Übrigens, ich habe eben John kennengelernt. Keine Ahnung, ob er einen positiven oder negativen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Ich bin da völlig neutral.«
Deine Geschichte ist eine reich sprudelnde Energiequelle. Jedes Mal, wenn du sie erzählst, kannst du andere daraus speisen. Doch wie viel Energie fließt, leitet sich nicht allein aus dem Narrativ selbst ab. Es wird von der Frage bestimmt, welchen Beitrag die Zuhörenden meinen von dir erwarten zu können, ganz gleich, ob es sich um wirtschaftliche oder soziale Vorteile oder mehr persönliche Nähe zu dir als Freund handelt. Eine hohe Werterwartung bewirkt, dass man eher bereit ist, dir zuzuhören. Und genau das ist es, was wir uns alle wünschen und erhoffen: dass man uns zuhört, ganz gleich, ob im Rahmen eines Vorstellungsgesprächs, einer Verkaufstagung, einer Konferenz oder eines Seminars.
Wir möchten Gehör finden.
Was Menschen zum Zuhören veranlasst, ist die Gewissheit, dass das, was du gerade tust, absolut folgerichtig ist; die Gewissheit, dass du dich hundertprozentig mit deiner Geschichte identifizierst. Dass du genau da stehst, wo sie dich hingeführt hat.
Die Geschichte, die du erzählst, verankert dich nicht nur in deiner Vergangenheit, sondern ist zugleich Kompass für die Zukunft. Sie hat dich in deine aktuelle Realität geführt und weist dir den Weg nach »Irgendwo« zu deinem anvisierten Ziel. In der Psychologie spricht man hier von einer einstweiligen Identitätskonstruktion. Ich nenne es Storypathing – das Verfolgen des Wegs, der dich durch deine Geschichte führt.
Storypathing führt den Zuhörenden vor Augen: »Hier war ich. Hier bin ich. Hier möchte ich hin.«
Damit hast du das Terrain fürs Erste abgesteckt.
Und dann fährst du in diesem Sinne fort: »Das alles macht doch Sinn, nicht wahr? Ihr fühlt euch von mir bereichert. Wollt ihr mich nicht unterstützen? Dass ich all diese Qualitäten und Fähigkeiten habe, davon hat euch meine Geschichte überzeugt. Vielen Dank. Denn es ist meine Geschichte, ich habe lange über sie nachgedacht und sie ausagiert.«
Mit dem Storypathing zeigst du, dass es einen logischen Zusammenhang gibt zwischen dem, woher du kommst, und dem, wohin du gehst. Damit wird klar, dass du, wo immer du gerade stehst, dich noch stärker engagieren und einen noch größeren Beitrag leisten kannst, weil deine Geschichte dem entspricht, wer du wirklich bist.
Wenn ich begreife, dass das, was du gerade zu tun versuchst, sich folgerichtig aus deinem bisherigen Weg ergibt, werde ich dir eine Chance geben. Ich werde dir den Raum oder die Unterstützung gewähren, die du brauchst, um dein Potenzial voll auszuschöpfen. Ich werde dir neue Leute vorstellen. Die meisten von uns sind durchaus bereit, in Besprechungen den einen oder anderen zusätzlichen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen oder auf andere Weise dazu beizutragen, dich auf deinem Weg voranzubringen, wenn er dir voll und ganz entspricht.
Wir sind von Haus aus geneigt, Leute zu unterstützen, die gut sind in dem, was sie tun. Wir kaufen Eintrittskarten, um ein besonderes Konzert zu hören; wir gehen ins Theater, um uns ein gutes Bühnenstück anzuschauen. Wenn du gut darin bist, deine eigene Geschichte zu erzählen, kaufen andere sie dir ab. Sie sehen nicht nur, dass du etwas von deinem Handwerk verstehst; du kannst belegen, wie gut du bist, weil der Nachweis in deiner Geschichte steckt.
Du redest nicht einfach daher. Du redest aus eigener Erfahrung, weil du den Weg selbst gegangen bist.
Wenn du jetzt auf dein eigenes Leben schaust, machst du dir vielleicht Sorgen, dass es dir an geeigneten Erfahrungen für ein solches Storypathing fehlt. Falsch! Ob du seit zwölf oder zweiundneunzig Jahren auf unserem Planeten lebst, du kannst deine Geschichte so erzählen, dass sie deinen Wert zum Vorschein bringt.
Jeder kann das. Geschichten zu erzählen ist uns nicht fremd. In jungen Jahren taten wir es laufend. Mag sein, dass wir inzwischen ein wenig aus der Übung geraten sind, aus welchen Gründen auch immer, aber die Fähigkeit schlummert nach wie vor in uns. Es ist wie mit einem Muskel, der lange nicht benutzt wurde. Wir können jederzeit mit dem Aufbautraining beginnen.
Es geht nicht darum, irgendeine Geschichte zu erzählen, also etwa eine Anekdote zum Besten zu geben oder dich an einer Plauderei zu beteiligen. Es geht um mehr, als bei einem Meeting zu erscheinen und zu erklären, dass du wieder mal im Stau gestanden bist und deshalb zu spät kommst. Das sagt nichts über dich, über deine Person, aus.
Storypathing ist ein Akt, bei dem du selbst zum Autor deines Lebens wirst: eine Methode, um gelebte Erfahrungen wahrzunehmen und zu registrieren. Jeder kann durch ein »normales« Leben driften. Wer dies tut, bringt sich nicht in die Welt ein, und die Welt interessiert sich nicht wirklich für ihn. Beim Storypathing gewinnt die Welt an Sinn, weil du mehr Sinn in ihr siehst. (Glaub mir, alles hat einen Sinn!)
Storypathing trägt zu dem bei, was man in der Psychologie ein »phänomenales Leben« nennt, wobei »phänomenal« nicht etwa »fantastisch« bedeutet, sondern »von Phänomenen geprägt« – von Fakten, Ereignissen und äußeren Umständen. Die psychologische Strömung der Phänomenologie versteht unter einem phänomenalen Leben im Wesentlichen eines, das von Achtsamkeit gegenüber den eigenen Gefühlen und Zusammenhängen sowie deren Zustandekommen geprägt ist.
Mit anderen Worten, alles beginnt bei dir.
Storypathing ermöglicht dir, deine Geschichte bestmöglich zusammenzustellen und so zu strukturieren, dass daraus deine PeakStory entsteht.
PeakStorytelling ist eine Methode, spezielle Momente in unserem Leben aufzuspüren und auszuwählen, die wir mit anderen teilen möchten. Es geht darum, Schlüsselereignisse aufzuspüren, das heißt, prägende Augenblicke und Erfahrungen, die in unserem ganzen weiteren Leben einen Widerhall finden. Dies ermöglicht es uns, zwei der größten Hürden zu überwinden, die uns davon abhalten, unsere PeakStory zu erzählen.
Erstens stellen wir in unserem Leben eher selten zielgerichtete Überlegungen an, um den Ereignissen der Vergangenheit auf den Grund zu gehen und sie in einen sinnhaften Zusammenhang zu stellen. Auch wenn viele von uns im Rahmen von Therapien, spirituellen Praktiken oder Aufenthalten in der Natur Augenblicke der inneren Einkehr erleben, erfolgt die damit einhergehende Selbstreflexion nicht systematisch. Einzelne Augenblicke werden voneinander getrennt betrachtet, es wird keine Verbindung zwischen ihnen hergestellt. Das Erlebte kann deine Geschichte nicht im Verlauf der Zeit erzählen.
PeakStorytelling beginnt mit der Selbstbesinnung. Wir können uns nicht zum Ausdruck bringen, wenn wir nicht verstehen, wer wir wirklich sind. Sonst könnten wir gleich ein paar Bilder von uns auf Instagram posten, die so gut wie nichts über uns aussagen. Man kann niemanden anhand eines Fotos einschätzen: Was einen Menschen wirklich ausmacht, ist darauf nicht zu erkennen. Dennoch wählen wir diesen Weg, weil es einfacher ist, ein Bild hochzuladen, als eingehend über prägende Augenblicke in unserem Leben nachzudenken.
Eine systematische, zielgerichtete Selbstreflexion ist der Schlüssel zum PeakStorytelling. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit erst nach innen richten, bevor wir sie nach außen wenden. Die Suche nach dir selbst ist die lohnendste Suche.
Auch haben wir angesichts der allgemeinen Scheu, die eigene Geschichte zu erzählen, oft den Wunsch verloren, die unsere vorzutragen. Alle posten Fotos, und wir folgen dem Trend. Wir haben die Fähigkeit auf Eis gelegt, uns näher zu erklären. Uns in Worten darzustellen widerstrebt uns, weil niemand sonst es tut. Und es fehlt uns das Instrumentarium, um diesen inneren Widerstand auf vernünftige Weise zu durchbrechen. Deshalb müssen wir den Erzählmuskel trainieren, um ihn wieder beweglich zu machen.
Mithilfe des Storypathing, des bewussten Prozesses, deine Identität mit deinem Narrativ zusammenzuspannen, entwickelt sich im Verlauf der Zeit deine persönliche Geschichte. Storypathing bereitet den Boden, um für deine PeakStory die Komponenten deiner Geschichte so auszuwählen, dass andere sie sich anhören mögen, weil sie sich davon positiv angesprochen fühlen.
PeakStorytelling ist eine zielgerichtete, recherchegetriebene Methode, die es dir erlaubt, die Dinge in deinem Leben aufzuspüren, die für deine Geschichte wichtig sind. Die Methode entstand aus meiner Doktorarbeit, die zwei Fachgebiete vereinte: Humanistische Psychologie und Organisationssysteme. Beides zusammenzubringen förderte nicht nur mein Verständnis der Hirnstruktur, sondern zeigte mir auch, wie man die einzelnen Mosaiksteine einer Lebensgeschichte auf sinnvolle Weise zusammenfügt, um sie im entscheidenden Moment abrufen zu können.
Einfach ausgedrückt: Es gibt Situationen, in denen es unbedingt darauf ankommt, anderen zu vermitteln, wer wir wirklich sind und welchen Beitrag wir leisten können – Situationen, in denen wir zu Meistererzählern werden müssen.
Als Menschen ist es uns allen gegeben, gelebte Erfahrungen abzuspeichern und zu sammeln. Diese Erfahrungen stellen das Rohmaterial auch deiner Geschichte dar.
Bei meinen Recherchen habe ich immer wieder erlebt, wie Leute die Chance erhalten, ihre Geschichte zu erzählen, und sie dann vermasseln. Oder sie erst gar nicht ergreifen.
Außer natürlich es handelte sich um Leute in Führungspositionen. Die nämlich finden immer einen Weg, ihre Geschichte zu erzählen. Wer würde so jemandem schon die Plattform verwehren, wo wir doch alle ihre oder seine Unterschrift auf dem Gehaltsscheck brauchen? Ich habe das PeakStorytelling nicht zuletzt deshalb entwickelt, weil ich immer wieder erlebt habe, wie Menschen in Machtpositionen Erzählprivilegien besitzen, während sie denjenigen verwehrt bleiben, die über die eigentliche Expertise verfügen oder die Arbeit wirklich tun.
Das ist für niemanden gut und auch nicht im Sinn von Unternehmen.
Ich habe mir unter anderem zum Ziel gesetzt, forschungsbasierte Daten ebenso wie meine eigenen Beobachtungen in ein praktisch nutzbares System zu bringen. Ein System ist reproduzierbar. Das macht es so wertvoll.
Whitney, eine meiner Coaching-Klientinnen, formulierte es vor Kurzem so: »Wenn du im Leben etwas Schönes siehst, lohnt es sich, es nachzumachen. Doch es muss dir jemand eine Blaupause an die Hand geben, damit dir dieses Nachmachen gelingt.«
Und genau das mache ich. Diese »Blaupause« (aus der schließlich das PeakStorytelling entstand) wurde zu meiner großen Leidenschaft. Ich wurde extrem hellhörig, wenn es um menschliche Geschichten ging, und begann, Muster zu erkennen.
Ich merkte, dass die Zuhörenden immer dann aufhorchten, wenn jemand eine starke Geschichte zu Themen der Selbsterhaltung oder Überwindung von Hindernissen erzählte. Diese Storys nenne ich Heldengeschichten.
Der Wert des Erzählenden erschließt sich in ihnen jedoch nur zum Teil, denn der Fokus liegt darin auf dem heldenmütigen Einzelkampf. Wir wollen aber immer auch spüren, dass jemand in der Lage ist, mit anderen zusammenzuarbeiten.
Deshalb begann ich, nach Storys Ausschau zu halten, die von einer gelungenen Zusammenarbeit erzählen; ich spreche hier von kollaborativen Geschichten.
Noch etwas fiel mir auf: Wenn Menschen ihre Helden- und kollaborativen Geschichten im Zusammenhang erzählten, erklärten sie nicht nur, wie sie an den aktuellen Punkt ihres Lebens gelangt waren; es erschlossen sich ihnen auch Möglichkeiten, eine bessere Version ihres inneren Selbst zu verwirklichen.
Diese Kombination bezeichne ich als Superselbst- oder virtuose Geschichten. Sie handeln von guten Werken, vom guten Leben.
Wenn wir in der Lage sind, Storys aus allen drei Kategorien im Kontext zu erzählen, gelangen die Zuhörenden zu folgenden Schlussfolgerungen:
•Du bist glaubwürdig (heldenhafter Moment)
•Du arbeitest gut mit anderen zusammen (kollaborativer Moment)
•Du befindest dich auf dem Weg hin zur besten Version deines Selbst (selbstaktualisierter Moment)
Außerdem stellst du durch den Vergangenheitsbezug deiner Geschichte eine stärkere emotionale Verbindung her, da du um die vielfältigen Zusammenhänge zwischen deinen Schlüsselerlebnissen weißt, die ja in der realen Welt und auf realen Erfahrungen wurzeln.
Ich sammelte solche Geschichten, und dabei wurde mir allmählich klar, wie man diese Erfahrungen in eine Geschichte mit mehreren Ebenen einbinden und zu einer PeakStory zusammenfassen kann. Dies erlaubte mir, das Storytelling noch nuancenreicher zu gestalten.
Wer eine herausfordernde Geschichte erzählt, in der andere sich wiederfinden, weckt deren Aufmerksamkeit und erzeugt in ihnen den Wunsch, näher ins Gespräch zu kommen. Es verleiht Wert und Authentizität und wirkt befreiend. Ich selbst fühlte mich nach dem Erzählen verwandelt. Und ich erlebte, wie sich auch in den anderen etwas veränderte.
Ich war mit dem Schreiben meiner Doktorarbeit beschäftigt, doch in meinen Rhetorikseminaren spielten diese Geschichten ständig eine Rolle. Irgendwann fing ich darum an, meine Ideen zum PeakStorytelling grafisch umzusetzen und diese Charts in meine Kurse einzubauen. Die befreiende Wirkung war unübersehbar. Studierende, die sich zunächst gegen das Storypathing gesträubt hatten, lernten, auf ihre formativen Erfahrungen zuzugreifen, sie vorzutragen und dadurch eine emotionale Verbindung zu sich selbst und anderen herzustellen. Viele sagten: »Ich dachte, das sollte ein Rhetorikseminar sein, aber es hat mein ganzes Leben verändert.«
Auf diese Weise entstand die Methode des PeakStorytelling.
Sie ist forschungsbasiert und stützt sich auf mehr als ein Jahrzehnt Lehr- und Beratungserfahrung aus Rhetorikseminaren und dem Coaching von Führungskräften zur Vorbereitung auf wichtige Gesprächssituationen. Ich bin Mitbegründer des Sports Mind Institute. Zu meiner Klientel gehören Topmanager der Profiliga im American Football (NFL), aber auch namhafte Unternehmen wie das deutsche Tontechnikunternehmen Sennheiser, Akademiker, die Polizei und Studierende. Ich habe an den verschiedensten Orten der Welt Lehrveranstaltungen durchgeführt. Für den Onlinehändler Zappo stand ich als Keynote-Speaker bei deren Downtown Community Program auf der Bühne. Ich unterrichte online Studierende auf Schiffen der US Navy und auf der anderen Seite des Globus.
Jetzt bist du an der Reihe. Aufgeregt? Das solltest du sein. Du weißt inzwischen ein bisschen mehr über mich, und jetzt werde ich dir helfen, dich selbst sehr viel besser kennenzulernen – und wie du dieses neue Ich anderen auch zeigen kannst.
Bist du bereit? Dann lass uns die gemeinsame Reise beginnen.
ÜBUNG: DEIN STORY-TAGEBUCH
Das PeakStorytelling ist eine Methode, also ein praktisches Werkzeug, um ein Ziel zu erreichen.
Und praktisch hat sehr viel mit Praxis zu tun. Was das heißt? Üben.
Wenn du also denkst, dies sei eine unterhaltsame Lektüre, die du dir im Schaukelstuhl oder auf der Couch zu Gemüte führen kannst, hast du dich getäuscht. Dieses Buch ist anders. Es führt dir Dinge vor Augen, zeigt sie dir, erklärt sie dir. Du wirst Papier und Stift oder deinen Laptop brauchen.
Auf diese Weise nutzt du das ganze Paket. Auch in meinen Präsenz- oder Onlineseminaren werden die Teilnehmenden durch Interaktionen eingebunden. Deshalb findest du am Ende jedes Kapitels eine Übung. Sie regt zum Nachdenken an und hilft dir, das Gelernte in der Praxis zu verankern und auch umzusetzen.
Du bist zu nichts verpflichtet. Wie die Methode funktioniert, kannst du hier lesen. Doch um das Potenzial des Buchs bestmöglich auszuschöpfen, solltest du bereit sein, ein wenig Arbeit zu investieren. Keine Sorge, es wird sich nicht wie Arbeit anfühlen. Es macht Spaß, weil du dich auf die Suche nach dir selbst begibst. Erkenntnisse über dich selbst gewinnen? Nichts einfacher als das!
Die Übungen bringen Theorie – das Denken – und Praxis – das Handeln – zusammen. Mag sein, dass du dich von ihnen bei der Lektüre ausgebremst fühlst. Vielleicht bist du frustriert, weil du sofort loslegen und deine persönliche PeakStory erzählen möchtest.
Mein Rat: Nimm dir Zeit. Ein Schritt nach dem anderen. Vertrau mir, es funktioniert.
Die erste Übung könnte nicht einfacher sein. Es ist nicht einmal eine richtige Übung.
Du brauchst ein Tagebuch, um deine Fortschritte zu dokumentieren und nachzuverfolgen. Egal, was es ist: Du kannst dir beim Schreibwarenhändler eins dieser hübschen Notizbücher kaufen oder deinen Schreibtisch nach einem alten, unbenutzten Schreibblock durchforsten. Ein paar lose Blätter zusammenzuheften tut’s auch. Oder du legst einfach eine neue Datei in deinem Computer oder Tablet an. Du brauchst nur irgendeine Möglichkeit, um dir Notizen zu machen und die Übungen durchzuführen, sodass du später darauf zurückgreifen kannst.
Sobald du alles hast, was du brauchst, können wir mit dem Storypathing beginnen.
»Vom Garten Eden
bis zu den Zweigen des Macintosh
war das Apfelpflücken stets mit hohen Kosten verbunden
iPod iMac iPhone iChat
Ich kann alles damit tun – ohne jeden Blickkontakt.«
MARSHALL DAVIS JONES,AUS SEINEM GEDICHT »TOUCHSCREEN«
Wann hast du dich das letzte Mal von der Geschichte einer anderen Person wirklich angesprochen gefühlt?
Vermutlich ist das schon eine Weile her.
Überraschend ist das nicht. Geschichten zu erzählen liegt nicht mehr im Trend. Wir werden nur selten aufgefordert, von uns zu erzählen, und wenn doch, erwischt es uns eiskalt, und wir geraten ins Stottern: »Hm, ähm, also gut, mal sehen …«, weil wir aus der Übung sind.
Niemand hat Schuld daran. So läuft das nun mal im Leben. Aber gesund ist diese Entwicklung nicht. Wir büßen zunehmend die Fähigkeit ein, sinnvolle Beziehungen zu anderen zu knüpfen. Und das Schlimmste ist, dass wir ständig das gleiche Muster abspulen: Wir bekommen die Chance, etwas über uns selbst zu sagen, und lassen sie uns entgehen. Die Version von uns selbst, die wir den anderen zeigen, ist nicht unsere allerbeste. Dann geschieht, was man im systemischen Denken je nach Ergebnis als positiven oder negativen Schneeballeffekt bezeichnet:
Deine Geschichte nicht gut zu erzählen führt zu einem negativen Schneeballeffekt, weil du damit in eine Endlosschleife gerätst und das Ganze ständig genauso wiederholst. Und je häufiger du dies tust, desto träger wird dein Gehirn, und seine Neuroplastizität erlahmt, sprich die Fähigkeit, seinen Aufbau und seine Funktionsweise so zu verändern, dass es optimal auf neue Anforderungen und Einflüsse reagieren kann. Wie es aussieht, hat es nicht wirklich Lust auf Veränderung. Es zieht Vertrautheit und Bequemlichkeit vor. Wer verlässt schon gern seine Komfortzone in Situationen, in denen uns die Leute nicht kennen und viel auf dem Spiel steht? Wer wollte ausgerechnet dann etwas Neues ausprobieren?
Du erzählst also immer wieder dieselbe Geschichte, weil es bequem ist, auch wenn sie schon beim letzten oder vorletzten Mal niemanden interessiert hat. Doch Fakt ist, dass sich diese Bequemlichkeit weder für dich selbst noch für die, die dir zuhören, auszahlt.
So baust du keine zwischenmenschlichen Beziehungen auf.
Sherry Turkle, die als Professorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) unter anderem erforscht, welche psychologische Beziehung Menschen zu technischen Geräten unterhalten, ist zu dem Schluss gekommen: »Wir erwarten mehr von der Technologie und weniger voneinander.«
Ich finde, dass unsere Welt durch ein Übermaß an technologischer Vernetzung und einen Mangel an zwischenmenschlicher Verbundenheit gekennzeichnet ist.
Die Technologie erlaubt uns, mit jedem Menschen gleich wo auf der Erde in Kontakt zu sein. Mir persönlich ermöglicht sie zum Beispiel, meine Lehrveranstaltungen global abzuhalten. Natürlich begrüße ich dies, denke aber auch, dass wir alle irgendwann verzweifelt feststellen, wie sehr es unsere Fähigkeit beeinträchtigt, Dinge tiefgründig zu durchdenken oder echte emotionale Verbindungen einzugehen.
Unsere elektronischen Geräte verbinden uns mit jedem Ort, an dem wir mental sein möchten, ungeachtet unseres physischen Standorts. Das verleitet uns zu glauben, wir wären miteinander verbunden, doch das ist nicht der Fall. Die Technologie ist noch nicht weit genug fortgeschritten, um uns wieder menschlich zu machen, um meinen Freund Marshall Davis Jones zu zitieren. Sie entwickelt einen Sog, der uns von der Reflexion über uns selbst und andere ablenkt und somit auch voneinander entfernt. Unsere Gedanken sind, wenn wir ehrlich sind, nicht so tiefgründig, wie sie einmal waren oder sein könnten.
Wir verlieren die Fähigkeit, Beziehungen einzugehen, ausgerechnet zu einer Zeit, in der es einfacher als je zuvor ist, Kontakte herzustellen.
Die Technologie lenkt uns davon ab, über die Augenblicke in unserem Leben nachzudenken, die uns helfen könnten zu erkennen, wer wir sind – über unsere prägenden Schlüsselerlebnisse und darüber, in welchem Zusammenhang sie stehen. Setzen wir uns nicht mit ihnen auseinander, bleiben wir eine schwache statt einer voll ausgereiften Version unseres Selbst. Dann präsentieren wir uns anderen gegenüber als eine Art »hyperperfektes« Instagram-Foto, das weder den Kontext noch die tiefen Schichten unserer wahren Persönlichkeit erfasst.
Was wir von uns zeigen, ist bloß ein Ausschnitt des Bildes. Es ist, als würden wir uns in eine online angebotene Immobilie verlieben und bei der Besichtigung vor Ort feststellen, dass sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite eine Ölraffinerie oder ein Steinbruch befindet. Vielleicht bist du dir aber auch unsicher, ob dir das Objekt gefällt, schaust es dir trotzdem an und entdeckst, dass es einen wundervollen Ausblick auf einen See oder unmittelbar angrenzenden Park bietet oder dass es sich in fußläufiger Nähe zum Bahnhof befindet. Manchmal deckt ein umfassenderes Bild Probleme auf, ein andermal offenbart sich ein zusätzlicher Wert.
Um Beziehungen zu knüpfen, musst du etwas einzubringen haben, doch die, denen du davon erzählen möchtest, sind viel beschäftigt. Sie sind von ihrem eigenen technologiegetriebenen Leben abgelenkt. Es leidet nämlich nicht nur unsere Selbstreflexion; es bleibt auch weniger Zeit, um unsere Geschichte zu erzählen. Ebenfalls beeinträchtigt ist unsere Empathie und Fähigkeit, uns emotional auf die Menschen einzulassen, deren Geschichten wir hören – ein weiteres Feld, das wir zurückerobern müssen.
Die Technologie und der Mangel an Möglichkeiten zur sinnvollen Reflexion stellen nicht nur Hürden für ein sinnvolles Storytelling dar. Sie schaffen auch Gewohnheiten. Laut Charles Duhigg, Journalist und Wissenschaftsautor, geht den meisten Interaktionsformen ein sozialer Stimulus oder Signalreiz voraus. Dieser löst eine Routinereaktion aus, und die wird belohnt.
Ein sozialer Signalreiz wäre etwa, wenn man das Publikum am Ende einer Rede einlädt: »Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Haben Sie noch Fragen?« Manchmal genügt auch nur ein Blick, oder die Person vor dir ist fertig mit dem Reden und du weißt, dass du jetzt an der Reihe bist. Doch die Chance, gehört zu werden, bietet sich nicht oft, und wenn doch, bewegt sich das, worum es geht, meist im Bereich der Routine.
Die meisten Gelegenheiten, außerhalb des üblichen Rahmens zu sprechen, sind den dominanten Führungspersönlichkeiten vorbehalten – den Leuten, die Anspruch auf das »Redeholz« erheben. Nur selten legen sie es in die Hände derer, die darauf aufmerksam machen möchten, dass sie auch etwas beizutragen haben.
Soziale Signalreize belohnen in der Regel die, die sich an das Erprobte und für gut Befundene halten, die Leute also, die mehr oder weniger sagen, was alle anderen sagen und bereits gesagt wurde. Du hast größere Chancen, zu Wort zu kommen, wenn du dich an das Rollenbuch hältst und es dir und anderen einfach und bequem machst.
Aber ist Bequemlichkeit wirklich das, was du willst? Ist dir nicht eher daran gelegen, anhand deiner persönlichen Qualitäten und Kompetenzen wahrgenommen zu werden? Was ist dir lieber – technologisch vermittelte Kontakte oder emotionale Verbundenheit mit anderen Menschen auf der Basis dessen, was dich wirklich ausmacht?
Es ist schwer, sich von der Bequemlichkeit zu verabschieden, deshalb dürfte es dir anfangs widerstreben, deine Geschichte zu erzählen. Die gute Nachricht ist: Das PeakStorytelling nimmt dir diese Scheu. Die Methode hat schon den unterschiedlichsten Menschen geholfen, diese Hürde zu nehmen, gleich ob vierzehn oder neunzig Jahre alt. Zerbrich dir also deswegen nicht den Kopf.
Entspanne dich, du schaffst das. Es besteht kein Grund zur Sorge.
Wenn der Augenblick kommt und die Leute den Blick von ihren elektronischen Geräten heben, musst du bereit sein wie der Batter beim Baseball, der den Ball zum Schlag erwartet.
»Warum bist du hier? Erzähl mir was von dir.« Du hast einen einzigen Schlag, und wenn du jetzt keinen Treffer landest, bist du raus – und schon richten alle ihren Blick wieder auf andere Dinge, die ihnen wichtiger sind.
Bei welcher Gelegenheit wirst du wohl das nächste Mal nach deiner Geschichte gefragt? Denk nach. Bei einem Gespräch über den Aufbau eines Programms zur Kundenbindung? Am ersten Arbeitstag in einem neuen Job? Beim Klassentreffen? Lädt man dich als Gastrednerin zu einer Tagung oder Zoom-Konferenz ein? Bist du in ein hochkarätiges Netzwerk eingebunden?
Du brauchst eine gute Geschichte, und die lässt sich nicht aus dem Ärmel schütteln. Weil dir nichts einfällt, was du sonst über dich sagen könntest, bringst du das Gleiche wie alle anderen. Du bläst in das gleiche Horn, folgst demselben ausgetretenen Pfad. Und du rufst damit die gleichen Reaktionen hervor. Es sei denn, du bist gut vorbereitet und kannst mit deiner Peak-Story zeigen, was wirklich in dir steckt.
Deine PeakStory lässt die Leute aufhorchen, und sie erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen generativen Dialog in Gang zu setzen – einen Dialog also, bei dem es zu einem schöpferischen Austausch zwischen Sprechendem und Zuhörenden kommt. Er führt auf unbekanntes Terrain und eröffnet neue Wege.
Indem du Einblicke in deine persönliche Geschichte gibst, beginnst du, andere für dich einzunehmen. Und auf einmal fangen sie an, auch ihre eigenen wichtigen Momente zu teilen. Ob anhand ihrer Worte, der Körpersprache oder des Tonfalls, die Zeichen deuten darauf hin, dass sie dich verstehen; dass deine Botschaft ankommt.
Der wahre Kern des Storytellings besteht darin, diese Kommunikationsschleife zwischen Sprechendem und Zuhörenden zu schaffen. Selbst wenn du einen Vortrag vor einem großen Publikum hältst, kann sich ein dialogähnlicher Austausch ergeben. Während du redest, sollte sich das Gefühl einstellen, auf einer persönlicheren Ebene mit den Menschen im Saal verbunden und für sie persönlich relevant zu sein. Du erkennst es an der Art, wie sie auf deine Worte reagieren. Ist es der Fall, verleiht es dir Flügel.
Stell dir vor, du bist am Strand und gräbst mit dem Finger eine Furche in den Sand; jedes Mal, wenn du die alte, eingefahrene Geschichte wiederholst, gräbst du sie tiefer und tiefer. Wenn die nächste Welle ans Ufer schwappt – das heißt, wenn deine Zeit zum Reden gekommen ist –, fließt das Wasser in diese Furche hinein. Es folgt also immer dem gleichen Weg.
Dem falschen Weg.
Es ist Zeit, dir einen neuen Weg zu bahnen; Zeit, die Schlüsselelemente deiner Persönlichkeit nach einem neuen Muster zusammenzufügen, ob die dir zur Verfügung stehende Redezeit nun sechzig oder neunzig Sekunden, dreieinhalb oder acht Minuten oder gar eine halbe Stunde beträgt.
Ich habe oft beobachtet, welche tiefgreifenden Veränderungen eintreten, wenn jemand die eigene Geschichte erzählt. Selbst mich als Entwickler der Methode überrascht es immer wieder.
Nehmen wir Hannah, eine meiner Studentinnen, die als Einwanderin in die USA gekommen ist. Sie war Ringerin und trat auch gegen Männer an, war also bestimmt nicht schüchtern. Zu Beginn des Kurses, als ich das System einführte, hob sie die Hand: »Moment mal. Das muss ich mir erst in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Ich kann einfach nicht selbstbewusst vor andere Leute treten und eine Rede halten. Ich brauche ein Gegenüber, das ich ansprechen kann.«
Sie nahm sich Zeit und ging in sich. Und siehe da, ungefähr neun Wochen später, gegen Ende des Kurses, teilte sie mir beiläufig mit: »Hey, Doc. Ich habe meine Geschichte bei meinem Vorstellungsgespräch mit der Rhode Island Foundation erzählt und das Stipendium erhalten.« »Moment mal«, sagte ich. »Was hast du gemacht?« »Ich habe meine Geschichte erzählt, genauso, wie wir es hier im Kurs geübt haben.«
»Wow! Das muss ich erst mal sacken lassen. Hannah hat ihre Geschichte erzählt und ein Stipendium bekommen?! Wie viel?« »Zwanzigtausend Dollar«, erklärte sie. »Zwanzigtausend Dollar, weil du deine Geschichte erzählt hast?« »Ja, zwanzigtausend Dollar im Jahr, und ich kann mir die Uni aussuchen, an der ich studieren will.« »Warte mal. Sie zahlen das vier Jahre lang? Also sind es insgesamt achtzigtausend Dollar? Herzlichen Glückwunsch!«
»Es fühlt sich richtig gut an, ganz ich selbst zu sein und dafür belohnt zu werden«, sagte sie. »Jetzt würde ich mich gerne mit Ihnen darüber unterhalten, wie ich meine Geschichte am besten erzähle, wenn ich mich um den Praktikumsplatz bewerbe.«
»Willkommen im Klub der PeakStory-Junkies«, lachte ich.