Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band - Anonym - E-Book

Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band E-Book

Anonym

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wir lesen im 2. Band die Geschichten der Zweiunddreißigste bis einhundertsechste Nacht. Die Erzählungen aus Tausendundeine(r) Nacht sind eine Sammlung morgenländischer Texte und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hatte das Werk den Reiz der Exotik, es stammt für sie aus einem mythischen "Orient". Das Strukturprinzip der Rahmengeschichte sowie einige der enthaltenen Tierfabeln weisen auf einen indischen Ursprung hin und stammen vermutlich aus der Zeit um 250. So wird zwar ein indischer Ursprung vermutet, aber dass der Kern der Erzählungen aus Persien stammt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass zwischen dem indischen und persischen Kulturraum zu jener Zeit enge Beziehungen bestanden.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 616

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Anonym

Erzählungen aus 1001 Nacht

Impressum

Texte:             © Copyright by Anonym

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

Zweiunddreißigste bis einhundertsechste Nacht

Die Geschichte des Barbiers

Des Barbiers Erzählung von seinem ersten Bruder

Des Barbiers Erzählung von seinem zweiten Bruder

Des Barbiers Erzählung von seinem dritten Bruder

Des Barbiers Erzählung von seinem vierten Bruder

Des Barbiers Erzählung von seinem fünften Bruder

Des Barbiers Erzählung von seinem sechsten Bruder

Der Schluss der Geschichte des Schneiders

Die Geschichte Nur al-Din Alis und des Mädchens Anis al-Dschalis

Die Geschichte Ghanim bin Ayyubs, des Verstörten, des Sklaven der Liebe

Die Geschichte des ersten Eunuchen namens Bukhait

Die Geschichte des zweiten Eunuchen namens Kafur

Zweiunddreißigste bis einhundertsechste Nacht

Die Geschichte des Barbiers

»Ich lebte in Bagdad zur Zeit Al-Mustansir bi'llahs, des Sohnes Al-Mustasi bi'llahs, des damaligen Kalifen, eines Fürsten, der die Armen und Bedürftigen liebte und die Gesellschaft der Gelehrten und Frommen suchte. Eines Tages aber geschah es, daß er ergrimmte wider zehn Räuber, die auf den Straßen des Kalifen raubten, und er befahl dem Präfekten von Bagdad, sie am Tage des großen Festes vor ihn zu führen. Da zog der Präfekt aus, nahm sie gefangen und schiffte sich ein mit ihnen in einem Boot. Ich erblickte sie, als sie das Boot bestiegen, und sagte zu meiner Seele: ›Diese sind sicher versammelt, um eine Hochzeit zu feiern; ich glaube, sie wollen den Tag in diesem Boot verbringen und essen und trinken, und niemand soll teilhaben an ihrem Gelage als ich.‹ So stand ich auf, ihr Herren, und im Übermaß meiner Höflichkeit und im vollen Ernste meines Verständnisses stieg ich zu ihnen ins Boot und begann, mich mit ihnen zu unterhalten. Sie ruderten quer hinüber zu dem anderen Ufer und landeten dort; doch die Wachen und Hüter des Friedens kamen mit Ketten herbei und legten sie den Räubern um den Hals. Und mit den anderen allen fesselten sie auch mich; nun saget, ist es nicht Beweis genug für meine Höflichkeit und für meine Wortkargheit, daß ich den Mund hielt und nicht einmal mit ihnen sprach? In Ketten führten sie uns fort und schleppten uns am nächsten Morgen vor Al-Mustansir bi'llah, den Beherrscher der Gläubigen, und er befahl, den zehn Räubern den Hals zu brechen. Und als sie alle auf dem Blutleder saßen, trat der Schwertträger vor und zog das Schwert und schlug die Köpfe einen nach dem anderen ab, bis er den zehnten getroffen hatte und nur noch ich zurückblieb. Und der Kalif sah mich an und fragte den Träger des Schwertes: ›Was fehlt dir, daß du nur neun Köpfe abschlägst?‹ ›Allah verhüte‹, versetzte er, ›daß ich nur neun abschlüge, wenn du mir befiehlst, zehn abzuschlagen!‹ Sprach der Kalif: ›Mich dünkt, du hast nur die Hälse von neunen getroffen, und der da vor dir steht, das ist der zehnte.‹ ›Bei deiner Wohltätigkeit!‹ erwiderte der Henker, ›ich habe zehn geköpft.‹ ›So zähle sie!‹ rief der Kalif; und als sie die Köpfe zählten, siehe, da waren es zehn. Und der Kalif sah mich an und sagte: ›Weshalb bewahrst du zu solcher Stunde Schweigen, und wie kommst du in die Gesellschaft dieser Menschen des Blutes? Sag mir den Grund, denn wahrlich, du bist hoch in den Jahren, aber dein Verstand ist schwach.‹ Als ich nun diese Worte aus dem Munde des Kalifen hörte, sprang ich auf und sagte: ›Wisse, o Fürst der Gläubigen, ich bin der schweigsame Schaykh, und so geheißen, um mich von meinen sechs Brüdern zu unterscheiden. Ich bin ein Mann von ungeheurer Gelahrtheit; und der Ernst meines Verständnisses, die Findigkeit meines Witzes und die Kargheit meiner Rede, all das ist ohne Grenzen, und von Beruf bin ich Barbier. Gestern aber ging ich in der Frühe aus und sah diese Leute, als sie zu einem Boote gingen; und da ich glaubte, sie seien auf dem Wege zu einer Hochzeitsfeier, so schloß ich mich ihnen an und mischte mich unter sie. Nach einer Weile aber kamen die Wachen und Hüter des Friedens und legten ihnen Ketten um den Hals, und mit den anderen auch um meinen; im Übermaß meiner Höflichkeit aber hielt ich den Mund und sprach kein Wort; und das war nichts als Großmut von meiner Seite. Sie führten uns in deine Gegenwart, und du gabst Befehl, den zehnen den Kopf abzuschlagen; und doch gab ich mich dir noch nicht zu erkennen, und schweigend blieb ich stehen vor dem Träger des Schwertes, und einzig aus der Fülle meiner Großmut und Höflichkeit, die mich trieb, ihr Schicksal zu teilen. Aber mein ganzes Leben lang habe ich so edel an den Menschen gehandelt, und sie vergelten mir mit der ärgsten und schmählichsten Vergeltung!‹ Als der Kalif nun meine Worte hörte und erfuhr, daß ich ein Mensch von übermäßiger Großmut und von so wenigen Worten wäre, ein Mensch, in dem kein Vorwitz lebte (wie doch dieser Jüngling behauptete, den ich aus Todesgefahr gerettet habe, und der es mir so schmählich vergalt), da lachte er in unbändigem Lachen, bis er auf den Rücken fiel. Und er sprach zu mir: ›O Schweiger, gleichen dir deine sechs Brüder an Weisheit und Wissen und Kargheit der Rede?‹ und ich erwiderte: ›Nimmer waren sie wie ich! Du wirfst Schimpf auf mich, o Beherrscher der Gläubigen, und es steht dir nicht an, mich mit meinen Brüdern auf die gleiche Stufe zu stellen; denn jeder von ihnen hat infolge der Fülle seiner Rede und infolge seines Mangels an Höflichkeit und Ernst irgend ein Brandmal davongetragen. Der eine ist einäugig, ein zweiter gelähmt, ein dritter stockblind, ein vierter der Ohren und der Nase beraubt, einem fünften sind beide Lippen abgeschnitten, und der sechste ist bucklig und ein Krüppel. Und glaube nicht, o Beherrscher der Gläubigen, ich gehe mit Worten verschwenderisch um; aber ich muß dir unbedingt deutlich machen, daß ich ein Mensch von höherem Wert und von weniger Worten bin als irgendeiner von ihnen. An jedem meiner Brüder hängt eine Geschichte, wie er zu seinem Körperfehler kam, und diese Geschichten will ich dir erzählen.‹ So lieh der Kalif sein Ohr

Des Barbiers Erzählung von seinem ersten Bruder

›Wisse denn, o Beherrscher der Gläubigen, mein erster Bruder, Al-Bakbuk, der Schwätzer, ist bucklig. Er erlernte in Bagdad das Schneidergewerbe, und er nähte in einem Laden, den er von einem sehr begüterten Manne gemietet hatte; der Hausherr aber wohnte über dem Laden, und unten im Hause war noch eine Kornmühle. Eines Tages nun, als mein Bruder, der Bucklige, in seinem Laden saß und schneiderte, hob er von etwa den Kopf und sah in einem überdachten Fenster eben dieses Hauses, dem aufgehenden Monde gleich, eine Dame, die die Vorübergehenden betrachtete. Und als mein Bruder sie erblickte, wurde sein Herz von Liebe zu ihr erfaßt, und den ganzen Tag lang starrte er sie an und vergaß darüber zu schneidern, bis es Abend war. Am nächsten Morgen aber öffnete er seinen Laden und setzte sich hin, um zu nähen; doch so oft er einen Stich stach, blickte er hinauf zum Fenster und sah sie wie am Tage zuvor; und seine Leidenschaft und seine Vernarrtheit wuchsen immer mehr. Und als er am dritten Tage wieder an seiner gewohnten Stelle saß und sie anstarrte, erblickte sie ihn, und da sie merkte, daß ihn die Liebe zu ihr erfaßt hatte, lächelte sie ihm zu, und er lächelte zurück. Da verschwand sie und schickte gleich darauf ihre Sklavin mit einem Stück rotgeblümter Seide zu ihm. Und die Sklavin sprach ihn an und sagte: ›Meine Herrin grüßt dich und wünscht, daß du ihr in deiner Geschicklichkeit und deinem guten Willen aus dieser Seide ein Hemd zuschneidest und es mit deinen besten Fäden reizend nähest.‹ Versetzte er: ›Hören und Gehorchen,‹ schnitt ein Hemd für sie zu und nähte es am selben Tage fertig. Und als der Morgen tagte, kam das Mädchen wieder und sagte: ›Meine Herrin grüßt dich und fragt, wie du die Nacht verbracht hast; denn sie vermochte nicht vom Schlaf zu kosten, weil ihr Herz mit dir beschäftigt war.‹ Und sie legte jetzt ein Stück gelber Seide vor ihn hin und sagte: ›Meine Herrin entbietet dir, ihr zwei Paar Hosen aus dieser Seide zu zuschneiden und sie noch heute zu nähen.‹ ›Hören und Gehorchen‹, erwiderte er; ›grüße sie für mich mit vielen Grüßen und sage ihr: Dein Sklave tut nach deinem Befehl, und so befiehl ihm, was du willst.‹ Und er setzte sich hin und schnitt zu und nähte nach Kräften, und nach einer Stunde erschien die Dame am Fenster und grüßte ihn durch Zeichen, senkte die Blicke und lächelte ihn an; so begann er die Gewißheit zu spüren, daß er bald eine Eroberung machen würde. Und sie ließ ihn nicht vom Fleck, bis er die beiden Hosen beendet hatte. Dann verschwand sie und schickte die Sklavin, der er sie übergab; sie aber nahm sie und ging ihrer Wege. Und als es Nacht war, da warf er sich auf sein Teppichbett und wälzte sich bis zum Morgen hin und her; dann stand er auf und setzte sich in seinen Laden. Und alsbald kam das Mädchen zu ihm und sagte: ›Mein Herr verlangt nach dir.‹ Als er das hörte, da fürchtete er sich in höchster Furcht; die Sklavin aber sagte, als sie seine Angst bemerkte: ›Deiner harrt nichts Arges; nichts als Gutes wartet auf dich. Meine Herrin wünscht, daß du mit meinem Herrn Bekanntschaft schließest.‹ Des freute sich der Schneider, mein Bruder, in höchster Freude und folgte ihr; und als er vor seinen Hausherrn trat, den Gatten der Dame, da küßte er vor ihm den Boden, und der Herr des Hauses gab seinen Gruß zurück und reichte ihm ein großes Stück Leinen und sagte: ›Mache mir Hemden aus diesem Stoff und nähe sie gut‹; und mein Bruder versetzte: ›Hören ist Gehorchen.‹ Und er machte sich sofort ans Werk und schnitt und nähte, bis er um die Zeit des Nachtmahls zwanzig Hemden beendet hatte, denn er nahm sich keine Frist zum Essen. Und der Hausherr fragte ihn: ›Was ist der Lohn dafür?‹ und er versetzte: ›Zwanzig Dirhems.‹ So rief der Herr der Sklavin zu: ›Bringe mir zwanzig Dirhems her‹; jedoch mein Bruder sagte: ›Bei Allah, ich will nichts aus deiner Hand annehmen.‹ Und er trug sein Schneidergerät in seinen Laden zurück, obgleich er keinen roten Heller mehr besaß. Doch er machte sich wieder für sie an die Arbeit; und in seinem Eifer und Fleiß aß er drei Tage lang nichts als ein Stück Brot, und trank nichts als ein wenig Wasser. Und als die drei Tage verstrichen waren, kam die Sklavin und sagte zu ihm: ›Was hast du vollbracht?‹ Sprach er: ›Sie sind fertig,‹ und trug die Hemden zu dem Gatten der Dame, der ihn bezahlen wollte; er aber sagte aus Furcht vor ihr: ›Ich will nichts nehmen,‹ kehrte in seinen Laden zurück und verbrachte infolge seines Hungers die Nacht ohne Schlaf.

Nun hatte die Dame ihrem Gatten gesagt, wie es mit ihm stände (mein Bruder aber wußte davon nichts); und die beiden hatten sich verabredet, ihn umsonst für sich arbeiten zu lassen, um ihn zum besten zu haben und auszulachen. Am nächsten Morgen ging er in seinen Laden, und als er dasaß, kam die Sklavin und sagte zu ihm: ›Sprich mit meinem Herrn.‹ Und er begleitete sie zu dem Gatten der Dame, der ihm sagte: ›Ich möchte, daß du mir fünf Gewänder mit langen Ärmeln schneidest.‹ Und er schnitt sie zu und nahm den Stoff und ging davon. Dann nähte er sie und brachte sie dem Herrn, und der lobte seine Arbeit und bot ihm einen Beutel Silbers. Doch als er die Hand ausstreckte, um ihn zu nehmen, blinzelte die Dame ihm zu (sie stand aber hinter ihrem Gatten), und er erwiderte: ›O mein Herr, es hat keine Eile, dafür ist immer noch Zeit.‹ Und er verließ das Haus demütiger und ärmer als ein Esel, denn wahrlich, fünf Dinge waren in ihm vereinigt: Liebe, Armut, Hunger, Nacktheit und schwere Arbeit. Und immer noch tröstete er sich mit der Hoffnung, die Gunst der Dame zu gewinnen. Doch als er all ihre Arbeit vollendet hatte, da spielten sie ihm einen neuen Streich und vermählten ihn ihrer Sklavin; und als er nachts bei ihr zu schlafen gedachte, sagten sie zu ihm: ›Lege dich heute in der Mühle nieder, und morgen wird alles gut gehn.‹ Und da mein Bruder meinte, sie hätten einen guten Grund dafür, so übernachtete er allein in der Mühle. Nun hatte der Gatte den Müller angewiesen, die Mühle vom Schneider drehen zu lassen; und als die Nacht halb verstrichen war, kam der Müller herein und sagte: ›Dieser unser Ochs ist unbrauchbar geworden, und er steht still, statt im Kreis zu gehen; er will die Mühle heute nacht nicht drehen, und doch haben wir viel Vorrat an Korn, das gemahlen werden muß. Aber ich werde ihn mit Gewalt einspannen, und er soll es mir noch vor morgen mahlen, da die Leute ungeduldig ihres Mehles warten.‹ Und er füllte die Trichter mit Korn, trat mit einem Strick zu meinem Bruder, band ihn ihm um den Hals und rief: ›Jüh hopp! Herum mit der Mühle! Du Ochs, du meinst wohl, du brauchst nichts zu tun als zu fressen und zu seichen und zu kacken!‹ Und er nahm eine Peitsche und schwang sie auf Schultern und Waden meines Bruders, und der begann zu heulen und zu schreien; aber niemand kam ihm zu Hilfe, und er mußte bis kurz vor Tagesanbruch den Weizen mahlen. Da kam der Hausherr und sah meinen Bruder ins Joch gespannt, derweilen der Müller ihn peitschte, und ging wieder fort. Und als der Tag da war, ging der Müller nach Hause und ließ ihn halbtot im Joch. Bald darauf kam die Sklavin und band ihn los und sagte: ›Ich und meine Herrin trauern sehr um das, was geschehen ist, und wir haben den Kummer mit dir getragen.‹ Doch er hatte nach all den Schlägen und der Arbeit in der Mühle keine Zunge mehr, um ihr zu antworten. Und er zog sich zurück in seine Wohnung, und siehe, der Schreiber, der seinen Ehevertrag geschrieben hatte, trat ein, begrüßte ihn und sagte: ›Allah gewähre dir ein langes Leben! Möge deine Hochzeit gesegnet sein! Dieses dein Antlitz spricht mir von heiterem Tun und Scherzen, und von Umarmungen und Küssen die ganze Nacht hindurch.‹ ›Allah gewähre dem Lügner keinen Frieden, o du tausendfacher Hahnrei!‹ erwiderte mein Bruder, ›bei Allah, ich habe die ganze Nacht hindurch bis zum Morgen nichts getan als an Stelle des Ochsen die Mühle gedreht!‹ ›Erzähle mir deine Geschichte‹, sagte der Schreiber; und mein Bruder erzählte ihm alles, was ihm widerfahren war, und jener sagte: ›Dein Stern stimmt nicht zu ihrem Stern; doch wenn du willst, so will ich den Vertrag für dich ändern,‹ und er fügte hinzu: ›Nimm dich in acht, daß nicht ein neuer Betrug deiner harrt.‹ Und mein Bruder erwiderte ihm: ›Sieh zu, ob du einen Ausweg findest.‹ Und der Schreiber verließ ihn, und Al-Bakbuk saß in seinem Laden und wartete, daß jemand Arbeit brächte, durch die er seines Tages Brot verdienen könnte. Plötzlich aber kam die Sklavin zu ihm und sagte: ›Sprich mit meiner Herrin.‹ ›Geh von mir, o mein gutes Mädchen,‹ erwiderte er, ›zwischen mir und deiner Herrin soll es keinen Verkehr mehr geben.‹ Und das Mädchen kehrte zu ihrer Herrin zurück und berichtete ihr, was mein Bruder geantwortet hatte; und alsbald steckte die Dame den Kopf zum Fenster hinaus und weinte und sagte: ›Weshalb, o mein Geliebter, soll es keinen Verkehr mehr geben zwischen mir und dir?‹ Er aber gab keine Antwort. Und sie weinte und beschwor ihn und beteuerte, was ihm in der Mühle widerfahren war, sei nicht mit ihrer Billigung geschehen, und sie sei an all dem ohne Schuld. Und als er ihre Schönheit sah und ihre Lieblichkeit und ihre süße Stimme hörte, da wich der Gram, der ihn ergriffen hatte, aus seinem Herzen, er ließ ihre Entschuldigung gelten und freute sich ihres Anblicks. Und er grüßte sie und sprach mit ihr, und saß und schneiderte derweilen; und schließlich kam die Sklavin zu ihm und sagte: ›Meine Herrin grüßt dich und teilt dir mit, daß ihr Gatte heute nacht im Hause eines guten Freundes zu schlafen gedenkt. Wenn er also fort ist, so komme du zu uns und verbringe die Nacht mit meiner Herrin in herrlichstem Genusse bis zum Morgen.‹

Nun aber hatte ihr Gatte sie gefragt: ›Wie sollen wir es anfangen, ihn von dir fortzutreiben?‹ und sie hatte gesagt: ›Laß mich, ich werde ihm noch einen Streich spielen und ihn zum Gelächter für die ganze Stadt machen.‹ Doch mein Bruder wußte nichts von der Arglist der Frauen. Und als es dunkel war, kam die Sklavin und führte ihn ins Haus, und als die Dame ihn erblickte, da rief sie aus: ›Bei Allah, o mein Herr, ich habe mich sehr nach dir gesehnt.‹ ›Bei Allah,‹ erwiderte er, ›küsse mich schnell, bevor du mir anderes gibst.‹ Kaum aber hatte er das gesagt, so trat der Gatte der Dame aus dem nächsten Zimmer herein, ergriff ihn und sagte: ›Bei Allah, ich will dich nicht gehen lassen und dich dem Hauptmann der Stadtwache ausliefern.‹ Und mein Bruder demütigte sich vor ihm; doch er wollte nicht auf ihn hören und führte ihn vor den Präfekten, der ihm hundert Peitschenhiebe erteilen und ihn auf ein Kamel setzen ließ, auf dem er durch die ganze Stadt geführt wurde, während die Wachen ausriefen: ›Solches ist der Lohn für jeden, der den Harim ehrenwerter Männer verletzt!‹ Und obendrein fiel er noch vom Kamel und brach sich das Bein und wurde lahm. Der Präfekt aber verbannte ihn aus der Stadt, und er zog aus und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte; ich aber hörte davon, und da ich um ihn besorgt war, so ging ich ihm nach und führte ihn heimlich zurück in die Stadt und stellte seine Gesundheit wieder her und nahm ihn auf in mein Haus, allwo er noch lebt.‹ Und der Kalif lachte sehr über meine Geschichte und sagte: ›Du hast gut gehandelt, o Samit, o Schweiger, o Wortkarger!‹ und er hieß mich ein Geschenk annehmen und davongehen. Ich aber sagte: ›Ich will nichts von dir nehmen, es sei denn, daß ich dir zuvor erzähle, was all meinen anderen Brüdern widerfahren ist; doch glaube deshalb nicht, ich sei ein Mann der vielen Worte.‹ Und der Kalif lieh sein Ohr

Des Barbiers Erzählung von seinem zweiten Bruder

Wisse, o Beherrscher der Gläubigen, mein zweiter Bruder hieß Al-Haddar, das ist der Plapperer, und er war der Gelähmte. Nun geschah es eines Tages, als er ausging an seine Geschäfte, daß ein altes Weib ihn ansprach und sagte: ›Warte ein wenig, mein Guter, daß ich dir von etwas rede, was du für mich tun sollst, wenn es dir zusagt, und ich will Allah bitten, es dir zu vergelten.‹ Und mein Bruder blieb stehen, und sie fuhr fort: ›Ich will dir zu einem gewissen Etwas auf den Weg verhelfen, so du mit Worten nicht verschwenderisch umgehst.‹ ›Heraus damit,‹ sprach er; und sie: ›Was sagest du zu einer schönen Wohnung und einem schönen Garten mit fließenden Wassern und blühenden Blumen und wachsenden Früchten und altem Wein und einem hübschen jungen Gesicht, dessen Eigentümerin du umarmen magst vom Abend bis zum Morgen? Und wenn du tust, was ich dir sage, so sollst du etwas sehen, was sehr zu deinem Vorteil ist.‹ ›Und ist all das vorhanden in der Welt?‹ fragte mein Bruder; und sie versetzte: ›Ja, und es soll dein sein, so du vernünftig bist und müßige Neugier und viele Worte lässest und tust, was ich dir befehle.‹ ›Ich bin es wahrlich zufrieden, o meine Herrin,‹ erwiderte er; ›wie kommt es, daß du von allen Menschen gerade mich erwählst, und was gefällt dir an mir so gut?‹ Sprach sie: ›Hieß ich dich nicht mit Worten kargen? Halte den Mund und folge mir. Wisse, die junge Dame, zu der ich dich bringen werde, geht gern ihren eigenen Weg, und sie haßt es, daß er durchkreuzt wird, und alle haßt sie, die ihr widersprechen; wenn du ihr also gehorchst, so wirst du von ihr erhalten, was du begehrst.‹ Und mein Bruder sagte: ›Ich will sie in nichts durchkreuzen.‹ Und sie ging weiter, und mein Bruder folgte ihr, hungrig auf das, was sie ihm geschildert hatte, bis sie ein schönes, weites, stattliches und vortrefflich eingerichtetes Haus betraten, das von Eunuchen und Sklaven wimmelte und von oben bis unten die Zeichen des Reichtums trug. Und als sie ihn in das obere Stockwerk führte, sagten die Leute des Hauses zu ihm: ›Was willst du hier?‹ Aber die Alte erwiderte ihnen: ›Haltet den Mund und stört ihn nicht; er ist ein Handwerker, und wir haben Arbeit für ihn.‹ Und sie führte ihn in einen schönen großen Pavillon, in dessen Mitte ein Garten lag, nie sah ein Auge einen schöneren; dort hieß sie ihn sich setzen auf ein hübsches Polster. Und er saß noch nicht lange, so vernahm er ein lautes Geräusch, und herein trat eine Schar von Sklavinnen, die eine Dame umringten, dem Monde gleich in der Nacht seiner Fülle. Und als er sie sah, da stand er auf und verneigte sich vor ihr, und sie hieß ihn willkommen und winkte ihm, sich zu setzen; und als er sich setzte, sprach sie zu ihm: ›Allah bringe dich zu Ehren! Geht es dir gut?‹ ›O meine Herrin,‹ versetzte er, ›es geht mir sehr gut.‹ Da ließ sie Speisen bringen, und man setzte ihr ihre leckeren Gerichte vor; und sie setzte sich nieder, um zu essen, und tat, als liebe sie meinen Bruder sehr, und scherzte mit ihm, ob sie sich auch derweilen des Lachens nicht enthalten konnte; aber so oft er sie ansah, hob sie die Hand auf die Sklavinnen, als lache sie über diese. Und mein Bruder (der Esel!) verstand von all dem nichts; und im Übermaß seiner lächerlichen Leidenschaft bildete er sich ein, die Dame sei in ihn verliebt und werde ihm bald gewähren, was er wünschte. Als sie gegessen hatten, trug man den Wein auf, und herein kamen zehn Mädchen, Monden gleich, und sie trugen gestimmte Lauten in den Händen und begannen mit vollen Stimmen süß und traurig zu singen, und ihn faßte das Entzücken an; so nahm er der Dame den Becher aus der Hand und trank ihn stehend aus. Und auch sie trank einen Becher Weins, und mein Bruder sagte (immer noch stehend): ›Dein Wohl‹, und verneigte sich. Sie reichte ihm einen zweiten Becher, und er trank auch ihn aus; sie aber schlug ihn scharf ins Genick. Da wollte mein Bruder im Zorn zum Hause hinaus; aber die Alte folgte ihm und brachte ihn zurück. Er machte kehrt, und die Dame hieß ihn sich setzen, und er setzte sich ohne ein Wort. Und wieder schlug sie ihn ins Genick; und auch der zweite Schlag genügte ihr noch nicht; all ihre Sklavinnen mußten ihn gleichfalls noch schlagen, derweilen er fortwährend zu der Alten sagte: ›Nie sah ich Schöneres als dies.‹ Sie aber ließ nicht ab zu rufen: ›Genug, genug, ich beschwöre dich, o meine Herrin!‹ Doch das Mädchen schlug ihn, bis er fast ohnmächtig wurde. Und mein Bruder stand auf, um einem Rufe der Natur zu folgen, aber die Alte holte ihn ein und sagte: ›Gedulde dich noch ein wenig, und du gewinnst, was du dir wünschest.‹ ›Wie lange soll ich noch warten?‹ erwiderte mein Bruder, ›dies Schlagen hat mich geschwächt.‹ ›Sowie sie vom Weine heiß ist,‹ versetzte sie, ›wirst du gewinnen, was du wünschest.‹ Und er kehrte auf seinen Platz zurück und setzte sich, und all die Sklavinnen standen auf, und die Dame befahl ihnen, ihn mit Pastillen zu beräuchern und ihm das Gesicht mit Rosenwasser zu besprengen. Zu ihm aber sprach sie: ›Allah bringe dich zu Ehren! Du hast mein Haus betreten und meine Bedingungen eingehalten; denn wer mich durchkreuzt, den schicke ich hinweg, und wer geduldig ist, erhält, was er begehrt.‹ ›O meine Gebieterin,‹ sagte er, ›ich bin dein Sklave und in deiner hohlen Hand!‹ ›So wisse,‹ fuhr sie fort, ›mich hat Allah zu einer leidenschaftlichen Freundin lustiger Scherze gemacht; und wer immer eingeht auf meine Launen, der erhält, was immer er wünscht.‹ Und sie befahl ihren Mädchen, mit lauten Stimmen zu singen, so daß die ganze Gesellschaft entzückt war; und dann sprach sie zu einer von ihnen: ›Nimm deinen Herrn und tu, was nötig ist, und bringe ihn mir alsbald zurück.‹ Und das Mädchen nahm meinen Bruder (doch er wußte nicht, was sie mit ihm beginnen wollte); aber die Alte holte ihn ein und sagte: ›Sei geduldig! Es bleibt nur noch wenig zu tun!‹ Und sein Gesicht wurde hell, und er stand auf vor der Dame, während die Alte immerfort sagte: ›Sei geduldig, jetzt wirst du gleich gewinnen, was du wünschest!‹ bis er sagte: ›Sage mir, was dieses Mädchen mit mir tun soll.‹ ›Nichts als Gutes,‹ erwiderte sie, ›so wahr ich dein Opfer bin! Sie soll dir nur die Augenbrauen färben und den Bart auszupfen.‹ Sprach er: ›Die Farbe auf den Augenbrauen geht beim Waschen wieder ab, aber wenn man mir den Schnurrbart auszupft, das tut weh.‹ ›Nimm dich in acht,‹ rief die Alte, ›daß du sie nicht durchkreuzest! Denn ihr Herz verlangt nach dir.‹ Und so ließ mein Bruder sich geduldig die Brauen färben und den Schnurrbart auszupfen; und das Mädchen kehrte zu ihrer Herrin zurück und sagte ihr Bescheid. Sprach sie: ›Jetzt bleibt nur noch eins zu tun; du mußt ihm den Bart scheren, daß er glatt wird im Gesicht.‹ Und das Mädchen kehrte zu ihm zurück und sagte ihm, was ihre Herrin ihr befohlen hatte; und mein Bruder (der Dummkopf!) erwiderte ihr: ›Wie soll ich dulden, was mich in den Augen der Leute entehrt?‹ Doch die Alte sagte: ›Sie will es so, damit du bist wie ein bartloser Jüngling, und damit kein Haar auf deiner Backe bleibt, das ihr die zarten Wangen kratzt und sticht; denn sie ist leidenschaftlich in dich verliebt. Also sei geduldig, und du erreichst dein Ziel.‹ Und mein Bruder war geduldig und tat, was sie befahl, und als er wieder vor die Dame geführt wurde, siehe, da waren ihm die Brauen rot gefärbt, und der Schnurrbart war ihm ausgezupft, das Kinn rasiert und die Wangen geschminkt. Und erst erschrak sie über ihn; dann machte sie sich lustig und lachte, bis sie auf den Rücken fiel, und sagte: ›O mein Herr, wahrlich, du hast dir durch deine gute Natur mein Herz gewonnen!‹ Und sie beschwor ihn bei ihrem Leben, vor ihr zu tanzen, und er stand auf und sprang herum, und im ganzen Hause gab es kein Kissen, das sie ihm nicht an den Kopf warf; und ebenso taten all ihre Mädchen, die ihn zudem noch mit Orangen und Limonen und Zitronen bewarfen, bis er von den Nackenschlägen und dem Bewerfen mit Kissen und Früchten in Ohnmacht fiel. ›Nun hast du erreicht, was du wünschest,‹ sagte die Alte, als er wieder zu sich kam; ›jetzt harren deiner keine Schläge mehr, und nur noch wenig bleibt zu tun. Sie ist gewohnt, sich von niemandem fangen zu lassen, bis sie ihr Kleid und ihre Hose abgelegt hat und splitternackt ist; dann wird sie dir befehlen, daß auch du die Kleider ablegst und laufest; und sie wird vor dir herlaufen und vor dir fliehen; du aber folge ihr von Ort zu Ort, bis dein Stachel steht; dann wird sie sich dir ergeben‹; und sie fügte hinzu: ›Zieh deine Kleider jetzt gleich aus.‹ Und er stand auf, von Sinnen fast, legte seine Kleidung ab und zeigte sich ganz nackt. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweiunddreißigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »›Ich vernahm, o glücklicher König, daß die Alte zu des Barbiers zweitem Bruder sagte: ›Zieh deine Kleider aus‹; und er stand auf, fast von Sinnen, und zog sich aus und zeigte sich splitternackt. Und auch die Dame zog sich aus und sagte zu meinem Bruder: ›Wenn du etwas willst, so laufe mir nach, bis du mich fängst‹. Und sie lief ihm fort, und er lief ihr nach, und sie stürzte in ein Zimmer nach dem anderen, und stürzte aus einem Zimmer nach dem anderen, und mein Bruder setzte ihr wie ein Verrückter in rasendem Verlangen nach, derweilen ihm die Rute in furchtbarer Größe stand. Und schließlich stürzte sie in einen dunklen Raum, und er ihr nach; aber plötzlich trat er auf eine Stelle, die unter ihm nachgab; und ehe er noch wußte, wo er war, sah er sich mitten auf dem vollen Markt, im Basar der Lederhändler, die die Preise von Häuten und Fellen ausriefen, und kauften und verkauften. Und als sie ihn so sahen, nackt, mit stehender Rute, rasiert, und mit gefärbten Brauen und geschminkten Backen, da schrien sie und klatschten ihn aus, und begannen mit den Häuten auf seinen nackten Leib zu schlagen, bis er ohnmächtig hinfiel. Und sie warfen ihn auf einen Esel und führten ihn vor den Hauptmann der Wache. Sprach der Wali: ›Was ist dies?‹ Sprachen sie: ›Dieser Bursche fiel plötzlich in diesem Zustand aus des Veziers Haus auf uns nieder.‹ Und der Wali ließ ihm hundert Peitschenhiebe verabfolgen und verbannte ihn aus Bagdad. Ich aber ging ihm nach und brachte ihn heimlich in die Stadt zurück und gab ihm ein Taggeld, damit er leben konnte; und doch hätte ich, wäre nicht meine Großmut, seinesgleichen von mir weisen können.‹ Und der Kalif lieh das Ohr

Des Barbiers Erzählung von seinem dritten Bruder

Meines dritten Bruders Name war Al-Fakik, der Plauderer, und er ist der Blinde. Eines Tages trieben ihn Schicksal und Verhängnis vor ein schönes großes Haus, und er klopfte an die Tür, da er den Eigentümer sprechen wollte, um etwas von ihm zu erbetteln. Sprach der Herr des Hauses: ›Wer steht an der Tür?‹ Aber mein Bruder sprach kein Wort, und alsbald hörte er ihn mit lauter Stimme wiederholen: ›Wer ist da?‹ Doch er gab wiederum keine Antwort, und jetzt hörte er den Hausherrn an die Türe kommen; und er öffnete sie und fragte: ›Was willst du?‹ und mein Bruder versetzte: ›Etwas um Allahs, des Allmächtigen, willen.‹ ›Bist du blind?‹ fragte ihn der andere; und mein Bruder erwiderte: ›Ja‹. Sprach der Hausherr: ›Strecke deine Hand aus.‹ Und mein Bruder streckte die Hand aus, denn er glaubte, der andere werde ihm etwas geben; der aber ergriff sie, zog ihn ins Haus und führte ihn hinauf von Treppe zu Treppe, bis sie oben auf die Terrasse kamen; und mein Bruder glaubte derweilen, er werde ihm sicherlich Geld oder Speisung geben. Dort aber fragte er: ›Was begehrst du, o Blinder?‹ und Al-Fakik erwiderte: ›Etwas um des Allmächtigen willen.‹ ›Allah öffne dir eine andere Tür!‹ ›O! Weshalb sagtest du das nicht, als ich unten war?‹ ›O du Bettler, weshalb gabst du nicht Antwort, als ich dich zum erstenmal fragte?‹ ›Und was soll ich jetzt tun?‹ ›Es ist nichts für dich im Hause.‹ ›So führe mich die Treppe hinunter!‹ ›Der Weg liegt vor dir.‹ Und mein Bruder stand auf und tastete sich die Treppe hinunter, bis er der Tür auf zwanzig Stufen nahe war; da aber glitt er aus, und er fiel hinab und schlug sich den Kopf auf.

Und er ging hinaus und wußte nicht, wohin er sich wenden sollte, und er traf auf zwei andere Blinde, Gefährten von ihm, und sie fragten ihn: ›Was hast du heute verdient?‹ Und er erzählte ihnen, was ihm widerfahren war, und fügte hinzu: ›O meine Brüder, ich möchte einiges von unserm Gelde nehmen und mir Vorrat dafür kaufen.‹ Nun aber war der Herr des Hauses ihm gefolgt und hörte, was sie sagten; doch weder mein Bruder noch auch seine Gefährten wußten davon. So ging mein Bruder in seine Wohnung und setzte sich nieder, um seine Gefährten zu erwarten, und der Hausbesitzer folgte ihm unbemerkt. Als nun die anderen Blinden eingetreten waren, sagte mein Bruder zu ihnen: ›Verriegelt die Tür und durchsucht das Haus, ob uns auch kein Fremder gefolgt ist.‹ Als aber der Fremde das hörte, ergriff er einen Strick, der von der Decke herabhing, und klammerte sich daran, während sie im ganzen Hause umhergingen und suchten, aber niemanden fanden. Da kamen sie zurück, setzten sich neben meinen Bruder, zogen ihr Geld hervor und zählten es, und siehe, es waren zwölftausend Dirhems. Und jeder nahm, was er brauchte, und den Rest vergruben sie in einem Winkel des Zimmers. Dann trugen sie Speisen auf und setzten sich nieder, um zu essen. Und plötzlich hörte mein Bruder ein fremdes Kiefernpaar neben sich kauen und sagte zu seinen Freunden: ›Es ist ein Fremder unter uns‹; und er streckte die Hand aus und stieß auf die des Hausbesitzers. Da fielen sie alle über ihn her und schlugen ihn; und als sie müde wurden, riefen sie: ›O ihr Moslems, ein Dieb ist unter uns gekommen, um uns unser Geld zu stehlen!‹ Und eine Menge sammelte sich um sie; und der Eindringling hielt sich dicht an sie und klagte mit ihnen, als sie klagten; und er schloß wie sie die Augen, so daß niemand an seiner Blindheit zweifelte, und rief: ›O Moslems, ich stelle mich unter den Schutz des allmächtigen Allah und des Statthalters, denn ich habe ihm etwas mitzuteilen!‹ Und die Wache kam und legte die Hand an die ganze Gesellschaft, und unter ihnen auch an meinen Bruder, und trieb sie zum Hause des Statthalters, der sie vor sich kommen ließ und fragte: ›Was gibt es bei euch?‹ Sprach der Eindringling: ›Sieh zu und finde es selbst heraus, uns soll kein Wort entrissen werden, es sei denn durch die Folter, und also schlage mich, und nach mir schlage diesen, unseren Führer.‹ Und er zeigte auf meinen Bruder. Sie aber warfen den Fremden hin und versetzten ihm vierhundert Streiche auf den Rücken. Und da die Schläge ihn schmerzten, so öffnete er das eine Auge, und als sie ihn nur kräftiger schlugen, da öffnete er auch das zweite. Und als der Statthalter das sah, da sagte er zu ihm: ›Was sehe ich hier, Verfluchter?‹ und er versetzte: ›Gib mir den Siegelring der Gnade! Wir haben zu viert die Blinden gespielt, und wir betrügen die Leute, damit wir in die Häuser kommen und die Gesichter der Frauen unverschleiert erblicken und sie verführen können. Auf diese Weise haben wir viel Geld verdient, und unser Vorrat beläuft sich auf zwölftausend Dirhems. Sprach ich zu meinen Gefährten: Gebt mir meinen Anteil, dreitausend; aber sie standen auf und schlugen mich und nahmen mir das Geld weg, und ich stellte mich unter deinen Schutz und Allahs; lieber sollst du meinen Anteil haben als sie. Wenn du also sehen willst, ob meine Worte wahr sind, so schlage einen und jeden von den anderen, mehr noch als du mich geschlagen hast, so wird er die Augen auftun.‹ Und der Statthalter gab Befehl, die Folter mit meinem Bruder zu beginnen, und sie banden ihn an den Pfahl, und der Statthalter sagte: ›O Abschaum der Erde, verleugnet ihr die gütigen Gaben Allahs und tut, als wäret ihr blind?‹ ›Allah! Allah!‹ rief mein Bruder, ›bei Allah, unter uns ist niemand, der sehend ist.‹ Und sie schlugen ihn, bis er in Ohnmacht fiel; da rief der Statthalter: ›Laßt ihn, bis er zur Besinnung kommt, und dann schlagt ihn von neuem!‹ Und er ließ jedem der Gefährten mehr als dreihundert Streiche verabfolgen, während der falsche Bettler ihnen unaufhörlich sagte: ›Tut die Augen auf, sonst werdet ihr von neuem geschlagen.‹ Und schließlich sagte der Fremde zu dem Statthalter: ›Schicke einen mit mir, daß ich das Geld herbringe; denn diese Leute wollen die Augen nicht auftun, um nicht vor allem Volk entehrt zu sein.‹ Und der Statthalter schickte aus, um das Geld zu holen, und er gab dem Fremden seinen angeblichen Anteil, dreitausend Dirhems, behielt den Rest für sich und verbannte die drei Blinden aus der Stadt. Ich aber, o Beherrscher der Gläubigen, zog hinaus, holte meinen Bruder ein und fragte ihn nach seinem Erlebnis; und er erzählte mir, was ich dir erzählte; und ich brachte ihn heimlich zurück in die Stadt und gab ihm in aller Heimlichkeit ein Taggeld für Speise und Trank!

Und der Kalif lachte über meine Geschichte und sagte: ›Gebt ihm ein Geschenk und laßt ihn gehen‹; ich aber sprach: ›Bei Allah, ich will nichts nehmen, bis ich dem Beherrscher der Gläubigen berichtet habe, was meinen anderen Brüdern widerfahren ist; denn wahrlich, ich bin ein Mann von wenig Worten und sparsamer Rede.‹ Und der Kalif lieh sein Ohr.

Des Barbiers Erzählung von seinem vierten Bruder

›Was nun meinen vierten Bruder angeht, o Beherrscher der Gläubigen, Al-Kuz al-aswani geheißen, oder die Langhalsgurgel, weil er von Worten überschäumt, eben den, der blind war auf dem einen Auge, so wurde er Schlächter in Bagdad, und er verkaufte Fleisch und gemästete Widder, und große und reiche Leute kauften ihr Fleisch von ihm, so daß er großen Reichtum aufhäufte und Vieh und Häuser erwarb. So lebte er eine lange Zeit, bis eines Tages, als er in seinem Laden saß, ein Greis mit langem Bart zu ihm hereintrat, der ein wenig Silber niederlegte und zu ihm sprach: ›Gib mir Fleisch dafür.‹ Und er gab ihm Fleisch für sein Geld, und der Alte ging seiner Wege. Mein Bruder aber prüfte das Silber des Schaykhs, und als er sah, daß die Dirhems weiß und glänzend waren, legte er sie an besonderer Stelle nieder. Fünf Monate lang kam der Graubart regelmäßig wieder, und mein Bruder legte alles Geld, das er von ihm erhielt, in eine besondere Kasse. Schließlich aber wollte er das Geld herausnehmen, um gekaufte Schafe damit zu bezahlen. Und er öffnete die Kasse und fand nichts darin außer gleich Münzen rundgeschnittene Stückchen Papier; da schlug er sich das Gesicht und schrie laut auf, so daß das Volk sich um ihn sammelte, und er erzählte ihnen seine Geschichte, und alle staunten sehr. Dann stand er auf wie immer, schlachtete einen Widder und hing ihn in seinen Laden; und er schnitt ein wenig von dem Fleisch ab und hing es hinaus, indem er sich sagte: ›O Allah, wenn doch der Unglücksalte käme!‹ Und es war noch keine Stunde verstrichen, so kam der Schaykh, und in der Hand hielt er sein Silber, und mein Bruder stand auf, packte ihn und schrie: ›Kommt mir zu Hilfe, ihr Moslems, und hört, was mir mit diesem Schurken widerfuhr!‹ Und als der Alte das hörte, sagte er ruhig zu ihm: ›Was ist dir lieber, wenn du mich gehen läßt, oder wenn ich dich vor allem Volk entehre?‹ ›Und worin wolltest du mich entehren?‹ ›Darin, daß du statt Hammel- Menschenfleisch verkaufst!‹ ›Du lügst, Verfluchter!‹ ›Nein, der ist der Verfluchte, der in seinem Laden statt eines Tieres einen Menschen hängen hat.‹ ›Wenn es ist, wie du sagst, so sollst du mit meiner Erlaubnis mein Geld nehmen dürfen und mein Leben.‹ Da rief der Alte laut: ›He! Ihr Leute, wenn ihr die Wahrheit meiner Worte erproben wollt, so tretet in dieses Mannes Laden.‹ Und das Volk brach herein, und alle sahen, daß der Widder zu einem Menschen geworden war, der zum Verkauf aushing. So fielen sie denn über meinen Bruder her und schrien: ›O du Ungläubiger, du Schurke!‹ und seine besten Freunde begannen ihn mit Schlägen und Stößen zu verfolgen und sagten: ›Gibst du uns das Fleisch der Söhne Adams zu essen?‹ Und der Alte schlug ihn gar auf das eine Auge, so daß es auslief.

Und sie schleppten die Leiche mit dem durchschnittenen Hals vor den Hauptmann der Stadtwache, und der Alte sagte zu ihm: ›O Emir, dieser Bursche schlachtet Menschen und verkauft ihr Fleisch als Hammelfleisch, deshalb haben wir ihn vor dich geführt; also steh auf, und vollziehe Allahs Gericht (ihm aber sei Ehre und Ruhm!).‹ Und mein Bruder hätte sich verteidigt, doch der Hauptmann wollte ihn nicht anhören und verurteilte ihn zu fünfhundert Stockschlägen und zum Verlust seines ganzen Besitzes. Ja, wäre nicht sein Besitz gewesen, den er auf die Bestechungen verwandte, so hätten sie ihn sicherlich erschlagen. Und der Hauptmann verbannte ihn aus der Stadt, und mein Bruder zog aus aufs Geratewohl, bis er in eine andere große Stadt kam, wo er es für geraten hielt, sich als Schuhflicker niederzulassen; und er tat einen Laden auf und setzte sich hinein und arbeitete, soviel er konnte, um sich sein Leben zu verdienen.

Doch eines Tages, als er ausging an seine Geschäfte, hörte er fernes Pferdegetrappel, und er fragte nach dem Anlaß und erhielt zur Antwort, der König ziehe aus zu Ritt und Jagd; da blieb mein Bruder stehen, um sich den schönen Aufzug anzusehen. Nun aber traf es sich, daß das Auge des Königs dem meines Bruders begegnete; und der König senkte den Kopf und sprach: ›Ich stelle mich unter Allahs Schutz vor dem Übel des heutigen Tages!‹ Er wandte die Zügel und kehrte mit allem Gefolge zurück. Und er gab seinen Wachen Befehl, die meinen Bruder ergriffen und ihn mit so schmerzhaften Schlägen schlugen, daß er fast starb. Mein Bruder aber wußte nicht einmal, welches der Grund für diese Mißhandlung war, und arg zugerichtet kehrte er nach Hause zurück. Bald darauf nun ging er zu einem vom Hause des Königs und erzählte ihm, was ihm widerfahren war; und der andere lachte, bis er auf den Rücken fiel, und sagte: ›O mein Bruder, wisse, der König kann es nicht ertragen, einen Einäugigen anzusehen, und besonders dann nicht, wenn er auf dem rechten Auge blind ist, denn dann läßt er ihn nicht gehen, ohne ihn zu töten.‹ Als mein Bruder das hörte, beschloß er, sogleich aus der Stadt zu entfliehen, und er zog in eine andere, wo ihn niemand kannte, und dort wohnte er eine lange Zeit.

Und als er eines Tages voll sorgender Gedanken ob dessen dasaß, was ihm widerfahren war, da ging er aus, um sich zu trösten; und als er dahinging, hörte er das ferne Stampfen von Pferden und sagte: ›Allahs Gericht ist über mir!‹ und er sah sich nach einem Versteck um, doch fand er keines. Und schließlich sah er eine geschlossene Tür und stemmte sich schwer dagegen; und da sie nachgab, trat er in eine lange Galerie, in der er Zuflucht suchte; kaum aber hatte er das getan, so fielen zwei Männer über ihn her und schrieen: ›Allah sei Dank, der dich in unsere Hände gab, du Feind Gottes! Drei Nächte lang hast du uns Ruhe und Schlaf geraubt, und wahrlich, du hast uns vom Becher des Todes zu trinken gegeben!‹ Fragte mein Bruder: ›O ihr Leute, was ficht euch an?‹ und sie versetzten: ›Du täuschest uns und gehst umher, um Schande über uns zu bringen, und du spinnst Ränke, um dem Herrn des Hauses den Hals abzuschneiden! Genügt es nicht, daß du ihn zum Bettler gemacht hast, du mit deinen Genossen? Aber jetzt gib uns das Messer, mit dem du uns jede Nacht bedrohst.‹ Und sie durchsuchten ihn und fanden in seinem Gürtel das Messer, das er zum Schneiden des Leders benutzte; doch er sagte: ›O ihr Leute, haltet euch die Furcht Allahs vor Augen und mißhandelt mich nicht, denn wisset, meine Geschichte ist höchst seltsam!‹ ›Und welches ist deine Geschichte?‹ fragten sie; und er erzählte ihnen, was ihm widerfahren war, denn er hoffte, sie würden ihn gehen lassen; aber sie achteten seiner Worte nicht, und statt Rücksicht zu nehmen, schlugen sie ihn schwer und rissen ihm die Kleider herab; und als sie auf seinen Flanken die Narben der Ruten fanden, da sagten sie: ›Verfluchter, diese Narben sind die klaren Zeichen deiner Schuld!‹ Und sie führten ihn vor den Statthalter, derweilen er zu sich selber sagte: ›Jetzt werde ich für meine Sünden bestraft, und niemand kann mich befreien außer Allah, dem Allmächtigen!‹ Und der Statthalter sprach meinen Bruder an und fragte ihn: ›O Schurke, was trieb dich mit der Absicht des Mordes in dieses Haus?‹ und mein Bruder erwiderte: ›Ich beschwöre dich bei Allah, o Emir, höre meine Worte an und sprich mir nicht übereilt das Urteil!‹ Aber der Statthalter rief: ›Sollen wir auf die Worte eines Räubers hören, der diese Leute zu Bettlern gemacht hat, und der auf dem Rücken die Narben von Streichen trägt?‹ und er fügte hinzu: ›Man hat dir das gewißlich nur für ein schweres Verbrechen angetan.‹ Und er verurteilte ihn zu hundert Geißelhieben; und nach dieser Folter setzten sie ihn auf ein Kamel und führten ihn in der Stadt herum und riefen aus: ›Dies ist der Lohn, und nur zu geringer Lohn für den, der in der Leute Häuser einbricht!‹ Und sie trieben ihn zur Stadt hinaus, und mein Bruder wanderte aufs Geratewohl dahin, bis ich vernahm, was ihm widerfahren war; und ich zog aus auf die Suche nach ihm und fragte ihn nach seinen Erlebnissen; und er erzählte mir seine Geschichte und all sein Mißgeschick. So führte ich ihn heimlich in die Stadt zurück und setzte ihm für Speise und Trank ein Jahrgeld aus.‹ Und der Kalif lieh sein Ohr:

Des Barbiers Erzählung von seinem fünften Bruder

Mein fünfter Bruder, Al-Naschschar, der Fasler, eben der, dem beide Ohren abgeschnitten wurden, o Beherrscher der Gläubigen, war ein Bettler, der sich nachts zu erbetteln pflegte, wovon er tagsüber lebte. Als nun unser Vater, nachdem er hoch in die Jahre gekommen war, krank wurde und starb, da hinterließ er uns siebenhundert Dirhems, von denen jeder seine hundert erhielt; doch als mein fünfter Bruder seinen Anteil empfing, da war er ratlos und wußte nicht, was er damit beginnen sollte. Und in dieser Ungewißheit dachte er daran, das Geld in allerlei Glaswaren anzulegen und einen ehrlichen Heller darauf zu verdienen. So kaufte er denn für hundert Dirhems Glas, und er stellte es auf eine große Platte und setzte sich am Fuße einer Mauer, gegen die er sich lehnte, auf eine Bank, um es zu verkaufen. Und als er so dasaß, mit der Platte vor sich, versank er in Gedanken und sagte zu sich selber: ›Wisse, o mein gutes Selbst, der Anfang meines Reichtums, mein in diesem Glase angelegtes Kapital beträgt einhundert Dirhems. Ich werde es gewißlich für zweihundert verkaufen, und sofort will ich neues Glas erstehen, und vierhundert damit machen; und ich will nicht ablassen, auf diese Weise zu kaufen und zu verkaufen, bis ich viertausend erworben habe und Herr bin über vieles Geld. Dann will ich Waren kaufen und Juwelen und Rosenöl, und großen Gewinn damit machen; bis ich, so Allah will, mein Kapital auf hunderttausend Dirhems bringe. Dann aber kaufe ich mir ein schönes Haus und weiße Sklaven und Eunuchen und Pferde; und ich will essen und trinken und mich vergnügen; und kein Sänger und keine Sängerin soll in der Stadt noch bleiben: ich will sie alle in meinen Palast entbieten, damit sie vor mir spielen!‹ Und all dieses überdachte er in seinem Geiste, derweilen die Platte mit dem Glase vor ihm auf der Bank stand; und er sah sie sich an und fuhr fort: ›Und wenn (Inschallah!) mein Kapital auf hunderttausend Dinare gestiegen ist, so will ich Hochzeitswerberinnen entsenden, um die Töchter von Königen und Vezieren für mich zu Frauen zu begehren; und die älteste Tochter des Großveziers will ich zur Ehe verlangen; denn ich habe vernommen, daß sie vollendet ist in Schönheit und Lieblichkeit, und reich an seltenen Gaben. Als Brautgeschenk will ich ihr geben tausend Dinare; und wenn ihr Vater bereit ist, gut; doch wenn nicht, so will ich sie ihm mit Gewalt vor der Nase wegnehmen. Und wenn sie sicher in meinem Hause ist, dann will ich zehn kleine Eunuchen kaufen, und für mich ein Gewand der Gewänder, wie es Könige tragen und Sultane; und ich will einen goldenen Sattel haben und Zügel, dicht besetzt mit wertvollen Edelsteinen; und ich will das Pferd besteigen, und, geführt und umringt von meinen Mamelucken, dahinreiten durch die Stadt, derweilen das Volk mich grüßt und segnet; und ich will mich zu dem Vezier begeben, der der Vater des Mädchens ist, und vor mir sollen, und hinter mir, und zu meiner Rechten und Linken, bewaffnete weiße Sklaven ziehen. Und wenn er mich sieht, so erhebt der Vezier sich und läßt mich sitzen auf seinem Sitz, und setzt sich selber weit unter mir, dieweil ich sein Eidam werden soll. Nun aber habe ich bei mir zwei Eunuchen, die tragen Beutel, und jeder enthält eintausend Dinare; und von ihnen gebe ich ihm die tausend, die die Morgengabe sind für seine Tochter, und die anderen tausend mache ich ihm freiwillig zum Geschenk, auf daß er meine Großmut und Freigebigkeit erkenne und die Größe meines Geistes und die Kleinheit der Welt in meinen Augen. Und auf zehn Worte, die er an mich richtet, gebe ich ihm nur zwei zur Antwort. Und ich kehre zurück in mein Haus, und wenn dann jemand im Auftrag der Braut zu mir kommt, so gebe ich ihm ein Geldgeschenk und werfe ihm ein Ehrengewand über die Schulter; doch wenn er mir eine Gabe bringt, so gebe ich sie ihm zurück und weigere mich, sie anzunehmen, damit man erfahre, wie stolz meine Seele ist, und wie sie sich nie herbeiläßt, andere zu beeinträchtigen. So tue ich kund, wes Ranges und Standes ich bin. Und ich rüste zu ihrer Hochzeitsnacht, und glänzend, glorreich schmücke ich mein Haus! Und wenn die Zeit gekommen ist, die Braut herumzuführen, dann lege ich mir mein schönstes Gewand an und setze mich nieder auf einer Matratze aus Goldbrokat, und ich stütze den Ellbogen auf ein Kissen, und wende mich weder nach rechts noch nach links; sondern in der Hoffart meines Geistes und im Ernste meines Verständnisses blicke ich nur geradeaus. Da, vor mir, steht mein Weib in ihrem Gewand und ihrem Schmuck, lieblich wie der volle Mond; und ich, in meiner Erhabenheit und meiner grimmen Herrlichkeit, ich gönne ihr nicht einen Blick, bis alle, die zugegen sind, mir sagen: ›O unser Herr und unser Gebieter, dein Weib steht vor dir, deine Sklavin; gewähre ihr einen Blick, denn es ermüdet sie, so dazustehen.‹ Und sie küssen den Boden vor mir, viele Male; ich aber hebe die Augen auf und werfe einen einzigen Blick auf sie und wende das Antlitz wieder zur Erde. Und sie führen sie fort in das Brautgemach, und ich stehe auf und vertausche das Kleid mit einem weit schöneren Gewand; und wenn sie die Braut zum zweitenmal bringen, so geruhe ich nicht, ihr einen Blick zu gönnen, bis sie mich bitten, viele Male; und dann sehe ich sie an aus den Augenwinkeln und senke den Kopf von neuem. Und so will ich tun, bis die Brautschau und die Entschleierung vorüber ist.‹ – –«