Erzählungen aus 1001 Nacht - 4. Band - Anonym - E-Book

Erzählungen aus 1001 Nacht - 4. Band E-Book

Anonym

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Beschreibung

Wir lesen im 4. Band die Geschichten der Einhundertfünfundneunzigste bis zweihundertneunundsechzigste Nacht. Die Erzählungen aus Tausendundeine(r) Nacht sind eine Sammlung morgenländischer Texte und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hatte das Werk den Reiz der Exotik, es stammt für sie aus einem mythischen "Orient". Das Strukturprinzip der Rahmengeschichte sowie einige der enthaltenen Tierfabeln weisen auf einen indischen Ursprung hin und stammen vermutlich aus der Zeit um 250. So wird zwar ein indischer Ursprung vermutet, aber dass der Kern der Erzählungen aus Persien stammt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass zwischen dem indischen und persischen Kulturraum zu jener Zeit enge Beziehungen bestanden.

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Seitenzahl: 602

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Anonym

Erzählungen aus 1001 Nacht

Impressum

Texte:             © Copyright by Anonym

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

 

Inhalt

Impressum

Einhundertfünfundneunzigste bis zweihundertneunundsechzigste Nacht

Geschichte von Niamah bin al-Rabia und Naomi, seiner Sklavin

Die Geschichte Ala al-Din Abu al-Schamats

Die Geschichte von Ala al-Din oder der Wunderlampe

Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern

Einhundertfünfundneunzigste bis zweihundertneunundsechzigste Nacht

Als nun die Hundertundfünfundneunzigste Nacht da war, fuhr Schahrazad also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als das Schiff mit allen, die an Bord waren, kenterte, da habe ein jeder sich selber zu retten gesucht; Marzawan aber warf die Strömung des Meeres unter den Palast des Königs, darinnen Kamar al-Zaman war. Und nach der Bestimmung des Schicksals geschah es, daß eben dies der Tag war, an dem König Schahriman seine Großen und Würdenträger empfing, und er saß da, seines Sohnes Haupt auf dem Schoße, während ein Eunuch die Fliegen verscheuchte; der Prinz aber hatte zwei Tage lang nicht mehr gesprochen noch gegessen noch getrunken, und er war dünner geworden als eine Spindel. Nun stand der Vezier ehrfurchtsvoll an dem vergitterten Fenster, das die See überblickte, und da er die Augen hob, sah er Marzawan, von den Wogen gepeitscht und am Ende seines Atems; das weckte Mitleid in seinem Herzen, so daß er zum König trat, das Haupt vor ihm neigte und sprach: ›Ich bitte dich um Erlaubnis, o König, hinabzugehn in den Hof des Pavillons und die Meerespforte zu öffnen, damit ich einen Menschen retten kann, der im Begriff steht zu ertrinken, und den ich der Gefahr entreißen und in Sicherheit bringen möchte; vielleicht wird Allah dafür deinen Sohn von seinem Leiden befreien.‹ Versetzte der König: ›O Vezier, es ist genug an dem, was meinem Sohn durch dich und um deinetwillen schon widerfuhr. Vielleicht wird dieser Ertrinkende, wenn du ihn rettest, von unserer Not erfahren und meinen Sohn in diesem Zustand sehen und über mich frohlocken; aber ich schwöre bei Allah, wenn dieser halbertrunkene Elende hierherkommt und von unserer Not erfährt und meinen Sohn ansieht und dann dahinzieht und jedem unser Geheimnis verrät, so lasse ich vor ihm dir den Kopf abschlagen; denn du, o mein Minister, bist die Wurzel all dessen, was uns widerfuhr, von Anfang bis zu Ende. Jetzt tu, was du willst.‹ Da sprang der Vezier auf, öffnete die geheime Pforte und stieg zum Uferdamm hinab; zwanzig Schritte hatte er noch zu gehn, da war er am Wasser, wo Marzawan mit dem Tode rang. Und er streckte die Hand nach ihm aus, ergriff ihn beim Haar und zog ihn bewußtlos, den Bauch voll Wasser und die Augen weit aus dem Kopfe, ans Land. Der Vezier wartete, bis er zu sich kam, zog ihm die nassen Kleider aus und legte ihm ein frisches Gewand an, indem er ihm den Kopf mit dem Turban eines seiner Diener bedeckte; dann sprach er zu ihm: ›Wisse, ich war das Werkzeug deiner Rettung vor dem Ertrinken: lohne mir nicht, indem du meinen Tod herbeiführst und deinen eigenen.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundsechsundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier Marzawan, nachdem er an ihm getan hatte, was er tat, also ansprach: ›Wisse, ich war das Werkzeug deiner Rettung vor dem Ertrinken: lohne mir nicht, indem du meinen Tod herbeiführst und deinen eigenen.‹ Fragte Marzawan: ›Und wieso?‹ Versetzte der Vezier: ›Du wirst noch in dieser Stunde hinaufgehn und unter Emire und Veziere treten, die alle schweigen und deren keiner spricht um Kamar al-Zamans willen, des Sohnes des Sultans.‹ Als nun Marzawan den Namen Kamar al-Zaman vernahm, da wußte er, daß es dieser war, von dem er in mancherlei Städten hatte reden hören und den er suchte; doch er stellte sich unwissend und fragte den Vezier: ›Und wer ist Kamar al-Zaman?‹ Versetzte der Minister: ›Er ist der Sohn des Sultans Schahriman, und er liegt schwerkrank dahingestreckt auf seinem Lager, ewig rastlos, und er ißt und trinkt nicht, noch schläft er bei Tag oder Nacht; ja, er ist dem Tode nahe, und wir haben die Hoffnung aufgegeben, daß er am Leben bleibe, und sind seines Todes gewiß. Nimm dich in acht, daß du ihn nicht zu lange ansiehst, und blicke überhaupt auf keinen andern Ort als den, darauf du die Füße setzest: sonst bist du verloren, und ich dazu.‹ Entgegnete er: ›Allah sei mit dir, o Vezier, ich erflehe von deiner Gunst: mache mich bekannt mit dem Grunde, aus dem dieser Jüngling, den du mir schilderst, in solcher Lage ist?‹ Versetzte der Vezier: ›Ich weiß keinen Grund, außer daß vor drei Jahren sein Vater von ihm verlangte, er sollte sich vermählen. Er aber weigerte sich; darob ergrimmte sein Vater und setzte ihn gefangen. Und als er am Morgen erwachte, da glaubte er, in der Nacht sei er aus dem Schlafe geweckt worden, und da habe er zu seiner Seite eine junge Herrin gesehen von unvergleichlicher Lieblichkeit, deren Reize keine Zunge auszudrücken vermag; und er versicherte uns, er habe ihr den Siegelring vom Finger gezogen und ihn auf den seinen gesteckt, und sie habe ebenso getan; aber wir kennen das Geheimnis dieser ganzen Sache nicht. Also bei Allah, o mein Sohn, wenn du mit mir hinaufgehst in den Palast, so blicke nicht auf den Prinzen, sondern geh deiner Wege; denn des Sultans Herz ist erfüllt von Grimm wider mich.‹ Da sprach Marzawan bei sich selber: ›Bei Allah, dieser ist der, den ich suche!‹ Dann folgte er dem Vezier in den Palast hinauf, wo der Minister sich dem Prinzen zu Füßen setzte; aber Marzawan fand dort nichts Eiligeres zu tun, als zu Kamar al-Zaman zu treten und ihn anzustarren. Der Vezier erstarb vor Schrecken in seiner Haut und blickte fortwährend auf Marzawan, indem er ihm winkte, seiner Wege zu gehen; er jedoch tat, als sähe er es nicht, und ließ nicht ab, Kamar al-Zaman anzustarren, bis er ganz sicher war, daß er den vor sich hatte, den er suchte. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundsiebenundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Marzawan, als er Kamar al-Zaman ansah und erkannte, daß er der war, den er suchte, ausrief: ›Erhoben sei Allah, der seine Gestalt geformt hat wie ihre Gestalt, und die Farbe seiner Haut wie die Farbe ihrer Haut, und seine Wange wie ihre Wange!‹ Da schlug Kamar al-Zaman die Augen auf und lieh seiner Rede ein ernstes Ohr; und als Marzawan sah, daß er sich neigte, um zu lauschen, da sprach er diese Verse:

Ich sah dich voller Sang, Verzückung, Liebesklagen,

Und einzig freut es dich, der Schönheit Reiz zu schildern:

Traf dich ein Pfeil? Hat dich der Liebe Schwert geschlagen?

Nur wer verwundet ist, gleicht so den Schmerzensbildern!

Den Becher fülle du, und sing mir, mein Genoß,

Für Tanum, Al-Rabab, Sulaima Preiseslieder:

Kreis um den Sonnenwein: ein Steinkrug ist ihr Schloß:

Im Osten steht der Schenk: im Westmund steigt sie nieder.

Auf ihre Kleider selbst erfüllt mich blasser Neid,

In denen zierlich sie den zarten Leib versteckt;

Neid auf den Becher selbst: tut sie ihm doch Bescheid,

Wenn mit dem Kussesrand den Kussesort sie deckt.

Glaubt nicht, daß mich ein Schwert mit scharfem Schnitt kann ritzen:

Mir schlug die Wunde nur der Pfeil des Augs, das lacht.

Als ich sie einstmals traf, sah ihre Fingerspitzen

Ich rotgefärbt vom Holz, des Saft so dunkel macht,

Und rief: Du färbtest dir, war ich gleich fern, die Hand,

Und also lohnst du dem, den seine Pein verzehrt!

Sprach sie (entflammend mir im Herzen heißen Brand)

Und sprach wie einer, der der Liebe nicht mehr wehrt:

Bei deinem Leben, dies ist Farbe nicht zum Färben,

Und schilt mich länger nicht, als lög ich Liebe dir:

An unserm Trennungstag, da krank ich war zum Sterben,

Da waren nackt der Arm und nackt die Hände mir,

Und ich vergoß den Strom der blutigroten Tränen,

Und wischte sie mir ab: da ward die Hand blutrot.

Hätt ich vor ihr geweint in meinem Liebessehnen,

Eh mir die Reue kam, mein Herz war frei der Not;

Doch vor mir weinte sie und ich nur, weil sie weinte,

Und sprach: Willst du den Preis, als erster niemals fehle!

Nicht schilt mich, bei dem Geist der Liebe, die uns einte:

Um sie, und nur um sie quält so sich meine Seele.

Die Weisheit hat Lukmans, die Schönheit Jusufs sie;

Davids, des Sängers Sang, und Marjams keuschen Sinn:

Doch mich läßt Jakobs Schmerz, mich Jonas' Seufzer nie,

Mich plagt des Hiob Qual, jagt Adams Fluch dahin:

Und doch erschlagt sie nicht, muß ich im Tod auch wallen:

Doch fragt sie, wie mein Blut, fragt sie, ihr ist verfallen!

Als Marzawan diese Ode sprach, fielen die Worte auf Kamar al-Zamans Herz wie eine Erfrischung nach dem Fieber, und wie die Wiederkehr der Gesundheit; er seufzte und wandte die Zunge im Munde und sprach zu seinem Vater: ›O mein Vater, lasse diesen Jüngling kommen und sich mir zur Seite setzen.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundachtundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman zu seinem Vater sprach: ›O mein Vater, erlaube diesem Jüngling, daß er komme und sich mir zur Seite setze.‹ Als nun der König diese Worte seines Sohnes hörte, da freute er sich in höchster Freude, obgleich zuerst sein Herz wider Marzawan eingenommen gewesen war und er beschlossen hatte, dem Fremdling das Haupt abschlagen zu lassen; doch als er Kamar al-Zaman reden hörte, da verließ ihn sein Zorn, und er stand auf, zog Marzawan an sich, setzte ihn zu seinem Sohne, wandte sich zu ihm und sprach: ›Preis sei Allah für deine Rettung!‹ Versetzte er: ›Allah behüte dich und erhalte dir deinen Sohn!‹ Und er rief Segen herab auf den König. Da fragte der König: ›Aus welchem Lande kommst du?‹ Versetzte er: ›Von den Inseln des Binnenmeeres, dem Königreich des Königs Ghajur, des Herrn der Inseln und der Meere und der sieben Schlösser.‹ Sprach König Schahriman: ›Vielleicht wird deine Ankunft meinem Sohne ein Segen, und Allah verleiht die Heilung seiner Krankheit.‹ Sprach Marzawan: ›Nichts soll geschehen, als was gut ist!‹ Und er wandte sich zu Kamar al-Zaman und sprach ihm ins Ohr, ohne daß der König und sein Hof ihn hörten: ›O mein Herr, sei frohen Mutes und mache dein Herz der Sorge bar und halte dein Auge kühl und klar! Was aber die angeht, um deretwillen du also bist, so frage nicht nach ihrer Not um deinetwillen. Du aber bewahrtest dein Geheimnis, während sie ihr Geheimnis verriet; und da man meinte, sie sei irre geworden, so ist sie jetzt im Kerker und in erbärmlicher Not, und sie trägt um den Hals eine eherne Kette; doch so Allah will, sollt ihr beide durch meine Hand errettet werden.‹ Als nun Kamar al-Zaman diese Worte vernahm, da kehrte ihm das Leben zurück, und er faßte sich ein Herz, und ein Freudenschauer durchlief ihn, so daß er seinem Vater winkte, er möge ihm helfen, sich aufzusetzen; und dem König war, als müsse er fliegen vor Freuden, und eilig stand er auf, um ihn emporzurichten. In seiner Sorge aber um seinen Sohn schwenkte er alsbald das Tuch der Entlassung, und alle Emire und Veziere zogen sich zurück; dann schob er seinem Sohn zwei Kissen hin, auf die er sich lehnen sollte, und befahl, den Palast mit Safran zu parfümieren und die Stadt zu schmücken, indem er zu Marzawan sprach: ›Bei Allah, o mein Sohn, dein Anblick ist ein Glück und ein Segen!‹ Und er bemühte sich um ihn, so sehr er konnte, und rief nach Speise, und als man sie brachte, trat Marzawan zu dem Prinzen und sprach: ›Steh auf und iß mit mir.‹ Und er gehorchte und aß mit ihm, und derweilen rief der König Segen auf Marzawan herab und sprach: ›Wie glückbringend war dein Eingang, o mein Sohn!‹ Und als der Vater seinen Knabenessen sah, da verdoppelte sich seine Freude, und er ging hinaus und erzählte es der Mutter des Prinzen und dem ganzen Hause. Dann verbreitete er die frohe Botschaft von der Genesung des Prinzen durch den ganzen Palast, und der König befahl, die Stadt zu schmücken, und es war ein Tag der hohen Feier. Marzawan verbrachte die Nacht bei Kamar al-Zaman, und auch der König schlief bei ihnen in Freude und Frohlocken ob der Genesung seines Sohnes. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Hundertundneunundneunzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß auch König Schahriman jene Nacht bei ihnen verbrachte, im Übermaß der Freude über seines Sohnes Genesung. Und als der nächste Morgen dämmerte und der König gegangen war und die beiden Jünglinge allein blieben, da erzählte Kamar al-Zaman Marzawan von Anfang bis zu Ende seine Geschichte, und der sprach: ›Wahrlich, ich kenne sie, mit der du zusammentrafest; sie heißt die Prinzessin Budur und ist die Tochter des Königs Ghajur.‹ Und er berichtete ihm von Anfang bis zu Ende alles, was mit der Prinzessin vorgefallen war, und machte ihn bekannt mit dem Übermaß der Liebe, die sie ihm entgegenbrachte, indem er sprach: ›Alles, was dir mit deinem Vater widerfuhr, widerfuhr ihr mit ihrem, und ohne Zweifel bist du ihr Verlobter, wie sie die deine ist; also raffe dich auf und fasse dir ein Herz, denn ich will dich zu ihr bringen und euch beide vereinen und an euch handeln, wie es der Dichter sagt:

Wenn dem Geliebten auch grollt die Geliebte – Und ihm den Groll zeigt, wie sehr er auch weint;

Doch will ich wieder zusammen sie bringen – Wie die Schneiden der Scheere der Zapfen eint.

Und er ließ nicht ab, Kamar al-Zaman zuzureden und ihn zu trösten und zu ermuntern und zu ermahnen, daß er esse und trinke, bis er Speise aß und Wein trank; und so kehrte das Leben in ihn zurück, und er ward errettet aus seiner Not; und Marzawan heiterte ihn auf und unterhielt ihn mit Plaudern und Singen und mit Geschichten, und schließlich war er der Krankheit ledig, stand auf und wollte ins Hammam gehen. Da faßte Marzawan ihn bei der Hand, und beide gingen ins Bad, wo sie sich die Leiber wuschen und sauber machten. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als Kamar al-Zaman, der Sohn des Königs Schahriman, ins Bad ging, da habe sein Vater in der Freude über dieses Ereignis die Gefangenen freigelassen und seinen Großen prachtvolle Kleider verliehen, den Armen reiche Gaben gespendet und die Stadt sieben Tage lang zu schmücken befohlen. Dann aber sprach Marzawan zu Kamar al-Zaman: ›Wisse, o mein Herr, ich kam einzig zu diesem Zwecke von der Herrin Budur, und das Ziel meiner Reise war, sie aus ihrer gegenwärtigen Not zu erretten; jetzt bleibt uns nur noch übrig, auszusinnen, wie wir zu ihr kommen können, da dein Vater den Gedanken einer Trennung von dir nicht zu ertragen vermag. Also rate ich dir, daß du ihn morgen um die Erlaubnis bittest, auszuziehen auf die Jagd. Dann nimm mit dir ein paar Satteltaschen voll Geld, steig auf ein rasches Roß und führe ein zweites am Zügel; ich will desgleichen tun, und du sprich zu deinem Vater: Ich möchte mich unterhalten, indem ich die Wüste durchjage und das offene Land betrachte, und will dort eine Nacht verbringen. Laß uns keinen Diener folgen, denn sobald wir das offene Land erreichen, wollen wir unserer Wege ziehen.‹ Dieses Planes freute Kamar al-Zaman sich in großer Freude und rief: ›Es ist gut.‹ Und er machte den Rücken steif, trat ein zu seinem Vater und sprach, wie man ihm geheißen hatte; und der König willigte ein, daß er auf die Jagd zöge, und sprach: ›O mein Sohn, gesegnet sei der Tag, der dich der Gesundheit zurückgibt! Ich will dir hierin nicht widersprechen; doch verbringe nicht mehr als eine Nacht in der Wüste und kehre am Tage darauf zu mir zurück; denn du weißt, das Leben taugt mir nicht ohne dich, und wahrlich, ich kann es kaum glauben, daß du ganz genesen bist von dem, was du hattest, denn du bist mir wie der, von dem der Dichter spricht:

Hätt ich auch bei mir Tag und Nacht – Sulaimans Teppich und der Chosroes Macht,

Mir wär es weniger als ein Mückenflügel – Wär dieses Aug um deinen Blick gebracht.

Dann rüstete der König seinen Sohn Kamar al-Zaman und Marzawan für den Ausflug aus, indem er vier Rosse für sie schirren ließ, und ein Dromedar für das Geld, und ein Kamel für das Wasser und die Zehrung. Kamar al-Zaman aber verbot all seinen Dienern, ihm zu folgen. Sein Vater nahm Abschied von ihm, drückte ihn an die Brust und sprach: ›Ich bitte dich im Namen Allahs, bleibe nicht länger fern von mir als eine Nacht, in der mir der Schlaf verwehrt sein wird; denn ich bin, wie der Dichter sagt:

Bist du da, bin ich in der Himmel Himmel – Und bist du fern, im schlimmsten Höllenfeuer:

Ich sei dein Pfand! Ist Lieben ein Verbrechen – Ja, dann ist mein Verbrechen ungeheuer.

Brennt Liebeslohe dich, wie mich sie brennt – Verdammt, zu riechen Tag und Nacht Dschehenna- Feuer?

Versetzte Kamar al-Zaman: ›O mein Vater, Inschallah, ich will nur eine Nacht im Freien schlafen!‹ Dann nahm er Abschied von ihm, und er und Marzawan saßen auf, und indem sie die übrigen Rosse und das Dromedar mit dem Gelde und das Kamel mit dem Wasser und der Zehrung führten, wandten sie die Gesichter zum offenen Lande. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertunderste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman und Marzawan aufbrachen und die Gesichter zum offenen Lande wandten; und sie ritten vom Grauen des Tages bis zum Einbruch der Nacht; dann machten sie Halt und aßen und tranken und fütterten ihre Tiere und ruhten eine Weile; schließlich aber saßen sie wieder auf und ließen drei Tage lang nicht ab, dahinzureiten, und am vierten kamen sie zu einem geräumigen Strich, darin sie ein Dickicht fanden. Dort machten sie Halt, und Marzawan nahm das Kamel und eines der Pferde, schlachtete sie und schnitt ihnen das Fleisch nackt von den Knochen. Dann zog er Kamar al-Zaman das Hemd und die Hose aus, die er mit dem Blut des Pferdes tränkte; und er nahm den Mantel des Prinzen, zerriß ihn in Fetzen und besudelte sie mit Blut; all das warf er auf die Gabelung des Weges. Dann aßen sie und tranken, saßen wieder auf und ritten weiter; und als Kamar al-Zaman fragte, weshalb dies geschähe, und sprach: ›Was bedeutet dies, o mein Bruder, und was soll es uns nützen?‹ da erwiderte Marzawan: ›Wisse, wenn wir die zweite Nacht ferngeblieben sind, nach der, für die wir die Erlaubnis hatten, und noch immer nicht zurückkehren, so wird dein Vater aufsitzen und uns folgen auf unserer Spur, bis er hierher kommt; und wenn er dies Blut sieht, das ich vergossen habe, und wenn er dein Hemd und deine Hose findet, zerrissen, und besudelt mit Blut, so wird er glauben, dich habe ein Unheil getroffen durch wilde Tiere oder Banditen; und er wird die Hoffnung aufgeben und in seine Stadt heimkehren, und durch diese List kommen wir zum Ziel unserer Wünsche.‹ Sprach Kamar al-Zaman: ›Bei Allah, dies ist wirklich eine seltene List! Du hast recht daran getan!‹ Dann ritten die beiden tage- und nächtelang dahin, und während der ganzen Zeit tat Kamar al-Zaman nichts, als daß er sich beklagte, wenn er sich allein sah, und er ließ nicht ab zu weinen, bis sie sich dem Ziel ihrer Reise näherten; da aber freute er sich und sprach diese Verse:

Spielst den Tyrannen du mit dem, der deiner stündlich denkt – Willst nach der Liebessehnsucht du Gleichgültigkeit verraten?

Mög ich verwirken jede Huld, wenn ich dich je betrog – Verließ ich dich, verlasse mich als Ernte schlimmer Saaten:

Doch ich war schuldig keiner Schuld, die solchen Lohn verdient – Und fehlt ich je, so sühne jetzt die Reue meine Taten;

Der Wunder eins des Schicksals ist's, daß du vor mir entfliehst – Doch zeigt das Schicksal Wunder uns, mehr als wir je erbaten.

Als er seine Verse beendet hatte, sagte Marzawan zu ihm: ›Sieh! Das sind die Inseln des Königs Ghajur.‹ Da freute Kamar al-Zaman sich in höchster Freude, dankte ihm für alles, was er getan hatte, küßte ihn zwischen den Augen und zog ihn – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundzweite Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman sich in höchster Freude freute, als Marzawan zu ihm sprach: ›Sieh! Das sind die Inseln des Königs Ghajur.‹ Er dankte ihm für alles, was er getan hatte, küßte ihn zwischen beiden Augen und zog ihn an seine Brust. Und als sie die Inseln erreicht hatten und in die Stadt einzogen, da nahmen sie Wohnung in einem Chan, wo sie sich drei Tage ausruhten von der Mühsal ihrer Reise; dann führte Marzawan Kamar al-Zaman in ein Bad, zog ihm Kaufmannskleider an und versah ihn mit einer goldenen geomantischen Tafel, mit allem astrologischen Gerät und einem vergoldeten Astrolabium aus Silber. Dann sagte er zu ihm: ›Steh auf, o mein Herr, nimm deinen Stand unter den Mauern des Königspalastes und rufe laut: Ich bin der gewandte Rechner, der Schreiber; ich bin der, der das Gesuchte weiß und den Suchenden; ich bin der abgründige Mann der Wissenschaft; ich bin der Astrolog mit der unbegrenzten Erfahrung! Wo also ist der, der da sucht? Sowie der König das hört, wird er nach dir schicken und dich zu seiner Tochter führen, der Prinzessin Budur, deiner Geliebten. Doch ehe du zu ihr eintrittst, sprich zu ihm: Gib mir drei Tage Frist, und wenn sie genest, so gib sie mir zum Weibe; und wenn nicht, so verfahre mit mir, wie du mit allen verfahren bist, die mir vorangegangen sind. Das wird er dir sicher bewilligen; und sowie du allein mit ihr bist, entdecke dich ihr; wenn aber sie dich sieht, so wird ihr die Kraft zurückkehren, und der Wahnsinn wird von ihr weichen, und in einer einzigen Nacht wird sie gesunden. Dann gib ihr zu essen und zu trinken, und ihr Vater wird dich ihr in seiner Freude über ihre Genesung vermählen und sein Königreich mit dir teilen, denn er hat sich selber diese Bedingung auferlegt, und also sei Friede mit dir.‹ Als nun Kamar al-Zaman seine Worte hörte, da rief er aus: ›Möge ich nie deiner Wohltat entbehren!‹ Und er nahm die vorbenannten Instrumente und verließ den Chan im Gewand seines Standes. Er schritt dahin, bis er unter den Mauern des Palastes König Ghajurs stand, und dort begann er zu rufen und sprach: ›Ich bin der Schreiber, ich bin der gewandte Rechner, ich bin der, der da kennt das Gesuchte und den Sucher; ich bin der, der das Buch aufschlägt und die Summen summiert; der die Träume entwindet, durch die das Gesuchte sich findet! Wo also ist der Suchende?‹ Als nun das Volk der Stadt das hörte, da strömte es zu ihm herbei, denn es war lange her, seit sie einen Schreiber oder Astrologen gesehen hatten; und sie umstanden ihn, und da sie ihn anstarrten, sahen sie ihn in der Blüte der Jugend, der Anmut und der vollendeten Zierlichkeit, und sie staunten ob seiner Lieblichkeit, seiner schönen Gestalt und seines Ebenmaßes. Und schließlich sprach einer ihn an und sagte: ›Allah sei mit dir, o du schöner Jüngling mit der beredten Zunge! Lade nicht dieses Grauen auf dich, und wirf nicht dein Leben fort in deinem Ehrgeiz, die Prinzessin Budur zum Weibe zu erhalten. Hebe die Augen auf jene hängenden Köpfe; all die, denen sie gehörten, haben in eben diesem Unternehmen das Leben eingebüßt.‹ Aber Kamar al-achtete ihrer nicht, sondern rief mit lauter Stimme und sprach: ›Ich bin der Gelehrte, der Schreiber! Ich bin der Astrolog, der Berechner!‹ Und alles Volk aus der Stadt warnte ihn, er jedoch sah sie nicht an und sprach in seiner Seele: ›Niemand kennt das Verlangen, außer dem, der es erduldet.‹ Und von neuem begann er zu rufen, so laut er konnte, und schrie: ›Ich bin der Schreiber, ich bin der Astrolog!‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertunddritte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman in keiner Weise auf die Worte der Bürger achtete, sondern weiter laut ausrief: ›Ich bin der Berechner! Ich bin der Astrolog!‹ Da zürnten ihm all die Städter und sprachen: ›Du bist nur ein Dummkopf, ein alberner, eigenwilliger Bursche! Habe Mitleid mit deiner eigenen Jugend, deinen zarten Jahren, deiner Schönheit und Lieblichkeit.‹ Er aber rief nur um so lauter: ›Ich bin der Astrolog, ich bin der Berechner! Ist einer da, der sucht?‹ Und als er so schrie und das Volk ihn warnte, siehe, da hörte König Ghajur seine Stimme und den Lärm seiner Untertanen und sprach zu seinem Vezier: ›Geh hinunter und bringe mir den Astrologen da.‹ Und der Vezier stieg hinab und brachte Kamar al-Zaman eiligst mitten aus der Menge zum König hinauf; und als er vor ihn trat, da küßte er den Boden und sprach die Verse:

Acht Glorien treffen sich in dir vereint – So daß das Schicksal dienend ewig dich bewehre:

Dein Wissen, Herrlichkeit, Huld, Edelmut – Ein klares Wort, ein tiefer Sinn, der Sieg, die Ehre!

Und als der König ihn erblickte, da hieß er ihn sich neben ihm setzen und sprach zu ihm: ›Bei Allah, o mein Sohn, wenn du kein Astrolog bist, so wage nicht dein Leben noch füge dich meiner Bedingung; denn mich bindet ein Eid, daß wer immer eintrete zu meiner Tochter und sie nicht heilet, dem muß ich den Kopf abschlagen; doch wer sie heilet, den werde ich ihr vermählen. Also laß dich nicht irreführen durch deine Schönheit und Lieblichkeit; denn bei Allah, und abermals bei Allah, wenn du sie nicht heilest, so werde ich dir sicherlich den Kopf abschlagen.‹ Und Kamar al-Zaman versetzte: ›Dies ist dein Recht; und ich willige ein, denn ich wußte das, bevor ich kam.‹ Da rief König Ghajur die Kasis als Zeugen wider ihn auf, gab ihn dem Eunuchen und sprach: ›Führe diesen zur Herrin Budur.‹ Der Eunuch nahm ihn bei der Hand und führte ihn den Gang entlang; Kamar al-Zaman aber ging an ihm vorbei und drängte vorwärts, während der Eunuch ihm nachlief und sprach: ›Weh dir! Beeile nicht dein eigenes Verderben; nie noch sah ich einen Astrologen, der so begierig war auf den eigenen Tod; aber du weißt nicht, welche Nöte dir bevorstehen.‹ Da wandte Kamar al-Zaman das Gesicht von dem Eunuchen ab – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundvierte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als der Eunuch zu Kamar al-Zaman sprach: ›Geduld und nicht so ungebührliche Eile!‹ da habe der Prinz das Gesicht gewandt und diese Verse gesprochen:

Ein Weiser bin ich, doch vor dir ein Narr – Ich weiß, verstört, nicht, was die Worte sagen:

Nenn ich dich Sonne, schwindest doch den Augen – Du nicht wie sie, die sinkt mit allen Tagen,

Und deine Schönheit ist so wunderbar – Daß Redner irre gehn und Schwätzer ganz versagen.

Dann stellte der Eunuch Kamar al-Zaman hinter den Vorhang an der Tür der Prinzessin, und der Prinz sprach zu ihm: ›Welche Art wird dir mehr gefallen; wenn ich deine Herrin von hier aus behandle und heile, oder wenn ich eintrete und sie innerhalb des Vorhangs heile?‹ Der Eunuch staunte ob seiner Worte und entgegnete: ›Wenn du sie von hier aus heiltest, so wäre es ein größerer Beweis deiner Kunst.‹ Da setzte Kamar al-Zaman sich hinter dem Vorhang nieder, nahm Tintenkapsel und Papier und schrieb, was folgt: ›Dies ist das Schreiben dessen, den die Leidenschaft durchschauert – und dem die Sehnsucht auflauert – und der im wachen Elend dem Tode entgegentrauert – dessen, der da verzweifelt am Leben – dem nur der Tod noch kann etwas geben – des Herz so in Trauer schwimmt – daß kein Tröster noch Helfer mehr Anteil nimmt – dessen, des schlaflosen Augen – keine Hilfe wider die Angst mag taugen – des Tage dahingehn durch Flammen – und den seine Nächte zur Folter der Sehnsucht verdammen – ausgemergelt vor Hagerkeit ist ihm der Leib – und keinen Trost bringt ihm Botschaft von der Geliebten Verbleib.‹ Und dann schrieb er die folgenden Verse:

Ich schreibe mit einem Herzen, gewidmet einzig dem Denken an dich – Und mit Augen, gerötet von Tränen des Bluts, das sie bluten;

Einem Leib, gekleidet durch Liebessehnsucht und Pein – In das Hemd der Hagerkeit, das ungehemmt Wind und Licht durchfluten;

Ich beklage bei dir mich über die Folter der Liebe – Aus ihrer Stätte vertrieb die Geduld sie mit ihren Ruten:

O du! Sei huldvoll, zeige ein wenig Erbarmen – Der Leidenschaft grausame Hände wühlen im Leib mir, daß mir die Eingeweide bluten.

Und unter seine Verse schrieb er diese rhythmischen Sätze: ›Vom Herzen der Schmerz nur dem abzieht, der endlich die Geliebte wiedersieht – Und wen die Geliebte peinigt, den nur Allah von seinen Leiden reinigt! – Haben wir oder ihr Betrug geübt, so sei des Betrügers Lust getrübt! – Es gibt nichts Schöneres als einen Liebenden, der Treue bewahrt, wenn auch die Geliebte ihn mit dem Leiden paart.‹ Und als Unterschrift schrieb er: ›Von dem Verstörten, der ganz in Verzweiflung verloren – und den Liebe und Sehnsucht durchbohren – von dem Liebenden unter der Leidenschaft Bann – dem Gefangenen, der da nicht vermag, dem Wahnsinn zu entweichen – von Kamar al-Zaman – dem Sohn des Schahriman – an die Eine ohnegleichen – an die Perle unter den Himmelshuris – an die Herrin Budur – die Tochter des Königs Ghajur – Wisse, daß mich des Nachts Schlaflosigkeit peinigt – und daß bei Tage die Not mich steinigt – daß mich der Schwund und der Schmerz verzehren – während sich Liebe und Sehnsucht nur mehren – Meiner Seufzer sind viel – und der Tränen kein Ziel – Ich bin von der Liebe gefangen – und bin erschlagen vom Verlangen – und mein Herz erstickt vor der Trennung Bangen – Schuldner bin ich der Sehnsucht und ihrem Schmerzenstroß – und der Krankheit bin ich ein Zechgenoß – Ich bin der Schlaflose, der nimmer sein Auge schließt – der Sklave der Liebe, des Träne sich immer ergießt – denn das Feuer meines Herzens brennt noch immer – und die Flamme meiner Sehnsucht verbirgt sich nimmer.‹ Und schließlich schrieb Kamar al-Zaman diesen vielbewunderten Vers an den Rand:

Gruß aus den Schätzen der Huld, die mein Herr bewahrt – Ihr, die mein Herz und meine Seele hütend bewahrt!

Und auch diese:

Bitte, gewähre von deiner Lippe ein Wort! Vielleicht – Heilt mir und kühlt solch Erbarmen die Augen mein:

Ich verachte, was mich verächtlich macht – In der Not meiner Liebe, der Not meiner Pein:

Allah schirme ein Volk, das so fern gewohnt – Des Geheimnis ich barg im heiligsten Schrein:

Jetzt hat das Schicksal sich freundlich meiner erbarmt – Ich liege im Staub auf der Schwelle dein:

Neben mir auf dem Lager sah ich Budur, deren Sonne – Der Mond meines Glücks lieh neuen Schein.

Und als er der Botschaft seinen Siegelring angeheftet hatte, schrieb er statt der Adresse diese Verse:

Frag meinen Brief, was meine Feder schrieb – Und lies aus diesem Blatt, wie mich mein Elend trieb;

Es schreibt die Hand, und Tränen strömen nieder – Dem Blatt die Seele klagt, der nur die Sehnsucht blieb:

Die Träne trocknet nicht, und täte sie's, ich rief – Wohl meinem Blut: Jetzt du den Strom der Tropfen gib!

Und zum Schluß fügte er noch diesen Vers hinzu:

Ich schicke den Ring dir, den einst ich dir nahm vom Finger – Da wir uns begegnet: gib heute meinen dem Überbringer!

Und Kamar al-Zaman steckte den Ring der Herrin Budur in den Brief, versiegelte ihn und gab ihn dem Eunuchen, der ihn nahm und mit ihm zu seiner Herrin eintrat. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundfünfte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman den Ring in den Brief tat und ihn dem Eunuchen gab, der ihn nahm und damit zu seiner Herrin eintrat; und als die Herrin Budur ihn öffnete, da fand sie darin ihren eigenen Ring. Dann las sie das Blatt, und als sie seinen Inhalt begriff und erkannte, daß es von ihrem Geliebten kam, und daß er selber hinter dem Vorhang stand, da flog ihr Verstand, und ihre Brust schwoll hoch, voller Jubel bis an den Rand; und sie sprach diese Verse:

Lange beklagte ich, daß wir uns trennten – Tränen der Reue strömten herab;

Schwor, wenn das Schicksal je uns vereinte – ›Trennung‹, das Wort, sollte ruhn wie im Grab:

Jetzt hat die Freude mich so überwältigt – Daß sie ins Auge das Salz wieder gab:

Tränen, ihr Augen, sind euch vertraute Gäste – Rinnen vor Freuden und rinnen vor Schmerzen hinab.

Und als die Herrin Budur ihre Verse beendet hatte, stand sie alsbald auf, setzte den Fuß fest wider die Mauer und zerrte an dem eisernen Halsring, bis er ihr am Halse brach und sie die Ketten zerriß. Dann trat sie hervor hinter dem Vorhang, warf sich auf Kamar al-Zaman und küßte ihn auf den Mund, wie eine Taube ihr Junges füttert. Und sie umarmte ihn mit allem Ungestüm ihrer Liebe und Sehnsucht und sprach zu ihm: ›O mein Gebieter, wache ich oder schlafe ich, und hat der Allmächtige uns wirklich nach der Trennung die Vereinigung gewährt? Preis sei Allah, der unseren Bund wieder band, nachdem uns schon die Hoffnung schwand!‹ Als nun der Eunuch sie also sah, da eilte er laufend zum König Ghajur, küßte den Boden vor ihm und sprach: ›O mein Herr, wisse, dieser Astrolog ist wirklich der Schaykh aller Astrologen, und sie sind Narren vor ihm, einer wie alle; denn wahrlich, er hat deine Tochter geheilt und stand doch nur hinter dem Vorhang und trat nicht einmal zu ihr ein.‹ Sprach der König: ›Nimm dich in acht! Ist diese Botschaft wahr?‹ Versetzte der Eunuch: ›O mein Herr, steh auf und komm und sieh selber, wie sie die Kraft fand, die ehernen Ketten zu brechen, und wie sie hinaustrat zu dem Astrologen, um ihn zu küssen und zu umarmen.‹ Da stand der König auf und trat ein zu seiner Tochter,‹ und als sie ihn sah, sprang sie eilig empor und verhüllte den Kopf, indem sie diese Verse sprach:

Ich liebe den Zahnstocher nicht, denn wenn ich sage: Siwak – So vermisse ich dich, denn es klingt mir genau wie Siwâ-ka:

Ich liebe den Kapernbaum, denn sage ich: Arak – So klingt es, als sähe ich dich: Araka.

Da riß den König die Freude über ihre Genesung so mit sich fort, daß ihm war, als müsse er fliegen; und er küßte sie zwischen den Augen, denn er liebte sie mit herzlichster Liebe. Dann wandte er sich an Kamar al-Zaman und fragte ihn, wer er sei, und sprach: ›Aus welchem Lande bist du?‹ Da nannte der Prinz ihm seinen Namen und seinen Stand und sagte ihm, daß er der Sohn des Königs Schahriman sei, und er erzählte ihm seine ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende und machte ihn bekannt mit allem, was zwischen ihm und der Herrin Budur geschehen war: wie er ihr den Siegelring vom Finger genommen und ihn sich auf den eigenen geschoben hatte; so daß Ghajur erstaunte und sprach: ›Wahrlich, eure Geschichte verdient, in Büchern verzeichnet zu werden, so daß man sie noch liest, wenn ihr tot seid und längst nicht mehr lebt auf Erden.‹ Dann berief er alsbald die Kasis und Zeugen und vermählte die Herrin Budur dem Prinzen Kamar al-Zaman; und sieben Tage lang befahl er die Stadt zu schmücken. Da breitete man nun die Tische mit allerlei Speisen, die Trommeln wirbelten, die Ausrufer verkündeten die frohe Botschaft, und alle Krieger legten die besten Kleider an; und man erleuchtete die Stadt und feierte ein hohes Fest. Dann ging Kamar al-Zaman hinein zu der Herrin Budur, und der König freute sich ihrer Genesung und Vermählung; er pries Allah, daß er ihr die Liebe zu einem schönen Jüngling unter den Söhnen der Könige eingegeben hatte. Und man entschleierte sie und stellte die Braut vor dem Bräutigam zur Schau; und beide waren ihr lebendiges Ebenbild in Schönheit, Zierlichkeit, Anmut und Liebesreiz. In selbiger Nacht noch lag Kamar al-Zaman bei ihr und tat sich an ihr Genüge, während sie desgleichen an ihm ihr Verlangen stillte und seine Reize und Anmut genoß; und bis zum Morgen schliefen sie Brust an Brust. Am Tage darauf hielt der König ein Hochzeitsfest ab, zu dem er alle versammelte, die da kamen von den inneren und äußeren Meeren, und er breitete die Tische mit den erlesensten Speisen, und einen vollen Monat lang hörten die Gastmähler nicht auf.

Als nun Kamar al-Zaman so seinen Willen erreicht und seinen tiefsten Wunsch erfüllt hatte, da dachte er, während er noch eine Weile bei der Prinzessin Budur blieb, seines Vaters, des Königs Schahriman, den er im Traume sah, wie er zu ihm sprach: ›O mein Sohn, so handelst du an mir?‹ Und er sprach in der Vision diese Verse:

Dem Mond der Nacht zu folgen blendete er mich – Der Sternenschau durchs Dunkel hin verpfändete er mich:

Gemach mein Herz! Vielleicht zurück noch wendet er mir dich – Geduld, mein Geist! Wenn er mit Unbill schändet auch mir dich!

Und als Kamar al-Zaman im Traum seinen Vater gesehen und seine Vorwürfe vernommen hatte, da erwachte er morgens in Kummer und Sorge, so daß ihn die Herrin Budur ausfragte und er ihr erzählte, was er gesehen hatte. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundsechste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman und die Herrin Budur, als er ihr berichtete, was er im Traume gesehen hatte, zu ihrem Vater gingen, ihm erzählten, was geschehen war und seine Erlaubnis zur Reise erbaten. Er gab den gewünschten Urlaub; doch die Prinzessin sprach: ›O mein Vater, ich kann es nicht ertragen, mich von ihm zu trennen.‹ Sprach Ghajur: ›So geh mit ihm‹, und gab ihr Urlaub, ein volles Jahr in der Ferne zu bleiben und ihn nachher jedes Jahr einmal zu besuchen; da küßte sie ihm die Hand, und Kamar al-Zaman tat desgleichen. Und König Ghajur rüstete für seine Tochter und ihren Gatten zur Reise, versah sie mit Zehrung und allem Nötigen zum Marsch und holte aus seinen Ställen Pferde hervor, die mit seiner Brandmarke gezeichnet waren, Vollblutdromedare, die zehn Tage ohne Wasser laufen können, und eine Sänfte für seine Tochter nebst Lastmaultieren und Kamelen für die Wegeszehrung; ferner gab er ihnen zehn Sklaven und Eunuchen zu ihrer Bedienung und allerlei Reisegerät; am Tage des Aufbruchs aber, als König Ghajur von Kamar al-Zaman Abschied nahm, verlieh er ihm zehn prachtvolle Kleider aus Goldtuch, bestickt mit Edelsteinen, und zehn Reitpferde und zehn Kamelstuten und einen großen Schatz Geldes; und er ermahnte ihn, seine Tochter, die Herrin Budur, zu lieben und zu hegen. Dann begleitete der König sie bis an die fernsten Grenzen seiner Inseln, wo er zu seiner Tochter Budur in die Sänfte trat, sie an die Brust zog und küßte und weinend diese Verse sprach:

O die du nach der Trennung strebst, gemach! – Der Kuß ist der verdiente Liebeslohn:

Gemach! Die Falschheit ist des Schicksals Wesen – Und hinter jedem Kuß steht Trennung schon.

Dann verließ er seine Tochter, trat zu ihrem Gatten, sagte ihm Lebewohl und küßte ihn; und schließlich gab er den Befehl zum Abmarsch und kehrte mit seinen Kriegern in seine Hauptstadt zurück.

Der Prinz und die Prinzessin aber reisten mit ihrem Gefolge weiter, ohne Halt zu machen, den ersten, den zweiten, den dritten und den vierten Tag hindurch; und einen vollen Monat ließen sie nicht ab, dahin zu wandern, bis sie in eine geräumige Ebene kamen, die voller Weiden war; dort schlugen sie die Zelte auf, aßen und tranken und ruhten, und die Prinzessin Budur legte sich zum Schlafe nieder. Nach einer Weile nun trat Kamar al-Zaman zu ihr ein, und er fand sie im Schlafe liegend, gekleidet in ein Hemd aus aprikosenfarbener Seide, das nichts verbarg; und auf ihrem Haupte trug sie einen Kopfschmuck aus Goldtuch, bestickt mit Perlen und Juwelen. Die Brise hob ihr Hemd, so daß es ihren Nabel entblößte und ihre Brüste zeigte und einen Bauch zur Schau stellte, weißer als Schnee, in dessen jedem Grübchen eine Unze Benzoensalbe Platz gefunden hätte. Bei diesem Anblick wuchs seine Liebe und Sehnsucht noch, und er hub an:

Wenn man mich fragte in der Hölle Feuer – Ob Flammenglut mein Herz auch sengend spie:

Was ziehst du vor: die Flammen, die dich sengen – Oder den kühlen Trank? Ich sagte: Sie!

Und er streckte die Hand aus nach der Schnur ihrer Hose und zog daran und löste sie: da aber sah er ein Juwel, rot wie Färbeholz, an der Schnur befestigt. Er band es los, und da er es prüfte, erkannte er zwei Zeilen, die in einer unentzifferbaren Schrift darein gegraben waren; da staunte er und sprach in seiner Seele: ›Wäre dieser Stein ihr nicht sehr teuer, so hätte sie ihn nicht an das Hosenband gebunden und ihn am geheimsten und kostbarsten Ort ihres Leibes verborgen, so daß sie nicht von ihm getrennt werden konnte. Wüßte ich nur, was sie damit tut, und welches Geheimnis an ihm hängt.‹ Mit diesen Worten nahm er ihn und ging vor das Zelt, um ihn im Lichte zu betrachten. – «

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundsiebente Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß er den Stein mitnahm, um ihn im Lichte zu betrachten; und als er ihn in der Hand hielt, siehe, da stieß ein Vogel auf ihn herab, riß ihn aus seiner Hand, flog mit ihm fort und ließ sich zu Boden nieder. Schnell lief Kamar al-Zaman, aus Furcht, das Juwel zu verlieren, dem Vogel nach; der aber flog vor ihm auf, so daß er ihn gerade nicht mehr greifen konnte; und so lockte er ihn vorwärts von Tal zu Tal und von Hügel zu Hügel, bis die Nacht dunkelte und der Himmel von Sternen funkelte; da setzte er sich auf einen hohen Baum. In wirren Gedanken und schwach vor Hunger und Ermattung machte Kamar al-Zaman Halt unter dem Baume und gab sich verloren; er wäre umgekehrt, doch er kannte den Weg nicht, auf dem er gekommen war, weil ihn die Finsternis überfallen hatte. Da rief er aus: ›Es gibt keine Majestät, und es gibt keine Macht, außer bei Allah, dem Glorreichen, Großen!‹ Und er legte sich nieder unter dem Baum, darauf der Vogel saß, und schlief bis zum Morgen. Und als er erwachte, da sah er, wie auch der Vogel erwachte und davonflog. Er sprang auf und ging ihm nach, und er flog langsam vor ihm her, genau, wie er selber ging; da lächelte er und sprach: ›Bei Allah, seltsam! Gestern flog dieser Vogel vor mir her, so schnell ich laufen konnte, und heute, da er weiß, daß ich müde erwacht bin und nicht laufen kann, da fliegt er so schnell, wie ich gehe. Bei Allah, dies ist wunderbar! Doch ich muß diesem Vogel folgen, ob er mich nun zum Tode oder zum Leben führt; ich will gehen, wohin er geht, denn auf jeden Fall wird er nur in einem bewohnten Lande hausen.‹ So folgte er denn weiter dem Vogel, der jede Nacht auf einem Baume schlief; und zehn Tage hindurch ließ er von seiner Verfolgung nicht ab, und er nährte sich von den Früchten der Erde und trank von ihren Wassern. Nach Ablauf dieser Zeit aber kam er zu einer bewohnten Stadt, und dort schoß der Vogel davon gleich dem Blick eines Auges, und indem er in die Stadt hineinflog, entschwand er Kamar al-Zaman, der nicht wußte, was das bedeutete, noch wohin er entschwunden war; er staunte und sprach: ›Preis sei Allah, der mich sicher zu dieser Stadt geleitet hat!‹ Dann setzte er sich an einem Bache nieder, wusch sich Hände, Füße und Gesicht und ruhte eine Weile; und da er des vergangenen Lebens in Lust und Heiterkeit gedachte, als er noch mit der Geliebten vereint war, und da er es verglich mit seinem gegenwärtigen Zustand der Unruhe und Ermattung, der Not in der Fremde, des Hungers und der Trennung, da strömten ihm die Tränen aus den Augen, und er sprach diese Verse:

Gern hätt ich verborgen mein Werk, doch zeigte es sich – Das Wachen wohnt bei mir, der Schlaf verblich:

Du verschmähtest mein Herz, da rief ich laut – Halt inne die Hand, Zeit, stachle nicht mich:

Ich wohne ja ewig in Not und Gefahr!

Wär mir nur der Herr der Liebe gerecht – Er hätte den Schlaf meines Augs nicht geschwächt.

Erbarme dich, Herrin, die Liebe zu dir – Macht den Liebling des Stamms nun gering und schlecht:

Die Liebe kam, und der Bettlertod zu dem, der reich einst war.

Die Spötter höhnen dich: ich fall nicht ein – Ich verstopfe mein Ohr und winke nur: Nein!

Du liebst eine schlanke Magd, sprechen sie; aber ich: – Ich las sie aus, den Rest, den ließ ich sein:

Wenn das Schicksal kommt, so ist das Aug des Menschen der Sehkraft bar!

Und als er seine Verse geendet und sich ausgeruht hatte, da stand er auf und ging langsam dahin, bis er die Stadt betrat. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundachte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Kamar al-Zaman, als er seine Verse geendet und ausgeruht hatte, aufstand und in das Stadttor trat, ohne zu wissen, wohin er sich wenden sollte. Er ging vom einen zum anderen Ende durch die Stadt; durch das Landtor war er eingezogen, und er machte nicht eher Halt, als bis er das Meerestor erreichte, denn die Stadt stand an der Küste. Und als er zum Tore hinausgegangen war, zog er weiter, bis er zu den Gärten und Obstgeländen des Ortes gelangte; dort schritt er dahin zwischen den Bäumen und kam zu einem Garten, vor dessen Tor er stehen blieb; da trat der Wächter heraus und grüßte ihn. Der Prinz aber gab seinen Gruß zurück, und der Gärtner hieß ihn willkommen und sprach: ›Preis sei Allah, daß du den Bewohnern dieser Stadt ohne Schaden entgangen bist! Schnell, komm in den Garten, ehe die Städter dich sehen.‹ Da trat Kamar al-Zaman, in der Seele verwundert, ein in den Garten und fragte den Hüter: ›Welches ist die Geschichte des Volks dieser Stadt, und wer mögen ihre Bewohner sein?‹ Versetzte der andere: ›Wisse, die Bewohner dieser Stadt sind sämtlich Magier; aber Allah sei mit dir, sage mir, wie du hierherkamst, und was dich trieb, unsere Hauptstadt aufzusuchen.‹ So erzählte denn Kamar al-Zaman dem Gärtner alles, was ihm widerfahren war, von Anfang bis zu Ende, so daß er in höchstem Staunen staunte und sprach: ›Wisse, o mein Sohn, die Städte des Islam liegen fern von uns; und zwischen uns und ihnen ist es eine Reise von vier Monden zur See und von einem vollen Jahre zu Lande. Wir haben ein Schiff, das alljährlich mit Waren zur nächsten Stadt der Moslems segelt, das in die Meere der Ebenholzinseln fährt und von dort nach den Khalidan-Inseln, dem Reiche des Königs Schahriman.‹ Da sann Kamar al-Zaman eine Weile nach, und er kam zu dem Schluß, daß er nichts Besseres tun könnte, als bei dem Gärtner im Garten zu bleiben, um sein Gehilfe zu werden, wofür er als Zahlung ein Viertel des Ertrags erhalten sollte. So sprach er denn zu ihm: ›Willst du mich in Dienst nehmen, damit ich dir in diesem Garten helfe?‹ Versetzte der Gärtner: ›Hören ist einwilligen‹; und er begann alsbald, ihn zu lehren, wie er das Wasser an die Wurzeln der Bäume leiten mußte. Und Kamar al-Zaman blieb bei ihm und wässerte die Bäume und jätete das Unkraut aus; bei dieser Arbeit trug er einen kurzen blauen Rock, der ihm bis an die Knie reichte. Und er weinte Tränenfluten, denn er hatte keine Ruhe, weder bei Tag noch bei Nacht, dieweil er in der Fremde war, und immer sprach er Verse auf seine Geliebte, und unter anderen diese:

Ihr gabt Versprechen, haltet ihr sie nicht? – Ihr spracht ein Wort, doch Taten folgen nicht?

Wir bleiben wach, indes ihr schlaft und schlummert – Kein wacher Wächter solches Recht anspricht:

Wir schworen, heimlich unsre Lust zu halten – Doch sprach der Mittler, und auch ihr schwiegt nicht:

O Freund in Schmerz und Lust, in Freud und Kummer – Ihr einzig, ihr wart meinem Geist das Licht!

Im Volke einer hält mein Herz gefangen – Zeigt er Erbarmen nur, das mir gebricht!

Nicht jedes Auge ist wie meines wund – Nicht jedes Herz wie meins in Schmerzen bricht:

Ihr tatet unrecht, spracht: Die Liebe schmerzt – Ihr hattet recht: denn so der Weltlauf spricht.

Den Liebesknecht vergißt man, dem den Glauben – Die Welt nicht raubt, flammt auch sein Herz im Licht:

Und soll mein Feind als Richter mich verdammen – Wer bleibt, der Recht ob meinem Richter spricht?

Tät mir nicht Liebe not, hätt ich sie nicht gesucht – So wäre auch mein Herz so voll Verstörung nicht.

So also stand es mit Kamar al-Zaman; als aber sein Weib, die Herrin Budur, erwachte, da suchte sie nach ihrem Gatten und fand ihn nicht: und sie sah ihre Hose geöffnet, dieweil die Schnur gelöst war und der Stein verloren, und sprach bei sich selber: ›Bei Allah, dies ist seltsam! Wo ist mein Gatte? Es ist, als hätte er den Stein genommen und sei fortgegangen, da er das Geheimnis nicht kennt, das an ihm hängt. Wollte der Himmel, ich wüßte, wohin er sich gewandt hat! Doch es muß etwas Ungewöhnliches gewesen sein, was ihn von mir hinwegführte, denn er kann es nicht ertragen, mich auch nur einen Augenblick zu verlassen. Allah fluche dem Stein und verdamme seine Stunde!‹ Dann sann sie eine Weile nach und sprach in ihrer Seele: ›Wenn ich hinausgehe und den Dienern sage, daß mein Gatte verschwunden ist, so wird es sie nach mir gelüsten; es hilft nicht, ich muß eine List gebrauchen.‹ Und sie stand auf und legte von ihres Gatten Kleidern an: Reitstiefel und einen Turban, seinem gleich, von dem sie einen Zipfel als Mundschleier über ihr Gesicht zog. Dann setzte sie eine Sklavin in ihre Sänfte, trat aus dem Zelt hervor und rief den Sklaven, die ihr das Roß Kamar al-Zamans brachten; und sie saß auf und befahl ihnen, die Tiere zu beladen und die Reise fortzusetzen. So banden sie die Lasten und brachen auf; und sie ließ nicht ab vom Marsch mit ihrem Gefolge, bis sie eine Stadt erreichten, die das Salzmeer überblickte; dort schlugen sie vor den Mauern ihre Zelte auf und machten Halt, um auszuruhen. Die Prinzessin fragte nach dem Namen der Stadt, und man sagte ihr: ›Sie heißt die Ebenholzstadt; ihr König heißt Armanùs, und er hat eine Tochter namens Hajat al-Nufus.‹ – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundneunte Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als die Prinzessin Budur vor der Ebenholzstadt Halt machte, um zu ruhen, da habe König Armanùs einen Boten ausgeschickt, um zu erfahren, welcher König vor seiner Hauptstadt kampiere; und als der Bote zu den Zelten kam, erkundigte er sich nach ihrem König und erfuhr, sie sei ein Königssohn, der auf dem Wege nach den Khalidaninseln die Straße verloren habe; mit dieser Nachricht kehrte er zu König Armanùs zurück, und als der König sie hörte, da ritt er sofort mit den Herren seines Landes hinaus, um den Fremden bei seiner Ankunft zu begrüßen. Als er sich den Zelten näherte, kam ihm die Herrin Budur zu Fuß entgegen, worauf der König absprang und sie einander begrüßten. Er führte sie in die Stadt und in den Palast, befahl, die Tische zu breiten und Speisen zu bringen, und ließ ihr Gefolge und ihr Gepäck in das Gasthaus schaffen. Dort blieben sie drei Tage lang; und nach Ablauf dieser Zeit trat der König ein bei der Herrin Budur. Nun war sie an eben diesem Tage im Hammam gewesen, und ihr Antlitz leuchtete wie der Mond in seiner Fülle als eine Versuchung für die Welt und als ein Zerreißen des Schleiers der Scham bei den Menschen. Armanùs fand sie gekleidet in ein seidenes Gewand, das bestickt war mit Gold und Juwelen; so sprach er zu ihr: ›O mein Sohn, wisse, ich bin ein sehr alter Mann und gebrechlich, und Allah hat mich nicht mit einem Kinde gesegnet außer mit einer einzigen Tochter, die dir an Schönheit und Anmut gleichkommt. Ich aber bin untauglich geworden für die Leitung des Staates. Sie ist dein, o mein Sohn, und wenn dir dieses mein Land gefällt und du willens bist, hier zu bleiben und hier deinen Wohnsitz aufzuschlagen, so will ich dich ihr vermählen und dir mein Königreich geben, damit ich Ruhe habe.‹ Als die Prinzessin Budur das hörte, da neigte sie das Haupt, und ihre Stirne schwitzte vor Scham, und sie sprach bei sich selber: ›Was soll ich tun, da ich eine Frau bin? Wenn ich ablehne und von ihm gehe, so bin ich nicht sicher, daß er mir nicht Truppen nachsendet, mich zu erschlagen; und wenn ich einwillige, so werde ich der Schmach verfallen. Ich habe meinen geliebten Kamar al-Zaman verloren und weiß nicht, was aus ihm geworden ist; und ich kann nicht aus dieser Not entkommen, außer dadurch, daß ich still bin und einwillige und hier bleibe, bis Allah herbeiführt, was geschehen soll.‹ So hob sie den Kopf und unterwarf sich dem König Armanùs und sprach: ›Hören ist Gehorchen!‹ Des freute er sich und befahl dem Herold, auszurufen auf den Ebenholzinseln, daß man ein Freudenfest feiern und die Häuser schmücken sollte. Dann versammelte er seine Kämmerlinge und Nabobs, seine Emire und Veziere, seine Würdenträger und die Kasis der Stadt; und indem er förmlich dem Sultanat entsagte, übertrug er es Budur und kleidete sie in all die Gewänder der Königswürde. Die Emire und Großen traten vor sie hin und huldigten ihr, denn keiner zweifelte, daß sie ein Jüngling wäre, und alle, die sie sahen, näßten ihre Hose ob des Übermaßes ihrer Schönheit und Lieblichkeit. Als dann die Herrin Budur zum Sultan gemacht worden war und die Trommeln schlugen, das frohe Ereignis zu verkünden, und als sie feierlich auf den Thron gestiegen war, da schickte König Armanùs sich an, seine Tochter Hajat al-Nufus für die Ehe auszustatten; und nach ein paar Tagen führte man die Herrin Budur zu ihr hinein, und es war, als seien sie beide zwei Monde, die gleichzeitig aufgegangen wären, oder zwei Sonnen in Konjunktion. So zogen sie ein in das Brautgemach, und die Türen wurdenverschlossen und die Vorhänge hinter ihnen herabgelassen, nachdem die Diener zuvor für sie die Wachskerzen entzündet und das Teppichbett gebreitet hatten. Als nun Budur sich allein sah mit der Prinzessin Hajat al-Nufus, da dachte sie ihres geliebten Kamar al-Zaman, und der Kummer bedrängte sie sehr. Sie weinte ob seines Fernseins und der Entfremdung und sprach die Verse:

O die ihr floht und ließet mein Herz in Schmerzen – Kein Hauch des Lebens lebt mir im Gewand:

Ich hab ein Aug, das klagt ob ewigen Wachens – Es füllen Tränen; nie es Genüge fand.

Denn da ihr gingt, blieb ich, der Liebende, hinten – Fragt ihn, welche Schmerzen ihr ihm ließet als Pfand!

Und flössen Ströme nicht mir aus den Augen – Mein Feuer flammte hoch und sengte jegliches Land.

Ich stöhne zu Allah um die, die ich liebte und verlor – Für die so Schmerz und Not wie ich dem Blick entschwand:

Zuleide tat ich nichts, doch zu viel Liebe flammte – Die Liebe trennt uns stets in Selige und Verdammte.

Und als sie ihre Verse geendet hatte, setzte die Herrin Budur sich nieder neben der Prinzessin Hajat al- und küßte sie auf den Mund; dann aber stand sie jählings auf und nahm die geringere Waschung vor und vertiefte sich in ihr Gebet; und nicht eher ließ sie zu beten ab, als bis Hajat al-Nufus in Schlaf verfiel; da schlüpfte sie zu ihr ins Bett und lag, mit dem Rücken zu ihr gekehrt, bis zum Morgen an ihrer Seite. Und als der Tag angebrochen war, da traten der König und die Königin bei ihrer Tochter ein und fragten sie, wie es ihr ginge; sie aber erzählte ihnen, was sie gesehen hatte, und wiederholte ihnen Budurs Verse.

Die Königin Budur jedoch ging derweilen hinaus und setzte sich auf den Königsthron, und all die Emire und Hauptleute und Würdenträger kamen zu ihr, küßten den Boden vor ihr und riefen Segen auf sie herab. Lächelnden Mundes sprach sie sie an, kleidete sie in Ehrengewänder, mehrte die Pfründen der Würdenträger und ließ den Truppen Geld austeilen. Dafür liebte das Volk sie, und man sandte Gebete empor um lange Dauer ihrer Herrschaft, denn niemand zweifelte daran, daß sie ein Mann sei. Den ganzen Tag lang saß sie in der Staatshalle, gebot und verbot, sprach Recht, ließ Gefangene los und befreite von den Zöllen, bis die Nacht hereinsank; dann zog sie sich in das Gemach zurück, das für sie gerüstet war, und fand dort Hajat al-Nufus auf einem Lager sitzend; sie setzte sich ihr zur Seite, streichelte ihr den Rücken, schmeichelte ihr, liebkoste sie und küßte sie zwischen den Augen; dann sprach sie die Verse:

Was ich geheim hielt, sagen diese Tränen – Mein hagrer Leib muß meine Liebe klagen:

Barg ich die Pein, am Trennungstag die Not – Sie mußte jedem Neider alles sagen:

Die ihr das Lager abbracht, ließet hier – Müd meinen Geist, mein Herz vom Frost geschlagen:

Ihr haust im Herzenskern, und diese Augen – Vergießen Blut, wo sonst die Tränen nagen:

Die Fernen kauf ich mit der Seele los – Wie ich voll Sehnsucht bin, kann jeder sagen:

Ich hab ein Aug, das längst aus Liebe sich – Dem Schlafe weigert, den die Tränen jagen.

Mög nie mein Ohr hinhören, wenn der Feind – Mitleidig den Verlust mich heißt ertragen!

Ich führte irre sie, gewann mein Ziel – Bei Kamar al- Zaman in Lustgelagen:

In ihm vereinen sich die Gaben alle – Kein König war ihm gleich in alten Tagen:

Bin Za'idahs Milde sinkt, sehn wir ihn an – Und wer kann noch nach Muawijah fragen?

War nicht der Vers so schwach, und kurz die Zeit – Ich priese reimend ihn in Ewigkeit.

Und die Königin Budur stand auf, wischte sich die Tränen ab, nahm die geringere Waschung vor und vertiefte sich in ihr Gebet; und sie ließ zu beten nicht ab, bis die Herrin Hajat al-Nufus schläfrig wurde und einschlief; da kam die Herrin Budur und legte sich bis zum Morgen neben sie. Mit Tagesanbruch stand sie auf, betete das Morgengebet und setzte sich auf den Königsthron, um den Tag hindurch Befehle und Gegenbefehle zu geben, Gesetze zu erlassen und Recht zu sprechen.

König Armanùs aber kam zu seiner Tochter und fragte sie, wie es ihr ginge; und sie erzählte ihm alles, was geschehen war, wiederholte ihm die Verse, die die Königin Budur gesprochen hatte, und fügte hinzu: ›O mein Vater, nie noch sah ich einen, reicher an Verstand und Bescheidenheit, als meinen Gatten, nur daß er nichts tut als weinen und seufzen.‹ Versetzte er: ›O meine Tochter, habe noch diese dritte Nacht mit ihm Geduld, und wenn er nicht bei dir schläft und dir dein Mädchentum nimmt, so werden wir wissen, wie wir mit ihm verfahren müssen, und wir werden ihn vom Thron verjagen und aus dem Lande verbannen.‹ Und so kam er mit seiner Tochter überein, welchen Weg sie einschlagen wollten. – –«

Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Zweihundertundzehnte Nacht