Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band - Anonym - E-Book

Erzählungen aus 1001 Nacht - 5. Band E-Book

Anonym

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Beschreibung

Wir lesen im 5. Band die Geschichten der Zweihundertneunundsechzigste bis dreihundertsiebenundsiebenzigste Nacht. Die Erzählungen aus Tausendundeine(r) Nacht sind eine Sammlung morgenländischer Texte und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hatte das Werk den Reiz der Exotik, es stammt für sie aus einem mythischen "Orient". Das Strukturprinzip der Rahmengeschichte sowie einige der enthaltenen Tierfabeln weisen auf einen indischen Ursprung hin und stammen vermutlich aus der Zeit um 250. So wird zwar ein indischer Ursprung vermutet, aber dass der Kern der Erzählungen aus Persien stammt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass zwischen dem indischen und persischen Kulturraum zu jener Zeit enge Beziehungen bestanden.

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Seitenzahl: 596

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Anonym

Erzählungen aus 1001 Nacht

Impressum

Texte:             © Copyright by Anonym

Umschlag:      © Copyright by Gunter Pirntke

Verlag:

Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag

Gunter Pirntke

Mühlsdorfer Weg 25

01257 Dresden

[email protected]

Inhalt

Impressum

Zweihundertneunundsechzigste bis dreihundertsiebenundsiebenzigste Nacht

Die Abenteuer des Prinzen Ahmad und der Fee Peri-Banu

Die Geschichte Hatims vom Stamme Taij

Die Geschichte Ma'ans, des Sohnes Saidahs

Die Geschichte von Ma'an, dem Sohn Saidahs, und dem Badawi

Die Geschichte der Stadt Labtait

Die Geschichte von dem Kalifen Hischam und dem arabischen Jüngling

Die Geschichte von Ibrahim bin al-Mahdi und dem Barbier-Chirurgen

Die Geschichte der Säulenstadt Iram und Abdullahs, des Sohnes Abi Kilabahs

Die Geschichte Isaaks von Mosul

Die Geschichte von dem Auskehrer und der vornehmen Dame

Die Geschichte des falschen Kalifen

Geschichte Alis, des Persers

Die Geschichte von Harun al-Raschid und der Sklavin und dem Imam Abu Jusuf

Die Geschichte des Liebhabers, der sich als Dieb ausgab

Die jammervolle Erzählung von Dscha'afar, dem Barmekiden, und dem Bohnenhändler

Die Geschichte Abu Mohammeds, des Faulpelzes

Die Geschichte von der Grossmut Jahjas bin Khalid, des Barmekiden, gegen Mansur

Geschichte von der Grossmut Jahjas bin Khalid wider den, der auf seinen Namen einen Brief gefälscht hatte

Die Geschichte des Kalifen al-Maamun und des fremden Gelehrten

Die Geschichte von Ali Schar und Sumurrud

Die Geschichte der Liebe zwischen Dschubair bin Umair und der Herrin Budur

Die Geschichte des Mannes aus Al-Yaman mit seinen sechs Sklavinnen

Die Geschichte von Harun al-Raschid und dem Mädchen und Abu Nowas

Die Geschichte von dem Mann, der die goldene Schüssel stahl, aus der der Hund gefressen hatte

Die Geschichte von dem Schelm in Alexandria und dem Wachthauptmann

Die Geschichte von Al-Malik al-Nasir und den drei Wachthauptleuten

Die Geschichte des Wachthauptmanns von Kairo

Die Geschichte des Wachthauptmanns von Bulak

Die Geschichte des Wachthauptmanns von Alt-Kairo

Die Geschichte von dem Geldwechsler und dem Dieb

Die Geschichte von dem Wachthauptmann von Kus und dem Gauner

Die Geschichte von Ibrahim bin al-Mahdi und der Schwester des Kaufmanns

Die Geschichte des Weibes, dem die Hände abgeschlagen wurden, weil sie den Armen Almosen gab

Die Geschichte von dem frommen Israeliten

Die Geschichte von Abu Hassan al-Sijadi und dem Mann aus Khorasan

Die Geschichte vom Armen und seinem Freunde in der Not

Die Geschichte des Verarmten, der durch einen Traum wieder reich wurde

Die Geschichte des Kalifen al-Mutawakkil mit seiner Geliebten Mahbubah

Die Geschichte Wardans, des Fleischers, und seines Abenteuers mit der Dame und dem Bären

Die Geschichte von der Königstochter und dem Affen

Die Geschichte vom Ebenholzpferd

Die Geschichte von Uns al-Wudschud und der Vezierstochter Al-Ward Fil-Akman oder Rose-im-Kelch

Zweihundertneunundsechzigste bis dreihundertsiebenundsiebenzigste Nacht

Die Abenteuer des Prinzen Ahmad und der Fee Peri-Banu

In alten Zeiten und längst entschwundenen Vergangenheiten lebte in Indien ein Sultan, der drei Söhne zeugte; der älteste hieß Prinz Husain, der zweite Prinz Ali, und der jüngste Prinz Ahmad; ferner hatte er eine Nichte namens Prinzessin Nur al-Nihar, die Tochter seines jüngeren Bruders, der jung gestorben war und sein einziges Kind in seines Oheims Obhut gelassen hatte. Der König widmete sich mit großer Sorgfalt ihrem Unterricht, und er legte großen Wert darauf, daß man sie lesen und schreiben lehrte, nähen und sticken, singen und gewandt alle Instrumente der Lust und Heiterkeit spielen. Und diese Prinzessin übertraf alle Mädchen ihrer Zeit in allen Landen weit an Schönheit und Lieblichkeit. Sie wurde in aller Fröhlichkeit gemeinsam mit ihren Vettern, den Prinzen, aufgezogen; sie aßen zusammen, spielten zusammen und schliefen zusammen. Der König aber hatte in seiner Seele beschlossen, wenn sie das Alter der Mannbarkeit erreicht haben würde, sie einem der benachbarten Könige zum Weibe zu geben; doch als sie die Jahre des Verstandes erreichte, merkte der König, daß seine Söhne, die drei Prinzen, sie alle leidenschaftlich liebten, und daß ein jeder von ihnen in seinem Herzen wünschte, sich um sie zu bewerben, sie zu gewinnen und zum Weibe zu nehmen. Das machte dem König schwere Sorge, und er sprach bei sich selber: ›Wenn ich die Herrin Nur al-Nihar einem ihrer Vettern zur Ehe gebe, so werden die beiden anderen unzufrieden sein und wider meine Entscheidung murren. Doch meine Seele kann es nicht ertragen, sie bekümmert und enttäuscht zu sehn. Und wenn ich sie einem Fremden vermähle, so werden meine Söhne sich grämen und in ihrer Seele trauern; ja, wer weiß, ob sie sich nicht töten oder ausziehen und in ein fernes, fremdes Land gehn? Die Sache ist schwierig und gefährlich; drum geziemt es mir, ihrem Vater, so zu handeln, daß, wenn einer von ihnen sie zum Weibe erhält, die anderen drob nicht unzufrieden sind.‹

Lange bedachte der Sultan die Sache in seiner Seele; und schließlich entwarf er einen Plan und ließ die drei Prinzen holen und sprach sie an und sagte: ›O meine Söhne, ihr tragt in meinen Augen gleiches Verdienst; und keinem von euch kann ich den Vorzug geben und ihn mit der Prinzessin Nur al-Nihar vermählen, noch auch steht es in meiner Macht, sie allen dreien zum Weibe zu geben. Doch ich habe mir einen Plan erdacht, so daß sie einem von euch gehören soll, ohne daß es seinen Brüdern Anlaß zu Ärgernis oder Neid geben kann. Dann bleibt eure brüderliche Liebe und Neigung unberührt, und keiner wird je eifersüchtig sein auf des anderen Glück. Kurz, mein Plan ist dieser: Geht und reist in ferne Länder, indem ihr euch voneinander trennt, und bringt mir heim das Wunderbarste und Erstaunlichste von allem, was ihr auf eurer Wanderschaft erblicken mögt; und wer mit der seltensten Seltenheit zu mir zurückkehrt, der soll der Prinzessin Nur al-Nihar Gatte werden. Stimmt meinem Vorschlag bei; und was ihr braucht an Geld für die Reise und für den Ankauf selten gesehener und sonderbarer Dinge, dessen nehmt aus dem königlichen Schatz, soviel ihr nötig habt.‹ Die drei Prinzen, die sich ihrem Vater stets fügten, willigten einstimmig in diesen Vorschlag, und ein jeder war zufrieden und fest überzeugt, er werde dem König die wunderbarste Gabe bringen und so die Prinzessin zum Weibe gewinnen. Da befahl der Sultan, einem jeden, ohne zu zögern oder zu rechnen, an Geld zu geben, was er verlangte, und er riet ihnen, sich unverzüglich und unverweilt zur Reise zu rüsten, um im Frieden Allahs aufzubrechen. Sie aber verkleideten sich, und zwar als wandernde Kaufleute, erstanden alles, was sie brauchten, nahmen ein jeder ihr Gefolge mit, bestiegen Rosse von reinstem Blut und ritten mitsammen zum Schloß hinaus. Mehrere Tagereisen weit zogen sie dieselbe Straße dahin, bis sie eine Stelle erreichten, wo sich der Weg in drei verschiedene Pfade teilte. Dort stiegen sie ab in einem Khan und nahmen ihr Abendmahl ein. Dann schlossen sie ein Abkommen und einen Vertrag, daß sie mit Tagesanbruch, nachdem sie so weit gemeinsam gezogen waren, getrennte Wege einschlagen sollten und jeder die eigene Straße ziehen, so daß sie in ferne und verschiedene Länderstriche kämen; und sie kamen überein, nur ein Jahr lang unterwegs zu bleiben und sich dann, wenn sie noch im Lande der Lebenden weilten, in eben dieser Karawanserei zu treffen und gemeinsam heimzukehren zum König, ihrem Vater. Und ferner bestimmten sie, wer zuerst im Khan wieder einträfe, der sollte die Ankunft des nächsten erwarten, und dann sollten die beiden bleiben, bis der dritte käme. Und als all das gebührend verabredet war, zogen sie sich zur Nachtruhe zurück, und als der Morgen kam, fielen sie einander um den Hals und nahmen Abschied; und schließlich bestiegen sie ihre Pferde und ritten, ein jeder in seiner Richtung, davon.

Nun hatte der Prinz Husain, der älteste, oft von den Wundern des Landes Bischangarh gehört, und seit langem wünschte er, es zu besuchen. Er schlug also den Weg ein, der dorthin führte, und er schloß sich einer Karawane an, die diese Straße zog, begleitete sie zu Wasser und zu Lande, und durchquerte viele Gegenden, wüste Wildnisse und steinige Steppen, dichte Dschungel und fruchtbare Striche, Felder und Weiler, Gärten und Städte. Und schließlich, nach drei Monden der Wanderschaft, erreichte er Bischangarh, ein Land, über das gar manche Herrscher herrschten, so groß war seine Ausdehnung, und so weit reichte seine Macht. Er nahm Wohnung in einem Khan, der eigens für Kaufleute erbaut worden war, die aus den fernsten Ländern kamen, und von den Leuten, die dort abgestiegen waren, erfuhr er, daß die Stadt einen großen Hauptmarkt besäße, auf dem man allerlei Seltenheiten und wunderbare Dinge kaufte und verkaufte. Am nächsten Tage also begab Prinz Husain sich in diesen Basar, und als er ihn erblickte, da stand er staunend da ob seiner Länge und Breite. Er war in viele Straßen geteilt, die alle eingewölbt, doch durch Lukenfenster erleuchtet waren; und die Läden auf beiden Seiten waren fest gebaut, alle nach gleichem Muster und fast alle von gleicher Größe; und vor einem jeden war ein Zeltsegel ausgespannt, das die Sonnenglut abhielt und angenehmen Schatten spendete. In diesen Läden nun standen und lagen gereiht und geordnet mancherlei Waren: Ballen ›gewebter Luft‹, Linnen von feinstem Gewebe, weiß oder gefärbt oder mit lebenstreuen Mustern geziert, aus denen sich Tiere und Bäume und Blumen so deutlich abhoben, daß man sie für wirkliche Tiere, Büsche und Gärten hätte halten können. Und ferner sah man Seidenwaren, brokatene Stoffe und feinste Satins aus Persien und Ägypten in unendlichem Überfluß; und in den Porzellanläden standen jederlei Glasgefäße, und hier und dort erblickte man auch ein Lager, darin Wandgehänge und tausende von Teppichen zum Verkauf auslagen.

Prinz Husain schritt von Laden zu Laden dahin, und er staunte sehr, so wunderbare Dinge zu sehen, von denen er sich nichts hatte träumen lassen; und schließlich kam er zur Goldschmiedgasse, und dort sah er Gemmen und Juwelen und Gold- und Silbergefäße, besetzt mit Diamanten und Rubinen, Smaragden, Perlen und anderen Edelsteinen, und alle glänzten und strahlten so blendendes Licht, daß die Läden erleuchtet waren von ihren wunderbaren Strahlen. Sprach er bei sich selber: ›Wenn schon in einer einzigen Straße ein solcher Reichtum zu finden ist und so seltene Juwelen, so weiß nur Allah, der Allmächtige, und außer ihm keiner, wie viel Reichtum in der Stadt sein mag.‹ Und nicht weniger staunte er ob der Brahminen, deren Frauen sich im Übermaß ihres Reichtums mit den schönsten Edelsteinen ganz bedeckten und gekleidet waren von Kopf bis zu Fuß in die reichsten Gewänder; selbst ihre Sklavenknaben und Sklavinnen trugen goldene Hals- und Armbänder und Spangen, besetzt mit kostbaren Steinen. Eine der Marktstraßen standen in langer Reihe Scharen von Blumenhändlern entlang; denn alles Volk, hoch und niedrig, trug Kränze und Girlanden; einige hielten Sträuße in der Hand, andere banden sich Gewinde um die Stirn, und nicht wenige trugen Blumenseile und Gehänge um den Hals. Die ganze Straße sah aus wie ein einziges riesiges Blumenbeet; und selbst die Händler setzten Sträuße in jeden Laden und jede Bude, und die Luft war schwer vom Duft der Blumen.

Prinz Husain schlenderte hin und her, und schließlich wurde er müde, und gern hätte er sich ein wenig gesetzt, um auszuruhen; und einer der Kaufleute sah seinen müden Ausdruck und bat ihn mit freundlicher Höflichkeit, sich in seinem Laden zu setzen. Der Fremdling grüßte ihn mit dem Salam und setzte sich; und alsbald sah er einen Makler, der des Weges kam; der bot einen Teppich aus, vier Ellen im Geviert, und rief: ›Der Teppich steht feil; wer zahlt seinen Preis: dreißigtausend Dinare?‹ Da staunte der Prinz in höchstem Staunen, winkte dem Makler und prüfte seine Ware; dann sprach er: ›Ein solcher Teppich gilt einige Silberlinge. Besitzt er eine besondere Kraft, daß du die Summe von dreißigtausend Goldstücken dafür verlangst?‹ Und der Makler, der den Prinzen für einen Kaufmann hielt, der erst kürzlich in Bischangarh eingetroffen war, erwiderte und sprach: ›O mein Herr, meinst du, ich setze den Preis für diesen Teppich allzuhoch an? Mein Herr hat mir befohlen, ihn nicht unter vierzigtausend Aschrafîs zu verkaufen.‹ Sprach der Prinz: ›Gewiß besitzt er irgend eine Wunderkraft, sonst würdest du keine so fabelhafte Summe für ihn verlangen‹; und der Makler: ›Allerdings, o mein Herr, sind seine Eigenschaften erstaunlich und wunderbar. Wer immer auf diesem Teppich sitzt und in Gedanken den Willen ausspricht, aufgehoben und an einer anderen Stelle niedergesetzt zu werden, der ist im Augenblick dort, einerlei, ob der Ort in der Nähe ist oder viele Tagereisen entfernt oder schwer zu erreichen.‹ Als nun der Prinz diese Worte hörte, da sprach er bei sich selber: ›So Wunderseltenes wie diesen Teppich kann ich sonst meinem Vater nicht mitbringen, und nichts auch, was ihm größere Freude oder Genugtuung bereiten könnte. Preis sei Allah, dem Allmächtigen, das Ziel meiner Reise ist erreicht, und hiermit will ich, Inschallah, die Erfüllung meiner Wünsche erlangen. Dies wird ihm, wenn irgend etwas, ewige Freude machen.‹ Und also wandte der Prinz sich mit der Absicht, den fliegenden Teppich zu kaufen, dem Makler zu und sprach: ›Wenn er wirklich die Eigenschaften hat, die du schilderst, so ist wahrlich der Preis, den du forderst, nicht zu hoch, und ich bin bereit, die verlangte Summe zu zahlen.‹ Versetzte der andere: ›Wenn du an meinen Worten zweifelst, so bitte ich, stelle sie auf die Probe und tilge durch einen Versuch den Verdacht. Setze dich jetzt auf das Teppichviereck, und auf deinen bloßen Wunsch und Willen wird es uns in den Khan versetzen, den du bewohnst: auf diese Weise kannst du dich von der Wahrheit meiner Worte überzeugen; und nachdem du sie als wahr erkannt hast, sollst du mir dort, doch nicht eher, den Preis meiner Ware zahlen.‹ Und der Makler breitete den Teppich hinter dem Laden auf dem Boden aus, und als der Prinz sich darauf gesetzt hatte, setzte er sich ihm zur Seite. Und plötzlich wurden die beiden auf den bloßen Wunsch und Willen des Prinzen Husain in den Khan entrückt, als trüge sie Salomos Thron. Des freute der älteste der Brüder sich in höchster Freude, dieweil er etwas so Seltenes gefunden hatte, dessengleichen in allen Landen und unter den Königen nicht zu finden war; und Herz und Seele wurden ihm froh, daß er nach Bischangarh gekommen und einem solchen Wunder begegnet war.

Er zahlte also die vierzigtausend Aschrafîs als Preis des Teppichs, und obendrein gab er dem Makler noch zwanzigtausend als Geschenk. Und immerfort sagte er sich, der König werde ihn, wenn er den Teppich sähe, alsbald mit der Prinzessin Nur al-Nihar vermählen, denn es sei ganz unmöglich, daß einer seiner Brüder, und durchsuchte er die weite Welt, eine Seltenheit finden könnte, die sich mit dieser vergleichen ließe. Es verlangte ihn, sich flugs auf den Teppich zu setzen und in seine Heimat zu fliegen, oder wenigstens im Khan seiner Brüder zu harren, dort, wo sie sich unter dem Versprechen und dem Vertrag getrennt hatten, am Jahresende wieder einzutreffen. Aber dann überlegte er sich, daß ihm die Zeit lang und langweilig werden würde, und er fürchtete sehr, ihn könne die Versuchung anwandeln, einen übereilten Schritt zu tun; daher beschloß er denn, in dem Lande zu bleiben, zumal er sich manchen Tag hindurch danach gesehnt hatte, seinen König und dessen Untertanen kennen zu lernen; und er entschied sich dafür, die Zeit damit hinzubringen, daß er sich alles Sehenswerte ansah und Ausflüge machte in die benachbarten Länder. Und also blieb Prinz Husain ein paar Monate in Bischangarh. Nun war der König des Landes gewohnt, einmal in jeder Woche Hof zu halten, um Streitigkeiten anzuhören und Fälle zu schlichten, die fremde Kaufleute betrafen; und so sah der Prinz den König oft, aber niemandem sagte er ein Wort von seinem Abenteuer. Doch da er von stattlicher Erscheinung war, von anmutigem Gang und höflicher Rede, beherzt und stark, weise, bedacht und witzig, so hielt ihn das Volk in höheren Ehren als den Sultan selber, von seinen Genossen, den Kaufleuten, ganz zu schweigen; und mit der Zeit wurde er bei Hofe zum Günstling, und er erfuhr von dem Herrscher selber alles, was sein Reich und seine Pracht und Größe anging. Und der Prinz besuchte auch die berühmten Pagoden des Landes. Die erste, die er sah, war aus Messing und Bronze von feinster Arbeit. Die innere Zelle maß drei Ellen im Geviert, und in ihrer Mitte stand ein goldenes Bild, an Gestalt und Statur einem Manne von wunderbarer Schönheit gleich; und so kunstvoll war die Arbeit, daß es war, als hefte das Gesicht seine Augen, zwei Rubinen von ungeheurem Wert, auf jeden Beschauer, einerlei, wo immer er stände. Und ferner sah er einen Götzentempel, nicht minder wunderbar und selten, der war erbaut auf einer ebenen Fläche in einem Dorfe, die in Länge und Breite einen halben Acker maß; und auf ihr blühten liebliche Rosenbäume, Jasmin, Basilienkraut, und viele andere süßduftende Pflanzen, deren Geruch die Luft schwer machte mit seinem Duft. Rings um den Hof aber lief eine Mauer, drei Fuß hoch, so daß sich kein Tier hineinverirren konnte; und in der Mitte stand eine Terrasse von nahezu Manneshöhe, ganz aus weißem Marmor und gewelltem Alabaster, und jede und jegliche Platte war so fein poliert und mit so genauer Fügung gefügt, daß das ganze Pflaster, obwohl es einen so großen Raum einnahm, aussah wie ein einziger Stein. Und in der Mitte wiederum stand das gewölbte Heiligtum, das sich fünfzig Ellen hoch emporhob und auf viele Meilen in der Runde sichtbar war: dreißig Ellen war es lang und zwanzig breit, und der rote Marmor der Verkleidung war blank poliert wie ein Spiegel, so daß sich ein jedes Ding darin getreu abspiegelte. Die Kuppel war herrlich gemeißelt undaußen prunkvoll verziert. Und drinnen standen in gebührender Ordnung und Folge Reihen und Reihen von Götzenbildern. Hierher, in dieses Allerheiligste, drängten sich vom Morgen bis zum Abend tausende von Brahminen, Männer wie Frauen, um anzubeten. Und es gab dort auch Spiele und Lustbarkeiten, genau wie den Dienst der Götter und die Zeremonien: manche schmausten, und andere tanzten, einige sangen, andere spielten auf Musikinstrumenten, und hier und dort fanden auch Spiele, Gelage und unschuldige Vergnügungen statt. Und hierher strömten auch zu jeder Jahreszeit aus fernen Ländern Scharen von Pilgern, die ihre Gelübde erfüllen und ihre Gebete verrichten wollten; und alle brachten Gaben an Gold und Silbergeld mit und Geschenke, selten und kostbar, die sie in Gegenwart der königlichen Beamten den Göttern darbrachten. Prinz Husain aber sah auch ein Fest, das nur einmal im Jahre in der Stadt Bischangarh gefeiert wurde; da kamen die Lehnsbauern alle, groß und klein, zusammen und zogen um die Pagoden, vor allem aber um eine, die an Größe und Pracht alle anderen übertraf. Große und gelehrte Panditen, die in den Schastras bewandert waren, machten Reisen von vier oder fünf Monaten und begrüßten einander bei diesem Fest. Und von allen Gegenden Indiens pilgerten die Leute in solchen Scharen hierher, daß Prinz Husain erstaunte ob des Anblicks; und da sich so viele Menschen um die Tempel drängten, konnte er nicht sehen, in welcher Art die Götter angebetet wurden. Auf der einen Seite der benachbarten Ebene, die sich weit und breit erstreckte, stand ein neu errichteter Bau, von riesiger Größe und großer Pracht, neun Stockwerke hoch, und unten wurde er gestützt von vierzig Pfeilern; und hier versammelte der König einmal in jeder Woche seine Veziere, um den Fremden allen im Lande Recht auszuteilen. Drinnen war der Palast reich geschmückt und mit kostbarer Einrichtung versehen: draußen waren auf den Wandflächen heimische Landschaften dargestellt, Szenen aus fernen Gegenden, und vor allem allerlei Tiere und Vögel und sogar Insekten, Mücken und Fliegen, die mit solchem Wissen und Können abgebildet waren, daß sie wie wirklich und lebendig waren und daß die Bauern, wenn sie von fern die gemalten Löwen und Tiger und anderen reißenden Tiere erblickten, von Scheu und Grauen ergriffen wurden. Auf den drei anderen Seiten des Baus standen Pavillons, gleichfalls aus Holz, zur Benutzung der Untertanen, die waren innen und außen bemalt und geschmückt wie der erste, und sie waren so kunstvoll erbaut, daß man sie mit allem Volk darin umdrehen und sie fortbewegen konnte, wohin man wollte. So konnte man diese riesigen Bauwerke mit Hilfe von Maschinen fortschaffen; und die Leute, die sich darin befanden, konnten nacheinander einer Folge von Spielen und Lustbarkeiten zuschauen. Und ferner standen auf jeder Seite des Vierecks Elefanten in Reihen, der Zahl nach nahe an tausend: deren Rüssel und Ohren und Hinterteile waren mit Zinnober bemalt und mit allerlei lebendigen Figuren geschmückt; ihre Decken waren aus Goldbrokat, und ihre Sättel mit Silber gestickt; und sie trugen Bänkelsänger, die allerlei Instrumente spielten, während Possenreißer die Menge mit ihren Scherzen belustigten und Schauspieler ihre unterhaltsamsten Rollen spielten. Von allem jedoch, was der Prinz erblickte, ergötzte ihn die Elefantenvorstellung am meisten, und sie erfüllte ihn auch mit der größten Bewunderung. Ein riesiges Tier, das nach allen Seiten hin gedreht werden konnte, wie die Wärter es wollten (denn seine Füße standen auf einem Ständer, der auf Rollen lief), hielt im Rüssel eine Oktavflöte, auf der es so wunderbar spielte, daß alles Volk gern ›Bravo!‹ gerufen hätte. Ein anderes, aber kleineres Tier stand auf dem einen Ende eines Balkens, der quer über einen acht Ellen hohen Holzblock gelegt und mit Angeln daran befestigt war; und am anderen Ende hing ein eisernes Gewicht von gleicher Schwere, und der Elefant drückte dann so lange auf den Balken, bis sein Ende den Boden berührte, worauf ihn das Gewicht wieder hob. So schwang der Balken wie eine Schaukel auf und ab; und im Rhythmus seiner Bewegung und der begleitenden Musikschwankte der Elefant laut trompetend hin und her. Und obendrein durfte das Volk sich um diesen Elefanten, wie er balancierend auf dem Balken stand, herumfahren lassen; und solche Vorführungen gelehriger Elefanten geschahen meistens in Gegenwart des Königs. Prinz Husain verbrachte fast ein Jahr damit, sich auf den Märkten und Festen von Bischangarh alles Sehenswerte anzusehen; und als die Zeit der Verabredung mit seinen Brüdern nahte, da breitete er hinter dem Khan, in dem er wohnte, auf dem Hofe seinen Teppich aus, setzte sich mit seinem Gefolge und mit den Rossen und allem, was er mitgebracht hatte, darauf, und wünschte im Geist, in die Karawanserei entrückt zu werden, in der die drei Brüder sich zu treffen übereingekommen waren. Raum aber hatte er den Gedanken gefaßt, so erhob sich im Nu der Teppich hoch in die Luft und jagte dahin durch den Raum und trug sie zu der verabredeten Stelle, wo er nun, immer noch als Kaufmann gewandet, der Ankunft seiner Brüder harrte.

Jetzt nun höre, o glücklicher König, was dem Prinzen Ali widerfuhr, dem zweiten Bruder des Prinzen Husain. Am dritten Tage nach seiner Trennung von den beiden anderen, schloß auch er sich einer Karawane an und reiste mit ihr nach Persien. Und als sie nach einer Wanderung von vier Monden in Schiras ankamen, der Hauptstadt des Iran, stieg er ab in einem Khan mit all seinen Gefährten, mit denen er sich befreundet hatte; und er schlug dort mit ihnen seine Wohnung auf, indem er sich als Juwelier ausgab. Am nächsten Tage zogen die Händler hinaus, um ihre Waren zu verkaufen und andere zu kaufen; Prinz Ali aber, der nichts mitgebracht hatte, was er verkaufen konnte, sondern nur, was er brauchte, legte alsbald das Reisekleid ab und betrat mit einem Gefährten von der Karawane den Hauptbasar, der da bekannt ist als der Basistan oder Tuchmarkt. Ali schlenderte dort umher, und der Basar war aus Ziegeln erbaut, und alle Läden hatten gewölbte Dächer, die auf schönen Säulen ruhten; und er staunte sehr, als er die prachtvollen Lagerhäuser sah, die allerlei Waren von unermeßlichem Wert zum Verkauf darboten. Er fragte sich verwundert, welch ein ungeheurer Reichtum in der Stadt sein müsse, wenn eine einzige Marktstraße schon solche Schätze bärge. Und als die Händler einhergingen und ihre Waren ausriefen zum Verkauf, da sah er einen, der hielt in der Hand ein elfenbeinernes Rohr von etwa einer Elle Länge, das er um den Preis von dreißigtausend Aschrafîs zum Verkauf ausbot. Als Prinz Ali eine solche Forderung hörte, dachte er bei sich selber: ›Sicherlich ist dieser Mensch ein Narr, daß er einen solchen Preis für eine solche Armseligkeit verlangt!‹ Und er fragte einen der Ladenbesitzer, mit dem er Bekanntschaft geschlossen hatte: ›O mein Freund, ist dieser Mensch ein Irrer, daß er die Summe von dreißigtausend Aschrafîs für dieses kleine Elfenbeinrohr verlangt? Wahrlich, nur ein Dummkopf würde ihm den Preis dafür zahlen und einen solchen Schatz Geldes dafür verschwenden.‹ Sprach der Ladenbesitzer: ›O mein Herr, dieser Makler ist klüger und gewitzigter als all die anderen seines Berufs, und durch ihn habe ich Waren verkauft, die Tausende von Dinaren wert waren. Bis gestern war er noch bei Verstande; doch ich weiß nicht, wie es heute mit ihm steht, und ob er vielleicht irr wurde oder nicht. Ich weiß nur eins: wenn er für dies Elfenbeinrohr dreißigtausend Aschrafîs verlangt, so ist es den Preis, und selbst einen höheren, wert. Wir werden es aber mit eigenen Augen sehen. Setz dich hierher und ruhe dich im Laden aus, bis er des Weges kommt.‹ Da nahm Prinz Ali Platz, wie man ihn einlud, und bald sah man den Makler die Straße herauf nahen. Rief der Besitzer des Ladens ihm zu und sprach: ›O Mann, jene kleine Röhre hat eine seltene Kraft, denn alles Volk hört mit Staunen, welch einen hohen Preis du für sie verlangst; ja, dieser mein Freund hält dich gar für irre.‹ Der Makler war ein verständiger Mann, und so ärgerte er sich durchaus nicht über diese Worte, sondern er erwiderte mit artiger Rede: ›O mein Herr, ich zweifle nicht daran, daß du mich für einen Irren halten mußt, wenn ich für eine so geringe Ware einen so hohenPreis verlange und so großen Wert auf sie lege; aber wenn ich dir ihre Eigenschaften und Kräfte vermeldet habe, so wirst du sie nur zu gern für einen solchen Preis erstehen. Nicht du allein, alle, die meinen Ruf vernommen haben, lachen über mich und nennen mich einen Narren.‹ Mit diesen Worten zeigte der Makler dem Prinzen Ali das Fernrohr, reichte es ihm und sprach: ›Sieh dir dies Elfenbein gut an; ich will dir seine Eigenschaften auseinandersetzen. Du siehst, es ist auf beiden Seiten mit einem Stück Glas versehen, und wenn du das eine Ende an dein Auge hältst, so wirst du sehen, was immer du sehen willst, und es wird dicht vor dir erscheinen, sei es auch Hunderte von Meilen entfernt.‹ Versetzte der Prinz: ›Das geht über alles Verständnis hinaus, und ich kann es nicht für Wahrheit halten, bis ich es erprobt habe und mich überzeuge, daß es ist, wie du sagst.‹ Da legte der Makler das kleine Rohr in Alis Hand, zeigte ihm, wie er es handhaben müßte, und sprach: ›Was du auch zu erblicken wünschen magst, das wird sich dir zeigen, wenn du durch dies Elfenbein spähst.‹ Stillschweigend wünschte Prinz Ali sich, seinen Vater zu sehen, und als er das Rohr dicht ans Auge hielt, sah er ihn alsbald gesund und wohlbehalten, wie er auf seinem Throne saß und Recht sprach unter dem Volke seines Herrschaftsgebietes. Da verlangte es den Jüngling mit heißem Verlangen, seine Geliebte zu erblicken, diePrinzessin Nur al-Nihar; und alsbald sah er sie schon, wie sie gesund und wohl auf ihrem Bette saß und plauderte und lachte, während eine Schar von Sklavinnen rings um sie stand und ihrer Befehle harrte. Der Prinz erstaunte in höchstem Staunen, als er dies seltsame und wunderbare Schauspiel sah, und er sprach bei sich selbst: ›Und wenn ich die ganze Welt durchwanderte, zehn Jahre lang oder noch länger, und in jedem Winkel und jeder Ritze suchte, nie fände ich etwas gleich Seltenes oder Kostbares wie dieses Rohr.‹ Sprach er zu dem Makler: ›Ich sehe, die Kräfte deines Rohrs sind wirklich die, die du schildertest, und gern will ich dir den Preis entrichten: dreißigtausend Aschrafîs.‹ Erwiderte der Verkäufer: ›O mein Herr, mein Gebieter hat einen Eid geschworen, daß er sich nicht für weniger als vierzigtausend Goldstücke davon trennen will.‹ Da nun der Prinz einsah, daß der Makler ein ehrlicher und gerechter Mann war, so wog er ihm die vierzigtausend Dinare ab, und so wurde er zum Herrn des Fernrohrs, entzückt ob des Gedankens, daß es seinen Vater zufriedenstellen und ihm die Hand der Prinzessin Nur al-Nihar gewinnen würde. Und ruhigen Sinnes reiste Ali durch Schiras und durch die verschiedenen Gegenden Persiens; und dann wanderte er zurück nach Indien und erreichte gesund und wohlbehalten die Karawanserei, in der Prinz Husain schon eingetroffen war. Dort blieben die beidenund harrten der wohlbehaltenen Rückkehr des dritten Bruders.

Solches, o König Schahryar, ist die Geschichte der beiden Brüder; und jetzt flehe ich dich an, neige dein Ohr und lausche dem, was dem jüngsten der Brüder, dem Prinzen Ahmad, widerfuhr; denn wahrlich, es ist das fremdeste und seltenste von allen. Als er sich von seinen Brüdern getrennt hatte, schlug er die Straße ein, die da führte nach Samarkand; und als er nach langer Reise dort eintraf, nahm er gleich seinen Brüdern Wohnung in einem Khan. Gleich am nächsten Tage aber zog er aus, um sich den Marktplatz anzusehen, den das Volk dort den Basistan nennt, und er sah, daß er schön angelegt war, und die Läden waren mit kunstvoller Arbeit erbaut und gefüllt mit seltenen Stoffen und wertvollen Gütern und kostbaren Waren. Als er nun dort hin und wieder wanderte, traf er auf einen Makler, der einen magischen Apfel feilbot und laut dazu rief: ›Wer will diese Frucht kaufen, deren Preis sich auf fünfunddreißigtausend Goldstücke beläuft?‹ Sprach Prinz Ahmad zu dem Manne: ›Bitte, laß mich die Frucht ansehen, die du in der Hand hältst, und erkläre mir, welche verborgene Kraft sie besitzt, daß du einen so hohen Preis dafür forderst?‹ Sprach lächelnd der andere, indem er ihm den Apfel reichte: ›Staune nicht, o mein guter Herr; wahrlich, ich bin gewiß, wenn ich dir ihre Eigenschaften auseinandergesetzt habe, und wenn du siehst, wie sehr sie aller Menschheit hilft, so wirst du meine Forderung nicht mehr für übertrieben halten; ja, du wirst mit Freuden ein Schatzhaus Goldes dafür geben, wenn du es besitzest.‹ Und er fuhr fort: ›Jetzt höre mich an, o mein Herr, und ich will dir sagen, welche Kraft in diesem künstlichen Apfel ruht. Wenn einer krank ist, und sei seine Krankheit die allerärgste, ja, sei er dem Tode schon ganz nahe, und wenn er dann an diesem Apfel riecht, so wird er sich alsbald erholen und gesund werden und frei von jeglicher Krankheit, ob die Pest ihn plagte oder die Entzündung des Brustfells, das Fieber oder ein anderes bösartiges Leiden, und er wird sein, als sei er nie krank gewesen; und seine Kraft wird ihm alsbald zurückkehren, und nachdem er an dieser Frucht gerochen hat, wird er frei sein von jedem Leiden und jeder Krankheit, solange ihm das Leben bleibt.‹ Sprach Prinz Ahmad: ›Wie soll ich mich überzeugen, daß da Wahrheit ist, was du mir sagest? Wenn es ist, wie du behauptest, so will ich dir mit Freuden die verlangte Summe geben.‹ Sprach der Händler: ›O mein Herr, alles Volk, das in den Gegenden rings um Samarkand herum wohnt, weiß noch recht gut, daß einst in dieser Stadt ein Weiser lebte von wunderbarer Geschicklichkeit, und der hat nach vielen Jahren der Mühsal und Beschwerde diesen Apfel hergestellt, indem er zahllose Säfte von Kräutern mit Mineralien mischte. Seinen ganzen Besitz, und der war beträchtlich, gab er dafür aus, und als er ihn fertig hatte, da heilte er Tausende von Kranken, die er nur an dem Apfel riechen ließ. Aber ach, er fand ein plötzliches Ende, und der Tod überraschte ihn jählings, ehe er sich durch den wunderbaren Geruch erretten konnte; und da er keinen Reichtum gewonnen hatte und nur eine beraubte Witwe hinterließ, eine große Schar junger Kinder und viele Diener, so bleibt seiner Witwe nichts anderes übrig, als sich von diesem Wunder zu trennen, damit sie das tägliche Brot für sie gewinne.‹ Und während der Makler dem Prinzen seine Geschichte erzählte, sammelte sich rings um ihn eine Schar von Bewohnern der Stadt, und einer aus dem Volke, der dem Makler wohl bekannt war, trat hervor und sprach: ›Ein Freund von mir liegt zu Hause krank auf den Tod; die Ärzte und Chirurgen alle verzweifeln an seinem Leben; ich aber flehe dich an, laß ihn an diesem Apfel riechen, damit er lebe.‹ Als Prinz Ahmad diese Worte vernahm, wandte er sich zu dem Verkäufer und sprach: ›O mein Freund, wenn dieser Kranke, von dem du hörst, zu Kräften kommt, indem er an dem Apfel riecht, so will ich ihn gleich um den Preis von vierzigtausend Aschrafîs erstehen.‹ Der Makler hatte nun Vollmacht, die Frucht für fünfunddreißigtausend Goldstücke zu verkaufen; und mit einem Maklerlohn von fünftausendwar er zufrieden. Sprach er: ›Gut, o mein Herr, jetzt kannst du die Kräfte des Apfels erproben und deine Seele überzeugen; Hunderte von Leidenden habe ich mit ihm geheilt.‹ Da begleitete der Prinz die Leute zum Hause des Kranken, und er fand ihn auf seinem Bette liegend, den letzten Hauch auf den Lippen; aber sowie der Sterbende die Frucht roch, kehrte ihm sofort die Kraft zurück, und vollkommen gesundet, munter und wohlauf erhob er sich vom Lager. Als er das sah, kaufte Ahmad den Apfel und zahlte dem Makler die vierzigtausend Dinare. Und als er das Ziel seiner Reise in Händen hielt, beschloß er, sich einer Karawane anzuschließen, die nach Indien zog, und in seines Vaters Haus zurückzukehren; bis dahin aber wollte er sich an den Sehenswürdigkeiten und Wundern Samarkands vergnügen. Besondere Freude machte es ihm, auf die glorreiche Ebene hinauszuschauen, die da Soghd heißt und eines der Wunder der Welt ist. Das Land auf allen Seiten war ein Labsal für das Gesicht: smaragdgrün und licht, und wie des Paradieses Gelände durchströmt von kristallenen Bächen; die Gärten trugen allerlei Blumen und Früchte, und die Städte und Paläste erfreuten das Auge des Fremden. Nach einigen Tagen aber schloß Prinz Ahmad sich einer Karawane von Kaufleuten an, die nach Indien zogen; und als seine lange und langwierige Reise zu Ende war, erreichte er schließlich die Karawanserei,wo seine beiden Brüder, Husain und Ali, ungeduldig seiner Rückkehr harrten. Sie freuten sich alle drei in höchster Freude, als sie sich wiedersahen, und fielen sich um den Hals; und sie dankten Allah, der ihnen wohlbehaltene Heimkehr beschieden hatte nach so langer und langwieriger Trennung. Dann wandte Prinz Husain, als der älteste, sich zu den beiden anderen und sprach: ›Jetzt geziemt es uns, ein jeder zu erzählen, was ihm widerfahren ist, und zu vermelden, welche Seltenheit er mitbringt, und welches ihre Kräfte sind. Und da ich der Erstgeborene bin, so will ich auch als erster meine Abenteuer berichten. Ich bringe mit mir aus Bischangarh einen Teppich, wertlos dem Anschein nach, doch sind seine Kräfte solcher Art, daß, wer sich darauf setzt und im Geiste den Wunsch ausspricht, ein Land oder eine Stadt zu besuchen, sofort in Sicherheit und Behaglichkeit dorthin entrückt wird, wäre die Reise auch Monde, ja, Jahre lang. Ich habe vierzigtausend Goldstücke als seinen Preis bezahlt; und nachdem ich alle Wunder des Landes Bischangarh gesehen hatte, setzte ich mich auf meinen Kauf und verlangte, an diese Stelle getragen zu werden. Flugs war ich hier, wie ich es wünschte, und jetzt harre ich seit drei Monaten in diesem Khan eurer Ankunft. Den fliegenden Teppich habe ich bei mir; also möge jeder, der Lust hat, ihn erproben.‹ Als nun der älteste Prinz seine Erzählungbeendet hatte, hub Prinz Ali an und sprach: ›O mein Bruder, dieser Teppich, den du mitgebracht hast, ist wunderselten, und er hat erstaunliche Gaben; und nach dem, was du berichtest, hat in der Welt noch niemand etwas gesehen, was sich mit ihm vergleichen ließe. Und er zog das Fernrohr hervor und fuhr fort: ›Seht her! Auch ich habe für vierzigtausend Aschrafîs etwas erstanden, dessen Eigenschaften ich euch jetzt erklären will. Seht ihr dies Rohr aus Elfenbein? Mit seiner Hilfe kann der Mensch Dinge erblicken, die seinen Augen verborgen waren, und die viele Meilen entfernt sind. Es ist wahrlich höchst wunderbar und wert, daß ihr es prüft; und ihr beide könnt es erproben, wenn ihr wollt. Legt nur das eine Auge dicht an das kleinere Glas und sprecht im Geist einen Wunsch aus, zu sehen, was immer eure Seele zu sehen begehrt; und ob es nun nah ist oder viele Hunderte von Meilen fern, dies Elfenbein wird es euch deutlich nahe rücken.‹ Bei diesen Worten nahm Prinz Husain dem Prinzen Ali das Rohr aus der Hand, und als er das eine Ende, wie ihm gesagt worden war, dicht an das Auge hielt, sprach er im Herzen den Wunsch aus, die Prinzessin Nur al-Nihar zu erblicken; und die beiden Brüder beobachteten ihn, um zu sehen, was er sagen werde. Plötzlich aber sahen sie, wie er die Farbe wechselte und der verwelkten Blume gleich zusammenschrumpfte, während ihm in seiner Erregung undseinem Kummer eine Flut von Tränen aus den Augen strömte; und ehe noch seine Brüder sich von ihrem Staunen erholten und fragen konnten, welches der Grund dieses seltsamen Verhaltens sei, rief er laut aus: ›Ach und Wehe! Wir haben Mühsal und Beschwerde erduldet, und wir sind so weit gewandert in der Hoffnung, die Prinzessin Nur al-Nihar zu gewinnen. Doch es ist alles vergebens; ich sah sie todkrank auf ihrem Bette liegen, als müsse sie den Geist aufgeben, und rings um sie standen ihre Frauen und alle weinten und klagten in schwerstem Schmerz. O meine Brüder, wenn ihr sie noch zum letztenmal erblicken wollt, so werft durch das Rohr einen einzigen Blick, bevor sie nicht mehr ist.‹ Da griff Prinz Ali nach dem Fernrohr und spähte hindurch, und er sah die Prinzessin, wie sein Bruder sie geschildert hatte; und er reichte das Rohr dem Prinzen Ahmad, der auch hindurchsah und sich überzeugte, daß die Prinzessin Nur al-Nihar im Begriff wäre, den Geist aufzugeben. Und also sprach er zu seinen älteren Brüdern: ›Wir sind alle drei gleich verstört aus Liebe zu der Prinzessin, und es ist eines jeden sehnlichster Wunsch, sie sich zu gewinnen. Ihr Leben flieht, und doch kann ich sie retten und gesund machen, wenn wir unverzüglich zu ihr eilen.‹ Mit diesen Worten zog er den magischen Apfel aus der Tasche und zeigte ihn ihnen, indem er rief: ›Dies hier ist nicht geringer an Wert als der fliegendeTeppich oder das Fernrohr. Ich habe es in Samarkand für vierzigtausend Goldstücke erstanden, und dies ist die beste Gelegenheit, seine Kräfte zu erproben. Man sagte mir, wenn ein Kranker den Apfel an die Nase hält, und liege er auch in den letzten Zügen, so würde er alsbald gesund und wohl; ich habe ihn selbst schon erprobt, und jetzt sollt ihr die Wunderkur erleben, wenn ich die Frucht wider Nur al-Nihars Leiden benutze. Nur laßt uns zu ihr eilen, bevor sie stirbt.‹ Sprach Prinz Husain: ›Das ist ein leichtes; mein Teppich wird uns im Nu an die Seite des Bettes unsrer Geliebten bringen. Setzt ihr euch unverweilt mit mir darauf, denn es ist Raum genug für uns drei; wir werden im Augenblick dorthin getragen werden, und unsre Diener können uns folgen.‹ Da setzten die drei Prinzen sich auf den fliegenden Teppich, und ein jeder wünschte im Geiste, neben dem Bette Nur al-Nihars zu stehen. Im Nu waren sie in ihrem Gemach, und die Sklavinnen und Eunuchen, die sie bedienten, entsetzten sich ob des Anblicks und staunten, wie diese Fremden hätten ins Zimmer treten können; und als die Entmannten eben, das Schwert in der Hand, auf sie eindringen wollten, erkannten sie die Prinzen und wichen zurück, noch immer staunend ob ihres Erscheinens. Die Brüder aber erhoben sich rasch von dem fliegenden Teppich, und Prinz Ahmad trat vor und hielt der Prinzessin den Zauberapfel an die Nase,denn bewußtlos lag sie auf dem Lager ausgestreckt. Und als der Geruch ihr ins Gehirn drang, fiel die Krankheit von ihr ab, und die Heilung war gleich vollkommen. Weit schlug sie die Augen auf, und sie setzte sich aufrecht auf ihr Bett und blickte sich um, und besonders sah sie die Prinzen an, die vor ihr standen; denn sie fühlte, daß sie wohl und munter war, als sei sie eben aus dem süßesten Schlummer erwacht. Und sie stand auf von ihrem Lager und befahl ihren Kammerfrauen, sie anzukleiden, während sie ihr erzählten, wie plötzlich die Prinzen erschienen wären, die Söhne ihres Oheims, und wie Prinz Ahmad ihr etwas zu riechen gegeben hätte, wodurch sie von ihrer Krankheit geheilt worden sei. Und als sie die Waschung der Genesung vorgenommen hatte, freute sie sich in höchster Freude des Anblicks der Prinzen, und sie dankte ihnen, besonders aber dem Prinzen Ahmad, dieweil doch er sie der Gesundheit und dem Leben zurückgegeben hatte. Und auch die Brüder freuten sich in höchster Freude, als sie die Prinzessin Nur al-Nihar so plötzlich aus tödlicher Krankheit aufstehen sahen. Dann nahmen sie Abschied von ihr und gingen davon, um ihren Vater zu begrüßen. Inzwischen aber hatten die Eunuchen dem Sultan schon alles berichtet, und als die Prinzen vor ihn traten, stand er auf und umarmte sie zärtlich und küßte sie auf die Stirn, und ihn erfüllte Freude, daß er sie wieder sah und durch sievon dem Wohlergehen der Prinzessin hörte, die ihm teuer war als wie seine eigene Tochter. Und ein jeder der Brüder zog das wunderbare Ding hervor, das er von seiner Wanderschaft heimgebracht hatte. Zunächst zeigte Prinz Husain den fliegenden Teppich, der sie im Nu aus ferner Verbannung nach Hause getragen hatte, und sprach: ›Nach seinem äußeren Anschein hat dieser Teppich keinerlei Wert, doch dieweil er eine so wunderbare Kraft besitzt, dünkt mich, ist es unmöglich, in der ganzen Welt etwas zu finden, was sich an Merkwürdigkeit mit ihm vergleichen ließe.‹ Dann zeigte Prinz Ali dem König sein Fernrohr und sprach: ›Der Spiegel Dschamschids ist eitel und nichts neben diesem Rohre, durch das dem Blicke der Menschen alle Dinge zwischen West und Ost und Nord und Süd genau erkennbar werden.‹ Und als letzter zog Prinz Ahmad den magischen Apfel hervor, der auf so wunderbare Weise Nur al-Nihar das teure Leben gerettet hatte; und er sprach: ›Mit Hilfe dieser Frucht werden alle Krankheiten und schweren Leiden im Nu geheilt.‹ So zeigte ein jeder dem Sultan seine Seltenheit und sprach: ›O unser Herr, geruhe diese Gaben, die wir mitgebracht haben, genau zu prüfen, und dann entscheide, welche von ihnen die herrlichste und wunderbarste ist. Dann soll deinem Versprechen gemäß derjenige von uns sich der Prinzessin Nur al-Nihar vermählen, auf den deine Wahl gefallen ist.‹Als nun der König geduldig ihren Ansprüchen gelauscht und begriffen hatte, wie eine jede Gabe zu ihrem Teile mitgeholfen hatte, seiner Nichte die Gesundheit zurückzugeben, da versank er auf eine Weile tief in das Meer der Gedanken und erwiderte schließlich: ›Spräche ich dem Prinzen Ahmad die Palme zu, dessen Wunderapfel die Prinzessin heilte, so handelte ich nicht gerecht an den beiden anderen. Wenn auch sein Geschenk sie aus tödlicher Krankheit dem Leben und der Gesundheit zurückgab, so sagt mir doch, wie er von ihrem Leiden hätte wissen sollen ohne das Fernrohr des Prinzen Ali? Und ebenso wäre der Apfel nutzlos gewesen, hätte euch nicht der fliegende Teppich des Prinzen Husain im Nu hierher getragen. Deshalb entscheide ich so, daß alle drei den gleichen Anteil an ihrer Rettung haben, und daß sie das gleiche Verdienst an ihrer Heilung beanspruchen können. Denn sie wäre nicht gesundet, hätte nur eine der drei Gaben gefehlt; und ferner sind alle drei gleich wunderbar und erstaunlich, und keine übertrifft die beiden anderen, noch auch kann ich mit dem geringsten Recht der einen vor den anderen den Vorzug geben. Ich hatte versprochen, die Herrin Nur al-Nihar dem zu vermählen, der mir die seltenste Seltenheit brächte, aber so sonderbar es auch ist, es bleibt darum nicht minder wahr, daß sie in dem einen wesentlichen Punkte alle gleich sind. Die Schwierigkeit bleibt bestehen,und die Frage ist noch nicht gelöst. Und doch möchte ich die Sache gern vor Schluß des Tages erledigt sehen, und ohne daß einer sich beklagen könnte. Also muß ich einen Ausweg finden, damit ich einen von euch als den Gewinner bezeichnen und ihm, wie ich mein Wort verpfändet habe, die Hand der Prinzessin verleihen kann, so daß ich mich dadurch von aller Verantwortung löse. Nun habe ich folgendes beschlossen: ein jeder von euch steigt auf sein Roß und versieht sich mit Pfeil und Bogen; dann reitet ihr hinab in die Maidanebene, und dorthin werde ich euch mit meinen Staatsvezieren, den Großen des Reiches und den Herren des Landes folgen. Dann sollt ihr in meiner Gegenwart, nacheinander, ein jeder mit aller Kraft und Stärke einen Pfeil vom Bogen schießen; und den von euch, dessen Pfeil am weitesten fliegt, den will ich für den würdigsten erklären, die Prinzessin Nur al-Nihar zum Weibe zu gewinnen.‹ Da stiegen die drei Prinzen, die der Entscheidung ihres Vaters nicht widersprechen noch auch an seiner Gerechtigkeit und Weisheit zweifeln konnten, auf ihre Rosse, und ein jeder griff zu Pfeil und Bogen, und sie ritten stracks hinab. Und auch der König traf dort auf der Ebene ein, nachdem er die Geschenke im königlichen Schatz geborgen hatte, begleitet von seinen Vezieren und den Würdenträgern seines Reiches; und als alles bereit war, versuchte der älteste Sohn und Erbe, PrinzHusain, seine Kraft und Geschicklichkeit, und er schoß seinen Pfeil weit über die flache Ebene hin. Nach ihm griff Prinz Ali zu seinem Bogen, und er entsandte den Pfeil in der gleichen Richtung und schoß ihn über den ersten hinaus. Zuletzt aber kam Prinz Ahmad an die Reihe, und er zielte nach dem gleichen Ziel, aber also lautete die Bestimmung des Schicksals, daß die Ritter und Höflinge, so weit sie ihre Rosse auch vorwärts jagten, um zu sehen, wo sein Pfeil den Boden getroffen hätte, doch keine Spur von ihm fanden; und keiner von ihnen wußte, ob er verschlungen war von den Eingeweiden der Erde, oder ob er emporgeflogen sein mochte bis an die Grenzen des Himmels. Ja, es gab ihrer, die waren in böslicher Gesinnung der Ansicht, Prinz Ahmad habe überhaupt nicht geschossen, und nimmer habe sein Pfeil die Sehne verlassen. Und schließlich befahl der König, die Suche einzustellen, und er erklärte sich zu Alis Gunsten und sprach das Urteil, daß er sich der Prinzessin Nur al-Nihar vermählen dürfe, dieweil sein Pfeil den des Prinzen Husain weit hinter sich gelassen hatte. Und also wurden im Laufe der Zeit nach dem Gesetz und Ritual des Landes die Hochzeitsbräuche und Zeremonien mit höchstem Pomp und in aller Pracht erfüllt. Doch Prinz Husain wollte bei dem Brautfest nicht zugegen sein, so eifersüchtig und enttäuscht war er, denn er hatte die Prinzessin Nur al-mit einer Liebe geliebt, die die seiner Brüder weit übertraf; und er legte seine prinzlichen Kleider ab, nahm das Gewand eines Fakirs und zog hinaus, um eines Einsiedlers Leben zu führen. Doch auch Prinz Ahmad brannte vor Neid und weigerte sich, an dem Hochzeitsfest teilzunehmen; aber ungleich seinem Bruder Husain zog er sich nicht zurück in eine Einsiedelei, sondern er verbrachte all seine Tage auf der Suche nach seinem Pfeil, um herauszufinden, wohin er gefallen wäre.

Nun traf es sich so, daß er eines Morgens wiederum seiner Sitte gemäß allein auf die Suche auszog. Und er brach auf von der Stelle, von der aus sie ihre Pfeile geschossen hatten, und erreichte den Ort, wo sie die der Prinzen Husain und Ali gefunden hatten. Dann ging er weiter, immer geradeaus, und er ließ die Blicke nach beiden Seiten, rechts und links, hinschweifen über Hügel wie Tal. Und als er so etwa drei Parasangen gegangen war, sah er ihn plötzlich flach auf einem Felsen liegen. Darob staunte er sehr, und er wunderte sich, wie der Pfeil so weit hatte fliegen können, doch mehr noch, als er herzutrat und sah, daß er nicht im Boden stak, sondern offenbar abgeprallt und flach auf eine Steinplatte gefallen war. Sprach er bei sich selber: ›Daran muß wahrlich irgendein Geheimnis hängen; wie könnte sonst jemand einen Pfeil in solche Fernen schießen und ihn in so seltsamer Lage finden?‹ Und er bahnte sich einen Weg durch die spitzen Klippen und die gewaltigen Blöcke und kam zu einer Höhle im Boden, die in einen unterirdischen Gang auslief; und als er in ihm ein paar Schritte gegangen war, erspähte er eine eherne Tür. Die stieß er mühelos auf, denn sie hatte keinerlei Riegel, und als er eintrat, den Pfeil in der Hand, kam er auf einen leicht sinkenden Weg, den er hinabstieg. Aber wo er erwartet hatte, alles pechfinster zu finden, da erblickte er in einiger Ferne einen geräumigen Raum, eine Erweiterung der Höhle, die auf allen Seiten mit Lampen und Leuchtern beleuchtet war. Und als er dann etwa fünfzig Ellen weiterging, oder noch etwas mehr, fiel sein Blick auf einen riesigen und herrlichen Palast, und alsbald trat aus dem Inneren in die Säulenhalle heraus ein liebliches Mädchen, schön und liebenswert, eine Feengestalt in fürstlichen Kleidern, geschmückt von Kopf zu Fuß mit den kostbarsten Juwelen. Sie ging mit langsamem und stattlichem Schritt, und doch anmutig und weich, und ihre Dienerinnen umgaben sie, wie die Sterne den Mond in vierzehnter Nacht umgeben. Als aber Prinz Ahmad diese Erscheinung der Schönheit gewahrte, beeilte er sich, sie mit dem Salam zu grüßen, und sie gab seinen Gruß zurück; dann trat sie vor und empfing ihn, indem sie mit den lieblichsten Worten sprach: ›Wohl gekommen und willkommen, o Prinz Ahmad; ich freue mich, daß ich dich sehe. Wie geht es deiner Hoheit, und weshalb bist du mir so lange ferngeblieben?‹ Der Königssohn staunte sehr, als er hörte, wie sie ihn bei Namen nannte, denn er wußte nicht, wer sie war, und nie zuvor hatten sie einander gesehen; wie also konnte sie seinen Titel und Stand erfahren haben? Und er küßte den Boden vor ihr und sprach: ›O meine Herrin, ich schulde dir vielen Dank und große Erkenntlichkeit, da es dir gefällt, mich an diesem seltsamen Ort mit heiteren Worten willkommen zu heißen, wo ich allein und als Fremder nur zögernd und zitternd eindringen konnte. Aber es ist mir sehr rätselhaft, wie du den Namen deines Sklaven erfahren konntest?‹ Sprach sie mit einem Lächeln: ›O mein Herr, komm her und wir wollen uns behaglich dort in die offene Halle setzen; dann will ich dir Antwort geben auf deine Fragen.‹ Und sie ging dorthin, während Prinz Ahmad ihr auf den Fersen folgte; und als sie eintraten, sah er staunend das gewölbte Dach von herrlicher Arbeit, geziert mit Gold und Lapislazuli, Gemälden und Schmuck, also, daß seinesgleichen in der Welt nicht zu finden war. Als nun die Herrin sein Staunen sah, sprach sie zu dem Prinzen: ›Dieses Schloß ist nichts neben all den anderen, die ich jetzt aus freiem Willen zu den deinen gemacht habe; erst wenn du sie siehst, wirst du gerechten Anlaß zum Staunen haben.‹ Dann setzte sich dies sylphengleiche Wesen auf einer erhöhten Estrade undzog unter vielen Zeichen der Liebe den Prinzen Ahmad an ihre Seite. Sprach sie: ›Obgleich du mich nicht kennst, so kenne doch ich dich gut, wie du verwundert sehen wirst, wenn ich dir meine ganze Geschichte erzähle. Aber zunächst geziemt es sich, daß ich dir enthülle, wer ich bin. Vielleicht hast du in der Heiligen Schrift gelesen, daß diese Welt nicht nur von Menschen bewohnt wird, sondern auch von einem Geschlecht, das da heißt die Dschann, die der Gestalt nach am ehesten den Sterblichen gleichen. Ich bin die einzige Tochter eines Fürsten der Dschann aus edelstem Blut, und mein Name ist Peri-Banu. Also wundere dich nicht, wenn du hörst, wie ich dir sage, wer du bist und wer der König, dein Vater, ist, und wer Nur al-Nihar, die Tochter deines Oheims. Ich habe volle Kenntnis von allem, was dich angeht oder deine Sippe; du bist einer von drei Brüdern, die alle verliebt waren in die Prinzessin Nur al-Nihar, und die sie einander zum Weibe abgewinnen wollten. Ferner hielt es dein Vater für das beste, euch alle weit fort in fremde Länder zu senden, und du zogst in das ferne Samarkand und brachtest einen Zauberapfel heim, der geheimnisvoll mit seltener Kunst verfertigt war, und den du für vierzigtausend Aschrafîs erstandest; mit seiner Hilfe heiltest du deine Geliebte von einer schweren Krankheit, während Prinz Husain, dein ältester Bruder, um den gleichen Preis in Bischangarh einen fliegendenTeppich kaufte und Prinz Ali aus der Stadt Schiras ein Fernrohr nach Hause brachte. Dies genüge, um dir zu zeigen, daß mir nichts aus deinem Leben verborgen ist; und jetzt sage du mir der Wahrheit gemäß, an wem du Schönheit und Lieblichkeit mehr bewunderst, an mir oder an der Herrin Nur al-Nihar, dem Weibe deines Bruders? Mein Herz sehnt sich in höchster Sehnsucht nach dir, und es begehrt danach, daß wir uns vermählen und die Lust des Lebens und die Freuden der Liebe genießen. Also sag an, bist auch du bereit, dich mir zu vermählen, oder siechst du dahin im Verlangen nach der Tochter deines Oheims? In der Fülle meiner Liebe zu dir stand ich unsichtbar während des Bogenkampfes auf der Ebene an deiner Seite, und als du deinen Pfeil abschossest, da erkannte ich, daß er den des Prinzen Ali längst nicht erreichen würde, und deshalb griff ich ihn auf, bevor er den Boden berührte und trug ihn davon aus dem Bereich eurer Blicke; und ich warf ihn wider das eherne Tor, so daß er abprallte und flach auf den Felsen fiel, wo du ihn fandest. Und seit jenem Tage habe ich harrend dagesessen, denn ich wußte wohl, daß du nach ihm suchen würdest, bis du ihn fändest, und auf diese Weise war ich gewiß, dich zu mir herzubringen.‹ So sprach das schöne Mädchen, Peri-Banu, das mit Augen voller Liebessehnsucht zu dem Prinzen Ahmad aufsah und dann in züchtiger Schamdie Stirne senkte und den Blick abwandte. Und als Prinz Ahmad ihre Worte hörte, da freute er sich in höchster Freude und sprach bei sich selber: ›Es steht nicht in meiner Macht, mir die Prinzessin Nur al-Nihar zu gewinnen, und Peri-Banu übertrifft sie an Schönheit der Erscheinung, Lieblichkeit der Gestalt und Anmut des Ganges.‹ Kurz, er war so gefangen und bezaubert, daß er die Liebe zu seiner Base einfach vergaß; und da er erkannte, daß das Herz seiner neuen Zauberin sich zu ihm neigte, erwiderte er: ›O meine Herrin, o schönste der Schönen, ich wünsche nichts so sehr, wie daß ich dir dienen darf und mein Leben lang nach deinen Befehlen handeln. Aber ich bin von menschlicher Geburt, und du von übermenschlicher. Deine Freunde und die Deinen und deine Sippe werden vielleicht mit mir unzufrieden sein, wenn du dich mit mir in solcher Verbindung verbindest.‹ Doch sie gab zur Antwort: ›Ich habe jede Vollmacht meiner Eltern, mich zu vermählen, wem ich will und wem immer ich den Vorzug gebe. Du sagst, du willst mein Diener sein, aber sei du vielmehr mein Herr und Gebieter; denn ich und mein Leben und all meine Habe sind dein, und ewig will ich deine Sklavin sein. Willige jetzt nur ein, ich flehe dich an, mich zum Weibe zu nehmen; mein Herz sagt mir, daß du mir meine Bitte nicht abschlagen wirst.‹ Und sie fügte hinzu: ›Ich sagte dir schon, daß ich in diesenDingen mit voller Freiheit handle. Zudem aber ist es bei uns, den Dschann, so Sitte und uralter Brauch, daß wenn wir Mädchen das mannbare Alter und die Jahre des Verstandes erreichen, eine jede nach dem Gebot ihres Herzens sich dem vermählen darf, der ihr am meisten gefällt und von dem sie glaubt, er werde ihre Tage am ehesten glücklich machen. Auf diese Weise leben Weib und Gatte ihr ganzes Leben lang in Harmonie und Glück. Wenn aber ein Mädchen von ihren Eltern in die Ehe gegeben wird, und nicht nach eigener Wahl, und wenn sie gepaart wird mit einem Gefährten, der nicht für sie paßt, weil er mißgestaltet ist oder schlechter Gesinnung oder außerstande, sich ihre Neigung zu gewinnen, dann werden die beiden wohl gar für den Rest ihrer Tage im Streite liegen, und endlose Not wird ihnen aus dieser schlecht getroffenen Verbindung erwachsen. Und uns bindet auch das andere Gesetz nicht, das die Töchter Adams bindet; denn wir verkünden dem, den wir lieben, offen unsere Neigung und brauchen nicht zu warten und uns zu verzehren, bis er uns umwerbe und gewinne.‹ Als nun Prinz Ahmad diese Worte hörte, da freute er sich in höchster Freude, und er neigte sich nieder und versuchte, ihr den Saum des Gewandes zu küssen; sie aber hinderte ihn und reichte ihm statt dessen ihre Hand. Entzückt griff der Prinz danach und küßte sie, wie es in jenem Lande Sitte war, legte sie auf seineBrust und auf seine Augen. Da sprach die Fee mit reizendem Lächeln: ›Meine Hand in deiner, so verlobe dich mir, wie ich dir gelobe, daß ich dir ewig treu sein will und mich niemals treulos erweisen noch es an Beständigkeit fehlen lassen werde.‹ Sprach der Prinz: ›O lieblichstes aller Wesen, Geliebte meiner Seele, meinst du, ich könnte je zum Verräter an meinem eigenen Herzen werden, ich, der ich dich bis zur Verstörung liebe und Leib und Seele dir widme? Ohne Zwang gebe ich mich dir, tu du mit mir, was immer du willst.‹ Da sprach Peri-Banu zum Prinzen Ahmad: ›Du bist mein Gatte, und ich bin dein Weib. Dieses feierliche Versprechen zwischen dir und mir tritt an die Stelle des Ehevertrags; wir brauchen keinen Kasi, denn bei uns sind alle Formen und Förmlichkeiten überflüssig und nutzlos. Nachher will ich dir die Kammer zeigen, in der wir die Brautnacht verbringen wollen; und ich denke, du wirst sie bewundern und zugestehen, daß es ihresgleichen in der Welt der Menschen nicht gibt.‹ Und alsbald breiteten ihre Sklavinnen den Tisch und trugen mancherlei Gerichte auf, sowie in Flaschen und Bechern aus juwelenbesetztem Golde die feinsten Weine. Und beide setzten sich und aßen und tranken sich satt. Dann nahm Peri-Banu den Prinzen Ahmad bei der Hand und führte ihn in ihr Gemach, darin sie schlief; und auf der Schwelle blieb er stehen, staunend ob seiner Pracht und ob der Mengevon Gemmen und Edelsteinen, die ihm das Auge blendeten; und als er sich erholte, rief er aus: ›Mich dünkt, es gibt im ganzen Weltall keinen zweiten so prunkvollen Raum, versehen mit so kostbarem Gerät und juwelengeschmückten Dingen wie diesen.‹ Sprach Peri-Banu: ›Wenn du schon diesen Palast so bewunderst und preisest, was wirst du erst sagen, wenn du die Schlösser siehst und die Burgen, die meinem Vater gehören, dem König der Dschann? Vielleicht auch wird dich Entzücken und Verwunderung packen, wenn du meinen Garten erblickst; jetzt aber ist es zu spät, dich dorthin zu führen, und die Nacht ist nah.‹ Und sie führte den Prinzen Ahmad in einen anderen Raum, wo zum Nachtmahl gedeckt war, und der Glanz dieses Saales gab den anderen in nichts nach; ja, er war eher noch prunkvoller und blendender. Hunderte von Wachskerzen in Kandelabern aus feinstem Amber und reinstem Kristall, die auf allen Seiten in Reihen standen, regneten Fluten des Lichtes nieder, während goldene Blumengefäße und Schalen von feinster Arbeit und unermeßlichem Wert, von lieblichen Formen und wunderbarer Kunst, die Nischen und Wände schmückten. Aber keine Zunge der Menschen vermöchte die Herrlichkeit dieses Raumes zu schildern, in dem ganze Scharen jungfräulicher Peris, lieblich gestaltet und schön von Angesicht, gekleidet in die erlesensten Gewänder, auf süßtönendenInstrumenten der Lust und Heiterkeit spielten oder zu Melodien von herzbetörenden Rhythmen Lieder sangen voller Verherrlichungen der Liebe. Und die beiden, Braut und Bräutigam, setzten sich und aßen, und immer hielten sie von Zeit zu Zeit inne, um zu kosen und sich verschämtem Liebesspiel und keuschen Liebkosungen hinzugeben. Mit eigener Hand reichte Peri-Banu dem Prinzen Ahmad die besten Bissen, und er mußte von jeder Schüssel und jedem Leckerbissen kosten, während sie ihm deren Namen nannte und ihm sagte, wie sie bereitet waren. Aber woher sollte ich, o glücklicher König Schahryar, die Worte nehmen, dir eine Vorstellung zu geben von diesen Speisen der Dschann oder dir mit dem gebührenden Zoll des Preises den herrlichen Wohlgeschmack der Gerichte zu schildern, wie sie Sterbliche nimmer gekostet noch auch gesehen haben? Und als beide fertig waren mit ihrem Nachtmahl, da tranken sie die erlesensten Weine und aßen genießend süße Konfitüren zum Nachtisch, trockene Früchte und allerlei Leckereien. Schließlich aber, als sie genug gegessen und getrunken hatten, zogen sie sich wiederum in einen anderen Raum zurück, der eine große, erhöhte Estrade enthielt, bedeckt mit goldgestickten Kissen und Polstern aus Flitterperlen und achämenischen Teppichen, wo sie sich Seite an Seite setzten, um sich zu unterhalten und zu vergnügen. Und herein trat eine Schar von