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Wir lesen im 6. Band die Geschichten der Dreihundertachtundsiebenzigste bis fünfhundertdritte Nacht. Die Erzählungen aus Tausendundeine(r) Nacht sind eine Sammlung morgenländischer Texte und zugleich ein Klassiker der Weltliteratur. Typologisch handelt es sich um eine Rahmenerzählung mit Schachtelgeschichten. Aus Sicht der frühesten arabischen Leser hatte das Werk den Reiz der Exotik, es stammt für sie aus einem mythischen "Orient". Das Strukturprinzip der Rahmengeschichte sowie einige der enthaltenen Tierfabeln weisen auf einen indischen Ursprung hin und stammen vermutlich aus der Zeit um 250. So wird zwar ein indischer Ursprung vermutet, aber dass der Kern der Erzählungen aus Persien stammt, kann nicht ausgeschlossen werden. Hinzu kommt, dass zwischen dem indischen und persischen Kulturraum zu jener Zeit enge Beziehungen bestanden.
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Seitenzahl: 582
Anonym
Erzählungen aus 1001 Nacht
Texte: © Copyright by Anonym
Umschlag: © Copyright by Gunter Pirntke
Verlag:
Das historische Buch, Dresden / Brokatbookverlag
Gunter Pirntke
Mühlsdorfer Weg 25
01257 Dresden
Inhalt
Impressum
Dreihundertachtundsiebenzigste bis fünfhundertdritte Nacht
Geschichte von Abu Nowas mit den drei Knaben und dem Kalifen Harun al-Raschid
Die Geschichte Abdallahs bin Maamar und des Mannes aus Bassorah mit seiner Sklavin
Die Geschichte der Liebenden aus den Banu Ozrah
Die Geschichte des Veziers von Al-Yaman und seines jungen Bruders
Die Geschichte von einem Liebespaar in der Schule
Die Geschichte von Al-Mutalammis und seinem Weibe Umaimah
Die Geschichte von dem Kalifen Harun al-Raschid und der Königin Subaidah im Bade
Die Geschichte von Harun al-Raschid und den drei Dichtern
Die Geschichte von Musab bin al-Subair und Ajischah, der Tochter Talhahs
Geschichte von Abu al-Aswad und seiner Sklavin
Die Geschichte von Harun al-Raschid und den beiden Sklavinnen
Die Geschichte von Harun al-Raschid und den drei Sklavinnen
Die Geschichte vom Müller und seinem Weibe
Die Geschichte von dem Einfaltspinsel und dem Schelm
Die Geschichte vom Kasi Abu Jusuf mit Harun al-Raschid und der Königin Subaidah
Die Geschichte von Abu al-Hasan oder dem erwachten Schläfer
Die Geschichte vom Strolch und dem Koch
Die Geschichte von dem Kalifen Al-Hakim und dem Kaufmann
Die Geschichte des Königs Kisra Anuschirwan mit dem Bauernmädchen
Die Geschichte vom Wasserträger und dem Weibe des Goldschmieds
Geschichte von Khusrau und Schirin und dem Fischer
Die Geschichte von Jahja bin Khalid, dem Barmekiden, und dem Armen
Geschichte von Mohammed Al-Amin und der Sklavin
Die Geschichte der Söhne Jahjas bin Khalid und Saids bin Salim al-Bahili
Die Geschichte von der List des Weibes wider Ihren Gatten
Die Geschichte von der Weiberlist
Die Geschichte von der frommen Frau und den beiden bösen Alten
Die Geschichte Dscha'afars, des Barmekiden, mit dem Alten Badawi
Die Geschichte von dem Kalifen Al-Maamun und den ägyptischen Pyramiden
Die Geschichte von dem Dieb und dem Kaufmann
Die Geschichte von Masrur, dem Eunuchen, und Ibn al-Karibi
Die Geschichte von dem frommen Prinzen
Die Geschichte von dem unklugen Schulmeister, der sich auf Hörensagen verliebte
Die Geschichte des närrischen Schulmeisters
Die heitere Geschichte von dem Auskehrer, der sich als Schulmeister auftat
Die Geschichte von dem König und dem tugendhaften Weib
Die Geschichte Abd al-Rahmans, des Maghribi, vom Vogel Rukh
Die Geschichte von Adi bin Said und der Prinzessin Hind
Die Geschichte von Ishak aus Mosul und dem Kaufmann
Die Geschichte von den drei unglücklichen Liebenden
Wie Abu Hasan einen Wind streichen liess
Die Geschichte der Liebenden vom Stamme Taij
Die Geschichte von dem irrsinnigen Liebenden
Die Geschichte von dem Prior, der ein Moslem wurde
Die Geschichte der Liebe zwischen Abu Isa und Kurrat al-Ain
Die Geschichte von Al-Amin, dem Sohne Al-Raschids, und seinem Oheim Ibrahim bin al-Mahdi
Die Geschichte von Al-Fath Bin Khakan und dem Kalifen Al-Mutawakkil
Die Geschichte vom Streite des Mannes mit der gelehrten Frau über die Vorzüge der Geschlechter
Die Geschichte von Abu Suwaid und der schönen Greisin
Die Geschichte von dem Weibe, das einen Knaben, und dem anderen, das einen Mann zum Geliebten hatte
Die Geschichte von Ali, dem Kairenser, und dem spukenden Hause in Bagdad
Die Geschichte von dem Pilger und der alten Frau
Die Geschichte von Abu al-Husn und seiner Sklavin Tawaddud
Die Geschichte vom Engel des Todes vor dem stolzen König und dem frommen Manne
Die Geschichte vom Engel des Todes und dem reichen König
Die Geschichte von dem Todesengel und dem König der Kinder Israel
Die Geschichte von Iskandar zu al-Karnain und einem Stamm armen Volks
Die Geschichte von der Rechtschaffenheit des Königs Anuschirwan
Die Geschichte von dem jüdischen Kasi und seinem frommen Weibe
Die Geschichte von dem schiffbrüchigen Weib und ihrem Kinde
Die Geschichte von dem frommen Negersklaven
Die Geschichte von dem frommen Tabletteflechter und seinem Weibe
Die Geschichte von Al-Hadschdschadsch und dem Frommen
Die Geschichte von dem Schmied, der das Feuer anfassen konnte, ohne Schaden zu nehmen
Die Geschichte von dem Frommen, dem Allah zu seinem Dienste eine Wolke gab, und dem andächtigen König
Die Geschichte von dem moslemitischen Helden und dem christlichen Mädchen
Die Geschichte von der Tochter des christlichen Königs und dem Moslem
Die Geschichte von dem Propheten und der Gerechtigkeit der Vorsehung
Die Geschichte von dem Nilfergen und dem Eremiten
Die Geschichte von dem Inselkönig und dem frommen Israeliten
Die Geschichte von Abu al-Hasan und Abu Dscha'afar, dem Aussätzigen
Die Geschichte von der Schlangenkönigin
Die Abenteuer Bulukijas
Die Geschichte Dschanschahs
Als nun die Dreihundertundachtundsiebenzigste Nacht da war, fuhr Schahrazad also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, als des Fischers Boot, das Rose-im-Kelch trug, die Stadt auf der Meeresküste erreichte, da habe sich der Mann angeschickt, das Boot am Ufer zu vertauen. Nun war der König dieser Stadt ein Fürst von Mark und Macht, namens Dirbas, der Löwe; und in eben diesem Augenblick saß er mit seinem Sohne an einem Fenster im Palast, das auf das Meer hinaussah; und da sie gerade seewärts blickten, so sahen sie, wie das Fischerboot landete. Sie sahen es sich genau an und erkannten darin eine junge Herrin, die dem vollen Monde glich, wenn er eben über dem Rande des Horizontes hängt; in ihren Ohren aber sahen sie Gehänge aus kostbaren Ballasrubinen und um ihren Hals ein Band aus Edelsteinen. Daran erkannte der König, daß sie die Tochter eines Königs oder eines großen Herrn sein mußte, und indem er zur Meerespforte des Palastes hinaustrat, ging er hinab zu dem Boot, wo er die Herrin schlafend vorfand, während der Fischer damit beschäftigt war, die Taue zu legen. Er trat also zu ihr und weckte sie, so daß sie weinend erwachte; und er fragte: ›Woher kommst du, und wessen Tochter bist du, und weshalb kommst du hierher?‹ Sprach sie: ›Ich bin die Tochter Ibrahims, des Veziers beim König Schamikh; und die Art, wie ich hierher kam, ist wunderbar, und der Anlaß meiner Reise ist erstaunlich.‹ Und sie erzählte ihm ihre ganze Geschichte von Anfang bis zu Ende und verbarg ihm nichts. Dann seufzte sie laut auf und sprach diese Verse:
Die Tränen entzünden die Lider mir, und sie rinnen wunderbar – Um der Trennung Schmerz, der die Seele füllt und die Augen zu Brunnen macht,
Um des Freundes willen, der ewig wohnt in meines Herzens Haus – Und nimmer erfüllt sich an ihm mein Wunsch, der den ganzen Leib mir entfacht.
Er ist ein Jüngling schön und hell, und glänzend ist sein Gesicht – Und jeden Türken und Araber stellt seine Schönheit in Schattens Nacht:
Der Mond und die Sonne neigen sich tief, wenn seine Reize sie sehn – Und liebend beugen sie sich herab, wenn er aufsteht in seiner Pracht.
Ein Zauber der Schwarzkunst deckt wie Kohl sein Auge wunderbar – Und zeigt den Bogen mit dem Pfeil, eh er entfliegt mit Macht:
O du, dem ich meine Not erzählt, hoffend Entschuldigung – Erbarm dich der Liebenden, der solch Los die Liebespfeile gebracht!
An euer Land wider Willen warf die Liebe wahrlich mich – Ich bin jetzt schwach, und gern vertrau meine Ehre ich deiner Macht:
Denn Edle, landet an ihrem Strand ein Gast, des Mitleids wert – Gestehn ihm gern seine Würde zu und heben ihn auf zur Pracht.
Drum du, meine Hoffnung, den Schleier leih der Liebenden Narrheit gern – Und bringe du ihnen Vereinigung, so nenn ich dich höchsten Herrn! Und als sie ihre Verse beendet hatte, erzählte sie dem König von neuem ihre traurige Geschichte, und unter vielen Tränen sprach sie diese Verse, die von ihren Nöten handelten:
Wir lebten, bis die Wunder wir der Liebe alle sahn – Und dir sei jeder Mond so schön, wie uns der Radschab war:
Ist's nicht ein Wunder, als ich sie am Morgen ziehen sah – Daß trotz der Tränen Flammen ich entzündet, leuchtend klar?
Daß diesen Lidern Tropfen Bluts entrinnen, fallend rasch? – Daß golden meine Wange wird, die rot und weiß einst war?
Als wäre dieser Safranton auf meiner Wange Haut – Der Mantel Josephs, lügnerisch mit fremdem Blut betaut.
Als nun der König ihre Worte hörte, da war er überzeugt von ihrer Liebe und Sehnsucht, und das Erbarmen mit ihr rührte an sein Herz; sprach er: ›Fürchte nichts und mache dir keine Sorge; du bist an das Ziel deiner Wünsche gelangt, denn es hilft nichts, ich muß dir gewinnen, was du begehrst, und dein Verlangen erfüllen.‹ Und er sprach aus dem Stegreif diese Verse:
Tochter der Edlen, die du dein Ziel erreichst – Höre die Botschaft der Freude und fürchte dich nicht!
Heute noch lade ich Schätze für Schamikh auf – Scharen sollen sie bringen, wie sie kein Feind durchbricht;
Moschusschoten schicke ich und Brokat – Silber weiß und Gold von gelbem Licht:
Ja, und melden ferner soll gleich ein Brief – Daß mir nichts als Verwandtschaft mit ihm gebricht:
Und ich leihe die beste Hilfe dir heut – Wenn, was du willst, deiner Seele Heilung verspricht.
Ich auch kenne der Liebe bitteren Trank – Und verstehe, daß Trauer aus dir spricht.
Und als er seine Verse beendet hatte, ging er hinaus zu seinen Truppen und berief seinen Vezier; und er ließ ihn zahllose Schätze aufladen, die er ihm zum König Schamikh zu bringen befahl, dem er sagen sollte: ›Du mußt mir einen schicken namens Uns al-Wudschud‹; und ferner sollte er melden: ›Der König möchte sich, mit dir verbinden, indem er Uns al-Wudschud seine Tochter vermählt. Also hilft es nichts, und du mußt ihn mir senden, damit die Hochzeit in ihres Vaters Königreich gefeiert werden kann.‹ Und er schrieb einen Brief des gleichen Inhalts an König Schamikh, gab ihn dem Minister und trug ihm streng auf, Uns al-Wudschud mitzubringen, indem er ihn warnte: ›Wenn du ihn nicht bringst, so wirst du abgesetzt und entehrt.‹ Versetzte der Vezier: ›Ich höre und gehorche‹; und er brach auf mit den Schätzen, und als er zu seiner Zeit ankam am Hofe des Königs Schamikh, grüßte er ihn im Namen des Königs Dirbas und übergab ihm Brief und Geschenke. Als nun der König Schamikh den Brief las und den Namen Uns al-Wudschud erblickte, brach er in Tränen aus und sprach zu dem Minister: ›Und wo, ach, wo ist Uns al-Wudschud? Er verließ uns, und wir wissen nicht die Stätte, da er haust; bring ihn mir nur, und ich will dir das Doppelte der Geschenke geben, die du mir brachtest.‹ Und er weinte und seufzte und klagte, indem er diese Verse sprach:
Gib mir den Teuren zurück – Ich will nicht des Reichtums Sold:
Ich will keine Perlengaben – Noch Steine noch Schätze aus Gold:
Er war ein Mond ja für uns – Dem der Himmel Tribut gezollt.
Einzig an Seele und Leib – Ein Reh ist nicht so hold!
Er war ein Weidenzweig – Seine Frucht der Reize Gewalten;
Doch kann die Weide nicht – Der Menschen Herzen halten.
Ich zog als Säugling ihn auf – In der Wiege hab ich ihn gerollt;
Jetzt kann ich nur um ihn trauern – Die Seele vom Schmerz gespalten.
Und indem er sich zu dem Vezier wandte, der die Geschenke und die Botschaft gebracht hatte, sprach er: ›Kehre heim zu deinem Herrn und melde ihm, daß Uns al-Wudschud schon seit einem Jahre vermißt wird, und sein Herr weiß nicht, wohin er gegangen ist, noch auch hat er die geringste Kunde von ihm.‹ Versetzte der Vezier des Königs Dirbas: ›O mein Herr, mein Gebieter sprach zu mir: Wenn du ihn nicht bringst, so wird dir das Vezierat genommen werden, und du sollst meine Stadt nicht wieder betreten! Wie also kann ich heimkehren ohne ihn?‹ Sprach König Schamikh zu seinem Vezier Ibrahim: ›Nimm dir ein Geleit und geh mit ihm, und sucht mir überall nach Uns al-Wudschud.‹ Versetzte der: ›Hören und Gehorsam.‹ Und er nahm eine Schar seiner eigenen Mannen mit und brach auf, geleitet von dem Vezier des Königs Dirbas, auf die Suche nach Uns al-Wudschud. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundneunundsiebenzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Ibrahim, der Vezier des Königs Schamikh, eine Schar seiner eigenen Mannen mit sich nahm und, geleitet von dem Minister des Königs Dirbas, aufbrach auf die Suche nach Uns al-Wudschud. Und so oft sie auf wilde Araber oder andere trafen, fragten sie nach dem Jüngling und sprachen: ›Sprecht, habt ihr einen Mann gesehen, dessen Name also lautet, und dessen Erscheinung so und so ist?‹ Aber alle erwiderten: ›Wir kennen ihn nicht.‹ Immer aber noch setzten sie ihre Suche fort und fragten nach ihm in Stadt und Weiler und forschten in der fruchtbaren Ebene und auf steiniger Halde, und in der Wüste und in der Steppe, bis sie kamen zum Berge der beraubten Mutter. Und der Vezier des Königs Dirbas fragte Ibrahim: ›Weshalb heißt dieser Berg also?‹ Versetzte der: ›Einst lebte hier in den alten Zeiten eine Dschinnijah aus den Dschann von China, und sie liebte mit leidenschaftlicher Liebe einen Sterblichen. Und da sie von ihrem eigenen Volk für ihr Leben fürchtete, so suchte sie auf der ganzen Erde nach einem Orte, wo sie ihn verbergen könnte, bis sie diesen Berg fand; und da sie sah, daß er abgeschnitten war sowohl von den Menschen wie von den Dschann, dieweil kein Zugang zu ihm vorhanden war, so entführte sie ihren Geliebten und brachte ihn hierher. Und so oft sie den Blicken ihrer Sippe entschlüpfen konnte, besuchte sie ihn heimlich, und so ging es, bis sie ihm eine Anzahl Kinder geboren hatte; und wenn die Kauffahrer vorübersegelten an dem Berge auf ihren Reisen über das Meer, so hörten sie das Weinen der Kinder, als wäre es die Klage eines Weibes, das man ihrer Kleinen beraubt hat, und sie sprachen: Lebt hier eine Mutter, der Kinder beraubt? Und aus diesem Grunde wurde der Berg der Berg der beraubten Mutter genannt.‹ Da staunte der Vezier des Königs Dirbas ob seiner Worte. Und sie landeten, gingen zur Burg und pochten an das Tor, das ihnen ein Eunuch auftat, der den Vezier Ibrahim erkannte und ihm die Hände küßte. Der Minister trat ein, und auf dem Hofe fand er einen Fakir mitten unter den Dienern; das war Uns al-Wudschud, doch er kannte ihn nicht und sprach: ›Woher kommt der dort?‹ Sprachen sie: ›Er ist ein Kaufmann, der seine Waren verloren, aber sein Leben gerettet hat; jetzt ist er entrückt.‹ Da ließ der Vezier ihn stehen und ging hinein in die Burg, wo er keine Spur von seiner Tochter fand und ihre Frauen fragte, die ihm erwiderten: ›Wir wissen nicht, wie noch wohin sie entfloh; diese Burg mißfiel ihr, und sie blieb nur kurze Zeit.‹ Und er weinte bittere Tränen und sprach diese Verse:
Ach, wehe, Haus, des Vögel lustig sangen – Einst konnten deine Schwellen Stolz entfalten!
Da kam dir der, der klagt um seine Liebe – Und fand die Tür zur Straße hin gespalten;
Ach, wüßt ich nur, wo meine Seele weilt – Die einst ich sah in diesem Hause schalten!
Es war versehn mit reichen, schönen Dingen – In Reihen mußten Pförtner Wache halten:
Es war behängt ganz mit brokatenen Falten – Ach, wüßt ich, wo sind, die als Herren galten!
Und als er seine Verse beendet hatte, vergoß er wiederum Tränen, und er seufzte und stöhnte und rief: ›Es gibt keine Rettung vor dem Schicksal, das Allah beschlossen hat; und es gibt keine Flucht vor dem, was er bestimmte!‹ Und er ging auf das Dach und fand dort die Streifen Baalbeker Stoffes, die an die Zinnen gebunden waren und zum Boden niederhingen, und daran erkannte er, daß sie dort hinabgestiegen und entflohen war, verstört und irre vor Leidenschaft und Verlangen. Und als er sich wandte und dort zwei Vögel erblickte, eine Aaskrähe und eine Eule, hielt er das mit Recht für ein böses Zeichen; und er seufzte und sprach die Verse:
Ich kam zu der Tür meiner Freunde, dem Ziele der Hoffnung – Und dachte zu stillen der Seele Wehe und Gram:
Doch fand ich die Freunde nicht, fand nur die Krähe und Eule – Ein Omen, das mir meine letzte Hoffnung benahm.
Die Zunge der Dinge sprach: Weh, daß du trenntest – Diese Liebenden, war grausam und ohne Scham!
Also koste vom Schmerz jetzt, den ihnen zu kosten du gabest – Zieh deines Weges und sieh, wie du an der Trauer dich labest!
Und er stieg hinab von dem Burgdach, und weinend befahl er den Dienern, hinauszuziehen und den Berg nach ihrer Herrin zu durchsuchen; und sie suchten überall, aber fanden sie nicht.
Uns al-Wudschud aber schrie laut auf, als er sich überzeugte, daß Rose-im-Kelch wirklich fort war, und ohnmächtig fiel er zu Boden. Lange kam er nicht wieder zu sich, so daß alle glaubten, sein Geist sei von dem Erbarmenden abgerufen worden, und er sei versunken in der Betrachtung des Glanzes, der Majestät und der Schönheit des Vergeltenden. Inzwischen nun schickte sich der Vezier des Königs Dirbas, der daran verzweifelte, Uns al-Wudschud zu finden, dieweil Ibrahim verstört war ob des Verlustes seiner Tochter, an, in seine Heimat zurückzukehren, obgleich er das Ziel seiner Reise nicht erreicht hatte; und während er Abschied nahm von seinem Gefährten, sprach er zu ihm: ›Ich möchte diesen Fakir mit mir nehmen; vielleicht wird Allah, der Allmächtige, durch seinen Segen des Königs Herz erweichen, denn er ist ein Heiliger; und dann will ich ihn nach Ispahan senden, das dicht bei unserem Lande liegt.‹ ›Tu, wie du willst,‹ erwiderte Ibrahim. Und sie nahmen Abschied voneinander und brachen auf, ein jeder in sein Mutterland, und der Vezier des Königs Dirbas nahm Uns al-Wudschud mit – «
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Vezier des Königs Dirbas Uns al-Wudschud mitnahm, der immer noch besinnungslos war. Sie führten ihn mit sich auf dem Rücken eines Maultiers (er aber wußte nicht, ob er getragen wurde oder nicht), und nach drei Tagen kam er wieder zu sich und sprach: ›Wo bin ich?‹ ›Du bist bei dem Minister des Königs Dirbas,‹ gab man ihm zur Antwort, und man meldete dem Vezier, daß der Fakir zu sich gekommen wäre; der Vezier schickte ihm Rosenwasser und Zuckerscherbett, davon sie ihm zu trinken gaben, um ihn zu Kräften zu bringen. Und sie ließen von ihrem Marsch nicht eher ab, bis sie sich der Hauptstadt des Königs Dirbas näherten, und da man dem König Kunde gab von dem Nahen des Veziers, schrieb er ihm und sprach: ›Wenn Uns al-Wudschud nicht bei dir ist, so komme nie wieder zu mir.‹ Als nun der Minister den Brief des Königs las, da grämte er sich, denn er wußte nicht, daß Rose-im-Kelch bei dem König war, noch auch ahnte er, weshalb man ihn ausgesandt hatte nach Uns al-Wudschud, und weshalb der König die Verbindung wünschte; zugleich aber wußte auch Uns al-Wudschud nicht, wohin man ihn brachte, noch auch, daß der Vezier geschickt war, ihn zu suchen; viel weniger aber ahnte der Vezier, daß der Fakir, den er bei sich hatte, Uns al-Wudschud selber war. Und als der Minister sah, daß der Kranke gesund war, sprach er zu ihm: ›Ich wurde entsandt von dem König mit einem Auftrag, den ich nicht auszuführen vermochte. Als er nun von meiner Heimkehr hörte, schrieb er mir und sprach: Wenn du meinen Auftrag nicht erfüllt hast, so ziehe nicht ein in meine Stadt.‹ ›Und welches war der Auftrag des Königs?‹ fragte Uns al-Wudschud. Da erzählte ihm der Vezier die ganze Geschichte, und er erwiderte: ›Fürchte nichts, sondern geh kühnlich zum König und nimm mich mit, so will ich dir die Ankunft Uns al-Wudschuds gewährleisten.‹ Des freute der Vezier sich und rief aus: ›Ist das wahr, was du sagst?‹ ›Ja,‹ erwiderte er. Da saß der Vezier auf und führte ihn zum König Dirbas, der seine Grüße in Empfang nahm und zu ihm sprach: ›Wo ist Uns al-Wudschud?‹ Versetzte der Jüngling: ›O König, ich weiß, wo er ist.‹ Und der König rief ihn zu sich und fragte: ›Wo?‹ Versetzte Uns al-Wudschud: ›Er ist nah und sehr nah; doch sag mir, was du von ihm willst, so werde ich ihn vor dich rufen.‹ Sprach der König: ›Mit Freude und Lust, doch verlangt die Sache Heimlichkeit.‹ Und er befahl den Leuten, sich zurückzuziehen, führte Uns al-Wudschud in seine Kammer und erzählte ihm die ganze Geschichte. Sprach der Jüngling: ›Kleide mich in reiche Gewänder, so will ich dir Uns al-Wudschud gleich bringen.‹ Und man brachte ihm ein prunkvolles Gewand, das er anlegte, und sprach: ›Ich bin Uns al-Wudschud, die Wonne der Welt, die den Neidern arg mißfällt.‹ Und er zog mit den Blicken einen jeden in seinen Bann und hub diese Verse zu sprechen an:
Der Geliebten Name heitert mich auf in grauer Verlassenheit – Er vertreibt die Verzweiflung und lindert mir die trostlose Mattigkeit.
Zur Hilfe hab ich die Tränen nur: sie rinnen, ein ewiger Quell – Und dennoch machen das Leid sie leicht und machen den Gram mir hell;
So heftig ist mein Verlangen stets, wie nichts noch ward gesehn – Ein Wunder ist mein Liebesbericht, meine Liebe ein Schauspiel zu sehn;
Mit Lidern bringe ich hin die Nacht, die nie sich schließen zum Schlaf – Und in meiner Leidenschaft schwebe ich oft, wo der Himmel die Hölle traf.
Ich hatte wohl Schätze einst an Geduld, ich habe sie jetzt nicht mehr – Und die Liebe gibt wachsendes Elend nur als einzige Gabe her:
Mein Leib ward durch die Schmerzen wüst der Trennung von ihr, die mein – Und die Sehnsucht wandelte mich so, daß ich jetzt muß ein anderer sein.
Meine Lider sind rot von der Tränen Strom, und sie eitern seit langer Frist – Von der Tränen Strom, den zu dämmen, mir so ganz unmöglich ist.
Getroffen schwer ist mein Mannesmut, da ich mein Herz verlor – Wie mancher Gram türmt nach dem Los auf meinem Gram sich empor!
Mein Haupt und Herz sind altersgleich, sind beide weiß und grau – Weil ich der Schönheit Herrin verlor, die sternengleiche Frau!
Denn wider Willen trennten sie uns und zwangen die Trennung uns auf – Doch wünschen sie selbst sich weiter nichts als ruhiger Liebe Lauf.
Ah, wollte der Himmel, ich wüßte nur, ob einst die Trennung stirbt – Und ob den Anblick der Suchende einst und die Vereinigung erwirbt;
Und ob das Buch der Trennung sich, das andre öffnen, schließt – So daß der Gram sich selber tilgt und Jubellust aufsprießt!
Und seh als Zechgenossin ich sie einst an meiner Brust – So daß verwandelt der Kummer wird in Fröhlichkeit und Lust?
Und als er seine Verse geendet hatte, da rief der König laut: ›Bei Allah, ihr seid wahrlich ein Paar echter Liebender, treu auch in der Ferne, und am Schönheitshimmel seid ihr zwei leuchtende Sterne; eure Geschichte ist wunderbar und euer Erlebnis zeichenhaft.‹ Und er erzählte ihm alles, was Rose-im-Kelch widerfahren war; und Uns al-Wudschud sprach: ›Wo ist sie, o König der Zeit?‹ Versetzte Dirbas: ›Sie ist bei mir,‹ und er schickte nach dem Kasi und den Zeugen und entwarf den Ehevertrag zwischen ihm und ihr. Und er ehrte Uns al-Wudschud mit Gunst und Güte und schickte zum König Schamikh, den er bekannt machte mit allem, was geschehen war. Des freute sich dieser König und schrieb zurück: ›Dieweil die Zeremonie des Vertrages an deinem Hofe vollzogen ward, gebührt es sich, daß die Eheschließung und ihre Vollziehung an meinem stattfinden.‹ Schnell rüstete er Kamele und Rosse und Leute und schickte sie aus, um das Paar zu holen; und als die Gesandtschaft den König Dirbas erreichte, gab er den Liebenden große Schätze und entsandte sie mit einer Schar seiner eigenen Truppen zum Hofe des Königs Schamikh. Der Tag ihrer Ankunft war ein denkwürdiger Tag, und nimmer hatte man einen prunkvolleren erlebt, denn der König versammelte alle Sängerinnen und alle Lautenspielerinnen, und er hielt Hochzeitsbankette ab, und sieben Tage lang dauerten die großen Feste; und an jedem Tage spendete er dem Volk und verteilte Ehrengewänder. Dann ging Uns al-Wudschud hinein zu Rose-im-Kelch, und sie umarmten einander und saßen da und weinten vor dem Übermaß der Freude und des Glücks, derweilen sie die Verse sprach:
Es kam die Freude, Sorg und Not entschwanden – Wir sind vereint, der Neider ward zuschanden.
Die Brise der Vereinigung weht, belebend – Gestalt und Herz, aus würziger Düfte Landen;
Entzückung blüht und duftet Wohlgerüche – Die Trommel schallt, da wir uns endlich fanden.
Glaubt nicht, wir weinen unter Schmerzes Druck – Die Ströme rinnen, weil im Glück wir landen!
Wie manche Furcht sahn wir, die jetzt verblich! – Und harrend trugen wir, was schwer wir fanden:
Vergessen ist in einer Stunde jetzt – Was uns das Haar vor Angst mit Grau versetzt.
Und als sie die Verse gesprochen hatte, umarmten sie sich von neuem, und sie lösten sich nicht aus der Umarmung, bis sie ohnmächtig zu Boden fielen. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundeinundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Uns al-Wudschud und Rose-im-Kelch sich umarmten, als sie vereinigt waren, und daß sie ihre Umarmung nicht lösten, bis sie vor dem Entzücken der Wiedervereinigung ohnmächtig zu Boden sanken; und als sie wieder zu sich kamen, sprach Uns al-Wudschud diese Verse:
Wie freudig und süß ist die Nacht der Erfüllung – Da die Liebste mir hält, was sie verspricht;
Da Vereinigung uns bindet in dem, was wir haben – Da die Trennung verschwindet aus unsrem Gesicht,
Da die Welt zu uns kommt in all ihrer Schönheit – Die Stirn nicht mehr runzelnd in huldvollem Licht!
Das Glück hat für uns gepflanzt seine Banner – Und reicht uns den Becher und geizet nicht.
Wir sahn uns, beklagend das traurige Einst – Und die Nächte, die düster und voll Verzicht.
Aber jetzt, meine Herrin, ist fort was war – Sei ihm gnädig der Herr in seinem Gericht!
Wie süß ist das Leben, das Dasein, wie froh! – Meine Leidenschaft stillt selbst Vereinigung nicht.
Und als er seine Verse beendet hatte, umarmten sie sich aufs neue, ertrunken im Meere der Leidenschaft; und sie legten sich nieder im heimlichen Gemach und zechten und plauderten und sprachen Verse und erzählten sich heitere Geschichten und Anekdoten. In dieser Weise gingen sieben Tage über sie hin, während sie nicht den Tag von der Nacht unterschieden, und in dem Übermaß der Freude und Fröhlichkeit, der Lust und des Besitzes war es ihnen, als seien die sieben Tage nur ein einziger Tag ohne ein Morgen. Und auch den siebenten Tag erkannten sie nur daran, daß die Sängerinnen kamen und die Lautenspielerinnen; und Rose-im-Kelch erstaunte über die Maßen und sprach aus dem Stegreif diese Verse:
Der Eifersucht der Neider zum Verdruß – Was wir erhofften, schließlich wir gewannen:
Wir krönten diesen Tag durch die Umarmung – Auf Kissen, die Brokate überspannen;
Auf einem Bett, drein parfümierte Leder – Der daunigen Vögel Beute schwellend bannen.
Da Honiglippen süßen Most mir bieten – Enthalt ich mich des Weines aus den Kannen:
Und in des Kusses Gluten sehn wir nicht – Ob schnell die Zeit, ob langsam zieht von dannen:
Der Nächte sieben kamen schon und gingen – Wir merkten nichts davon, wie sie entrannen,
Bis sie am siebten Tag Glück wünschend kamen – Und sprachen: Lang umschließe euch ein solcher Rahmen!
Und als sie ihre Verse geendet hatte, küßte Uns al-Wudschud sie mehr als hundertmal, und er sprach die Verse:
O Tag der Freuden für beide Liebenden! – Die Geliebte kam und befreite von einsamer Pein:
Sie segnete mich mit all ihren inneren Reizen – Und lud mich mit innerer Anmut zum Plaudern ein:
Sie gab mir den Wein der Liebe so lange zu trinken – Bis ich kraftlos war vor Lust und ihrer Liebe Wein:
Wir scherzten und spielten und lagen wohl aufeinander – Und wandten dem Becher uns zu und lieblichen Melodein!
Und nimmer merkten im Übermaß des Genusses wir – Wie der Tag erlosch und wieder erschien im Schein.
Glück jedem Liebenden, Wiedersehn find er – Und wie ich selber gefüllt der Freuden Schrein;
Nimmer koste er von der bitteren Frucht der Trennung – Mein ward die Freude, so werde die Freude auch sein!
Dann gingen sie hinaus und gaben dem Volke Almosen, Geldgeschenke, Kleider, seltene Gaben und andere Zeichen der Großmut. Und schließlich befahl Rose-im-Kelch, ihr das Bad zu räumen, und indem sie sich zu Uns al-Wudschud wandte, sprach sie zu ihm: ›O Kühle meiner Augen, es verlangt mich, dich im Bade zu sehen, und wir wollen dorten allein sein.‹ Mit Freuden war er bereit, und sie ließ das Hammam mit allerlei duftenden Hölzern und Essenzen parfümieren und die Wachskerzen entzünden. Und in dem Übermaß ihrer Zufriedenheit sprach sie die Verse:
O du, der sich mein Herz gewann zu andrer Zeit – (Die Gegenwart spricht stets von der Vergangenheit):
Und der du bist mein einziges Genügen – Nicht wünsch ich andre Freunde zum Geleit:
Komm ins Hammam mit mir, Licht meiner Augen – Das Höllentor zum Eden öffne weit!
Es dufte Amber uns und Aloenholz – Bis uns der Wolken schwere Last umfeiht;
Es sei der Welt der Sünden Schar verziehn – Daß der Erbarmer uns auch hold verzeiht!
Dann will ich rufen, wenn ich dich erblicke: – ›Geliebter, auf! Der Segen ist bereit!‹
Und beide standen auf, gingen ins Bad und genossen ihre Lust darin; dann kehrten sie in den Palast zurück, und dort lebten sie in der Fülle des Genusses, bis zu ihnen kam der Vernichter der Wonnen und der Trenner der Gemeinschaft. Ruhm aber sei dem, der sich nicht wandelt und der nicht aufhört und zu dem alles heimkehrt!
Und man erzählt auch eine
Eines Tages schloß Abu Nowas sich ein, und indem er ein reich versehenes Gastmahl rüstete, holte er Gerichte aller Art und jeder Farbe dafür herbei, wie sie sich Lippen und Zunge nur wünschen können. Dann ging er aus, um sich einen Knaben zu suchen, der solcher Bewirtung würdig wäre, indem er sprach: ›Allah, mein Herr und mein Gebieter, ich flehe dich an, sende mir einen, der paßt zu diesem Bankett, und der geeignet ist, heute mit mir zu zechen!‹ Kaum nun hatte er ausgesprochen, so sah er drei Jünglinge, schön und bartlos, als wären sie Knaben aus dem Paradiese; sie waren verschieden nach ihrer Farbe, aber gleich in unvergleichlicher Schönheit; und alle Herzen sehnten sich verlangend, wenn ihre biegsamen Gestalten sich wiegten, genau wie der Dichter es sagt:
Ich traf ein unvergleichliches, bartloses Paar – Und ich rief: Ich liebe euch beide fürwahr!
Hast du Geld? fragte einer. Ich sprach: Auch die offene Hand – Das ist unser Fall! rief das schöne Paar.
Nun war Abu Nowas solchen Freuden ergeben, und er liebte es, mit schönen Knaben zu spielen und sich mit ihnen zu vergnügen und die Rose von jeder hell blühenden Wange zu pflücken, wie denn der Sänger singt:
Manch grauer Schaykh fühlt noch den Stich des Fleisches – Und liebt die Schönheit, die von Lüsten schäumt:
Wie mancher wacht im reinen Mosul auf – Der doch den Tag lang von Aleppo träumt.
Und er sprach sie an mit dem Salam, und sie gaben ihm den Gruß zurück, höflich und in aller Ehrerbietung; und sie wären ihrer Wege gegangen, er aber hielt sie zurück, indem er die Verse sprach:
Lenkt eure Schritte zu keinem als mir – Ich hab eine Mine der Köstlichkeit:
Im Kloster gegorenen, feurigen Wein – Der leuchtet hell aus ältester Zeit;
Und Hammelbraten von feinstem Geschmack – Und vielerlei Vögel halt ich bereit.
Von diesen eßt und von jenem trinkt – Denn alter Wein zeugt Lustigkeit:
Und knetet wechselnd beide dann – Dies Werkzeug, das euch ganz geweiht!
Und die Jünglinge ließen sich von seinen Versen bestechen und gingen ein auf seine Wünsche. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundzweiundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Abu Nowas die Jünglinge mit seinen Versen bestach, und sie gingen auf seine Wünsche ein, indem sie sprachen: ›Wir hören und gehorchen.‹ Und sie begleiteten ihn in sein Haus, wo sie alles bereit fanden, was er in seinen Versen erwähnt hatte Sie setzten sich und aßen und tranken und vergnügten sich eine Weile; und dann wandten sie sich an Abu Nowas, damit er entscheide, wer von ihnen der Schönste wäre von Angesicht und der Lieblichste von Wuchs. Da zeigte er auf den einen unter ihnen, küßte ihn zweimal und sprach die Verse:
Mit meiner Seele lös ich den Schönheitsfleck – Wer zögert, steht zwischen ihm und Geld die Wahl?
Preis ihm, der haarlos die Wange gemacht – Und die Schönheit tat in das Mal, das Mal!
Und er zeigte auf den zweiten, küßte ihm die Lippen und sprach die Verse:
Mein Liebling trägt auf der Wange ein Mal – Wie Moschus auf reinem Kampfer steht:
Meine Äuglein staunen, da sie den Gegensatz sehn – Und es ruft das Mal: Gesegnet sei der Prophet!
Zuletzt aber zeigte er auf den dritten, und nachdem er ihn zehnmal geküßt hatte, sprach er diese Verse:
Der Jüngling schmolz in silberner Schüssel Gold – Und seine Finger trugen Flecken vom Wein:
Die Schenken reichten mit ihm mir einen Becher – Aus seinen Augen trank ich zugleich wie aus zwein.
Ein Liebling und Sohn der Türken, ein Reh – Sein Rumpf verbindet das Doppelgebirg Honain.
Könnt Evas Tochter mein Herz versuchen – Zwiefacher Lockung trüg es gern die Pein.
Die eine lockt nach Dijar-i-Bakr mich – Zur Stadt der zwei Moscheen lockt die andre hinein.
Nun hatte jeder der Jünglinge zwei Becher getrunken, und als die Reihe an Abu Nowas kam, da nahm er den Becher und sprach diese Verse:
Trinkt starken Wein nur aus der Hand des schlanken Lieblings – Da jeder gleich zum Geist in allen Gaben spricht:
Denn Wein kann nie des Zechers Herz erfreuen – Zeigt nicht der Schenke ihm ein hell Gesicht.
Und er trank seinen Becher aus, der von neuem kreiste, und als er wiederum zu Abu Nowas kam, da gewann der Genuß Gewalt über ihn, und er sprach diese Verse:
Für Freunde reiche Becher du nach Becher – Randvoll, so bringe sie in ganzen Reihn:
Braunlippige Schönheit gibt sie, die so süß – Wie Apfel ist und Moschus, rein und fein.
Trink niemals Wein als aus der Hand des Rehs – Der Wangenkuß sei süßer als der Wein!
Und alsbald stieg ihm der Wein zu Kopfe, die Trunkenheit übermannte ihn, und er konnte Haupt und Hand nicht mehr unterscheiden, so daß er von Seite zu Seite schwankte und sich niederbeugte zu den Jünglingen allen, die er bald küßte und bald umarmte, indem er Bein auf Bein legte. Und er zeigte keinerlei Sinn mehr für Sünde oder Scham, sondern sprach diese Verse:
Keiner kennt den Genuß als der Jüngling frei – Wenn die Schönen gesellig die Laute schlagen:
Dann singt ihm bald dieser, bald singt ihm der – Und er liegt, wie in einen Haufen geschlagen:
Und wenn er vom Liebling ein Küßlein begehrt – Nimmt er von den Lippen ihn, ohne zu fragen;
Gott segne sie! Lieblich verging bei ihnen mein Tag – Eine herrliche Ernte hab ich davongetragen:
Laßt uns trinken, mit Wasser verdünnt wie auch rein – Und alle besteigen, die da zu schlummern wagen!
Als sie nun in diesem Zustand der Ausschweifung waren, siehe, da pochte es an die Türe; und sie riefen dem, der da pochte, zu, er solle eintreten, und siehe, es war der Beherrscher der Gläubigen, Harun al-Raschid. Als sie ihn sahen, standen sie sämtlich auf und küßten vor ihm den Boden. Abu Nowas aber erwachte aus Scheu vor dem Kalifen aus seinem Weinrausch; und jener sprach zu ihm: ›He, Abu Nowas!‹ Versetzte er: ›Zur Stelle und zu deinen Diensten, o Beherrscher der Gläubigen, den Allah behüte!‹ Fragte der Kalif: ›In welchem Zustand finde ich dich hier?‹ Und der Dichter erwiderte: ›O Fürst der wahren Gläubigen, mein Zustand macht zweifelsohne alle Fragen überflüssig.‹ Sprach der Kalif: ›O Abu Nowas, ich habe den allmächtigen Allah gebeten, mich zu leiten, und ich habe dich ernannt zum Kasi der Kuppler und Zwischenträger.‹ Fragte er: ›Bekleidest du mich wirklich mit diesem hohen Amte, o Beherrscher der Gläubigen?‹ Und der Kalif versetzte: ›Ja.‹ Worauf Abu Nowas fragte: ›O Beherrscher der Gläubigen, hast du mir einen Streitfall vorzutragen?‹ Darüber ergrimmte der Kalif, und er wandte sich ab und verließ sie in heller Wut, und er verbrachte die Nacht in wildem Zorn wider Abu Nowas, der unter seinen Gästen die lustigste, heiterste und fröhlichste Nacht verlebte. Und als das Tagesgrauen dämmerte und der Morgenstern aufging in Glanz und Leuchten, da hob er die Sitzung auf, entließ die Jünglinge, legte sein Hofgewand an und brach auf aus seinem Hause nach dem Palast des Kalifen. Nun war es die Gewohnheit des Beherrschers der Gläubigen, wenn der Diwan aufgelöst war, sich zurückzuziehen in seinen Saal und seine Dichter und Zechgenossen und Musiker dorthin zu berufen, deren jeder seinen eigenen Platz hatte, den er nicht überschreiten durfte. Und auch an diesem Tage zog er sich in seinen Saal zurück, und die Freunde und Vertrauten kamen und setzten sich, ein jeder nach seinem Rang und Grad. Und siehe, auch Abu Nowas trat ein und wollte sich setzen auf seinen gewohnten Sitz; aber der Kalif rief Masrur, den Träger des Schwertes, und er befahl ihm, den Dichter seiner Gewänder zu entkleiden, ihm eines Esels Packsattel auf den Rücken, eine Halfter um den Hals und einen Schwanzriemen unter den Steiß zu legen, und ihn so herumzuführen in die Gemächer der Sklavinnen und – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertunddreiundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Kalif Masrur, dem Träger des Schwertes, befahl, Abu Nowas seiner höfischen Kleidung zu entkleiden, ihm eines Esels Packsattel auf den Rücken, eine Halfter um den Hals und einen Schwanzriemen unter den Steiß zu legen, und ihn so herumzuführen in alle Gemächer der Sklavinnen und durch alle Kammern des Harims, damit die Frauen ihn verspotten könnten; dann aber ihm das Haupt abzuschlagen und es ihm zu bringen. ›Hören und Gehorsam,‹ erwiderte Masrur, und er tat mit Abu Nowas, was der Kalif ihm befohlen hatte, und führte ihn herum durch all die Kammern, deren Zahl der der Tage des Jahres gleich kam. Nun war Abu Nowas aber ein witziger Bursche, und all die Mädchen mußten über seine Narreteien lachen, so daß eine jede ihm etwas gab und er mit vollen Taschen zurückkehren konnte. Und während solches vor sich ging, siehe, da trat Dscha'afar, der Barmekide, ein, der in wichtigen Geschäften für den Beherrscher der Gläubigen fortgewesen war; und als er den Dichter trotz seines Zustandes erkannte, rief er: ›He, Abu Nowas!‹ Sprach der: ›Zu deinen Diensten, o unser Herr!‹ Fragte Dscha'afar: ›Welche Sünde hast du begangen, daß du dir eine solche Strafe zugezogen hast?‹ Versetzte er: ›Keine; nur habe ich dem Kalifen, unserem Herrn, meine besten Verse zum Geschenk gemacht, und er gab mir dafür sein bestes Gewand.‹ Als nun der Fürst der wahren Gläubigen das hörte, da lachte er aus einem Herzen voller Grimm heraus und verzieh Abu Nowas, dem er zudem noch zehntausend Dirhems schenkte.
Und man erzählt auch
Ein Basri kaufte einmal eine Sklavin, die er aufzog und aufs trefflichste unterweisen ließ. Er liebte sie sehr, und er verschwendete seine ganze Habe in Vergnügungen und Belustigungen mit ihr, bis ihm nichts mehr blieb, so daß ihn äußerste Armut bedrängte. Da sprach sie zu ihm: ›O mein Gebieter, verkaufe mich; denn du brauchst den Preis, und mir schmerzt das Herz, wenn ich deine traurige und bedürftige Lage sehe. Wenn du mich verkaufst und den Erlös benutzest, so wird das besser für dich sein, als wenn du mich behältst, und vielleicht wird Allah dir helfen und deine Lage bessern.‹ Er willigte ein, weil die Not ihn bedrängte, und führte sie auf den Markt, wo der Mäkler sie dem Statthalter von Bassorah zum Kaufe anbot, der da Abdallah bin Maamar al-Taimi hieß, und dem sie gefiel. Er kaufte sie also für fünfhundert Dinare und zahlte ihrem Herrn die Summe; doch als er das Geld erhalten hatte und fortgehen wollte, brach das Mädchen in Tränen aus und sprach diese Verse:
Gäb dir das Geld, was dir an Freuden fehlt – Mir bleibt nichts als der Schmerz, der sehrend schwelt:
Ich sag der Seele, die bekümmert klagt: – Dein Freund fragt nicht, ob es dich freut, ob quält.
Und als ihr Herr das hörte, da seufzte er und erwiderte mit diesen Versen:
Hilft deiner Not auch jetzt kein Mittel mehr – Und bleibt dir nur der Tod, dennoch vergib!
Es teilt so Tag wie Nachts ein Deingedenken – Dem Herzen Trost aus, das voll Kummer blieb:
Sei mit dir Frieden! Nie sehn wir uns mehr – Es sei denn, daß Abdallahs Wunsch es wär!
Als nun Abdallah bin Maamar diese Verse hörte und ihre Liebe erkannte, da rief er aus: ›Bei Allah, ich will dem Schicksal nicht dabei helfen, euch zu trennen; denn ich sehe deutlich, daß ihr euch liebt. Nimm also das Geld und das Mädchen, o Mann, und Allah segne dir beides, denn wahrlich, der Abschied bringt Liebenden Gram.‹ Und beide küßten ihm die Hand und gingen davon, und sie lebten beisammen, bis der Tod sie trennte; und Ruhm sei dem, den der Tod nicht erreicht!
Unter anderen Geschichten aber ist auch
Einst lebte unter den Banu Ozrah ein schöner und gebildeter Mann, der keinen einzigen Tag ohne Liebe verlebte; und es begab sich, daß er sich in eine Schöne seines eigenen Stammes verliebte, der er viele Briefe sandte; sie aber behandelte ihn grausam und geringschätzig, bis er vor dem Übermaß der Liebe und Sehnsucht an schwerer Krankheit erkrankte, sich auf die Kissen legte und den Schlaf erschlug. Seine Krankheit wuchs unablässig, und seine Qualen steigerten sich, und er war dem Tode nahe, als seine Not bekannt wurde unter den Leuten und seine Leidenschaft ruchbar. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundvierundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Liebende sich auf seine Kissen legte und den Schlaf erschlug. Da wurde seine Not bekannt unter allem Volk, und seine Leidenschaft wurde ruchbar; seine Schwäche aber wuchs, und seine Schmerzen steigerten sich, bis er dem Tode nahe war. Die Seinen sowohl wie die Ihren drängten sie, ihn aufzusuchen, sie aber weigerte sich, bis er im Sterben lag, und als sie das hörte, da wurde sie weich und schenkte ihm einen Besuch. Und als er sie sah, da rannen ihm die Augen über vor Tränen, und er sprach aus gebrochenem Herzen:
Bei deinem Leben, zieht mein Grabzug dir vorüber – Die Bahre, die vier Freundesschultern heben:
Folgst du ihr nicht und grüßest nicht das Grab – Darin mein Leib auf ewig nun muß leben?
Als sie das hörte, da weinte sie in bitterem Weinen und sprach: ›Bei Allah, ich ahnte nicht, daß die Leidenschaft dich übermannen würde, bis sie dich dem Tode in die Arme würfe! Hätte ich das gewußt, ich hätte mich deinem Wunsche gebeugt, und du hättest deinen Willen gehabt.‹ Ihm aber strömten die Tränen nieder, wie die Wolken Regen vergießen, und er sprach die Verse:
Sie trat herbei, als uns der Tod schon trennte – Und lieh ihr Ohr, als alles nutzlos war.
Und er seufzte noch einmal auf und starb. Da warf sie sich auf ihn, küßte ihn, weinte und ließ zu weinen nicht ab, bis sie in Ohnmacht sank; und als sie wieder zu sich kam, befahl sie den Ihren, ihn in seinem Grabe zu begraben, und unter strömenden Tränen sprach sie die Verse:
Wir lebten auf Erden in Zufriedenheit – Und Stamm und Haus und Heimat waren stolz;
Doch trennte wirbelnd uns der Flug der Zeit – Bis uns die Erde eint im Sargesholz.
Und sie begann von neuem zu weinen, und sie ließ zu weinen und zu klagen nicht ab, bis sie in Ohnmacht sank; und drei Tage lang lag sie ohne Besinnung da. Dann starb sie und wurde in seinem Grabe begraben. Dies ist eine der wunderbaren Begebenheiten der Liebe.
Und ich hörte erzählen auch
Es wird berichtet, daß Badr al-Din, der Vezier von Al-Yaman, einen jungen Bruder von einziger Schönheit besaß, den er streng bewachte. Und er ließ es sich angelegen sein, ihm einen Lehrer zu suchen, und als er einen Schaykh von würdiger und ehrerbietiger Erscheinung und keuschem und gottesfürchtigem Leben fand, da brachte er ihn in einem Hause neben dem seinen unter. Das währte geraume Zeit, und täglich kam jener aus seiner Wohnung in die des Sahib Badr al-Din und unterrichtete den jungen Bruder. Nach einer Weile aber entflammte das Herz des Alten in Liebe zu dem Jüngling, und die Sehnsucht bedrängte ihn, und sein Herz wurde unruhig, bis er dem Knaben eines Tages seinen Zustand klagte, und der ihm erwiderte: ›Was kann ich tun, da ich doch meinen Bruder weder bei Tage noch bei Nacht verlassen darf? Du selber siehst, wie sorgsam er mich bewacht.‹ Sprach der Schaykh: ›Meine Wohnung stößt an deine; also wird es nicht schwer sein, wenn dein Bruder schläft, aufzustehen, in den Abort zu gehen und zu tun, als schliefest du. Dann tritt an die Brustwehr der Dachterrasse, und ich will dich auf der anderen Seite der Mauer empfangen; du aber sollst einen Augenblick bei mir sitzen und zurückkehren, ohne daß dein Bruder es merkt.‹ Versetzte der Knabe: ›Ich höre und gehorche‹; und der Lehrer begann, Geschenke zu rüsten, wie sie seinem Range entsprachen. Als nun ein Teil der Nacht verstrichen war, trat der Knabe in den Abort und wartete, bis sein Bruder sich niederlegte auf seinem Bett; und er faßte sich in Geduld, bis jener ertrunken war im Schlafe, um dann zu der Brustwehr der Dachterrasse zu gehen, wo er den Alten schon vorfand; der gab ihm die Hand und führte ihn in sein Zimmer, darin er zu seiner Bewirtung allerlei Leckerbissen bereitet hatte; und sie setzten sich nieder zum Gelage. Nun war es die Nacht des Vollmonds, und als sie dasaßen und der Becher unter ihnen kreiste, fielen seine Strahlen auf sie hinab, und der Lehrer begann zu singen. Aber während sie so in Freude und Heiterkeit, Lust und Vergnügen schwelgten, wie es den Verstand und das Auge blendet und der Schilderung trotzt, siehe, da erwachte der Vezier, und da er seinen jungen Bruder vermißte, stand er voll Schrecken auf und fand die Tür unverschlossen. Er ging also zum Dache hinauf, und da er sprechen hörte, so kletterte er über die Brustwehr auf die Terrasse des Nachbarhauses und sah einen Lichtschein aus dem Hause kommen. Er spähte hinter der Mauer her hinab und sah seinen Bruder und dessen Lehrer beim Gelage sitzen; aber der Alte wurde ihn gewahr und sang, mit dem Becher in der Hand, zu einer lebhaften Melodie diese Verse:
Er gab mir den Wein der Honiglippen – Und trank mir mit Rosen und Myrten zu;
Das Kind unter Menschen ohnegleichen – Wang an Wange pflog es mit mir der Ruh.
Der Vollmond ging auf und schien hernieder – Verrat uns dem Bruder nicht, flehe jetzt du!
Und es bewies die vornehme Gesinnung des Veziers Badr al-Din, daß er sprach, als er diese Worte vernahm: ›Bei Allah, ich will euch nicht verraten!‹ Und er ging fort und überließ sie ihrer Lust.
Man erzählt auch
Ein freier Knabe und eine Sklavin lernten einmal in der gleichen Schule, und der Knabe verliebte sich leidenschaftlich in das Mädchen. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundfünfundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß der Knabe sich leidenschaftlich in das Mädchen verliebte; und eines Tages, als die anderen Knaben seiner nicht achteten, nahm er ihre Tafel und schrieb darauf diese beiden Verspaare:
Was sagst du zu dem, den die Krankheit verwüstet – Und der durch die Liebe zu dir ganz verstört ward?
Der da klagt ob der Schmerzen und nicht länger heimlich – Die Last mehr ertragen kann, die nimmer erhört ward?
Und als das Mädchen ihre Tafel nahm, las sie die Verse, die darauf geschrieben standen, und als sie sie begriff, da weinte sie aus Mitleid mit ihm; und sie schrieb darunter diese Verse:
Sehn den Liebenden wir, von der Liebe vernichtet – So erhören wir ihn, wenn er ganz erlag:
Ja, was er begehrt, das soll er erhalten – Und komme auch, was da nur kommen mag.
Nun aber traf es sich, daß der Lehrer zu ihnen trat, und unbemerkt nahm er die Tafel und las, was darauf geschrieben stand. Und ihn faßte Mitleid mit ihnen, und er schrieb unter die Verse, die schon darauf standen, auch diese noch, die an das Mädchen gerichtet waren:
Tröste den Liebenden, fürchte die Folgen nicht – Von der Liebe loderndem Wahnsinn ist er geschlagen;
Und vor dem Lehrer fürchte dich nimmermehr – Er hat der Liebe Not längst schon vor euch getragen.
Bald darauf aber traf es sich, daß der Besitzer des Mädchens in die Schule trat, und da er die Tafel fand, las er die Verse, die der Knabe, das Mädchen und der Lehrer geschrieben hatten; und darunter schrieb er diese:
Geb Allah nie die Trennung euch zu kosten – Und euer Tadler komme rasch zuschanden;
Doch euer Lehrer ist der schlimmste Kuppler – Bei Allah, den je meine Augen fanden!
Und er schickte nach dem Kasi und den Zeugen und vermählte sie auf der Stelle. Ferner rüstete er ihnen ein Hochzeitsfest und behandelte sie mit höchster Freigebigkeit; und sie lebten miteinander in Freude und Glück, bis zu ihnen kam der Vernichter der Wonnen und der Trenner aller Gemeinschaft.
Und ebenso heiter ist
Es wird berichtet, daß Al-Mutalammis einst vor Al-Nu'uman bin Munzir floh und so lange fortblieb, daß man ihn für tot hielt. Nun hatte er ein schönes Weib namens Umaimah, und die Ihren drängten sie, sich von neuem zu vermählen; sie aber weigerte sich, denn sie liebte ihren Gatten Al-Mutalammis sehr. Ihre Sippe aber wurde wegen der Fülle der Freier immer dringlicher, und man belästigte sie, bis sie schließlich einwilligte, wenn auch widerstrebend; und man vermählte sie einem Manne aus ihrem eigenen Stamm. Nun kehrte eben in der Hochzeitsnacht Al-Mutalammis zurück, und als er den Klang der Pfeifen und Trommeln im Lager vernahm und die Zeichen eines Hochzeitsfestes sah, fragte er ein paar Kinder, was die Lustbarkeit bedeutete. Versetzten sie: ›Sie haben Umaimah, das Weib des Al-Mutalammis, mit demunddem vermählt, und er geht heute nacht zu ihr.‹ Als er das hörte, da fand er Mittel und Wege, unter der Schar der Frauen in das Haus zu kommen, und er sah das Paar auf dem bräutlichen Lager sitzen. Und langsam rückte ihr der Bräutigam näher, und sie seufzte schwer und sprach weinend diese Verse:
Wenn ich nur wüßte (viel sind der Wechsel in Leid und Lust) – In welchem fernen Land, Mutalammis, du wandern mußt!
Nun war Al-Mutalammis ein berühmter Dichter, und er erwiderte ihr mit den Worten:
Ganz nah bei dir, Umaimah; wenn die Karawane – Halt machte, zog mir stets die Sehnsucht durch die Brust.
Und als der Bräutigam das hörte, erriet er, wie es stand, und erhob sich und ging eiligst davon, indem er aus dem Stegreif sprach:
Ich schwamm im schönsten Glück, doch es schlug um – Euch hält ein gastlich Haus, ihr beide habt's gewußt!
Und er kehrte nicht wieder um, sondern ließ die beiden allein. Und Al-Mutalammis und sein Weib lebten zusammen in allem Behagen und aller Freude des Lebens, und in aller Lust und Fröhlichkeit, bis der Tod sie trennte. Ruhm aber sei dem, auf dessen Befehl die Erde und der Himmel sich erheben werden!
Und unter anderen Erzählungen gibt es
Der Kalif Harun al-Raschid liebte die Herrin Subaidah mit höchster Liebe, und er legte für sie einen Lustgarten an, darin er einen großen Teich schuf, den er mit Bäumen umhegte und in den er von allen Seiten Wasser leitete. Und die Bäume wuchsen und verschlangen sich so dicht über dem Becken, daß man hineingehen und dort baden konnte, ohne daß man gesehen wurde, denn das Laub versperrte den Blick. Nun begab es sich eines Tages, daß die Königin Subaidah den Garten betrat, und als sie zu dem Schwimmbad kam – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundsechsundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß die Königin Subaidah den Garten betrat, und als sie zu dem Schwimmbad kam, weidete sie sich an seiner Schönheit; und der Schein des Wassers und der Schatten der Bäume gefielen ihr. Es war aber ein Tag von übermäßiger Hitze; und sie legte daher die Kleider ab und trat in das Wasser, das nicht tief genug war, den ganzen Körper zu bedecken; sie mußte sich also mit einer silbernen Kanne das Wasser über die Schultern gießen.
Nun traf es sich, daß der Kalif hörte, sie sei im Bade; und er verließ den Palast und ging hinab, um ihr durch das Laubgitter zuzusehen. Er stellte sich hinter die Bäume und sah sie splitternackt, denn sie zeigte alles, was verborgen ist. Sie aber wurde ihn gewahr, und als sie sich umdrehte, sah sie ihn hinter den Bäumen und schämte sich, daß er sie nackt gesehen hatte. Und sie legte die Hände vor die Scham, nur den Venusberg konnte sie wegen seiner Größe und Fülle nicht verstecken. Und der Kalif machte Kehrt und ging davon, und er wunderte sich und sprach das Verspaar:
Ich sah sie an mit Liebesblick – Und alte Sehnsucht kam zurück.
Aber er wußte nicht, wie er fortfahren sollte, und deshalb schickte er nach Abu Nowas und sprach zu ihm: ›Mache mir ein paar Verse, die mit dieser Zeile beginnen.‹ ›Ich höre und gehorche,‹ erwiderte der Dichter, und im Nu hatte er aus dem Stegreif diese Verse gedichtet:
Ich sah mit Liebesblick sie an – Und dachte alter Sehnsucht dann
Nach der Gazelle, die mich fing – Wo Lotus sich an Lotus hing:
Jetzt goß sie Wasser drüber her – Die Kanne war aus Silber schwer;
Gar gern verbarg sie sie dem Blick – Doch war den Fingern sie zu dick.
Wollt Gott, man legte mich darauf – Ich dächte nicht der Stunden Lauf!
Und der Beherrscher der Gläubigen lächelte und machte ihm ein schönes Geschenk, so daß er voller Freuden davonging.
Und ich vernahm auch
Der Fürst der wahren Gläubigen, Harun al-Raschid, war eines Nachts sehr rastlos, und er stand auf und ging in seinem Palast umher, bis er eine Sklavin fand, die vom Weine trunken war. Nun war er in eben dies Mädchen leidenschaftlich verliebt; und er spielte also mit ihr und zog sie an sich, so daß ihr Gürtel herabfiel und ihre Hose sich lockerte, worauf er sie um ihre Liebesgunst bat. Sie aber sprach zu ihm: ›O Beherrscher der Gläubigen, warte bis morgen nacht, denn ich bin nicht vorbereitet, da ich nicht von deinem Kommen wußte.‹ Da verließ er sie und ging davon. Als aber des Morgens Licht aufging und hell die Sonne am Himmel hing, da schickte er einen Mamelucken zu ihr und sprach: ›Der Beherrscher der Gläubigen steht im Begriff, dein Gemach zu besuchen.‹ Versetzte sie: ›Der Tag verwischt das Versprechen der Nacht.‹ Sprach er zu seinen Höflingen: ›Macht mir ein paar Verse, in denen die Worte stehen: Der Tag verwischt das Versprechen der Nacht.‹ Erwiderten sie: ›Wir hören und gehorchen.‹ Und Al-Rakaschi trat vor und sprach die folgenden Verse:
Bei Allah, fühltest du nur meinen Schmerz – Du wärest um deine Ruh gebracht.
In Kummer und Liebe hat mich die schöne Maid – Ungesehn und unsichtbar verstört gemacht:
Sie versprach ihre Huld, doch spricht sie voll Trug: – Der Tag verwischt das Versprechen der Nacht!
Dann trat Abu Musab vor und sprach die Verse:
Wann wirst du weise und läßt von der Liebesglut – Die um Speisung und Schlaf dich längst gebracht?
Genügt dir noch nicht das ewig strömende Auge – Und das Herz, das dein bloßer Name entfacht?
Er lächelt und lacht und ruft voll Stolz: Der Tag verwischt das Versprechen der Nacht!
Und als letzter trat Abu Nowas vor und sprach diese Verse:
Je länger die Liebe ward, trafen wir weniger uns – Und so endeten wir die nutzlose Schlacht;
Ich fand eines Nachts sie trunken im Schloß – Und doch war auf Züchtigkeit noch sie bedacht:
Von den Schultern der Schleier glitt, und da gelöst – Ihre Hose sank, spürt ich der Liebe Macht:
Es rüttelten Winde ihr am Gesäß – Und am Zweig, wo die Doppelgranate lacht:
Sprach ich: Laß mich ein! Doch sprach sie darauf: – Der Tempel glänzt morgen in voller Pracht!
Am nächsten Tage sprach ich: Dein Wort? Und sie: – Der Tag verwischt das Versprechen der Nacht!
Da befahl der Kalif, Al-Rakaschi und Abu Musab je zehntausend Dirhems zu geben, Abu Nowas aber den Kopf abzuschlagen, indem er sprach: ›Du warst gestern bei uns im Palast.‹ Sprach er: ›Bei Allah, ich schlief nirgends als in meinem Hause! Was ich sagte, darauf brachten mich deine eigenen Worte über das Thema der Verse; und wahrlich, es sprach der allmächtige Allah (und er ist der wahrste aller, die da reden): Die Dichter aber (die Teufel sollen sie verfolgen!), siehst du nicht, wie sie schweifen, beraubt ihrer Sinne, durch jedes Tal, und wie sie das sagen, was sie nicht tun?‹ Da vergab der Kalif ihm, und er schenkte ihm zwanzigtausend Dirhems.
Eine andere Geschichte aber ist
Es wird berichtet von Musab bin al-Subair, daß er in Al-Medina Izzah traf, die da eine der schlauesten Frauen war, und er sprach zu ihr: ›Ich hätte Lust, Ajischah zum Weibe zu nehmen, die Tochter Talhahs; und ich möchte, daß du zu ihr gingest, um zu sehen, wie sie gebaut ist.‹ Da ging sie fort, und als sie zurückkehrte zu Musab, sprach sie zu ihm: ›Ich habe sie gesehen, und ihr Gesicht ist schöner als die Gesundheit; sie hat große und weitoffene Augen, und unter ihnen eine Nase, glatt und gerade wie ein Rohr; ovale Wangen und einen Mund gleich einer gespaltenen Granate, einen Hals gleich einer silbernen Kanne, und darunter einen Busen mit zwei Brüsten, die da sind wie ein Granatenpaar; unter ihnen wiederum einen schlanken Rumpf und einen dünnen Bauch mit einem Nabel darin, als wäre er eine Büchse aus Elfenbein, und schließlich ein Gesäß gleich zwei Hügeln aus Sand; ihre Schenkel aber sind straff gerundet, und ihre Waden gleichen Alabastersäulen; nur sah ich, daß ihre Füße groß sind, und in Zeiten der Not wirst du mit ihr zu kurz kommen.‹ Auf diesen Bericht hin vermählte er sich ihr. – –«
Und Schahrazad bemerkte das Grauen des Tages und hielt inne in der verstatteten Rede. Doch als die Dreihundertundsiebenundachtzigste Nacht da war, fuhr sie also fort: »Ich vernahm, o glücklicher König, daß Musab sich auf den Bericht der Izzah hin mit Ajischah bin Talhah vermählte und zu ihr ging. Izzah aber lud Ajischah und die Frauen vom Stamme Kuraisch in ihr Haus, und dort sang Ajischah in Gegenwart Musabs diese beiden Verspaare:
Und der Mädchen Lippen, sie duften so süß – Sie sind hübsch zu küssen, wenn lächelnd sie grüßen:
Doch wenn ich sie küßte, dacht stets ich an ihn – Wie wir in Gedanken dem Herrscher uns beugen müssen.
In der Nacht aber, da Musab ihr beiwohnte, ließ er nicht vor dem siebenten Sturm von ihr ab; und am folgenden Morgen traf ihn eine seiner Freigelassenen, und sie sprach: ›Möge ich dein Opfer sein! Du bist selbst hierin vollkommen!‹ Und ein anderes Weib sagte: ›Ich war bei Ajischah, als ihr Gatte zu ihr kam, und sie verlangte nach ihm; da fiel er über sie her, und sie schluchzte und schnaubte und machte Gebrauch von allerlei wunderbaren Bewegungen und erstaunlichen neuen Erfindungen, während doch ich in Hörweite war. Als er sie also verließ, sprach ich zu ihr: Wie kannst du bei deinem Rang und deinem Adel und deinem Stande also tun, zumal ich in deinem Hause war? Sprach sie: Wahrlich, eine Frau sollte ihrem Manne alles bringen, wessen sie Meisterin ist an aufregenden Dingen, seltsamen Stößen, Windungen und Bewegungen. Was mißfällt dir daran? Und ich versetzte: Ich möchte, daß es nachts geschieht! Versetzte sie: So ist es bei Tage, nachts tue ich noch mehr; denn wenn er mich sehen kann, so stachelt ihn die Begierde, und er wird heiß; dann streckt er es her, und ich gehorche ihm, und es geht, wie du siehst.‹
Und ich habe vernommen auch eine