Es ist 5 vor 1933 - Philipp Ruch - E-Book
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Es ist 5 vor 1933 E-Book

Philipp Ruch

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Beschreibung

»Es ist der Weckruf der Stunde.« Süddeutsche Zeitung

»Dieses Buch ist eine geistige Waffe!« Georg Diez


Die Brandmauer bröckelt: War die AfD bis vor einiger Zeit noch nahezu isoliert, scheinen sich immer größere Teile von Politik und Gesellschaft mit ihren menschenfeindlichen Positionen, dem Rassismus, dem Sexismus und der antidemokratischen Rhetorik abzufinden. Die rechtsextreme Partei bereitet sich darauf vor, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Sollte ihr das gelingen, würde sie zügig ihren Plan umsetzen: die Demokratie abschaffen und Deutschland von innen her umbauen. Wie können wir das ganze Ausmaß dessen, was ein AfD-Staat anrichten würde, heute schon erfassen? Philipp Ruch blickt zurück in die politische Vergangenheit des Landes und stellt sich der Frage, ob unsere Abwehrpolitik gegen die AfD heute besser ist als die damalige gegen die NSDAP. Dazu hat der Gründer des »Zentrums für Politische Schönheit« über 2000 Beweisstücke für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD zusammengetragen, die keinen Zweifel daran lassen, dass diese Partei längst hätte verboten werden müssen. Er warnt eindringlich davor, der AfD weiterhin so verhängnisvoll tolerant zu begegnen, und ruft stattdessen dazu auf, endlich zu handeln – denn: unsere Demokratie, die Freiheit und viele Menschen sind in ernster Gefahr!

"Dieses Buch wirft einen Blick in die Zukunft. Es macht uns zu Sehenden. Es lädt dazu ein, jetzt schon zu ahnen. Jetzt schon zu wissen. Es richtet sich gegen alle, die noch hoffen. Die an den maßvollen Charakter der AfD glauben und meinen, ihr Gewaltpotenzial werde sich schon einfangen lassen. Wir müssen diese Fehleinschätzungen jetzt korrigieren – bevor es zu spät ist."

Philipp Ruch

  • Die eindringliche und vielleicht letztmögliche Warnung vor der AfD, die schon im Wahljahr 2025 Regierungsverantwortung übernehmen könnte
  • Aktuell, brisant, streitbar: Ein Aufruf zum schnellen Handeln – denn unsere Demokratie und Freiheit sind in ernster Gefahr
  • Philipp Ruch ist Gründer des Zentrums für Politische Schönheit und sorgt seit Jahren mit öffentlichen Aktionen bundesweit für Aufsehen

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Seitenzahl: 284

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Brandmauer bröckelt: War die AfD vor wenigen Jahren noch weitgehend isoliert, scheinen sich immer größere Teile von Politik und Gesellschaft mit ihren menschenfeindlichen Positionen, dem Rassismus, dem Sexismus und der antidemokratischen Rhetorik abzufinden. Die rechtsextreme Partei bereitet sich darauf vor, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Sollte ihr das gelingen, würde sie zügig ihren Plan umsetzen: die Demokratie abschaffen und Deutschland von innen her umbauen. Wie können wir das ganze Ausmaß dessen, was ein AfD-Staat anrichten würde, heute schon erfassen? Philipp Ruch blickt zurück in die politische Vergangenheit des Landes und stellt sich der Frage, ob unsere Abwehrpolitik gegen die AfD heute besser ist als die damalige gegen die NSDAP. Dazu hat der Gründer des »Zentrums für Politische Schönheit« über 2000 Beweisstücke für die Verfassungsfeindlichkeit der AfD zusammengetragen, die keinen Zweifel daran lassen, dass diese Partei längst hätte verboten werden müssen. Er warnt eindringlich davor, der AfD weiterhin so verhängnisvoll tolerant zu begegnen, und ruft stattdessen dazu auf, endlich zu handeln – denn: unsere Demokratie, die Freiheit und viele Menschen sind in ernster Gefahr!

Philipp Ruch, geboren 1981, ist der Gründer und künstlerische Leiter des »Zentrums für Politische Schönheit«, mit dem er sich in spektakulären und radikalen Aktionen seit Jahren dem Rechtsextremismus in den Weg stellt. Seine Arbeiten verwischen dabei bewusst die Grenzen von Fiktion und Realität. Philipp Ruch studierte politische Philosophie und Ideengeschichte mit abschließender Promotion und lebt in Berlin. Bei Ludwig erschienen von ihm »Wenn nicht wir, wer dann?« und der SPIEGEL-Bestseller »Schluss mit der Geduld«.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Originalausgabe 2024

Copyright © 2024 by Ludwig Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Ulrike Strerath-Bolz, Hinnerk Höfling, Peter Köpf

Umschlaggestaltung: wilhelm typo grafisch, Zürich, unter Verwendung einer Abbildung von Shutterstock.com (picoStudio, Alexandr Rozov)

Satz: satz-bau Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-32390-5V006

www.ludwig-verlag.de

Inhalt

TEILEINS  Vom Untergang der AfD

1  Wie die Dinge enden werden

2  Abgrund für Deutschland

3  Deutschland 2029: Neues aus dem Bürgerkrieg

4  Der Glutkern: Was ist die AfD?

TEILZWEI  Vor der Stille

5  Die Stürmer: Wortemacher des Faschismus

6  Ein Volk von Teufeln

7  Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit

TEIL EINS  Vom Untergang der AfD

»Sie werden weiter für Ihr Deutschland kämpfen. Und wir werden weiter für unser Deutschland kämpfen. Ich sage Ihnen: Sie haben Ihren Kampf vor 76 Jahren verloren!«

Charlotte Knobloch im Jahr 2021

»Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem großen Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung.«

Michael Köhlmeier

1  Wie die Dinge enden werden

Die AfD hämmert seit elf Jahren unablässig auf die Bevölkerung ein. Wie deformiert das Hämmern diese Gesellschaft? Befördert die Partei Hass und Hetze? Schürt sie Ängste? Träufelt sie Gift? Will sie Faschismus? Worin besteht das Ziel der AfD? Oder besser: Wozu der ganze Aufwand? Der Schriftsteller Stefan Zweig wirft mitten in die im Holocaust versinkende Welt eine Kerndiagnose über seine Welt von Gestern: »Nie bis zu unserer Stunde hat sich die Menschheit als Gesamtheit teuflischer gebärdet und nie so Gottähnliches geleistet.«

Was ist unser Schicksal? Beim Anblick der vergangenen 80 Jahre zeichnet sich die Bundesrepublik durch eine gewisse Friedfertigkeit aus. Sie blieb von Bürgerkrieg verschont. Die Begründungen dafür liegen auf der Hand. Schwieriger ist es beim Gegenteil. Mit Stefan Zweig müssen wir unsere »Welt von Heute« fragen: Was sind eigentlich die Bedingungen dafür, dass die Menschheit sich durch die Zeiten mal teuflisch, mal friedfertig gebärdet? Warum scheinen sich die Menschen unterschiedlicher Epochen teils teuflischer, mal göttlicher zu verhalten?

Letztlich ist das dieselbe Frage wie die nach unserem Schicksal. Wer oder was führt zu einer Welt, die Zweig noch hinterherhetzt, »um mir mein Leben bis ins letzte Fundament zu zerschlagen«? Was führt dazu, dass sie der Schriftsteller nicht mehr erträgt und sich das Leben nimmt? Warum war es den Bundesbürgern im Westen fast acht Jahrzehnte und denen im Osten immerhin dreieinhalb Jahrzehnte lang vergönnt, sich im Schutze des höchsten Guts, des Friedens und einer gewissen Friedfertigkeit, zu erholen?

Um die Frage wirklich zu verstehen, müssen wir unseren Hochmut über Bord werfen, der uns vorgaukelt, die Menschen in der Weimarer Republik seien in irgendeiner Weise dümmer oder bornierter gewesen. Wir müssen uns von dem Vorurteil befreien, sie seien vor der Machtübergabe an die NSDAP weniger an der Wirtschaft interessiert gewesen. Derartige Fata Morganen lassen sich widerlegen. Die Deutschen befanden sich auf dem Zenit ihres Könnens. Die Weimarer Republik versammelte den Gipfel der gebildetsten Geistes- und Naturwissenschaftler.

Erst durch den Druck der AfD lässt sich überhaupt ermessen, was für ein stolzer Staat Weimar war! Beeindruckend geistesgegenwärtige Politiker saßen an den Schlüsselstellen der Republik, um die damalige AfD zu verhindern. Nehmen wir einen Mann wie Walther Rathenau. Oder den Reichspräsidenten Friedrich Ebert. Selbst ein Kanzler wie Heinrich Brüning, der sich als eiserner Sparer inszenierte und in zwei möblierten Zimmern zur Untermiete wohnte, bevor er ins damalige Kanzleramt umzog (der »Hungerkanzler«), lässt nichts, aber auch gar nichts unversucht gegen die NSDAP. Selbst er unternimmt viel mehr als wir heute.

Brünings Kabinett erneuert 1930 beispielsweise das »Gesetz zum Schutze der Republik« gegen die NSDAP (nachdem es 1929 nicht verlängert worden war, was zu neuer »Gewalt« geführt hatte). Es richtet sich gegen alle, die die Republik ablehnen, und gegen deren demokratiefeindliche Druckerzeugnisse, Versammlungen und Vereinigungen. Die SPD unterstützt ihn, denn: »Ein Staat, der seinen Schutz aufgibt, gibt sich selbst auf«, so der Innenminister Carl Severing.

Die NSDAP wird in Preußen sogar nachrichtendienstlich überwacht. Weil die NS-Propaganda dezentral operiert, werden mehr als 80 NS-Tageszeitungen immer wieder verboten. Uniformverbote, Auftrittsverbote, auch für Hitler, selbst die SA wird verboten (und von einer Folgeregierung als glorreiche Erstmaßnahme wieder freigeschaltet). Fritz Schäffer, nach dem Krieg Ministerpräsident von Bayern, schreibt die Anweisung, es gelte, unter allen Umständen die »größer werdende Erregung wegen Untätigkeit unserer Behörde gegen die Nationalsozialisten« zu vermeiden. Er schreibt nicht, dass er den Anschein von Untätigkeit vermeiden will, sondern ihm geht es um die Untätigkeit selbst. Er fragt seine Beamtenschar: Was können wir tun?

Was wäre geschehen, wäre nur ein einziger dieser wehrhaften Politiker aus der Weimarer Republik, beispielsweise Walther Rathenau oder Matthias Erzberger, nicht von Rechtsextremen in der Operation Consul hingerichtet worden? Wie wäre die Geschichte mit Stresemann weiterverlaufen, der sich in seiner letzten Reichstagsrede am 30. September 1929 wahrhaft prophetisch über »die Situation, in der wir stehen« äußert? Er wendet sich gegen die Propaganda der »Kriegsschuldlüge« von gewissen »rechtsstehenden und rechteststehenden Organisationen«, die den »Luxus und Wohlstand« der Demokratie kleinreden. Eine Wirtschaftsleistung, für die amerikanische Staatsgäste ihm »die größten Komplimente« machen. Stattdessen hämmern diese Organisationen unablässig mit Lügendresche auf die Bevölkerung ein. Stresemann fragt: »Nimmt das denn jemand ernst? Es ist doch wirklich eine Zumutung an ein Volk, das nicht ein Volk der Analphabeten ist, mit einer derartigen Torheit sich beschäftigen zu müssen. Und doch, man sieht, wie viele darauf hereinfallen … welche Verrohung wird dadurch ins Volk getragen.«

Es sei ein solcher »Verhetzungston« im Umlauf, dass das nur zu »Mordhetze« führen könne. An dem Attentat sei dann nicht »der arme junge Mann« schuld, der die Waffe betätigt, sondern die volksverhetzenden Kreise mit ihrer skrupellosen »Demagogie«. »Früher hat man von der Masse gesprochen«, so Stresemann, »der man die Autorität gegenübersetzen müsse. Heute appelliert man an den Mob auf der Straße.« Dadurch werde »Verhetzung in alle diese Kreise hineingetragen« und jede Koalition des Bürgertums unmöglich. Der Geist der Zeit gehe dahin, »dass das Volk überhaupt keine Einheit mehr ist, dass es sich gegenseitig nur noch verachtet oder sich gegenseitig anspuckt, anstatt gegenseitig miteinander zu leben … Ich habe das Empfinden, dass wir, vermögende Leute und andere, geradezu hineinleben in den Tag, ohne uns irgendwie klarzumachen, wie diese ganzen Dinge einmal enden sollen.«

Falls Sie das Gefühl beschleicht, Stresemann kämpfe mit denselben Problemen wie wir heute, dann liegt das daran, dass er mit denselben Problemen kämpfte wie wir heute. Stresemann fragt die Abgeordneten im Reichstag, »ob sie wirklich mit sehenden Augen das Volk in den Abgrund führen wollen«. Wenn sich alle verfassungsfeindlichen Kräfte zusammenrotten »für den nächsten Bürgerkrieg«, so ruft Stresemann den Abgeordneten zu: »Stellen Sie sich doch vor, dass diese Gesellschaft Deutschland regierte!« Genau das konnte sich wirklich niemand vorstellen. Stresemann schon! Sie würden das Land »kaputtwirtschaften«, prophezeite er. Ungünstig, denn »sie wirtschaften ja nicht nur sich kaputt, sie wirtschaften unser Vaterland kaputt«. Es folgt ein Ratschlag, den Stresemann tatsächlich 1929 so aussprach: »Ich sehe nur, dass wir mit der Linken gehen müssen, weil Teile von rechts in Deutschland verrückt geworden sind.«

Allzu gern hätte man diese Koalitionswilligkeit verwirklicht gesehen. Aber Stresemann ereilt der Schlag. Und die Republik ihr Schicksal. Stresemann stirbt unmittelbar nach dieser Rede. Mich überrascht immer aufs Neue, welche Anstrengungen führende Politiker der Weimarer Republik gegen die Propaganda und den Terror, gegen das »Gift« und die »Mordhetze« der NSDAP unternommen haben. Wie klar sie nicht nur das Problem der verschwörerischen Verfassungs- und Demokratiefeinde sehen, sondern wie unerbittlich sie es anpacken!

Der bayerische Innenminister Karl Stützel allein tut gegen die NSDAP mehr als alle Politiker der Bundesrepublik gegen die AfD zusammen. Er setzt ein Versammlungsverbot durch. Ihm stößt »die aggressive Art« auf, mit der die Parteianhänger ihre »Sache von Anfang an verfolgten«. Die NSDAP wende Mittel an, »die man früher auch im schärfsten politischen Kampf nicht gekannt« habe. Wie heute. Als kämen die Sätze aus dem Mund führender Koalitionspolitiker. Allerdings nur bis hierhin.

Denn Stützel stellt das »passive Verhalten diensthabender Beamter« bloß. Die »rednerischen Exzesse übelster Art«, die nur dem Ziel dienen, »die politischen Leidenschaften aufzupeitschen und die Unruhe in der Bevölkerung zu erhöhen«, müssen verboten werden, fordert er. In der »unflätigsten Weise« habe sich die NSDAP »nicht nur gegen Reichs- und Staatsregierung, sondern auch gegen Vertreter anderer politischer Parteien« geäußert. Sie habe »Gewalttätigkeiten« angedroht und angekündigt. Nach Stützels Überzeugung ist »die NSDAP staatsfeindlich«. Sie will »nicht nur die Regierungen, sondern den gegenwärtigen Staat beseitigen«. Der »terrorisierte ruhige Teil der Bevölkerung« lebe dagegen schon als »Bürger 2. Klasse« im eigenen Land. Hatte er übertrieben?

Stützel verspricht: Die Polizeidirektion München wird NSDAP-Demonstrationen »mit allen polizeilichen Mitteln, die notwendig sind, rücksichtslos verhindern und unterdrücken«. Darunter versteht er nicht nur deren Auflösung, sondern Festnahmen und sogar die »Verhängung der Schutzhaft«! Wer die Schutzhaft für ein antiquiertes repressives Mittel hält, sollte bedenken, dass der bayerische Landtag es vor Kurzem eingeführt hat und die Polizeidirektion München es auch maßlos anwendet. Aber nicht gegen die AfD. Gegen die Letzte Generation. Niemand wird uns später glauben, dass die Komplizen der AfD, die Gewaltbeschwörer von Pegida und die tatsächlichen Verschwörer aus dem »Hannibal«-Netzwerk, nicht einmal ansatzweise Vergleichbares zu fürchten hatten wie ein paar junge Klimaaktivisten.

Stützel war – anders als wir – bereit, die staatliche Ordnung mit allen erdenklichen Mitteln zu verteidigen: »Verlassen Sie sich darauf, gegen die Nazis werden wir schießen, wenn es eines Tages erforderlich sein wird.« Das ist wehrhafte Demokratie. Das ist bayerischer Freiheitssinn. Der bayerische Freistaat sollte Stützels aggressivem Humanismus ein Denkmal setzen und ihn als Demokraten verehren.

Was wäre geschehen, wäre der Faschismusgegner Friedrich Ebert nicht gestorben? Die Bürger, die angeblich nie richtig warm wurden mit der Republik, trauern und treten am 1. März 1925 in Massen ehrfürchtig auf die Straßen. Wie wäre die Weltgeschichte verlaufen, hätte es nur einen dieser »Schicksalsschläge« weniger gegeben? Was wäre geschehen, wäre Reichspräsident Ebert am Leben geblieben und sein Platz nicht für den diabolischen Paul von Hindenburg frei geworden? Wäre Hitler je an die Macht gekommen? Die Geschichte – sie steht immer auf Messers Schneide.

Misslich, gewiss. Aber bei uns braucht es gar keine Schläge gegen einen Außen- oder Innenminister von Format, der vom Schicksal weggemerzt werden müsste. Weder die Polizeidirektion München noch der Innenminister Bayerns, weder die Außenministerin noch der Vizekanzler stellen sich der AfD in den Weg.

Die Weimarer Demokratie hat, was sie wesentlich von uns unterscheidet, gegen die NSDAP gekämpft. Trotzdem ging sie unter. Dieses Fanal sollte unser Superioritätsgefühl beunruhigen, statt es zu unterfüttern. Weimar leistete erbittert Widerstand. Trotzdem stürzte die Republik in den Abgrund, und Deutschland gelangte schließlich lange vor Francis Fukuyamas Metaphysik mit dem Holocaust ans Ende der Geschichte. Wir sind um nichts besser als diese Menschen 1932. Wir sind sogar noch schlechter dran. Wir sind niemandem überlegen, nur weil wir iPhones bedienen, manche zum Mond fliegen und leuchtende Weihnachtsbaumbilder von unseren Gehirnaktivitäten kreieren können. Je tiefer wir in die Zeit hinabsteigen, desto heftiger gerät der Schock, dass die Menschheit sich damals wie heute kaum wirklich unterscheidet – außer durch politisch ruhiges oder raueres Fahrwasser.

Haben uns die Fortschritte unserer Wissenschaft besser darauf vorbereitet, das Böse, wie es im Projekt und in Gestalt des Nationalsozialismus von Zeit zu Zeit auftritt, zu erkennen? Durchschauen wir teuflische Pläne jetzt rascher, wenn sie in Form einer neuen NSDAP direkt vor uns stehen? Vor dem Hintergrund beeindruckender politischer Handlungsoptionen wie dem Holocaust, den Atombomben und der Vernichtung ganzer Kontinente hat uns unsere Wissenschaft mit den gängigen politischen Theorien überraschend schlecht vor Diktatoren wie Putin gewarnt. Ist das nicht so wichtig? Was hält die Politikwissenschaft an Erkenntnissen über die AfD bereit, die nicht von den Einsichten jeder drittklassigen Dissertationsschrift zur Weimarer Republik noch überboten werden?

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Ist die AfD eine Gefahr für Deutschland? Wie radikal ist sie? Diese Fragen genießen mittlerweile Verfassungsrang. Der Partei droht die Auflösung, sollten sich ihre Bestrebungen vom Boden des Grundgesetzes gelöst haben. Tun sie das? Das zweite Kapitel bietet dazu eine kleine Orientierungshilfe: Wer will was in der AfD?

Was Sie hier erfahren werden, entspricht womöglich nicht dem Bild, das Sie von der Partei aus den Medien gewonnen haben. Manche verharmlosen die AfD als »Protestpartei«, andere feiern den »Ehrenvorsitzenden« Gauland als Konservativen. Dieses Buch zeichnet ein vollkommen neues Bild. Zu Wort kommen dabei nicht die Spinner aus den hinteren Reihen, sondern die oberste Parteiprominenz, die für das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zentral ist, weil das Verbotsverfahren sich auf die Verantwortlichen konzentriert, die die Partei lenken und steuern. Hier treten diejenigen auf, die in einer AfD-Regierung Ministerposten übernehmen und die Geschicke des Landes leiten würden. Was ich hier ausführe, stammt nicht von verpeilten Hinterbänklern, sondern von den Anführern, den Verführern, den Volksverführern, die in der AfD das Sagen haben. Diejenigen, die bei der Machtübergabe (erneut durch den Konservatismus) zum Zuge kommen, weil sie schon jetzt an den Schlüsselpositionen in den Parteigremien sitzen.

Die erste Garde wird Ihnen auf den folgenden Seiten persönlich darlegen, warum der Partei ein Strick gedreht gehört. Sie werden einen fundierten Eindruck gewinnen von dem, was die AfD umtreibt, denkt und politisch will.

Ich hoffe, dass dieses Buch nicht zu spät kommt. Aus meinen Recherchen, den öffentlichen Quellen, der Forschungsliteratur und den Geheimgutachten des Verfassungsschutzes, die der Öffentlichkeit nur in Teilen zugänglich sind, ergibt sich, dass die Partei längst hätte verboten werden müssen. Ich bin zuversichtlich, dass die Richter in Karlsruhe in diesem Sinne urteilen. Die Absichten der Partei sind unzweideutig. Sie verstecken sie nicht einmal. Das Verfahren wird kommen.

Noch hat niemand vor, die Verfassungsmäßigkeit der Partei gerichtlich zu »prüfen«. Der Kanzler blockiert die Examination sogar. Aber die AfD drängt den Verantwortlichen diesen Machtkampf auf, ob sie ihn nun wollen oder nicht. Sie haben es nur noch nicht begriffen. Unsere politischen Entscheidungsträger haben lediglich die Wahl, sich zuvor noch gehörig selbst zu erniedrigen. Und mit ihnen und ihren Institutionen unsere Demokratie. Wollen sie die Verfassung preisgeben? Sich in den Staub werfen vor einer Partei, die im Osten des Landes stärkste Kraft ist? Wollen sie ihre Komplizen um sozialen Frieden anflehen? Wollen sie denen freie Hand lassen, die die Freiheit in Deutschland für immer beseitigen wollen? Den idealistischen Versuch wagen, unseren Feinden die Freiheit einzuräumen, alles abzureißen?

Wir können die Gutgläubigen spielen, die sich mit dem Teufel verständigen wollen. Oder wir können kämpfen. Wir können uns wehren. Wir können die Vorkämpfer der Verständigung mit der AfD beiseiteschieben, denn sie haben abgespielt. Sie haben mit ihrer Strategie nichts erreicht. Sie haben sich in den letzten elf Jahren bis auf die Knochen blamiert. So empfindlich unsere Zeit auch geworden sein soll, gegen die rechtsextreme Partei bleiben sie seltsam unempfindlich. Was wollen sie tun? Sich vertraglich zusichern lassen, dass die AfD niemals die Macht anstreben wird?

Je mehr Zeit durch die politische Blockade des Bundesverfassungsgerichts verstreicht, je länger das Verbot hinausgezögert wird, desto länger erlauben wir der AfD, die Gesellschaft in Brand zu stecken und tiefer zu zerstören. Wir haben die Wahl, vor ihr zu Kreuze zu kriechen oder uns gut gerüstet mit den Waffen der Demokratie in den Weg zu stellen. Wir haben die Wahl zwischen Wehrhaftigkeit und Schande. Wenn wir die Schande wählen, legt die Zukunft den Krieg trotzdem obendrauf. Alles hat seinen Preis.

Wie können wir das ganze Ausmaß dessen, was ein AfD-Staat anrichten würde, auf irgendeine Weise schon sehen? Können wir die Hölle, die da von Neuem zu brennen begonnen hat, schon erkennen? Wirft sie nicht längst einen dämonischen Schein in unsere Welt? Auf viel zu viele? Was die AfD verbreitet, ist das Grauen einer hitlerischen Welt. Wann hat dieses Grauen angefangen? Der hitlerische Waldbrand ist zurück. Der NSDAP gelang es, das Land, einen ganzen Kontinent, in den Hades zu verwandeln. Wird es erneut Hekatomben von Toten geben? Wie komme ich überhaupt dazu, das Ungeheuerlichste als selbstverständlich zu erwarten?

Ich hätte diesen Bericht, meine Anklage, nicht ohne einen Freund verfassen können, den Schriftsteller Stefan Zweig. Von ihm habe ich mir die Augen geliehen, um auf die »Welt von Heute« zu blicken. Damit lässt sich sehen, wie weit unsere politische Kapitulation vor der Partei des Rassenwahns, des Ausländerhasses und der menschenverachtenden Parolen und Ideen der NSDAP bereits geht. Wie schmählich wir die Lehren der Geschichte preisgeben und auf das Erbe der Opfer des Holocaust spucken.

Zweig hält es für ein unumstößliches Gesetz der Geschichte, »dass sie gerade den Zeitgenossen versagt, die großen Bewegungen, die ihre Zeit bestimmen, schon in ihren ersten Anfängen zu erkennen«. Wir können nicht ahnen. Wir können nicht wissen, was kommen wird. Manche ziehen daraus den Schluss, es noch einmal auf sich zukommen lassen zu wollen. Gewiss, wir leben noch im Davor. Bevor wir der ganzen Dimension ihrer Absichten und Barbarei gewahr werden können. Aber später werden dieselben Leute erzählen: Hätten wir doch etwas gesehen. Hätten wir die barbarischen Absichten nur durchschaut!

Dieses Buch macht Sie, macht unser Land zu Sehenden. Es lädt dazu ein, jetzt schon zu ahnen. Jetzt schon zu wissen. Was sehen wir von den Plänen, die das Antlitz der Welt und unser aller Leben verändern könnten? Werden wir eines Morgens aufwachen und aus den Nachrichten des Deutschlandfunks erfahren: Das Land ist jetzt in Beelzebubs Händen?

Nein, wir können die Pläne jetzt schon enthüllen. Die AfD sieht mich als Rädelsführer eines Aufstands gegen sich, den wir im Zentrum für Politische Schönheit seit 2017 führen, damals mit einem Holocaust-Mahnmal vor dem Haus von Björn Höcke. Sie will mich zerschmettern. Aber an Ihr Leben will sie auch ran. Falls Sie denken, die »sinnlose Wut« könne nicht lange dauern, bedenken Sie: Beim Vorgänger hat sie ausgesprochen lange gehalten. Zwölf ganze Jahre. Die Partei mag ordinär klingen. Aber gerade durch ihre Vulgarität kann der Feuersturm umso länger anhalten. Noch können wir die AfD ganz leicht loswerden. Mit einem Verbotsverfahren. Aber dieses Zeitfenster schließt sich. Wenn es nicht kommt, enden wir in der Katastrophe, von der ich hier ausführlich handeln werde.

Zwei letzte Punkte: Ich setze die Bezeichnung »Bundestagsabgeordneter« in Anführungszeichen, sofern es sich um Vertreter der AfD handelt. Ich möchte demokratische Bundestagsabgeordnete von den Politik-Schaustellern der Partei trennen. Weil zudem laut Meinungsumfragen die meisten Deutschen keine fünf Namen des NS-Regimes benennen können, halte ich es für ebenso unnötig, alle AfD-Parteimitglieder namentlich zu kennen. Wen es aus Gründen der Neugier, des investigativen Journalismus, der Strafverfolgung oder des Parteiverbots drängt, die Vornamen zu erfahren, sei auf Suchmaschinen im Internet verwiesen. Dort finden Sie die Parteioberen mit vollem Namen aufgeschlüsselt. Doch zunächst zu deren Ende. Und damit zu einem Gedankenspiel.

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Was wäre, wenn? In Deutschland geht ein Gespenst um, das sich von der NSDAP kaum unterscheidet. Ein besorgter Journalist fragt: »Wann wacht die Bundesregierung auf?« Wenn die Partei mitsamt ihren rechtsextremen Fanatikern in großer Zahl in den Parlamenten sitzt? Wenn sie die Bühne nutzt, um dem Volk die nationalsozialistischen Parolen in Augen und Ohren zu reiben? Unter Vertretern der konservativen Parteien geht schon wieder die »innere Kapitulationsbereitschaft des Bürgertums« gegenüber den Rechtsextremen um, stellt ein Kommentator fest. Es gebe »bündnispolitische Avancen der bürgerlichen Parteien«. Erliegt Deutschland erneut dem Ruf der Faschisten?

Noch aber ist die weiße Fahne nicht gehisst. Noch gibt es Menschen mit Prinzipien. Die Polizei muss die Parteiveranstaltungen sogar schützen, weil aufrechte Menschen, die aus der Geschichte gelernt haben, sich wehren. Und es gibt das Bundesinnenministerium, das eine Entwicklung befürchtet, »wie wir sie bereits nach 1932 erlebt haben«. Die Nazi-Wiedergänger treten mit denselben Parolen an wie damals: gegen »Landesverräter«, »Systemparteien« und die »Erschöpfungspolitiker« des Volkes. Das Ministerium weiß: Diese Partei ist keine Alternative. Sie gehört verboten. Der Bundesinnenminister ist entschlossen, das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Das jedoch geht in einer Demokratie nicht ohne Debatte. Und die dauert. Dabei ist Gefahr im Verzug!

Da sind die Bremser und Bedenkenträger. Die Anhänger der Partei seien doch in ihrer Mehrzahl »schlichte und echte Konservative«, glauben sie. Sie wählten die Partei, weil es an einem echten »konservativen Tanzplatz« mangle. Die Partei zu verbieten, könne gefährliche Märtyrer schaffen, ist in den Zeitungen zu lesen. Freie Radikale wären dann nicht mehr durch eine Partei greif- und kontrollierbar.

Auch die Beweise könnten nicht ausreichen. Und dann? Freispruch für Extremisten? Unter den führenden Politikern sind Skepsis und Nachsicht groß. Der Bundesjustizminister stellt sich quer: Wer eine Partei verbieten lässt, muss nachweisen, dass sie die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will. Der Justizminister sieht das nicht. Er schlägt vor, sich die führenden Kader einzeln vorzuknöpfen. Einen Beschluss der Bundesregierung, wonach Mitglieder der Partei nicht im öffentlichen Dienst angestellt sein dürfen, sieht er kritisch.

Doch dann das: Die Rechtsextremen erreichen bei Kommunal- und Landtagswahlen teilweise mehr als 30 Prozent. Bei einer Gemeinderatswahl in einem Wahlbezirk sogar alle Stimmen – 100 Prozent. Nach deftigen, sorgenvollen Kommentaren schaltet sich der Bundeskanzler ein. Man solle Material sammeln, um es dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen: »Es darf nicht noch einmal dazu kommen, dass die Demokratie, wie 1933 geschehen, an den demokratischen Grundsätzen stirbt.«

Von da an geht alles ganz schnell. Die Bundesregierung stellt einen Antrag auf Verbot. Die Verhandlung dauert nur zehn Tage. Dann verbietet das Verfassungsgericht die Partei. – Geht doch.

Ging doch. Diese Geschichte spielt nicht in der Gegenwart. Sie ereignete sich Anfang der 1950er-Jahre. Dahinter steht ein Politiker, der das Verbotsverfahren gegen die Sozialistische Reichspartei (SRP) mit aller Vehemenz vorantrieb: Bundesinnenminister Robert Lehr (CDU). Er ist der unbesungene Held, der die Glut des deutschen Rechtsextremismus erstickte. Nicht alle wollten diese Gefahr sehen. Die Landesregierung von Niedersachsen, wo die »rechtsradikalen Strolche« (Lehr) am lautesten schrien, war auf beiden Augen blind. Die Landesregierung verhalte sich »gänzlich ablehnend«, berichtete Lehr dem Kanzler. Und das, »obwohl gerade die Verhältnisse in Niedersachsen so weit gediehen« sind, dass die »Voraussetzungen des Artikels 91 Grundgesetz« in ganzen Landstrichen »als bestehend angenommen werden könnten«. Damit bot Robert Lehr Bundeshilfe zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand der Bundesrepublik durch die Polizeikräfte anderer Länder an. Ministerpräsident Hinrich Wilhelm Kopf (SPD) meinte dagegen, es bestehe keine Gefahr. Und sollte sich das ändern, verfüge Niedersachsen über genügend Polizeikräfte. Lehr war empört: »Wenn das Land Niedersachsen nichts unternimmt, dann handle ich.«

Vor den Landtagswahlen im April 1951 reist Lehr in das Kriegsgebiet. Am 1. Mai berichtet er Adenauer seine Eindrücke. Er erzählt ihm, dass die Partei »sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet und bereits in hohem Maße in Nord-Niedersachsen die Bevölkerung beeindruckt und gegen den Staat mit Erfolg aufgewühlt« hat. Zu welchem Zweck die Partei die Öffentlichkeit aufwühlt, steht dann im Urteil gegen sie. Es sei ihr darum gegangen, »das Vertrauen zu den Repräsentanten der Bundesrepublik in der Bevölkerung von Grund auf zu erschüttern, damit ihr zugleich die freiheitliche demokratische Grundordnung als Ganzes fragwürdig erscheine. Diese Methode hat Hitler angewandt.« Die Partei werfe der Bundesregierung vor, das deutsche Volk »an fremde Mächte zu verraten«, sie spreche »den anderen Parteien die Daseinsberechtigung« ab und behaupte damit, »als einzige Partei eine wahrhaft deutsche Politik zu betreiben«.

Drei Tage später informiert Lehr das Kabinett. Seine Botschaft: Es muss sofort zugegriffen werden, um nicht eine Entwicklung aufkommen zu lassen, wie wir sie bereits nach 1932 erlebt haben. Lehrsieht mit eigenen Augen, wie enttäuscht und wie beunruhigt viele darüber sind, »dass erneut eine politische Richtung totalitären Charakters unter uns das Haupt erheben kann«. Dass sich eine rechtsextreme Partei »zur Propagierung ihrer Ziele der gleichen Methoden wie die NSDAP« bedient, zeige sich »in einer brutalen, verlogenen Hetze oder einer heuchlerischen Tarnung«. Im Ausland habe »das Vertrauen auf eine stetige demokratische Entwicklung des deutschen Volkes einen schweren Stoß erlitten«.

So ist es. Der amerikanische Hochkommissar John McCloy verkündet im Bayerischen Rundfunk: »In manchen Gegenden Deutschlands versuchen wieder kleine Gruppen die Irrlehren, die alten Schlagworte und Taktiken zu vertreten, die Deutschland in Trümmer gelegt haben. Das deutsche Volk sollte diese Versuche nicht übersehen und durch seine demokratische Regierung wirksam gegen sie einschreiten.« Gegenüber Adenauer wird er noch deutlicher: Er verlangt vom Kanzler energische Gegenmaßnahmen, andernfalls würden die Alliierten »eingreifen« und die Nazis auf deutschem Boden selbst verhaften.

Drei Tage zuvor, am 6. Mai 1951, hat die SPD fast 10 Prozent verloren, das konservative Lager 14 Prozent. Die SRP zog mit 16 Abgeordneten in den Landtag ein. In 35 Gemeinden errang sie die absolute, in 375 Gemeinden relative Stimmenmehrheit. Adenauer ist alarmiert. Jetzt vertritt er die Meinung, »dass mit allen Mitteln versucht werden muss, das Umsichgreifen derartiger Organisationen zu verhindern«.

Die Bundesregierung erklärt die SRP für »staatsfeindlich«. Die Partei dagegen sieht sich als Volksbewegung: »Wo Regierungssprecher vor 20 oder 30 Besuchern reden, stellen sich bei SRP-Kundgebungen 1000 Zuhörer ein«, jubelt ein Mitglied. »Man hat das Gefühl, dass die SRP die einzige Partei ist, die heute in den kleineren Städten Niedersachsens und auf dem flachen Land ihre Versammlungslokale zu füllen versteht.« Vize-Parteichef Otto Ernst Remer ist euphorisiert: »Auch der Harz brennt schon.« Der Björn Höcke der SRP dient sich bei den Wählern als »das allerletzte Aufgebot« an: »Wenn wir versagen, ist alles verloren.« Dafür bekennt er sich sogar zum Antifaschismus: »Es ist den Offizieren des Dritten Reiches immer zum Vorwurf gemacht worden, sie hätten Hitler nicht rechtzeitig umgebracht. Um nicht noch einmal schuldig zu werden, müssen wir nach Bonn und unsere Pflicht tun.«

In Bremen verkündet ein Redner, es würden »Listen angelegt für später«. Er erntet begeisterten Beifall. In einer Postille der Partei (FRBrief 3536/51) ist zu lesen: »Das Jahr 1951 hat uns Erfolge gebracht, die den Nutznießern des Zusammenbruches und Handlangern der Alliierten einen panischen Schrecken einjagen und sie erkennen lassen, dass das Jahr 1945 nicht ewig währen kann und die Stunde der Abrechnung früher schlagen kann, als sie es für möglich halten.«

Der Antrag auf Verbot der Partei wird am 19. November 1951 aus dem Bundesinnenministerium abgeschickt. Manche Parteien wollten nur die Demokratie beseitigen. Die SRP erweise sich »nach ihren führenden Persönlichkeiten, nach ihrer inneren Organisation, nach ihrem Programm, nach ihrer Propaganda und nach dem Verhalten ihrer Anhänger als eine solche Partei«.

Das Verfassungsgericht stellt »die Gleichartigkeit der Propaganda« zwischen NSDAP und SRP fest. Ihre Redner hätten »an dumpfe Massengefühle« appelliert und eine Stimmung geschaffen, »die das kritische Denken ausschaltet«. Dem Publikum würden »schlagwortartige Sentenzen« eingehämmert, »die nüchterner Überlegung nicht standhalten, ja, sogar Stimme, Tonfall und Sprechweise der Redner und der hysterische Beifall einer in Taumel versetzten Menge, alles erschien als Wiederholung gleichartiger nationalsozialistischer Veranstaltungen«.

Dem Verfassungsgericht reicht allerdings die dürftige Beweislage nicht. Ende Januar 1952 klingeln Polizisten an den Türen von SRP-Funktionären und Parteibüros. Zehn Richter und eine Richterin schicken die Polizei vor, um Beweismaterial zu beschaffen. Besonders in Schleswig-Holstein werden wichtige Unterlagen sichergestellt. Von der Polizei. Auf Wunsch des Verfassungsgerichts! Die Partei scheint mit einer solchen Aktion nicht gerechnet zu haben.

Am 1. Juli 1952 eröffnet der ehemalige preußische Finanzminister Hermann Höpker-Aschoff die Verhandlung. Weil der Sitzungssaal überfüllt ist, lässt er den Prozess per Lautsprecher in die Vorhalle übertragen. Tonbandaufnahmen der Reden führender SRP-Politiker werden abgespielt. Nach drei Tagen steht die Partei ohne Anwälte da. Weil der Staat die Prozesskosten der SRP nicht übernimmt und sie selbst nicht dazu in der Lage ist, legen ihre Anwälte das Mandat nieder. Nach zehn Tagen wird die SRP verboten. Begründung: Missachtung der Menschenrechte, Abschaffung des Mehrparteiensystems als Ziel, Antisemitismus.

Diese Geschichte um Robert Lehr hat uns viel zu erzählen. Sein Beispiel zeigt, wie wehrhafte Demokratie aussieht. Wir müssen nicht in Parallelwelten blicken, um die Handlungsspielräume im Umgang mit dem Rechtsextremismus zu erkennen, der sich derzeit als »Alternative für Deutschland« anbietet. Es genügt der Blick ins Jahr 1952. Worauf warten wir? Darauf, dass bürgerliche Parteien darüber philosophieren, ob und bei welcher Gelegenheit sie mit dem deutschen Rechtsextremismus kollaborieren könnten – oder gar müssten? Der Philosoph Karl Popper rät uns, wir sollten »im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden«, und »geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt«. Popper geht sogar noch weiter: »Wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.«

2  Abgrund für Deutschland

Die AfD – eine Neonazibande? Hans-Olaf Henkel war neben seiner Wirtschaftskarriere einmal Mitglied und Sponsor von Amnesty International. Von 2001 bis 2005 führte er die Leibniz-Gesellschaft, die einen indonesischen Nachtfalter nach ihm benannte: Bracca olafhenkeli (aus der Gattung der Spanner). Doch 2014 verdunkelt die AfD seine Sinne. Er tritt ihr bei, finanziert sie und wird sogar ihr Sprecher. Als es ihm wieder dämmert, erkennt Henkel die AfD als »NPD light«, tritt aus und gibt sich reumütig: »Wenn ich gewusst hätte, wie das ausgeht, hätte ich das damals nicht gemacht.« Ein »Monster« habe er erschaffen. Ist sie das, die AfD? Ein Monster?

Dass das Etikett »NPD light« den Tatbestand verharmlosen könnte, sah Henkel wohl, weshalb er nachschob: »Vielleicht sogar identisch mit der NPD.« Führende Parteikader kokettieren öffentlich mit der NPD, die vom Verfassungsgericht als verfassungsfeindlich eingestuft wurde. Der »Bundestagsabgeordnete« Maier, ein ehemaliger Richter aus Sachsen, der sich nichts sehnlicher wünscht, als dass eine gewisse Form von »Deutschland wiederaufersteht«, lobt, dass die NPD »die einzige Partei war, die immer geschlossen zu Deutschland stand«. Ihn störe nur die »Rückwärtsgewandtheit«, die »Nazi-Nostalgie«. Maier nennt die NPD deshalb »nicht zukunftsfähig«. Aber es gäbe ja Ersatz: »Nun sind wir da. Wir sind die neue Rechte.«

Maiers Vorstellung von progressiver Politik richtet sich gegen die »Herstellung von Mischvölkern«. Aus diesem Abwehrkampf heraus zeigt er Verständnis für Anders Breivik, der 2011 in Oslo eine Autobombe zündete und auf der Ferieninsel Utoya 77 Menschen niedermetzelte. Für Maier war der Rechtsterrorist »aus Verzweiflung heraus zum Massenmörder geworden«. Aus Verzweiflung über den Versuch der norwegischen Regierung, Mischvölker herzustellen und damit »die nationalen Identitäten auszulöschen«. Der Multikulturalismus westlicher Gesellschaften durch die Einwanderung von »Kulturfremden« – dazu stellt Maier nur eine rhetorische Frage: »Ist das nicht alles zum Wahnsinnigwerden?«

Für den Verfassungsschutz ist Maier ein Rechtsextremist. Der Bundesgerichtshof bestätigte letztinstanzlich, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag nie wieder als Richter arbeiten darf. Zum »Bundestagsabgeordneten« reicht es allemal.

Einer der Sachverständigen im NPD-Verbotsverfahren, der Politikwissenschaftler Steffen Kailitz, veröffentlichte 2016 einen Artikel in der Zeit, in der er ein Verbot der NPD forderte. Er warnte, die NPD wolle Millionen Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter deutsche Staatsbürger. Ihr politisches Ziel sei eine »herbeigesehnte ›nationale und soziale Volksgemeinschaft‹«. Die NPD klagte gegen den Autor auf Unterlassung. Der Richter gab ihr im Eilverfahren recht, ohne Kailitz anzuhören. Wer war dieser Richter? Der »Bundestagsabgeordnete« Maier von der AfD.

Als ehemaliger »Fraktionsvorsitzender« verschickte Poggenburg fleißig den NPD-Slogan »Deutschland den Deutschen«. Als Reaktion fantasieren die Parteikollegen im Chat von einer »Machtergreifung« und dem »Sieben« von Journalisten. Die NPD ist für die AfD nicht einfach braun und weiß: »Ich gehe nicht davon aus«, bezweifelte Höcke im Mai 2014, »dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann.« Als Schenkelklopfer schob er nach, dass schließlich genügend Verfassungsschützer in deren Reihen sitzen. Unter dem Pseudonym Landolf Ladig hatte Höcke die NPD in den höchsten Tönen gelobt: als »die einzige politische Kraft, die sich gegen alle Widerstände für das Lebensrecht unseres Volkes« einsetzt. Als »Landesvorsitzender« greift er nun bei seinen Kampfveranstaltungen gegen die Demokratie direkt zum SA-Slogan: »Alles für Deutschland.« Und was hält Gauland davon? »Herr Höcke ist die Mitte der Partei.«

Gauland wolle »nicht bewahren, sondern zerstören«, warnt der Journalist Olaf Sundermeyer in seiner Biografie Gauland: Die Rache des alten Mannes. Die AfD habe ihn schmerzfrei gemacht, im wörtlichen Sinne: Den alten Mann plagen mitunter wochenlange Depressionen und Albträume, von denen ihn nur Wahlerfolge »seiner« AfD kurierten. Sein Aktenkoffer wird von den anderen »Bundestagsabgeordneten« als »Gauland-Apotheke« bezeichnet. Gegenüber Sundermeyer behauptet Gauland, sich die »Leute« (vermutlich Wähler) »von den Linken« zu holen. In Wirklichkeit beschafft er sich »die Leute« bei der NPD und anderen Splitterorganisationen. Etwa aus dem Pool des vorbestraften Neonazis Lutz Bachmann, in dem eine Hooligan-Mischszene aus militanten Neonazis, Kampfsportlern und Fußballhooligans herumplanscht. Bachmann, der eine menschenfeindliche Bewegung »Pegida« (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) taufte, bezeichnete Ausländer als »Gelumpe«, »Dreckspack« und »Viehzeug«. Er wurde rechtskräftig verurteilt. Der »Ehrenvorsitzende« Gauland erkennt in solchen Menschenfeinden »natürliche Verbündete« seiner Partei. »Landesvorstand« Tillschneider fordert für Bachmanns Verdienste um die AfD sogar das Bundesverdienstkreuz.

Ein Aussteiger bezeichnet die AfD-»Bundestagsfraktion« als »Rettungsboot der Rechtsextremen«. Der »Bundestagsabgeordnete« Ziegler beschließt noch in seiner Paraderolle als »Landesvize«, eine Gedenkrede am Mauerstreifen mit der Losung der SA zu krönen: »Alles für Deutschland«. Der »Spitzenkandidat« Marco Trautenpostet auf Facebook die SA-Parole – »Alles für Deutschland«. Der ehemalige »Abgeordnete« Oehme (von 2017 bis 2021 als Schläfer im Bundestag) plakatiert mit dem beliebten SA-Slogan gleich seinen ganzen Wahlkreis: »Alles für Deutschland« steht auf den Wahlplakaten zur Bundestagswahl. Es ist natürlich blöd, wenn sich die Losung der SA