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In seinen Seminaren fiel Stephan Schwarz auf, dass das letzte Lebensdrittel für viele Menschen eine Art Grauzone darstellt. Manche wollen sie zwanghaft mit Farbe füllen, nach dem Motto "Ich mach nun alles, was ich schon immer mal tun wollte!", und haben dann vielleicht keine Zeit mehr dazu. Andere akzeptieren die Restlaufzeit als gegeben und erwarten das Ende fatalistisch. Wieder andere erfasst eiskalte Angst. Und wenn der Tod dann vor der Tür steht, bei unseren Eltern, Freunden, Verwandten … oder gar uns selbst, sind wir schockiert und wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen. Dabei hätten wir ein Leben lang Zeit für die Vorbereitung gehabt. Im letzten Lebensdrittel ist die beste Zeit der Ernte – und Vorbereitung. Denn je angestrengter wir versuchen, den Tod zu verdrängen, desto mehr Lebenskraft rauben wir uns. Und so paradox es klingt: Umgekehrt steigert die Beschäftigung mit dem Tod die Lebensfreude … bis hin zur Lebenslust! Wer dieses Buch liest, lebt danach anders weiter! Der erfahrene Buddhist Stephan Schwarz zeigt uns, wie wir Gewohnheiten entlarven, die unsere Lebensfreude blockieren, und wie wir unser Leben insgesamt schöner, freier, heller gestalten können. Anhand vieler praktischer Tipps lernen wir, in unserer besten Version von uns selbst zu leuchten, uns zu verabschieden und neu zu starten. Ein Schlüssel dazu ist Meditation, die unseren Geist mit dem göttlichen Bewusstsein verbindet, was uns unterstützt, wenn wir unseren letzten Atemzug tun. Dieses in einem wunderbar leichten, humorvollen Ton geschriebene Buch ist also auch ein großer Trost in der heutigen Zeit – denn es erinnert uns an die Quelle der Kraft, die in jedem Menschen pulsiert. Wir sind stark, gesund und leuchtend!
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Seitenzahl: 225
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Stephan SchwarzShirley Michaela SeulCornelia Schwarz
Gebrauchsanleitung für das letzte Lebensdrittel
1. eBook-Ausgabe 2021
© 2021 Scorpio Verlag in Europa Verlage GmbH, München
Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München
Bildnachweis Aufmacherseiten: © Adobe Stock/dampoint
Layout und Satz: Danai Afrati, München
Konvertierung: Bookwire
ePub-ISBN: 978-3-95803-381-8
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Für meine geliebte Sangha, für alle unsere Seminarteilnehmer, die auf dem Weg der inneren Revolution sind, unermüdlich und beharrlich, die ihnen innewohnende Buddha-Natur ins alltägliche Bewusstsein zu bringen.
Einleitung: Happy End
Sterben to go
Ein Ehrenamt an sich selbst
Wissen ist nicht Glauben
Ein neuer Blick auf das alte Leben
Die Saat der Zukunft
Der Schock der Stille
Erster Teil:Reisevorbereitungen
Reisegesellschaft: Mit welchen Gefährten teilen wir unser drittes Drittel?
Blinde Passagiere
Steuerlast oder Steuerflucht?
Kontrolleure
Vorbilder
Die beliebtesten Schwarzfahrer
Ticket in die Freiheit
Reisegepäck: Was wollen wir in unserem dritten Drittel tragen?
Überflüssiges Gepäck: Wovon Sie sich verabschieden sollten
Vom Like zum Licht
Reiseführer: Karma – Was wollen wir loslassen?
Kleines, mittleres und großes Karma
Die drei Geistesgifte
Acht Strategien, um in diesem Leben erworbenes negatives Karma aufzulösen
Auf Nimmerwiedersehen
Zweiter Teil:Aufbruch
Reisezeit: Das neue Leben im dritten Drittel
Strategien für das Erreichen von attraktiven Zielbildern
Die vier edlen Wahrheiten
Der achtfache Pfad
Reiselust: Meditation
Im Quantenfeld
Gehirnwellen
Die Energiezentren in der Meditation
Zehn Meditationen in das Land der Verheißung
Dritter Teil:Unterwegs
Reiseapotheke: Was wir niemals vergessen sollten
Schicksal in die Freiheit
Glücklich im Leerraum
Die beste Version von mir selbst
Das Testament
Reiseroute: Unterwegs in die Zukunft
Sterben lernen
Schlammblüter
Phowa
Showdown
Neustart
Ich bin, wer ich war
Vierter Teil:Ankommen
Reiseziel: Das Leben von morgen
Die tägliche Praxis
Alles in Buddha – Liebe-und-Mitgefühl-Rezitation
Danksagung
Literaturempfehlungen
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Was ist, wenn es aus ist? Also, wenn nichts mehr ist. Gibt es das überhaupt: nichts? Oder ist da doch etwas? Und wenn ja, was? Himmel, Hölle, Wiedergeburt? Keiner weiß es. Doch Menschen, die ihren Blick auch nach innen wenden, sind zufriedener mit ihrem Leben, gelassener, weniger gestresst und, wen wundert’s, auch gesünder. Sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen hält jung!
In unserer Kindheit und Jugend waren wir alle mal unsterblich. Gestorben sind nur die Alten, also diejenigen, die schon alt auf die Welt gekommen sind. Opa soll mal jung gewesen sein? Das kann sich ein Dreijähriger kaum vorstellen, und auf einmal ist er selbst Großvater und kann nun nicht fassen, dass sich sein Leben dem Ende zuneigt, wo ist bloß die Zeit geblieben? Und was kommt jetzt noch? Kommt überhaupt noch was? »Am liebsten im Schlaf sterben«, hoffen viele. »Sodass ich es gar nicht merke.«
Älter sein möchte man eigentlich nur, wenn man sehr jung ist – für alle anderen wurde das gefühlte Alter erfunden. Die alten Fünfzig sind die neuen Vierzig und so weiter. Allein mit dem Tod klappt das nicht, denn wie sollten wir ihm beibringen, dass er gefühlt noch gar nicht dran ist? Vermutlich ist Altern die einzige Angelegenheit, bei der wir uns Stagnation oder sogar Rückschritt wünschen. Wann kommt man eigentlich mal da an, wo man gerade ist? Jetzt! Unser drittes Lebensdrittel ist die Zeit der Ernte, die beste, um zu wachsen, zu reifen. Diesmal nicht äußerlich mit neuen Zähnen und Haaren an den richtigen Stellen. Sondern innerlich mit erblühenden Seelen. Lange bevor wir heimgehen, wie das Ende freundlich umschrieben wird, können wir einkehren bei uns selbst, heimkehren – zu uns selbst. Mit diesem Buch lade ich Sie zu einer Reise in einige der spannendsten Kapitel Ihres Lebens ein … und darüber hinaus!
Ich möchte mir den Höhepunkt meines Lebens, den Tod, nicht entgehen lassen! Ich möchte ihn so bewusst wie möglich erleben, idealerweise als Happy End. Ein gelungener Abgang will gelernt sein, das kennt man von der Bühne. Und man kann ihn auch lernen, das ist einer der Vorteile der buddhistischen Lehre. Andere Religionen lehren eher das Leben als das Sterben, und man sagt, gläubige Menschen würden leichter sterben. Der Glaube helfe dabei, dass »es« nicht so schlimm wird. Wenn es dem Ende zugeht, werden die Gläubigen manchmal regelrecht beneidet. Aber so mancher gläubige Mensch erfährt in seinem letzten Stündchen, dass er doch nicht so sehr im Glauben verankert ist, wie er hoffte, sondern eher in seiner Angst. Kann man noch irgendwo Glauben to go kriegen, quasi last minute, damit es dann nicht so schlimm wird?
Ich glaube gar nicht, dass es schlimm wird. Ich glaube sogar noch etwas viel Schlimmeres, also für meine fromme Oma, mit der ich als Kind oft zur heiligen Messe ging, wäre das schlimm gewesen. Ich glaube heute, dass ich Älterwerden und Sterben üben kann, und es von Mal zu Mal immer leichter fällt – und ich meine damit nicht die tausend Tode, die man so oft im Leben stirbt. Sondern den einen großen, den letzten.
Ich bin christlich erzogen worden und habe unter anderem Theologie studiert. Ostern absolvierte ich mit Oma einen Kirchenmarathon. In meiner Erinnerung knie ich wochenlang auf harten Holzbänken. Auch in unserer Küche hing ein gekreuzigter Mann über dem Esstisch. Ich schaute ihn oft an, forschte in seinen Zügen und dachte mir, dass das Kreuzigen vermutlich sehr wehgetan hat. Wie viele andere Kinder malte ich mir die Nägel durch die Hände und Füße aus. Nein, mit Sterben wollte ich nichts zu tun haben.
Heute ist das anders. Etwas in mir ist neugierig auf den Tod, sehr, sehr neugierig. Während viele Menschen in unserem Kulturkreis hoffen, dass es nach dem Tod weitergeht, bin ich überzeugt davon. Es ist ein bisschen wie im Kino. Kaum ist ein Film zu Ende, fängt der nächste an. Für weltweit zirka 360 Millionen Buddhisten und zirka eine Milliarde Hindus ist diese Vorstellung normal.
Für Christen ist das Leben mit dem Tod auch nicht beendet, sie gehen heim. Wenn nichts mehr übrig wäre, wer soll dann heimgehen und wohin? Muslime freuen sich auf Allahs wunderbares Land. Allein die Ungläubigen, in meinem Religionsunterricht hießen sie Heiden, schauen in die Röhre. Wer nichts glaubt, sitzt auch keinem zur Rechten. Oder doch? Kann man wiedergeboren werden, ohne es zu wollen? Kann man sich irgendwo beschweren, und was sagt Petrus dazu oder hat er keine Zeit, weil er so extrem mit dem Wetter beschäftigt ist?
Sie merken schon, liebe Leserin, lieber Leser … das hier ist kein Begräbnis oder vielleicht doch. Ich würde mit diesem Buch gerne einige »Glaubenssätze« beerdigen, die uns das Leben, schwer machen. Trauen Sie sich, mir eine Weile zu folgen in das eine oder andere Gedanken- und Gefühlsexperiment? Wagen Sie sich an das Abenteuer, dass manches anders sein könnte, als Sie glauben, auch wenn Sie eigentlich nichts glauben oder noch nie konkret darüber nachgedacht haben?
… Stellen Sie sich bitte einmal vor, es wäre nicht aus, wenn alles aus ist. Also am Ende. Stellen Sie sich vor, es würde weitergehen, und wie genau, das könnten Sie jetzt schon bestimmen. Wo soll Ihre neue Reise beginnen? Wer soll Sie begleiten? Welche Erfahrungen würden Sie gerne machen? Welche lieber meiden? Wovon hätten Sie gern mehr und wovon weniger? Angenommen, es wäre möglich, die eigene Existenz in der Zukunft zu planen – veränderte das nicht alles? Ja, selbst die Idee, nie mehr Sex zu haben, verlöre ihren Schrecken … neues Spiel, neues Glück … und auch das alte Glück trüge ein neues Gewand. Denn wenn man davon ausgeht, dass man wiedergeboren wird, kann man seine irdische Existenz relativ gelassen betrachten. Sollte es nicht optimal laufen, wetzt man diese Scharte bei der nächsten Reinkarnation aus: Was du heute nicht kannst besorgen, das verschiebe getrost auf morgen. Wenn man allerdings erwartet, dass dieses Leben die einzige Chance ist, dass es nur dieses eine Leben gibt, dann muss die Tube Leben ausgequetscht werden bis zum letzten Tropfen. Mitnehmen, was geht. Auch wenn man sich insgeheim wünscht, dass das nicht alles gewesen sein soll, sicher ist es nicht. Deshalb muss man so schnell wie möglich so viel wie möglich rausholen. Abenteuer, Anerkennung, Besitz, Erfolg, Freude, Geld, Lachen, Liebe, Macht, Luxus, Menschen, Prestige, Ruhm – je nachdem, was einem erstrebenswert erscheint. Was für ein Stress – und gleichzeitig ein Ablenkungsmanöver. Sobald wir im dritten Lebensdrittel angekommen sind, offenbart diese Taktik ihre Tücke: Die Angst vor dem Tod, vor dem wir nicht weglaufen können. So viele Bollwerke haben wir gegen den Tod errichtet, doch wer vor ihm zu fliehen versucht, läuft vor dem Leben weg. Der Hase ist immer schon da, gegen den Tod gewinnt keiner – mit ihm jeder.
Auch im Kampf gegen das Alter sind wir zum Scheitern verurteilt. Gewiss, man kann Falten glätten und Fett absaugen, Fleisch formen … doch das Verfallsdatum ändert das nicht. Egal wie verzweifelt wir uns dagegen sträuben und gegen das Älterwerden aufbäumen und gleichzeitig versichern, dass es uns überhaupt nichts ausmacht, nein du, ich habe überhaupt kein Problem mit dem Alter, während wir zuweilen geradezu besessen versuchen, den Körper jung zu halten. Diese Anstrengungen kosten ziemlich viel Energie, von der man mit zunehmendem Alter naturgemäß weniger zur Verfügung hat. Und sie sind vollkommen sinnlos, denn gelöst wird das »Problem Alter« nicht mit seiner Leugnung, sondern nur mit seiner Akzeptanz, wie auch der letzte große Abschied. Mein Leben ist endlich. So ist es eben. Ich werde älter. Und ist es nicht wunderbar, wie weit ich es schon geschafft habe … Aber was kommt noch … dann … wenn … kommt überhaupt noch was? Ist da wer oder was? Hal-lo!
Je nach Tagesform kann das sehr bedrohlich wirken, besonders in der Nachtform, wenn man aufwacht und einen komische Gedanken überfallen. Wie lang habe ich noch und wie wird das Ende sein? Man hat Angst, eine Heidenangst – und behält sie für sich, wie auch sollte man darüber sprechen, es scheint keine Worte dafür zu geben, wenn die Welt so groß ist und man selbst so klein und … allein. So, wie man auf die Welt kommt, geht man.
Sehen wir der Tatsache ins Auge: Wir sterben. Ich sterbe, Sie sterben, das ist so. Nehmen Sie sich Zeit, diese unglaubliche Wahrheit in sich aufzunehmen. Wie geht es Ihnen? Schlägt Ihr Herz schneller, noch schlägt es. Wird Ihre Brust eng? Sind Sie vielleicht ein kleines bisschen neugierig? Sterben, das ist ja Neuland. Ist es nicht kurios, dass wir darauf nicht vorbereitet werden? Menschen können lernen, Mitarbeiter zu führen, Säuglinge zu wickeln, Atome zu spalten, Waschmaschinen zu reparieren. Aber sterben … nein, tut mir leid, dafür haben wir keine Gebrauchsanleitung. Es gibt keinen Volkshochschulkurs, kein Zertifikat, keinen Meisterbrief, keinen Sterbeführerschein. Und das in Deutschland, wo man für fast alles einen Befähigungsnachweis und einen Sturzhelm braucht. Anstatt sich gezielt auf den Höhepunkt des Lebens vorzubereiten, wird das Alter oft in Wiederholungen alltäglicher Verrichtungen oder auch Langeweile ausgesessen, denn die tollen Erlebnisse haben sich im Lauf der Zeit abgenutzt. Was wir mit zwanzig, dreißig herrlich finden, verliert an Glanz; es gibt immer weniger Premieren, und das schmerzt. Damals war das doch so schön … und manchmal glaubt man, etwas, das gar keinen Spaß macht, immer wieder versuchen zu müssen, damit es noch mal so schön wird wie damals. Ein Trugschluss – in jedem Alter gelten andere Spielregeln. Über die im letzten Lebensdrittel wissen wir wenig, es hat den Anschein als wäre das Spiel aus. Wir sind aber trotzdem noch da. Wohin mit uns? Vor die Glotze, auf die Harley, zum Schönheitschirurgen, ins Yoga, schon mal anmelden fürs betreute Wohnen? Zehennägel schneiden zum Beispiel soll ja zur Herausforderung werden im Alter. Entweder man sieht sie nicht oder sie sind eingewachsen oder man kann sich nicht mehr bücken oder man hat keine Kraft, die Zange zu betätigen. Das sind alles keine schönen Aussichten. Zum Glück gibt es noch eine andere Perspektive, die ich in diesem Buch beleuchten werde. Denn die eben genannte führt ja nicht zum Ziel, wenn wir uns gerade während unserer letzten Jahre um das kümmern möchten, was auf der Strecke geblieben ist: unsere spirituelle Entwicklung.
Im Unterschied zu vergänglichen Befriedigungen ist tiefes Glück spiritueller Natur. Falsch wäre es zu glauben, es bedeute, sich auf Kosten anderer das Beste zu sichern. Wohin wir auch blicken – fehlendes Mitgefühl führt ins Leid. Materieller Fortschritt und die Verbesserung des Lebensstandards dienen zwar unserem Komfort und auch unserer Gesundheit – doch niemals der Transformation des Geistes und einem dauerhaften Frieden mit uns selbst, mit der Welt.
Viele Menschen leiden an Depressionen, wenn sie, aus ihrem Arbeitsalltag »gerissen«, das Gefühl haben, nicht mehr gebraucht zu werden. Wenn sie mit diversen Zipperlein kämpfen, nicht mehr so recht wissen, was sie eigentlich tun sollen, die Tage so lang und grau sind, und sich die Zeichen mehren, dass man allmählich in die Zielgerade einläuft. Und man ist sehr allein, mehr als allein: einsam. Einsamkeit ist die Abwesenheit der Voraussetzungen für Glück und darüber hinaus in der westlichen Welt die Todesursache Nummer eins. Sie ist der Ausgangspunkt vieler schwerer Erkrankungen und erhöht das Sterblichkeitsrisiko deutlicher als Übergewicht, Drogenabhängigkeit, Alkohol, Nikotin und mangelnde Bewegung. Einsamkeit ist zwar keine Krankheit, doch in ihrer Folge entstehen viele mit häufig tödlichem Ausgang. Darüber hinaus ist Einsamkeit die Voraussetzung für die Entwicklung fast aller psychischen Störungen wie Depression, Angsterkrankungen bis hin zur Schizophrenie, und sie verstärkt die Alzheimer-Demenz. Für uns Menschen als soziale Wesen mit einem sozialen Gehirn ist Einsamkeit der größte mögliche Stressfaktor. Sie wird im Gehirn wahrgenommen wie körperlicher Schmerz. Erst ein Land hat darauf adäquat reagiert: Seit 2018 gibt es in England ein Ministerium für Einsamkeit. Was vielen wie ein Scherz vorkommen mochte, ist leider bittere Realität. Auch zwischen 10 und 15 Prozent der Deutschen leiden zeitweise unter Einsamkeit. Bei den über 85-Jährigen sind es 20 Prozent. In einer Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 zu »Einsamkeit und deren Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit« zeigt sich außerdem, dass Einsamkeit in Deutschland zunimmt. Es sieht so aus, als entwickelten sich die geburtenstarken Jahrgänge im Alter zu einer sehr einsamen Generation – der Preis für ihre individualistische Lebensgestaltung? Alt und einsam ist bei uns zu einem Synonym geworden. In anderen Kulturen ist Einsamkeit kein Thema, gerade die dritte gilt als bedeutsame Lebensphase, vielleicht als die wichtigste. Erstaunlich, dass wir sie so oft regelrecht verschlafen.
In Indien sorgen die Kinder traditionell für ihre alternden Eltern, damit diese sich spirituell auf den Tod vorbereiten können. Das Sterben wird als Investition in das nächste Leben gesehen. So wie wir uns mehrheitlich um unser Rentenkonto kümmern, werfen spirituell orientierte Menschen einen Blick auf ihr Seelenkonto. Sie möchten – vereinfacht ausgedrückt – den Übertritt im Haben, nicht im Soll vollziehen, um dann in einem neuen Leben ohne Schulden zu beginnen. Dieses Streben führt automatisch aus der Einsamkeit heraus, weil es die Vorbereitung auf den Tod mit dem Leben verbindet – wie könnten wir da einsam sein! Das bedeutet auch, dass Buddhisten ihre Umwelt, die Erde, gut behandeln, denn nach ihnen kommt nicht die Sintflut, sondern ein neues Leben. Es geht also darum, nicht passiv auf den Tod zu warten oder sich lediglich darum zu kümmern, noch recht viel zu erleben, bevor alles aus ist, sondern den Tod bewusst zu gestalten, um uns in unserer besten Version von uns selbst zu verabschieden … und neu zu starten. Und so wie wir uns nachts betten – angenommen mit zwanzig Kilo Übergewicht – erwachen wir am anderen Morgen, auch wenn ein Diätratgeber verspricht: Schlank werden im Schlaf. Wenn wir mit Rachegedanken einschlafen, werden wir vermutlich nicht befriedet aufwachen. Das wissen wir. Aber wir ziehen den Kreis zu eng, wenn wir diese Gesetzmäßigkeiten auf eine einzige Existenz beschränken. Der Dalai Lama, der in letzter Zeit fast ein bisschen in Mode gekommen ist, beschreibt es so: »Ich glaube, Sterben ist in gewissem Sinne wie das Wechseln von Kleidern, wenn sie alt und abgetragen sind. Es ist nichts Endgültiges.«1
Wenn jemand in Tibet spürt, dass das Leben sich dem Ende zuneigt, möchte er seiner Familie damit nicht zur Last fallen. Die folgenden Einsichten helfen ihm dabei.
Jeder hat seinen Platz im Gefüge der Gemeinschaft und wird gewürdigt.
So kann ein Schwerkranker in einem tibetischen Dorf die Gemeinschaft in eine schwierige emotionale und geistige Lage bringen.
Jeder wird geboren, stirbt und wird wiedergeboren. Es ist ein unendlicher Kreislauf, in dem die Seele, im Buddhismus sagen wir: das Bewusstsein, weiterlebt. Es existiert also keine tiefere Angst vor dem Sterben, denn es ist der Übergang in das nächste Leben. Mit der vollkommenen Erleuchtung enden die Zyklen der Reinkarnationen.
Das Ziel, wenn man es so nennen möchte, ist also nicht das Ende eines Lebens, sondern das Ende vieler Leben. Die günstigste Phase, um sich spirituell zu entwickeln, ist das Alter, indem wir die Pflanzen unserer Seelenlandschaft noch einmal hegen und pflegen, ja vielleicht die Wintersaat ausbringen … für eine reiche Ernte, wenn ein ganzes Leben dann … ja, warum nicht, abgeerntet wird und als Saat für ein neues dient.
Diese Philosophie hat mich von Anfang an fasziniert, und nunmehr beschäftige ich mich seit Jahrzehnten intensiv mit dem Buddhismus. Nach meinem Studium der Theologie, Psychologie und Pädagogik machte ich eine Ausbildung beim Gründer des Neuro-Linguistischen Programmierens NLP, Richard Bandler, in den USA, und war danach der jüngste Lehrtrainer Deutschlands. Seit dreißig Jahren unterrichte ich vor allem Unternehmer und Führungskräfte mit einem Schwerpunkt auf konkrete Führungsstrategien und intensive Persönlichkeitsentwicklung und arbeite seit vielen Jahren auch als buddhistischer Lehrer. Auf meinen vielen Reisen nach Asien und in den Jahren, in denen ich dort lebte, beschäftigte ich mich ausführlich damit, wie die Menschen mit dem Alter umgehen. Ich absolvierte eine dreijährige Ausbildung als buddhistischer Meisterschüler von Patchalie in einem Kloster in Chang Mai, nahm an unzähligen Retreats auch beim Dalai Lama teil, verbrachte Jahre in verschiedenen Klöstern und Ashrams und vollzog zehnmal das Phowa-Retreat, auch mit dem 17. Karmapa – eine buddhistische »Gebrauchsanweisung« für den Tod.
In unserer Kultur führt der Tod ein Schattendasein im Konjunktiv, wenngleich nichts realer ist als er, wie vielen Menschen erst während der Pandemie bewusst wurde. Je angestrengter wir versuchen, den Tod zu verdrängen, desto mehr Lebenskraft rauben wir uns. Wir mögen dann zwar sehr aktiv sein, doch wir spüren nicht, was wir tun, weil es für die Wahrnehmung den ganzen Menschen braucht, keinen seelisch Teilamputierten.
In unserem Alltag werden wir nur selten mit dem Tod konfrontiert. Das hat sich in der Coronazeit geändert, und wir haben gesehen, wie hilflos wir ihm gegenüberstehen. Früher und in vielen Teilen der Welt auch heute noch war der Tod allgegenwärtig, und es starben auch jüngere Menschen: Säuglinge, Kinder, Jugendliche, Mütter, Soldaten. Sie starben durch Hunger, Krankheit, Seuchen und Kriege und mangelnde medizinische Versorgung sowie katastrophale hygienische Bedingungen. Und es ging schnell, häufig durch Infektionen. Heute wird oft langsam und lang gestorben. Das gilt besonders für ältere Menschen mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen und chronischen Krankheiten. Früher war der Tod ein vertrauter Zeitgenosse. Familie, Freunde, Nachbarn verbrachten die letzten Stunden am Bett des sterbenden Menschen. Es wurde gemeinsam gebetet und Abschied genommen. Gemeinsam wurde der Verstorbene gewaschen und angekleidet, hergerichtet für die Aufbahrung. Und wieder saßen die Verwandten und Freunde bei ihm und hielten die Totenwache. Sie konnte mehrere Tage dauern, und bei einer Beerdigung wurde der Sarg offen durch das Dorf getragen. Heute sind die Särge von den Straßen verbannt und einige Bestattungsunternehmen verzichten auf alles, was das Dienstfahrzeug als Leichenwagen entlarven könnte. Die Sterbenden und Toten werden aus dem Alltagsleben entfernt und professionellen Kräften zur Bearbeitung, ja vielleicht ein Stück weit sogar zur »Ent-Sorgung« übergeben. Das mündet in eine vermehrte Unsicherheit im Umgang mit Sterben und Tod. Denn den Tod, den wir vor Augen haben – jeden Tag hundertfach oder tausendfach, je nachdem, wie lange wir vor dem Bildschirm sitzen, der ist virtuell, nicht aus Fleisch und Blut. Kühl im Kasten. Echte Tote, vielleicht die Eltern oder Großeltern, wie schlafend im Bett liegend, haben die wenigsten Menschen gesehen, aber Tausende von Toten im Fernsehen. Und sie alle, das sollten wir nie vergessen, werden wiedergeboren, stehen nach ihrer Szene wieder auf und leben weiter, wenn auch in einer anderen Rolle als in diesem Film. Sie haben die Kleider gewechselt …
Vielleicht ist der Tod ein so faszinierendes Thema in meinem Leben, weil ich selbst zwei außerkörperliche Erlebnisse hatte, die sich wie Sterben anfühlten. Beim ersten war ich zwölf Jahre alt und lag nach einer schweren Masernerkrankung mit Meningitis in der Kieler Universitätsklinik – oder wer lag da im Bett, wen sah ich von oben? Genauso beim zweiten Mal im Alter von etwa dreißig. War ich das oder nur meine Hülle, die ich beobachtete? Mir dienten diese Nahtoderlebnisse als Beweise dafür, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als wir gemeinhin glauben – und im Laufe der Jahre habe ich viele weitere gesammelt – selbst erfahrene und von anderen gehörte und gelesene. Je intensiver ich mich mit dem vermeintlich grauen Tod auseinandersetzte, desto bunter wurde mein Leben. Ich nahm wahr, wie die ängstliche Abspaltung des Todes von der Lebensfreude trennt. Das erkennen die meisten Menschen, wenn sie in die Nähe des Todes kommen, wenn sie einen lieben Angehörigen oder Freund verlieren. Danach ist alles anders als davor. Der Tod hat sie gestreift und ihnen Lebendigkeit geschenkt, trotz aller Trauer. Doch die bleibt nicht für immer. Man setzt sich nicht einmal ein bisschen mit dem Tod auseinander und dann reicht das bis zum Sankt Nimmerleinstag. Die Vorbereitung auf den Tod ist ein Langzeitprojekt, bedarf regelmäßiger Praxis, und idealerweise lässt man sich von Fachleuten unterweisen, in meinem Fall Lamas, also buddhistischen Priestern. Die verstehen ihr Handwerk, denn in ihrer Lehre spielt der Tod eine Schlüsselrolle. Wenn der Motor meines Autos stottert, bringe ich es nicht zur Logopädin, sondern in die Kfz-Werkstatt. Der Buddhismus ist die Werkstatt, die sich am intensivsten mit dem Tod beschäftigt hat, also bin ich hier Kunde geworden, kann sein, dass das an meiner Déformation professionelle als Coach liegt: Wir sind zwanghaft lösungsorientiert und suchen stets den schnellsten und erfolgversprechendsten Weg. Während unsere westliche Welt Erfolg vor allem an äußerlich Sichtbarem misst – mein Hausboot, mein Hafen, mein Hummer – zählt in der östlichen Welt die innere Entwicklung, die auch sichtbar ist, sie strahlt geradezu ab. Menschen, die keine Angst haben, nach innen zu blicken, sind zufriedener mit ihrem Leben. Sie wirken oft jünger, erreichen also genau das, was andere, die den Tod ignorieren, so unbedingt erstreben. Sich mit dem Sterben auseinanderzusetzen hält jung! Sich bei lebendigem Leib wie tot zu fühlen macht alt. Das kann man an Menschen beobachten, die sich innerlich aufgegeben haben, weil sie keine Sinnhaftigkeit mehr im Leben sehen, es gibt keine Ziele mehr zu erreichen, sie drehen ihre letzten Schleifen in der Warteposition. Worauf warten sie? Auf den Tod, aber nicht freudig, sondern eher fatalistisch, ergeben und voller Angst, Lämmchen zur Schlachtbank. Häufig wird die Vergangenheit glorifiziert nach dem Motto: Früher war alles besser. Kein Wunder, dass die Gegenwart schal wirkt und sich Gefühle der Trauer, Unzufriedenheit, Antriebslosigkeit, manchmal Verbitterung einstellen. Da hat man sich sein Leben lang aufgearbeitet für die Firma – und was bleibt? Menschen, die unvorbereitet aus dem Beruf ausscheiden, sterben manchmal kurz nach ihrer Pensionierung – weil sie sich vollständig mit dem identifizierten, was sie darstellten. Ich bin die Deutsche Bank, ich bin Siemens. Diese Vermischung habe ich gehäuft im Führungskräftecoaching erlebt. Wenn die Deutsche Bank wegbricht und das Eckbüro mit Fenstern und das Vorzimmer mit den beiden Damen und der Firmenwagen mit Chauffeur … was bleibt dann? Und was bleibt ein paar Etagen tiefer bei den Sachbearbeiterinnen und im Lager? Warten auf den Tod? Nein, natürlich nicht, man will sich seinen Hobbys widmen, falls man welche hat, oder endlich anfangen mit Klavier und Reiten und viel Lesen und Spazierengehen – und ein Ehrenamt, natürlich. Wie wäre es mit einem Ehrenamt an sich selbst? Sich endlich mal um sich selbst kümmern, aber nicht mit neuen Spielzeugen, sondern auf der großen Spielwiese der Seele. Alles ist schon da. Es war immer da. Wir haben es nur so lange nicht beachtet, weil wir im Hamsterrad des Alltags hetzten. Eines Tages wird es stillstehen. Und dann ist es gut, vorbereitet zu sein.
Bestimmt sind Sie schon einmal einem älteren Menschen begegnet, der Sie beeindruckt hat. Ein Mensch, der eine besondere Ausstrahlung hat, einer, der in sich ruht, das Leben genießt, gelassen und rundum zufrieden wirkt, als stünde er mitten im Leben, auch wenn er dafür eigentlich zu alt ist laut herkömmlicher Be-, sprich Verurteilung. Ein Mensch, der andere anzieht und bei dem man vergisst, nach dem Alter zu fragen, weil etwas anderes überwiegt: sein Charisma. Ja, auch diese Facette des Älterwerdens gibt es, und oft sagen wir über solche Menschen: Er ist jung geblieben. Was der Betreffende gar nicht beabsichtigte, er ist einfach lebendig, und das hat Auswirkungen auf seine Gesundheit, sein Immunsystem und sein Aussehen. Wenn der Geist sich weiterentwickelt, zieht der Körper mit. Wird der Geist träge, erschlafft auch der Körper. Die Motivation, den Geist zu trainieren, hält den Körper jung. Gibt es eine schönere Lockung als jene, sich zu seinem höchstmöglichen Seinszustand zu entwickeln, bevor man diesen physischen Körper verlässt? Ein bewusst lebender Mensch ist ein Vorbild für andere, und keine Belastung für Kinder und Enkel. Man wendet sich ihm nicht aus Pflichterfüllung zu und weil man so erzogen wurde, sondern verbringt gern Zeit mit ihm. Und wenn er nicht mehr unter uns weilt, sprechen wir weiterhin von ihm, weil wir von ihm gelernt haben; und sein Strahlen wärmt uns noch immer.
Im Glück strahlen wir – und das ist sogar messbar im elektromagnetischen Feld. Glückliche Menschen ziehen andere magnetisch an, die sich in ihrem Umfeld sonnen, weil das angenehmer ist, als im Feld eines Griesgrams im Schatten zu hocken. Alles ist ein Wechselspiel, Geben und Nehmen. Wir sind keine Opfer, sondern Gestalter unseres Lebens, bis zum Ende.
So bin ich davon überzeugt, dass uns die Beschäftigung mit dem Tod jung und gesund erhält – wenngleich das nicht das Ziel der Übung ist, sondern ein Nebeneffekt. Gehen wir noch einen Schritt weiter und betrachten den Tod als Stufe auf einer Treppe, anstatt als Tritt ins Nichts, erkennen wir weitere Vorteile:
Wer glaubt, dass er auf die Erde zurückkommt, wird die Natur schützen, er möchte schließlich nicht in eine Mülldeponie geboren werden.
Wer glaubt, dass auf gute Taten Gutes folgt, wird sich seine Handlungen überlegen. Denn auf schlechte Taten folgt Schlechtes.
Wer glaubt, dass alles miteinander verbunden ist, erkennt auch, dass Verletzungen, die er an anderen begeht, zu ihm selbst zurückkehren.
Wer an Reinkarnation glaubt, erfährt eine starke Motivation für seine Zukunft. Gerade sie nimmt im Alter oft ab. Dabei ist es die beste Zeit, sich sinnstiftend damit auseinanderzusetzen.