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Sich nicht zu verzetteln und mit ganzem Herzen das zu verfolgen, was wirklich wichtig ist: Das ist der Weg des Essentialisten. Der Google-Coach und Bestseller-Autor Greg McKeown teilt in diesem Buch seine Erfahrungen im Umgang mit den Top-Managern der erfolgreichsten Unternehmer dieser Welt um zu zeigen, wie man mit Weniger sehr viel mehr erreichen kann. Die Strategie von McKeown, der Weg des Essentialisten, hat schon Viele aus dem Griff der Belanglosigkeiten und konstanten Überforderung befreit. Die Geheimformel: Weniger, aber besser! In vier praktischen Schritten zeigt McKeown, der nach der Promotion in Stanford eine Firma für Strategie und Leadership im Silicon Valley gegründet hat, auszusortieren und die richtigen Fragen zu stellen, die Energie auf das zu lenken, was wirklich zählt. Dabei ist sein Buch keine neue Zeitmanagementstrategie oder Produktivitätstechnik. Es geht vielmehr darum, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden und mit Disziplin das zu verfolgen, was die eigene größte Stärke ist. Der schöne Nebeneffekt: endlich wieder glücklich zu sein, mehr Freude am Arbeitsplatz zu haben und auch privat erfüllter zu leben. Statt tausend Belanglosigkeiten eine wesentliche Sache bewegen. Und Entscheidungen zu treffen, die neue Maßstäbe setzen – entspannt, statt ausgebrannt. Eine Schatzkiste zurück zu einem selbstbestimmten, erfüllten Leben! „McKeowns exzellentes Buch ist ein unverzichtbares Gegengift gegen Stress, Burnout und den inneren Zwang, „alles tun zu müssen”. Es ist eine unerlässliche Lektüre für alle, die die Kontrolle über ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen wiedererlangen und zu mehr Zufriedenheit und innerer Ausgeglichenheit finden möchten.“ –Arianna Huffington, Mitbegründerin und Chefredakteurin der Huffington Post Media Group
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Seitenzahl: 328
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Greg McKeown
Essentialismus
Ein neuer Minimalismus erobert die Welt
Greg McKeown
ESSENTIALISMUS
Die konsequente Suche nach Weniger
Ein neuer Minimalismus erobert die Welt
1. deutsche Auflage 2018
ISBN: 978-3-96257-048-4
© 2018, Narayana Verlag GmbH
Titel der Originalausgabe:
ESSENTIALISM
The Disciplined Pursuit of Less
Copyright © 2014 by Greg McKeown
This translation published by arrangement with Crown Business, an imprint of the Crown Publishing Group, a division of Random House LLC.
Layout, Abbildungen und Coverlayout: Amy Hayes Stellhorn und ihr Team von Big Monacle in Zusammenarbeit mit Maria Elias.
Autorenfoto © Cassandra Allred
Übersetzung aus dem Englischen: Annegret Hunke-Wormser
Herausgeber:
Unimedica im Narayana Verlag GmbH, Blumenplatz 2, 79400 Kandern
Tel.: +49 7626 974 970-0
E-Mail: [email protected]
www.unimedica.de
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FÜR ANNA GRACE EVE JACK UND ESTHER
IHR SEID ALLES, WAS FÜR MICH WESENTLICH IST.
1. Der Essentialist
Teil I: Essenz
Was ist der Kern der Denkweise eines Essentialisten?
2. WÄHLEN: Die unbesiegbare Macht zu wählen
3. UNTERSCHEIDEN: Die Bedeutungslosigkeit von praktisch allem
4. KOMPROMISSE EINGEHEN: Welches Problem will ich?
Teil II: Erforschen
Wie können wir die vielen belanglosen von den wenigen wesentlichen Dingen unterscheiden?
5. AUSBRECHEN: Die Vorzüge der Nichterreichbarkeit
6. SCHAUEN: Das wirklich Wichtige sehen
7. SPIELEN: Die Weisheit des Kindes in uns annehmen
8. SCHLAFEN: Schutz des höchsten Guts
9. AUSWÄHLEN: Die Macht höchster Kriterien
Teil III: Eliminieren
Wie können wir die vielen belanglosen Dinge ausschalten?
10. KLÄREN: Eine Entscheidung, die tausend weitere prägt
11. WAGEN: Die Macht eines charmanten „Neins“
12. AUFKÜNDIGEN: Großer Gewinn durch Verlustbegrenzung
13. BEARBEITEN: Die unsichtbare Kunst
14. GRENZEN SETZEN: Die Freiheit, Grenzen zu setzen
Teil IV: Ausführen
15. PUFFER SCHAFFEN: Der unfaire Vorteil
16. SUBTRAHIEREN: Mehr erreichen durch die Beseitigung von Hindernissen
17. FORTSCHRITTE: Die Macht kleiner Erfolge
18. „FLOW“: Die Genialität der Routine
19. FOKUSSIEREN: Was ist jetzt wichtig?
20. SEIN: Das essentialistische Leben
Anhang
Wesentliche Bestandteile der Leadership
Referenzen
Danksagung
Über den Autor
Index
— Lin Yutang
Sam Elliot*, eine fähige Führungskraft im Silicon Valley, fühlte sich nach der Übernahme seiner Firma durch ein größeres, bürokratisch geführtes Unternehmen zunehmend gestresst.
Da er als guter Bürger ernsthaft bemüht war, seine neue Rolle gewissenhaft zu erfüllen, akzeptierte er viele Aufgaben, ohne wirklich darüber nachzudenken. Die Folge war, dass er von morgens bis abends von einer Sitzung und Telefonkonferenz zur nächsten eilte, um es allen recht zu machen und alles bewältigen zu können. Sein Stress nahm immer mehr zu, während die Qualität seiner Arbeit immer mehr litt. Es war, als würde er den Großteil seiner Zeit mit weniger wichtigen Aktivitäten verbringen. Die Folge war, dass er mit seiner Arbeit nicht mehr zufrieden war und genau die Menschen frustriert waren, denen er so gern gefallen wollte.
Als seine Frustration den Höhepunkt erreicht hatte, unterbreitete ihm seine Firma das Angebot, früher in Pension zu gehen. Aber er war erst Anfang 50 und hatte kein Interesse daran, sich schon vollständig zur Ruhe zu setzen. Er zog kurz in Erwägung, eine eigene Beratungsfirma zu gründen und damit seine bisherige Tätigkeit fortzusetzen. Er dachte sogar darüber nach, seinem Arbeitgeber seine Dienste als Berater anzubieten. Aber keine dieser Optionen war wirklich verlockend. Also suchte er einen Mentor auf, der ihm den folgenden erstaunlichen Rat gab: „Bleiben Sie, aber tun Sie das, was Sie als Berater auch tun würden, und nicht mehr. Und sprechen Sie mit niemandem darüber.“ Mit anderen Worten, sein Mentor riet ihm, nur das zu tun, was er für wichtig hielt, und alle anderen Dinge, die von ihm verlangt wurden, abzulehnen.
Sam Elliot befolgte diesen Ratschlag! Er zwang sich, sich täglich weniger um bürokratischen Kleinkram zu kümmern. Er fing an, Nein zu sagen.
Anfangs ging er noch vorsichtig vor. Er bewertete Anfragen zögerlich nach dem Kriterium, ob er diese Aufgabe in Anbetracht der zur Verfügung stehenden Zeit und Ressourcen wirklich würde erfüllen können. Lautete die Antwort Nein, lehnte er die Anfrage ab. Er war angenehm überrascht zu sehen, dass die Leute zwar zuerst ein wenig enttäuscht aussahen, dann aber seine Ehrlichkeit zu respektieren schienen.
Ermutigt durch seine kleinen Erfolge wagte er sich weiter vor. Kamen neue Anfragen, hielt er zunächst inne und bewertete sie jetzt nach einem härteren Maßstab: „Ist dies das Allerwichtigste, für das ich jetzt sofort meine Zeit und meine Ressourcen aufwenden sollte?“
War die Antwort kein klares Ja, lehnte er die Anfrage ab. Und zu seiner Freude brachten ihm seine Kollegen auch jetzt, obwohl sie anfangs vielleicht enttäuscht zu sein schienen, für seine Ablehnung mehr Respekt entgegen, nicht weniger.
Ermutigt bewertete er jetzt alles andere auch nach diesem Auswahlkriterium, nicht nur unmittelbare Anfragen. In der Vergangenheit hatte er sich immer freiwillig für Präsentationen oder Aufgaben gemeldet, die in letzter Minute erledigt werden mussten.
Jetzt hatte er eine Methode gefunden, sie nicht mehr zu übernehmen. Er, der immer einer der Ersten gewesen war, die sich an einer E-Mail-Korrespondenz beteiligt hatten, trat jetzt einen Schritt zurück und ließ den anderen den Vortritt. Er nahm nicht mehr an Konferenzschaltungen teil, bei denen für ihn nur einige Minuten von Interesse waren. Er saß nicht mehr in den wöchentlichen Update-Sitzungen, weil die Informationen für ihn nicht von Belang waren. Er nahm nicht mehr an Sitzungen teil, wenn er keinen direkten Beitrag zu leisten hatte. Er erklärte mir, dass allein die Tatsache, eingeladen worden zu sein, für ihn als Grund nicht ausreichte, auch teilzunehmen.
Er hatte anfangs das Gefühl, selbstgefällig zu sein. Aber durch die selektive Auswahl bekam er Raum und dieser Raum ermöglichte ihm kreative Freiheit. Er konnte seine Kräfte auf jeweils ein Projekt konzentrieren. Er konnte sorgfältig planen. Er konnte sich auf mögliche Probleme einstellen und anfangen, Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Anstatt seine gesamte Energie aufzuwenden, um alles erledigen zu können, gelang es ihm, die richtigen Dinge erfolgreich abzuschließen. Seine neu gewonnene Devise, nur die wirklich wichtigen Dinge zu erledigen und alles andere außer Acht zu lassen, stellte die Qualität seiner Arbeit wieder her. Anstatt Fortschritte von einem Millimeter in unzählige Richtungen zu erzielen, gelang ihm jetzt ein unglaublich großer, schwungvoller Schritt in Richtung der Projekte, die wirklich zählten.
Er behielt diese Vorgehensweise mehrere Monate lang bei. Er hatte sofort das Gefühl, dass er nicht nur mit seinem Tag am Arbeitsplatz zufriedener war, sondern dass er auch an den Abenden mehr Zeit für sich und seine Familie hatte. Er sagte: „Ich habe mein Familienleben zurückgewonnen! Ich kann jetzt zu einer vernünftigen Zeit nach Hause gehen.“ Anstatt ein Sklave seines Telefons zu sein, schaltet er es jetzt aus. Er geht zum Sport. Er geht mit seiner Frau ins Restaurant.
Und sein Experiment hatte zu seiner großen Überraschung keine negativen Folgen. Sein Manager ermahnte ihn nicht und seine Kollegen ärgerten sich nicht über ihn. Eher das Gegenteil war der Fall: Weil er nur Projekte bearbeitete, die ihm etwas bedeuteten und für die Firma wirklich wichtig waren, respektierten sie ihn und schätzten seine Arbeit mehr als je zuvor.
Seine Arbeit erfüllte ihn wieder. Seine Leistungen wurden immer höher bewertet und am Schluss konnte er sich über eine der höchsten Leistungsprämien seiner gesamten Karriere freuen!
Dieses Beispiel spiegelt das grundlegende Wertversprechen des Essentialismus wider: Erst wenn man sich selbst erlaubt, nicht länger immer alles bewältigen zu wollen und nicht länger zu allem und jedem Ja zu sagen, kann man seinen größten Beitrag zu den Dingen leisten, die wirklich wichtig sind.
Und wie sieht es bei Ihnen aus? Wie oft haben Sie schon zu Anfragen Ja gesagt, ohne wirklich darüber nachzudenken? Wie oft haben Sie es schon bereut, sich verpflichtet zu haben, und haben sich dann gefragt: „Warum habe ich mich dazu bereiterklärt?“ Wie oft sagen Sie Ja, einfach um zu gefallen? Oder um Ärger zu vermeiden? Oder weil ein Ja schlichtweg zu Ihrer Standardantwort geworden ist?
Deshalb möchte ich Ihnen jetzt folgende Frage stellen: Haben Sie jemals das Gefühl, zu starkem Stress ausgesetzt zu sein? Haben Sie sich jemals überarbeitet und gleichzeitig unausgelastet gefühlt? Haben Sie jemals Ihre Zeit vor allem mit weniger wichtigen Aktivitäten verbracht? Haben Sie jemals das Gefühl, viel zu tun zu haben, aber nicht produktiv zu sein? Als wären Sie immer unterwegs, kämen aber nie irgendwo an?
Wenn Sie auch nur eine dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, wird der Weg des Essentialisten für Sie zu einem Ausweg.
Dieter Rams war viele Jahre lang der führende Designer bei Braun. Er ist getrieben von der Vorstellung, dass fast alles überflüssig ist. Er ist der Ansicht, dass nur sehr wenige Dinge wesentlich sind. Seine Aufgabe ist es, all das Unwesentliche zu filtern, bis er zur Essenz vorgedrungen ist. So wurde er bei Braun zum Beispiel als junger Mann von 24 Jahren dazu aufgefordert, an dem Entwurf eines Plattenspielers mitzuarbeiten. In jener Zeit war es üblich, den Plattenteller mit einem festen Deckel aus Holz abzudecken oder ihn sogar in ein Möbelstück zu integrieren.
Er und sein Team entfernten stattdessen allen unnützen Ballast und entwarfen einen Plattenspieler mit einer durchsichtigen Plexiglasabdeckung. Es das erste Design dieser Art und so revolutionär, dass alle sich Sorgen machten, es würde die Firma in den Bank- rott treiben, weil niemand es kaufen würde. Wie immer erforderte es Mut, das Unwesentliche wegzulassen. In den Sechzigern wurde diese Ästhetik immer beliebter und im Laufe der Zeit wurde dieses Design zum gängigen Standard bei allen Plattenspielern.
Dieter Rams’ Designkriterien lassen sich kurz und knapp in drei Worten zusammenfassen: Weniger, aber besser. Es wäre schwierig, eine Definition für den Essentialismus zu finden, die zutreffender wäre.
Der Weg des Essentialisten ist das unablässige Streben nach „weniger, aber besser!“. Es bedeutet nicht, diesen Grundsatz gelegentlich zu befolgen. Es bedeutet vielmehr, ihn in einer disziplinierten Weise zu verfolgen.
Der Weg des Essentialisten hat weder etwas mit den guten alten „Nie-wieder-Vorsätzen“ an Neujahr zu tun noch mit dem Löschen eingehender Nachrichten oder der Beherrschung irgendeiner neuen Zeitmanagement-Strategie. Es geht hierbei vielmehr darum, permanent innezuhalten und sich zu fragen: „Investiere ich in die richtigen Aktivitäten?“ Es gibt weitaus mehr Aktivitäten und Möglichkeiten in der Welt, als uns an Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen, die wir in sie investieren könnten. Und obwohl viele von ihnen gut sein mögen – oder sogar sehr gut – ist es nicht von der Hand zu weisen, dass die meisten belanglos und nur wenige unverzichtbar sind. Der Weg des Essentialisten bedeutet zu lernen, den Unterschied zu erkennen – zu lernen, alle Optionen zu filtern und nur die auszuwählen, die wirklich wesentlich sind.
Beim Essentialismus geht es nicht darum, wie man mehr Dinge erledigen kann, sondern darum, wie man die richtigen Dinge getan bekommt. Er bedeutet ebenso wenig, einfach nur weniger zu tun, weil weniger schon ausreichend ist. Es geht darum, unsere Zeit und Energie so klug wie möglich zu investieren, um unseren größtmöglichen Beitrag zu leisten, indem wir nur genau das tun, was wirklich wesentlich ist.
Der Unterschied zwischen dem Weg des Essentialisten und dem des Nicht-Essentialisten wird in der Grafik auf Seite 7 deutlich. Die Menge der aufgewendeten Energie ist in beiden Abbildungen gleich. In der linken Abbildung wird die Energie auf viele verschiedene Aktivitäten verteilt. Die Folge ist, dass wir die unbefriedigende Erfahrung machen, einen Millimeter weit in unzählige Richtungen voranzukommen. In der Abbildung rechts wird die Energie für weniger Aktivitäten aufgewendet. Die Folge ist, dass wir dadurch, dass wir unsere Energie in weniger Dinge investieren, die befriedigende Erfahrung machen, bedeutende Fortschritte in den Dingen zu erzielen, die am wichtigsten sind. Der Weg des Essentialisten lehnt die Vorstellung ab, dass wir alles bewältigen können. Stattdessen verlangt er von uns, uns mit echten Kompromissen abzumühen und schwere Entscheidungen zu treffen. In vielen Fällen können wir lernen, einmalige Entscheidungen zu treffen, die für tausend zukünftige Entscheidungen stehen, sodass wir nicht unsere Kraft darauf vergeuden müssen, immer wieder dieselben Fragen zu stellen.
Der Weg des Essentialisten bedeutet, sein Leben nach einem Entwurf zu führen und es nicht dem Zufall zu überlassen. Anstatt seine Wahl als Reaktion auf etwas zu treffen, unterscheidet der Essentialist die wenigen wesentlichen Dinge von den vielen belanglosen, eliminiert die unwesentlichen Dinge und räumt dann die Hindernisse aus dem Weg, sodass die wesentlichen Dinge ungehindert und reibungslos bewältigt werden können. Mit anderen Worten, der Essentialismus ist ein disziplinierter, systematischer Ansatz, mit dem wir festlegen, wie unser größtmöglicher Beitrag aussehen soll, damit wir dann die hierfür erforderlichen Aufgaben fast mühelos ausführen können.
Nicht-Essentialist
Essentialist
Denkt
ALLES FÜR ALLE
WENIGER, ABER BESSER
„Ich muss.“
„Ich habe diese Wahl getroffen.“
„Alles ist wichtig.“
„Nur einige wenige Dinge sind wirklich wichtig.“
„Wie kann ich das alles bewältigen?“
„Welche Kompromisse gibt es?“
Tut
DAS UNDISZIPLINIERTE STREBEN NACH MEHR
DAS DISZIPLINIERTE STREBEN NACH WENIGER
Reagiert auf Druck.
Hält inne, um zu unterscheiden, was wirklich wichtig ist.
Sagt „Ja“ zu anderen, ohne wirklich nachzudenken.
Sagt „Nein“ zu allem, außer zum Wesentlichen.
Versucht, eine Ausführung im letzten Moment zu erzwingen.
Räumt Hindernisse aus dem Weg, um die Ausführung zu erleichtern.
Bekommt
LEBT EIN LEBEN, DAS NICHT ZUFRIEDENSTELLT
LEBT EIN LEBEN, DAS WIRKLICH WICHTIG IST
Lädt sich zu viel auf und die Arbeit leidet.
Wählt sorgfältig aus, um gute Arbeit zu leisten.
Hat das Gefühl, die Kontrolle verloren zu haben.
Hat das Gefühl, die Kontrolle zu haben.
Ist unsicher, ob die richtigen Dinge erledigt werden.
Erledigt die richtigen Dinge.
Fühlt sich überfordert und erschöpft.
Empfindet Freude bei dem, was er tut.
Der Weg des Essentialisten ist der Pfad, auf dem wir die Kontrolle über unsere Entscheidungen haben. Es ist der Pfad neuer Erfolgs- und Bedeutungsebenen. Es ist der Pfad, auf dem die Reise selbst uns Freude bereitet, nicht nur das Ziel. Trotz all dieser Vorzüge gibt es jedoch zu viele verschwörerisch zusammenwirkende Kräfte, die uns von einem disziplinierten Streben nach „weniger, aber besser“ abhalten. Das mag der Grund dafür sein, dass so viele letztlich in die falsche Richtung auf dem Pfad des Nicht-Essentialisten unterwegs sind.
An einem strahlenden kalifornischen Wintertag besuchte ich meine Frau Anna im Krankenhaus. Sie strahlte ebenfalls, obwohl sie im Krankenhaus war. Aber ich wusste auch, dass sie erschöpft war. Es war der Tag nach der Geburt unserer heiß geliebten Tochter, die gesund und glücklich mit 3260 Gramm zur Welt kam.1
Was jedoch der glücklichste und fröhlichste Tag meines Lebens hätte werden sollen, war in Wirklichkeit ein Tag voller Spannungen. Selbst als mein wunderschönes, neugeborenes Baby in den müden Armen meiner Frau lag, war ich am Telefon, schrieb E-Mails und fühlte mich unter Druck, weil ich einen Termin mit einem Kunden hatte. Mein Kollege hatte geschrieben: „Freitag zwischen ein und zwei Uhr wäre ein schlechter Zeitpunkt, um ein Baby zu bekommen, weil ich dich hier bei diesem Meeting mit X brauche.“ Heute war Freitag und obwohl ich ziemlich sicher war (oder es zumindest hoffte), dass die E-Mail im Spaß geschrieben worden war, fühlte ich den Druck, daran teilzunehmen.
Instinktiv wusste ich genau, was zu tun war. Ganz ohne Frage ging es im Moment darum, für meine Frau und mein neugeborenes Baby da zu sein. Als ich gefragt wurde, ob ich vorhabe, an der Sitzung teilzunehmen, sagte ich mit aller Überzeugung, die ich aufbringen konnte: „Ja.“
Zu meiner Schande ging ich zu der Sitzung, während meine Frau mit unserem wenige Stunden alten Baby im Krankenhaus lag. Danach sagte mein Kollege: „Der Kunde wird anerkennen, dass du an der Sitzung teilgenommen hast.“ Aber auf den Gesichtern der Kunden war davon wenig zu sehen. Stattdessen spiegelten ihre Gesichter wider, was ich fühlte.
Was tat ich hier? Ich hatte Ja gesagt, um zu gefallen, und hatte damit meine Familie verletzt und meiner Integrität und sogar der Beziehung zum Kunden geschadet.
Wie sich herausstellte, war das Ergebnis dieser Sitzung mit dem Kunden gleich Null. Aber selbst wenn das Gegenteil der Fall gewesen wäre, hätte ich mich auf jeden Fall falsch verhalten. Mit dem Versuch, alle glücklich zu machen, hatte ich genau das geopfert, was am wichtigsten war.
Nach einigem Nachdenken ist mir die folgende wichtige Lektion klar geworden:
Dieser Erfahrung verdankte ich das erneute Interesse – besser gesagt, die unerschöpfliche Sucht – zu verstehen, warum ansonsten intelligente Menschen in ihrem Berufs- und Privatleben bestimmte Entscheidungen treffen. „Warum“, frage ich mich, „tragen wir so viel mehr Fähigkeiten in uns, als wir oft nutzen wollen?”
Und: „Wie können wir die Entscheidungen treffen, die uns ermöglichen, uns unser eigenes Potenzial und das von anderen Menschen verstärkt zunutze zu machen?“
Meine innere Mission, diesen Fragen auf den Grund zu gehen, hatte bereits dazu geführt, dass ich mein Jurastudium in England beendet hatte und schließlich nach Kalifornien ging, um in Stanford zu promovieren. Und wegen eben dieser Mission hatte ich mehr als zwei Jahre damit verbracht, an dem Buch Multipliers: How the Best Leaders Make Everyone Smarter mitzuarbeiten. Und danach inspirierte sie mich dazu, eine Firma für Strategie und Leadership im Silicon Valley zu gründen, wo ich heute mit einigen der fähigsten Köpfe in einigen der interessantesten Unternehmen weltweit zusammenarbeite, um sie dabei zu unterstützen, den Pfad des Essentialisten zu wählen.
Im Rahmen meiner Arbeit habe ich Menschen auf der ganzen Welt kennengelernt, die von dem Druck, der von allen Seiten auf sie ausgeübt wird, aufgefressen und überrollt werden. Ich habe „erfolgreiche“ Menschen gecoacht, die in stiller Qual verzweifelt bemüht waren, alles perfekt und sofort zu bewältigen. Ich bin Menschen begegnet, die wie in einer Falle umgeben waren von Controllern und sich nicht bewusst waren, dass sie all die undankbare Büroarbeit, die von ihnen verlangt wird, nicht erledigen „müssen“. Und ich habe unermüdlich daran gearbeitet zu verstehen, warum so viele ungemein kluge, smarte und fähige Leute sich nicht aus dem tödlichen Griff des Unwesentlichen befreien können.
Was ich schließlich herausgefunden habe, hat mich überrascht.
Ich habe mit einem besonders gehetzten leitenden Manager gearbeitet, der sehr jung in die Technologiesparte kam und seine Arbeit dort liebte. Er wurde für sein Wissen und seine Begeisterungsfähigkeit schnell mit mehr und mehr Chancen belohnt. Eifrig bemüht, seinen Erfolg weiter auszubauen, las er, so viel er konnte, und verfolgte mit Bravour und Enthusiasmus so viele Ziele wie möglich. Als ich ihn dann kennenlernte, war er hyperaktiv und versuchte, alles zu lernen und alles zu schaffen. Er schien täglich, manchmal sogar stündlich, ein neues Ziel zu entdecken. Und verlor dabei seine Fähigkeit, die wenigen wesentlichen von den vielen belanglosen Dingen zu unterscheiden.
Alles war wichtig. Die Folge war, dass er zunehmend gestresst war. Er kam in unzählige Richtungen jeweils einen Millimeter voran. Er war überarbeitet und unausgelastet. Da habe ich für ihn das Bild auf der linken Seite in der Grafik auf Seite 7 gezeichnet.
Er starrte es unendlich lange an, ohne, ganz gegen seine Gewohnheit, ein einziges Wort zu sagen. Dann sagte er merklich bewegt: „Das ist die Geschichte meines Lebens.“ Danach zeichnete ich für ihn das Bild auf der rechten Seite. „Was würde passieren, wenn wir die eine Sache herausfinden könnten, die den größten Beitrag leisten würde?“, fragte ich ihn. Er antwortete ernsthaft: „Genau das ist die Frage.“
Wie sich zeigt, haben viele intelligente, ehrgeizige Menschen triftige Gründe, diese Frage nicht ohne Schwierigkeiten beantworten zu können. Ein Grund ist, dass wir in unserer Gesellschaft für gutes Benehmen (Nein sagen) bestraft und für schlechtes Benehmen (Ja sagen) belohnt werden. Ersteres ist in dem jeweiligen Moment oft unangenehm, während Letzteres oft gefeiert wird. All dies führt zu dem, was ich das „Paradoxon des Erfolgs“2 genannt habe und das in vier vorhersehbare Phasen zusammengefasst werden kann:
PHASE 1: Wenn wir ein wirklich klares Ziel haben, werden unsere Bemühungen von Erfolg gekrönt sein.
PHASE 2: Wenn wir Erfolg haben, gewinnen wir den Ruf, jemand zu sein, den man um Rat fragt. Wir werden der „gute alte [Namen einfügen]“, der immer zur Verfügung steht, wenn man ihn braucht, und man präsentiert uns immer mehr Optionen und Möglichkeiten.
PHASE 3: Wenn uns vermehrt Optionen und Möglichkeiten zur Verfügung stehen – eigentlich ein Code für Anforderungen an unsere Zeit und Energie –, führt das zu Bemühungen in viele verschiedene Richtungen. Wir stehen zunehmend unter Stress.
PHASE 4: Wir werden von unserem möglicherweise größtmöglichen Beitrag abgelenkt. Die Folge unseres Erfolgs ist, dass genau die Klarheit, die ursprünglich zu unserem Erfolg geführt hat, untergraben wird.
Merkwürdigerweise kann, übertrieben gesagt, das Streben nach Erfolg ein Auslöser für das Versagen sein. Mit anderen Worten, Erfolg kann uns davon abhalten, uns auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren, die in erster Linie zum Erfolg führen.
Wir können das überall in unserer Umgebung beobachten. Jim Collins geht in seinem Buch How the Mighty Fall der Frage nach, was in Unternehmen schiefgelaufen ist, die einst die Lieblinge der Wall Street waren und später dann in sich zusammenbrachen.3 Er stellt fest, dass in vielen dieser Unternehmen das zunehmend „undisziplinierte Streben nach mehr“ der wichtigste Grund für ihr Scheitern war. Dies trifft nicht nur auf Unternehmen zu, sondern auch auf die Menschen, die in ihnen arbeiten. Aber warum?
Mehrere Strömungen sind zusammengeflossen und haben einen perfekten nicht-essentialistischen Sturm ausgelöst.
Darunter auch die nachfolgend aufgeführten.
Wir alle haben die exponentielle Zunahme der Wahlmöglichkeiten im Laufe der letzten zehn Jahre miterlebt. Und obwohl wir uns mitten in dieser Bewegung befinden oder vielleicht gerade deshalb, haben wir die wichtigsten aus dem Blick verloren.
Bei Peter Drucker heißt es: „In einigen Jahrhunderten, wenn die Geschichte unserer Zeit aus historischer Perspektive geschrieben werden wird, werden die wichtigsten Ereignisse für die Historiker wahrscheinlich nicht die Technologie, nicht das Internet und nicht der E-Commerce sein. Es wird ein nie zuvor dagewesener Wandel der Bedingungen der menschlichen Existenz sein. Buchstäblich zum ersten Mal hat eine beträchtlich und schnell wachsende Zahl von Menschen Wahlmöglichkeiten. Zum ersten Mal werden sie sich selbst verwalten müssen. Und darauf ist die Gesellschaft ganz und gar nicht vorbereitet.“4
Wir sind zum Teil deshalb unvorbereitet, weil wir nicht mehr fähig sind, mit der stark steigende Zahl von Wahlmöglichkeiten umzugehen. Wir haben die Fähigkeit verloren zu filtern, was wichtig ist und was nicht. In der Fachsprache der Psychologen wird das „Entscheidungsmüdigkeit“ genannt: Je mehr Entscheidungen wir treffen müssen, desto mehr nimmt die Qualität unserer Entscheidungen ab.5
Es ist nicht nur die Zahl der Wahlmöglichkeiten, die exponentiell gestiegen ist, sondern auch die Einflüsse von außen auf unsere Entscheidungen sind stärker und zahlreicher geworden. Während viel darüber gesprochen und geschrieben wurde, wie „hypervernetzt“ wir heute sind und wie verwirrend diese Überflutung mit Informationen sein kann, liegt das Problem eher darin, in welchem Maße unsere Vernetzung den sozialen Druckverstärkt hat. In der heutigen Zeit hat die Technologie die Schwelle für andere herabgesetzt, uns ihre Meinung darüber mitzuteilen, worauf wir uns konzentrieren sollten. Es geht nicht nur um eine Überflutung mit Informationen, sondern auch mit Meinungen.
Die Vorstellung, dass wir alles haben und alles tun können, ist nicht neu. Dieser Mythos geistert seit so langer Zeit schon durch die Köpfe der Menschen, dass ich glaube, dass heutzutage praktisch jeder davon infiziert ist. Er wird in der Werbung verkauft. Er wird in Konzernen hochgehalten. Er ist in Stellenanzeigen zu finden, die als Standard ellenlange Listen mit erforderlichen Fähigkeiten und Erfahrungen aufzuweisen haben. Er ist in Studienbewerbungsformularen zu finden, die Dutzende außerschulische Aktivitäten verlangen.
Neu ist allerdings, wie außerordentlich schädlich sich dieser Mythos heute auswirkt, in einer Zeit, in der die Zahl der Optionen und die Erwartungen exponentiell gestiegen sind. Er erzeugt gestresste Menschen, die versuchen, noch mehr Aktivitäten in ihr ohnehin schon terminüberladenes Leben zu pressen. Er erzeugt ein Unternehmensumfeld, in dem über die Work-Life-Balance geredet wird, in dem aber trotzdem von den Mitarbeitern erwartet wird, ihr Smartphone immer und überall dabeizuhaben.
Er führt zu Mitarbeiter-Meetings, in denen nicht weniger als zehn „Top-Prioritäten“ diskutiert werden, und zwar ohne den geringsten Anflug von Ironie.
So wurde das Wort Priorität beispielsweise erst um 1400 in die englische Sprache aufgenommen und ursprünglich nur im Singular verwendet. Es bedeutete die vorrangige oder wichtigste Sache. In den darauffolgenden 500 Jahren wurde es weiterhin nur im Singular verwendet. Erst um 1900 gebrauchte man es dann auch im Plural und sprach von Prioritäten. Als könnte man durch die Veränderung des Wortes auch die Realität verändern und als könnten wir uns irgendwie jetzt mehrere „vorrangige“ Angelegenheiten zum Ziel setzen. Menschen und Unternehmen versuchen routinemäßig genau das zu tun. Ein leitender Manager berichtete mir von seinen Erfahrungen in einem Unternehmen, in dem von “Pri-1, Pri-2, Pri-3, Pri-4, und Pri-5“ die Rede war. Dies erweckte den Eindruck, viele Dinge seien prioritär, bedeutete aber in Wirklichkeit, dass nichts oberste Priorität hatte.
Wenn wir jedoch versuchen, alles zu tun und alles zu haben, gehen wir am Rande Kompromisse ein, die wir niemals bewusst als unsere Strategie akzeptieren würden. Wenn wir nicht zielgerichtet und bewusst entscheiden, worauf wir unsere Zeit und Energie konzentrieren wollen, werden andere – unsere Chefs, unsere Kollegen, unsere Kunden und sogar unsere Familien – für uns entscheiden und dann haben wir bald alles, was bedeutungsvoll und wichtig ist, aus dem Blick verloren. Wir können unsere Entscheidungen entweder bewusst treffen oder zulassen, dass die Terminkalender anderer Leute unser Leben kontrollieren.
Die australische Krankenschwester Bronnie Ware hat Sterbende in den letzten drei Monaten ihres Lebens begleitet und dann darüber berichtet, was diese am häufigsten bereuten. Ganz oben auf der Liste stand: „Ich wünschte, ich hätte den Mut gehabt, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, nicht das Leben, das andere von mir erwartet haben.“6
Das erfordert, nicht nur planlos Nein zu sagen, sondern zielgerichtet, bewusst und strategisch die unwesentlichen Dinge zu eliminieren, und zwar nicht nur die offensichtlichen Zeitverschwender, sondern auch auf einige wirklich gute Möglichkeiten zu verzichten.7 Anstatt auf den Druck von außen zu reagieren, der Sie in eine Million Richtungen zerrt, werden Sie eine Methode lernen, zu reduzieren, zu vereinfachen und sich auf das absolut Wesentliche zu konzentrieren, indem Sie alles andere eliminieren.
Dieses Buch kann für Ihr Leben und Ihre Karriere das tun, was ein professioneller Aufräumcoach für Ihren Kleiderschrank tun kann. Stellen Sie sich einmal vor, was aus Ihrem Kleiderschrank werden würde, wenn Sie ihn nie aufräumen würden. Bleibt er sauber und ordentlich, mit Ihren wenigen Lieblingsoutfits auf der Stange? Natürlich nicht. Wenn man sich nicht bewusst bemüht, dafür zu sorgen, dass er aufgeräumt bleibt, ist der Schrank bald vollgestopft mit Sachen, die man selten trägt. Von Zeit zu Zeit gerät er dann so außer Kontrolle, dass man ihn aufräumt und Kleidungsstücke aussortiert. Aber solange man nicht diszipliniert und mit System an die Sache herangeht, hat man zum Schluss entweder genauso viele Sachen wie vorher, weil man sich nicht entscheiden kann, welche man weggeben soll, oder man bedauert, dass man Kleider weggegeben hat, die man noch tragen und behalten wollte, oder man hat schließlich einen großen Berg von Kleidungsstücken, die man nicht behalten will, aber nie entsorgt, weil man nicht genau weiß, wo man sie hinbringen oder was man mit ihnen anfangen soll.
Genau wie unsere Schränke überquellen, weil immer mehr Sachen hinzukommen, die wir nie tragen, quillt auch unser Leben über, weil die gut gemeinten Verpflichtungen immer mehr zunehmen. Die meisten dieser Verpflichtungen haben kein Verfallsdatum. Wenn wir kein System haben, um sie auszusortieren, bleiben sie, wenn wir sie einmal übernommen haben, bis in alle Ewigkeit bestehen.
Im Folgenden lesen Sie, wie ein Essentialist an diesen Kleiderschrank herangehen würde.
Anstatt Fragen zu stellen wie: „Besteht die Möglichkeit, dass ich dieses Kleidungsstück irgendwann in der Zukunft tragen werde?“, sind disziplinierte, härtere Fragen nötig wie: „Hängt mein Herz an diesem Kleidungsstück?“ und „Sehe ich großartig darin aus?“ oder „Trage ich es häufig?“. Lautet die Antwort Nein, wissen Sie, dass es ein Kandidat für den Secondhandladen ist.
In Ihrem persönlichen und beruflichen Leben lautet das Pendant zu der Frage, an welchen Kleidungsstücken Ihr Herz hängt: „Wird diese Aktivität oder diese Bemühung der größtmögliche Beitrag in die richtige Richtung sein, um mein Ziel zu erreichen?“
Im ersten Teil dieses Buches bekommen Sie Tipps, wie Sie herausfinden können, welche Aktivitäten das sind.
Nehmen wir einmal an, Sie haben Ihre Kleider in zwei Stapel aufgeteilt. Auf dem einen liegt, was Sie „unbedingt behalten wollen“ und auf dem anderen, was Sie „vermutlich weggeben sollten“. Aber sind Sie wirklich bereit, das Zeug, das Sie „vermutlich weggeben sollten“, in eine Tasche zu packen und wegzutragen? Schließlich ist da noch das Gefühl der Voreingenommenheit wegen der bereits entstandenen irreversiblen Kosten: Im Rahmen von Studien wurde festgestellt, dass wir dazu neigen, den Wert von Dingen, die wir besitzen, höher einzuschätzen, als er tatsächlich ist, und dass es deshalb schwerer für uns ist, sie wegzugeben. Wenn Sie noch nicht hundertprozentig überzeugt sind, sollten Sie die „Killerfrage“ stellen: „Wenn mir dies nicht bereits gehören würde, wie viel Geld würde ich ausgeben, um es zu kaufen?“ Dieser Trick funktioniert normalerweise.
Mit anderen Worten, es reicht nicht aus, einfach zu beschließen, mit welchen Aktivitäten und Bemühungen der größtmögliche Beitrag nicht geleistet wird, man muss diese auch aktiv aus seinem Leben streichen. Der zweite Teil dieses Buches zeigt Ihnen, wie man die nicht-essentiellen Dinge streicht, und nicht nur das, Sie lernen auch, wie man sie in einer Art und Weise streicht, die Ihnen den Respekt von Kollegen, Chefs, Kunden und Altersgenossen einbringt.
Wenn Ihr Kleiderschrank aufgeräumt bleiben soll, funktioniert das nicht ohne regelmäßige Aufräumroutine. Sie brauchen eine große Tasche für Dinge, die Sie wegwerfen müssen, und einen sehr kleinen Stapel für die Dinge, die Sie behalten möchten. Sie müssen wissen, wo und wann der Secondhandladen in Ihrem Viertel geöffnet ist. Sie müssen einen Zeitpunkt festlegen, an dem Sie dorthin gehen.
Anders ausgedrückt, sobald Sie erst herausgefunden haben, welche Aktivitäten und Verpflichtungen Sie beibehalten wollen – diejenigen, die für Ihren größtmöglichen Beitrag sorgen –, brauchen Sie ein System, um Ihre Absichten so mühelos wie möglich in die Realität umzusetzen. In diesem Buch werden Sie eine Methode erlernen, mit der Sie die wesentlichen Dinge so mühelos wie möglich bewältigen können.
Natürlich ist unser Leben nicht statisch wie die Kleider in unserem Schrank. Die bleiben, wo sie sind, wenn wir morgens aus dem Haus gehen (es sei denn, wir leben mit Teenagern unter einem Dach!). Aber in dem Schrank unseres Lebens kommen ständig neue Kleidungsstücke – neue Anforderungen an unsere Zeit – hinzu. Stellen Sie sich vor, Sie würden feststellen, dass jedes Mal, wenn Sie die Türen Ihres Kleiderschranks öffnen, andere Leute ihre Sachen hineingepackt hätten – wenn Sie täglich morgens Sachen ausräumen und ihn dann nachmittags vollgestopft bis obenhin wiederfinden würden. Leider sieht das Leben von vielen von uns so aus. Wie oft schon haben Sie Ihren Arbeitstag mit einem festen Zeitplan begonnen, der um 10:00 Uhr morgens bereits völlig aus dem Ruder gelaufen oder nicht mehr zu bewältigen war? Oder wie viele Male haben Sie morgens schon eine To-do-Liste geschrieben und abends um 17:00 Uhr dann festgestellt, dass die Liste sogar länger geworden war? Wie oft schon haben Sie sich auf ein ruhiges Wochenende zu Hause mit der Familie gefreut und dann am Samstagmorgen festgestellt, dass Sie von unzähligen Besorgungen, Terminen der Kinder und unvorhergesehenen Katastrophen überrannt wurden? Aber die gute Botschaft ist, dass es einen Ausweg gibt.
Beim Essentialismus geht es um den Entwurf eines Systems, mit dessen Hilfe der Kleiderschrank unseres Lebens verwaltet werden kann. Dies ist keine Maßnahme, die man, wie das Aufräumen des Kleiderschranks, einmal jährlich, einmal monatlich oder sogar einmal wöchentlich vornimmt. Es geht vielmehr um eine Disziplin, die man jedes Mal dann anwendet, wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, ob man Ja sagen oder höflich ablehnen sollte. Es ist eine Methode, um harte Kompromisse zwischen vielen guten Dingen und wenigen wirklich großartigen Dingen zu finden. Es geht darum zu lernen, wie man weniger, dies aber besser tut, um den größtmöglichen Ertrag aus jedem einzelnen kostbaren Moment des Lebens herauszuholen.
Dieses Buch möchte Ihnen zeigen, wie Sie ein selbstbestimmtes Leben führen können, nicht das Leben, das andere von Ihnen erwarten. Ich werde Ihnen eine Methode beibringen, mit der Sie sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben effizienter, produktiver und effektiver sein können. Ich werde Ihnen eine systematische Vorgehensweise zeigen, mit der Sie erkennen können, was wichtig ist, dann eliminieren können, was unwichtig ist, und das Wesentliche so mühelos wie möglich bewältigen können.
Kurzum, ich werde Ihnen zeigen, wie Sie das disziplinierte Streben nach weniger auf jeden Bereich Ihres Lebens anwenden können. Es funktioniert folgendermaßen:
Dieses Buch besteht aus vier Teilen. Im ersten wird der Kern der Denkweise eines Essentialisten erläutert. In den darauffolgenden drei Teilen wird diese Denkweise in eine systematische Vorgehensweise für das disziplinierte Streben nach weniger umgesetzt, eine Vorgehensweise, die in jeder aufkommenden Situation und bei jeder Bemühung Anwendung finden kann. Eine nähere Beschreibung der einzelnen Teile finden Sie nachfolgend.
In diesem Teil des Buches werden die drei Realitäten erläutert, ohne die essentialistisches Denken weder relevant noch möglich wäre. Ein Kapitel ist den folgenden Punkten gewidmet:
1. Individuelle Wahl: Wir haben die Wahl, worauf wir unsere Energie und Zeit verwenden wollen. Ohne Wahlmöglichkeit macht es keinen Sinn, über Kompromisse zu sprechen.
2. Die Vorherrschaft des Unwesentlichen: Fast alles ist unwichtig und nur sehr wenige Dinge sind außerordentlich wertvoll. Dies rechtfertigt, dass man sich die Zeit nimmt herauszufinden, was am wichtigsten ist. Da einige Dinge so viel wichtiger sind als andere, lohnt es die Mühe, diese auch herauszufinden.
3. Die Realität von Kompromissen: Wir können nicht alles haben oder alles tun. Wenn das möglich wäre, gäbe es keinen Grund, Optionen abzuwägen oder zu eliminieren. Sobald wir die Realität von Kompromissen akzeptieren, hören wir auf zu fragen: „Wie kann ich das alles bewältigen?“, und stellen die ehrlichere Frage: „Welches Problem will ich lösen?“
Erst wenn wir diese Realitäten verstehen, können wir anfangen, wie ein Essentialist zu denken. Sobald wir sie voll und ganz verinnerlicht haben, wird ein Großteil der Methode in den nachfolgenden Abschnitten dieses Buches zu einer natürlichen, instinktiven Vorgehensweise werden.
Die erwähnte Methode setzt sich aus den drei folgenden einfachen Schritten zusammen:
Ein Paradoxon des Essentialismus ist, dass Essentialisten im Grunde genommen mehr Optionen erkunden als ihre nicht-essentialistischen Gegenüber. Während Nicht-Essentialisten sich allem oder praktisch allem widmen, ohne es wirklich zu erkunden, erforschen und bewerten Essentialisten systematisch eine breite Palette von Optionen, bevor sie sich für irgendetwas entscheiden. Und weil sie alles auf eine oder zwei Ideen oder Aktivitäten setzen, erkunden sie bewusst vorher mehrere Optionen, um sicherzugehen, dass sie sich später für die richtigen entscheiden.
Durch die Anwendung härterer Kriterien können wir uns die hochentwickelte Suchmaschine unseres Gehirns zunutze machen.8 Wenn wir auf der Suche nach „einer guten Gelegenheit“ sind, finden wir zahlreiche Seiten, über die wir nachdenken und die wir durcharbeiten können. Stattdessen können wir eine fortgeschrittene Suche durchführen und uns drei Fragen stellen: „Was inspiriert mich ganz besonders?“, „In welchen Bereichen bin ich besonders talentiert?“ und „Was braucht die Welt wirklich?“. Natürlich bleiben da nicht besonders viele Seiten übrig, die man besuchen kann, aber genau das ist der Zweck der Übung. Wir sind nicht auf der Suche nach einer Fülle guter Dinge, die wir tun können. Wir suchen unseren größtmöglichen Beitrag: Die richtige Sache auf die richtige Art und Weise zur richtigen Zeit.
Essentialisten verbringen so viel Zeit wie möglich damit, zu erforschen, zuzuhören, zu debattieren, zu hinterfragen und nachzudenken.
Aber diese Erforschung ist kein Selbstzweck. Ihr Zweck liegt vielmehr in der Unterscheidung der wenigen wesentlichen Dinge von den vielen belanglosen.
Viele von uns sagen Ja, weil sie unbedingt gefallen und wichtig sein wollen. Und doch kann der Schlüssel zu unserem größtmöglichen Beitrag auch sein, Nein zu sagen. Peter Drucker hat es so ausgedrückt: „Menschen sind effektiv, weil sie ‚Nein‘ sagen, weil sie sagen: ‚Das ist nichts für mich.‘“9
Die Eliminierung nicht-essentieller Dinge bedeutet, dass man Nein zu jemandem sagen muss. Oft. Es bedeutet, sich gegen soziale Erwartungen zu stellen. Um dies gut zu machen, braucht man Mut und Mitgefühl. Bei der Eliminierung des Unwesentlichen geht es also nicht nur um eine geistige Disziplin. Es geht um die emotionale Disziplin, die erforderlich ist, um sich sozialem Druck zu widersetzen. In diesem Abschnitt werden wir diesen schwierigen dynamischen Prozess näher beleuchten.
Angesichts der Realität von Kompromissen können wir nicht beschließen, alles zu tun. Die eigentliche Frage lautet nicht, wie wir alles tun können, sondern wer wird entscheiden, was wir tun und was nicht? Denken Sie daran, dass jemand anderes für uns entscheiden wird, wenn wir unser Recht zu entscheiden nicht wahrnehmen. Also können wir entweder bewusst entscheiden, was wir nicht tun, oder es zulassen, in Richtungen gezogen zu werden, in die wir nicht gehen wollen.
In diesem Abschnitt wird eine Methode zur Eliminierung der nicht-essentiellen Dinge vorgestellt, mit der wir die erforderliche Zeit gewinnen, um das Wesentliche zu erreichen. Erst dann können wir eine Plattform schaffen, auf der die Ausführung so mühelos wie möglich ist: Das Thema von Schritt 3.
Ob unser Ziel nun die Fertigstellung eines Projekts am Arbeitsplatz ist, ob wir die nächste Karrierestufe erklimmen wollen oder eine Geburtstagsparty für unseren Lebenspartner planen, wir neigen dazu, die Ausführung als schwierig und aufreibend zu empfinden, etwas, das wir erzwingen müssen. Der essentialistische Ansatz ist anders. Anstatt die Ausführung zu erzwingen, investieren Essentialisten die eingesparte Zeit in die Schaffung eines Systems zur Beseitigung von Hindernissen, damit die Ausführung so einfach wie möglich wird.
Diese drei Elemente – Erforschen, Eliminieren, Ausführen – sind ein zyklischer Prozess und nicht voneinander zu trennen. Und wenn wir sie permanent anwenden, werden wir immer größeren Nutzen aus ihnen ziehen können.
Ein Zitat des französischen Schriftstellers und Dramatikers Victor Hugo lautet: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ „Weniger, aber besser“ ist ein Prinzip, dessen Zeit gekommen ist.
Alles wird anders, wenn wir uns erlauben, selektiver zu sein in dem, was wir tun. Sofort halten wir den Schlüssel in der Hand, mit dem wir uns die nächste Erfolgsebene unseres Lebens erschließen können. Es liegt eine unglaubliche Freiheit darin, zu lernen, dass wir Unwesentliches eliminieren können, nicht länger von den Terminkalendern anderer kontrolliert werden und selbst wählen können. Mit dieser unbesiegbaren Macht können wir unseren größtmöglichen Beitrag entdecken, und zwar nicht nur zu unserem Leben und unserer Karriere, sondern zur Welt.
Was wäre, wenn Schulen auf sinnlose Beschäftigungen verzichten und sie durch wichtige Projekte ersetzen würden, die für die gesamte Gemeinschaft wichtig sind? Was wäre, wenn alle Schüler Zeit hätten, um über ihren besten Beitrag zu ihrer Zukunft nachzudenken, sodass sie nach der Schule nicht einfach in einen Wettlauf ohne Ziel stürzen würden?10
Was wäre, wenn Firmen auf unwichtige Meetings verzichten und sie durch Raum ersetzen würden, in dem die Mitarbeiter über ihre wichtigsten Projekte nachdenken und an ihnen arbeiten könnten? Was wäre, wenn Mitarbeiter zeitverschwendende E-Mail-Ketten, zwecklose Projekte und unproduktive Sitzungen in den Hintergrund drängen würden, sodass ihr größtmöglicher Beitrag für ihr Unternehmen und ihr Leben genutzt werden könnte?