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Die "Ethik" gilt als Hauptwerk Spinozas und ist in fünf Bücher gegliedert, die sich unter anderem mit dem Wesen Gottes und des Geistes, Ursprung der Affekte und Abhängigkeit derselben von den Kräften befassen.
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Seitenzahl: 459
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Ethik
Baruch de Spinoza
Inhalt:
Baruch de Spinoza – Biografie und Bibliografie
Ethik
Einleitung
Erster Teil / Von Gott
Definitionen
Axiome
Anhang
Zweiter Teil / Von der Natur und dem Ursprunge des Geistes
Definitionen
Axiome
Postulate
Dritter Teil / Von dem Ursprunge und der Natur der Affekte
Definitionen
Postulate
Definitionen der Affekte
Allgemeine Definition der Affekte
Vierter Teil / Von der menschlichen Unfreiheit oder von der Macht der Affekte
Vorrede
Definitionen
Axiom
Anhang
§ 1.
§ 2.
§ 3.
§ 4.
§ 5.
§ 6.
§ 7.
§ 8.
§ 9.
§ 10.
§ 11.
§ 12.
§ 13.
§ 14.
§ 15.
§ 16.
§ 17.
§ 18.
§ 19.
§ 20.
§ 21.
§ 22.
§ 23.
§ 24.
§ 25.
§ 26.
§ 27.
§ 28.
§ 29.
§ 30.
§ 31.
§ 32.
Fünfter Teil / Von der Macht der Erkenntnis oder von der menschlichen Freiheit
Vorrede
Axiome
Ethik, B. de Spinoza
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849636500
www.jazzybee-verlag.de
Berühmter Philosoph, geb. 24. Nov. 1632 in Amsterdam als Sohn jüdischer Eltern portugiesischen Ursprungs, gest. 21. Febr. 1677 im Haag, besuchte die Schulen der portugiesisch-jüdischen Gemeinde in Amsterdam, ohne jedoch einen theologischen Grad zu erwerben, wurde seiner freien Religionsanschauungen wegen in den Bann getan (1656), lebte 1660–63 in Rijnsburg bei Leiden, dann bis 1670 in Voorburg beim Haag, zuletzt im Haag, wo er sich seinen Unterhalt zum Teil durch Schleifen optischer Gläser erwarb, sonst von Freunden durch ausgesetzte Jahrgelder unterstützt ward. Eine ihm 1673 vom Kurfürsten von der Pfalz angebotene Professur in Heidelberg schlug er aus, um sich die volle Freiheit des Denkens wahren zu können, und starb arm und unvermählt an der Lungenschwindsucht. Ein Standbild (von Hexamer) ist ihm 1880 im Haag errichtet worden. Über die Entwickelung seines Gedankenkreises steht so viel fest, daß er talmudistische Studien gemacht hatte und mit den Cartesianischen Schriften und Giordano Bruno zeitig genauer bekannt wurde. Die religiöse Freigeisterei der Kollegianten in Amsterdam und Rijnsburg hatte gleichfalls Einfluß auf ihn. Zuerst verfaßte er, noch vor 1660, den »Traktat über Gott und den Menschen und dessen Glückseligkeit« (»De deo et homine eiusque felicitate«). Es war dies der erste Entwurf seines Systems, erst in neuerer Zeit von van Vloten aufgefunden und zwar in holländischer Sprache, in der er vielleicht sogar niedergeschrieben war. Es folgten der »Traktat über die Verbesserung des Verstandes« (»De intellectus emendatione«, unvollständig), der »Theologisch-politische Traktat« (»Tractatus theologico-politicus«, 1670 anonym erschienen), ferner eine wenig selbständige Darstellung der Cartesianischen Prinzipien (»R. des Cartes Principiorum philosophiae pars I et II more geometrico demonstratae«, Amsterd. 1663). Das epochemachende Hauptwerk, die »Ethik« (»Ethica ordine geometrico demonstrata«), wurde erst nach seinem Tode von dem Amsterdamer Arzte Schuller herausgegeben zusammen mit dem »Traktat über die Verbesserung des Verstandes«, dem »Politischen Traktat« (»Tractatus politicus«, unvollendet), dem für die Erklärung seiner Schriften wichtigen Briefwechsel und einem Kompendium der hebräischen Grammatik, unter dem Titel »Opera posthuma«, Amsterdam 1677. Spinozas »Ethik« ist der Form nach, im Gegensatz zu der analytischen (regressiven, von den Folgen auf die Gründe zurückgehenden) Denkweise des Descartes, in synthetischer (progressiver, von dem ersten Grund zu den äußersten Folgerungen fortschreitender) Darstellung und nach der mathematischen Methode des Eukleides in Grundbegriffen, Axiomen, Propositionen, Demonstrationen und Korollarien abgefaßt, wodurch sie, gleich ihrem Vorbilde, den Anschein unumstößlicher Gewißheit empfängt. Dem Inhalt nach stellt sie gleichfalls einen Gegensatz zum Cartesianismus dar, indem an die Stelle der dualistischen eine monistische Metaphysik tritt. Spinozas Philosophie knüpft daher zwar an die des Descartes (s. d.) an, aber nur, um dessen System der Form und dem Inhalt nach aufzuheben. Sie ist mit ihrer Vorgängerin zwar darüber einverstanden, daß Geist, dessen Wesen im Denken, und Materie, deren Wesen in der Ausdehnung besteht, einen Gegensatz bilden; jener ohne das Merkmal der Ausdehnung, diese ohne das des Denkens gedacht werden kann. Aber S. leugnet, daß dieser Gegensatz ein Gegensatz zwischen Substanzen (Dualismus) sei, sondern setzt ihn zu einem solchen zwischen bloßen »Attributen« ein und derselben Substanz herunter. Da nämlich aus dem Begriff der Substanz, d. h. eines Wesens, das seine eigne Ursache (causa sui) ist, folgt, daß es nur eine einzige geben kann, so können Geist und Materie, die zwei angeblichen Substanzen des Cartesius, nicht selbst Substanzen, sondern sie müssen Attribute einer solchen, der wahren und einzigen Substanz, sein, die an sich weder das eine noch das andre ist. Diese einzige Substanz, die als solche mit Notwendigkeit existiert, und zu deren Natur die Unendlichkeit gehört, nennt S. Gott (deus), dasjenige, was der Verstand (intellectus) von ihr als ihr Wesen (essentia) ausmachend erkennt, Attribut. Die Substanz selbst besteht aus unendlichen Attributen, deren jedes nach seinem Wesen deren ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt. Zwei dieser Attribute sind nun Denken und Ausdehnung, dieselben, die, nach Descartes, als Wesen des Geistes und der Materie diese zu zweierlei entgegengesetzten Substanzen machen sollten; unter dem erstern aufgefaßt, erscheint die Substanz dem Intellekt als das unendlich Denkende (als unendliche Geisteswelt), unter dem zweiten aufgefaßt, als das unendlich Ausgedehnte (als unendliche Stoffwelt); beide sind, da außer Gott keine andre Substanz existiert, der Substanz nach identisch, keine qualitativ entgegengesetzten Substanzen mehr, weshalb der Cartesianische Einwand gegen die Möglichkeit der Wechselwirkung zwischen Geist und Materie, Seele und Leib beseitigt erscheint. Hiermit ist im Gegensatz zu dem gewöhnlichen und cartesianischen Dualismus der entschiedene Monismus gelehrt. Das unendliche, als solches unbestimmte Denken zerfällt nun durch inhaltliche Bestimmungen in unzählig viele Gedanken (Ideen); die unendliche, als solche unbegrenzte, Ausdehnung zerfällt durch räumliche Begrenzung in unzählig viele Stoffmassen (Körper), die sich untereinander ebenso gegenseitig ausschließen, als sich in stetiger Reihenfolge gegenseitig berühren. S. bezeichnet diese Bestimmungen als Modi, d. h. als Affektionen der Substanz, die Ideen als solche, insofern die Substanz unter dem Attribut des Denkens, die Körper als solche, insofern sie unter dem Attribut der Ausdehnung vorgestellt wird. Da beide Attribute der Substanz nach identisch sind, das unendliche Denken aber der Summe aller einzelnen Denkbestimmungen (Ideen), die unendliche Materie der Summe aller einzelnen begrenzten Stoffteile (Körper) gleich ist, so müssen auch diese beiden in ihrer stetigen Reihenfolge untereinander (der Substanz nach) identisch, und kann zwischen der (idealen) Gesetzmäßigkeit des Ideenreichs und der (mechanischen) Gesetzmäßigkeit der Körperwelt kein Gegensatz vorhanden sein. S. stellt daher nicht nur den Satz auf, daß aus dem unendlichen Wesen Gottes (als natura naturans) Unendliches auf unendlich verschiedene Weise folge (als natura naturata), sondern auch den weitern, daß die Folge und Verknüpfung der Ideen, die ideale, und jene der ausgedehnten Dinge, die reale Weltordnung, ein und dieselbe (ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum) seien, womit die Identitätsphilosophie ausgesprochen ist.
Folge des erstern Satzes ist, daß die Gesamtsumme der Wirkungen Gottes, die Welt der Erscheinungen, ihrer Beschaffenheit sowohl als ihrer Verknüpfung nach als eine unabänderliche, von Ewigkeit her feststehende, angesehen werden muß. Folge des zweiten ist, daß die im Reiche des Geistes waltende Gesetzlichkeit von der das Reich der Materie regelnden (mechanischen) nicht verschieden, das die Erscheinungen der Natur ausnahmslos beherrschende Kausalgesetz daher auch das die Erscheinungen des Geistes bestimmende sei. So wenig in der Körperwelt eine Wirkung ohne zwingende Ursache, so wenig ist in der Geisteswelt ein Willensentschluß ohne nötigendes Motiv möglich, womit der volle Determinismus gegeben ist. Die geistigen wie körperlichen Erscheinungen selbst als Entfaltung der Substanz (des all-einen Seins) sind weder das Werk einer Vorsehung, da die Substanz als solche weder Intelligenz noch Willen besitzt, von einem »Weltplan« nicht die Rede sein kann, noch eines blinden Verhängnisses, da die Substanz Ursache ihrer selbst und von nichts außer ihr abhängig ist. Die Beschaffenheit und Reihenfolge der Erscheinungen sind nicht durch Zwecke, sondern lediglich durch wirkende Ursachen bestimmt; sie und weder gut (nützlich) noch schlecht (schädlich), sondern einfach notwendig. Als solche ist die Welt weder die beste noch die schlechteste unter mehreren möglichen, sondern die einzig mögliche. Die Erkenntnis dieser unabänderlichen Weltordnung ist es, die den Weisen vom Toren scheidet. Während der letztere vom Weltlauf die Erfüllung seiner Wünsche hofft oder deren Gegenteil fürchtet, erkennt der erstere, daß jener unabhängig von diesen unabänderlich feststeht und daher weder Hoffnung noch Furcht einzuflößen vermag. Die philosophische Erkenntnis besteht darin, die Dinge zu schauen unter dem Gesichtspunkte der Ewigkeit, sub specie aeternitatis, d. h. jedes Einzelne (Idee, Körper, Ereignis) im Zusammenhang als Glied des unendlichen Ganzen, als aus Gott ewig und notwendig hervorgehend. Die philosophische Gemütsstimmung besteht einerseits in der Resignation, d. h. in der Ergebung, die aus der Erkenntnis der Notwendigkeit, anderseits in der intellektualen Liebe zu Gott, die aus der Erkenntnis der (ursprünglichen) Göttlichkeit des Weltlaufs entspringt und darin besteht, daß wir Freude haben in der Zurückführung der Din ae auf Gott in adäquater Erkenntnis. An das unadäquate Erkennen, Wahrnehmen, Vorstellen, wobei die Dinge als selbständig, frei angesehen werden, knüpfen sich die leidenden Zustände der Seele, die Affekte, die den Menschen in Knechtschaft bringen, im Gegensatz zur Freiheit, die in der intellektualen Liebe zu Gott besteht und zugleich Glückseligkeit ist. In der Erörterung dieser Affekte bietet S. Treffliches. Wird so für die Resignation wie für die Liebe zu Gott Erkenntnis des Wesens der Welt als Enthüllung Gottes vorausgesetzt, so ist es erklärlich, wie die pantheistische Metaphysik die unentbehrliche Vorbedingung zu der Ethik Spinozas bildet, und wie das erste Buch der »Ethik« von Gott (de deo) handelt. Sowohl wegen des echt philosophischen Ergebnisses in praktischer Hinsicht wie wegen des auf den Zusammenhang des Ganzen als Weltorganismus gerichteten Blickes (den übrigens Leibniz zum mindesten im gleichen Grade besaß) in theoretischer Hinsicht hat die Philosophie Spinozas, die anfänglich nur in Holland einen kleinen Kreis von Anhängern fand (den Arzt Meyer, Schuller u. a.), ein Jahrhundert später bei Größen ersten Ranges, wie Lessing, Jacobi, Herder, Goethe u. a., Bewunderung, bei Fichte, Schelling, Hegel mehr oder weniger eingestandene Nachahmung gefunden. Eine vollständige Ausgabe der Werke Spinozas, abgesehen von dem erst später gefundenen Traktat »Über Gott« etc., wurde von Paulus veranstaltet (Jena 1802, 2 Bde.); eine andre von Gfrörer im »Corpus philosophorum optimae notae«, Bd. 3 (Stuttg. 1830, ohne die hebräische Grammatik). Korrekter als die erstgenannte, aber ohne die wichtige Biographie des Colerus (Neudruck, Haag 1906), ist die Ausgabe von Bruder (Leipz. 1843–46, 3 Bde.); eine alles umfassende gute Ausgabe besorgten J. van Vloten und J. P. N. Land (Haag 1882–83, 2 Bde.; auch 1895, 3 Bde.). Deutsche Übersetzungen lieferten B. Auerbach (2. Aufl., Stuttg. 1871, 2 Bde.), Kirchmann und Schaarschmidt in der »Philosophischen Bibliothek«. Den »Tractatus de deo et homine« (hrsg. von pan Vloten, Amsterd. 1862, und von Ginsberg, Leipz. 1877) hat Sigwart (Tübing. 1870) ins Deutsche übersetzt und erläutert. Über die S. betreffende Literatur vgl. van der Linde, Spinoza (Götting. 1862), auch Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3 (10. Aufl., Berl. 1907); über Spinozos Leben und Philosophie: Sigwart, Der Spinozismus, historisch und philosophisch erläutert (Tübing. 1839); Trendelenburg, Historische Beiträge zur Philosophie, Bd. 2 und 3 (Berl. 1855–67); K. Fischer, Spinozas Leben, Werke und Lehre (4. Aufl., Heidelb. 1898; Bd. 2 der »Geschichte der neuern Philosophie«); Camerer, Die Lehre Spinozas (Stuttg. 1877); Freudenthal, S. und die Scholastik in den »Philosophischen Aufsätzen, Ed. Zeller gewidmet« (Leipz. 1887), Die Lebensgeschichte Spinozas in Quellenschriften, Urkunden und nichtamtlichen Nachrichten (das. 1898) und S. Sein Leben und seine Lehre (Stuttg. 1904, Bd. 1); Grunwald, S. in Deutschland (Berl. 1897); J. Martineau, A study of S. (3. Aufl., Lond. 1895); Pollock, S., his life and philosophy (das. 1880); Baltzer, Spinozas Entwickelungsgang (Kiel 1888); E. Caird, S. (in den »Philosophical classics«, Lond. 1888 u. ö.); Meinsma, S.en zijn kring (Haag 1896); Gebhardt, Spinozas Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes (Heidelb. 1905, Teil 1); Günther, Der Kausalitätsbegriff bei S. (Wolgast 1905); Couchoud, Benoit de S. (Par. 1902); Brunschvicg, Spinoza (2. Aufl., das. 1906); W. Bolin, Spinoza (Berl. 1894). B. Auerbach behandelte Spinozas Entwickelungszeit in einem Roman von freier Fabel, historisch ist sein ganzes Leben in O. Hausers Roman »Spinoza« (Stuttg. 1907) dargestellt.
Das siebzehnte Jahrhundert ist die Zeit der großen philosophischen, vor allem metaphysischen Systeme, die man bei aller Verschiedenheit im einzelnen durch das eine Wort: Intellektualismus charakterisieren könnte. Nach dem gewaltigen geistigen Ringen der Renaissanceperiode, die in den Ländern Europas die moderne Kultur in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit und in bisher unerhörter Weite des Gesichtspunktes geschaffen und die Probleme verschwenderisch ausgestreut, an denen die philosophische Gegenwart sich noch genau so emsig bemüht wie das sechzehnte Jahrhundert, galt es, sich zurückzubesinnen auf die wenigen, ewigen Grundfragen der Philosophie, und zwar auf diejenigen vor allem, die durch die neu erblühte mathematische Naturwissenschaft sich erhoben.
So ist im siebzehnten Jahrhundert wieder wie einst zu den Zeiten Platos die Philosophie an der Mathematik orientiert, und man würde sich die Lehre eines Descartes, Hobbes, Leibniz oder Spinoza, wenn man diese Beziehung vernachlässigen wollte, überhaupt nicht zum vollen Verständnis bringen können. In dieser geistigen Bewegung des siebzehnten Jahrhunderts bezeichnet die Philosophie von Baruch Spinoza (oder Spinosa) insofern einen Höhepunkt, als seine Lehre, so wie sie uns in seinem Hauptwerke, der »Ethik« entgegentritt, eine Einheitlichkeit und Geschlossenheit zeigt, wie diese keinem der zeitgenössischen Philosophen gelungen ist. Und noch eins kommt hinzu: gilt es, wie oben bereits bemerkt, daß die ganze Philosophie des siebzehnten Jahrhunderts Intellektualismus ist, so stellt die »Ethik« Spinozas diesen Intellektualismus in der reinsten Form dar. Freilich ist bei allem »Rationalismus« die metaphysische Strömung bei Spinoza weit stärker als bei Descartes und Hobbes, von denen er im übrigen in seinen erkenntnistheoretischen, psychologischen, ethischen und politischen Ansichten aufs stärkste beeinflußt worden ist.
Für Spinoza ist der feste Punkt, den Descartes erst in mühevoller, langwieriger Analyse des Wissens zu gewinnen vermochte, von vorne herein starr und unverrückbar gegeben. Jedes bloß vermittelte Erkennen, das ist sein Ausgangspunkt, wäre in sich haltlos, wenn es nicht auf dem Grunde einer unmittelbaren Intuition ruhte, in der sich uns die Wirklichkeit des unendlichen Seins erschließt. Indessen bleibt Spinoza dabei nicht stehen, denn wenn man das Verstehen sonst wohl schlechthin als das Gewahrwerden der äußeren Existenz in der Seele erklärt hat, so läßt sich doch auf diesem Wege zum mindesten eine völlig gewisse und adäquate Erkenntnis nicht erreichen. Will der Geist sich über das Erfassen der augenblicklichen Zuständlichkeiten seines individuellen Körpers hinaus zur Erkenntnis allgemeiner, dauernder Gesetze erheben, so wird eine Erkenntnisart erfordert, die nicht von den Teilen zum Ganzen fortgeht, sondern von der vorausgesetzten Idee der unendlichen Gesamtheit aus das Einzelne bestimmt. Dabei ist der Verstand nicht bedingt, sondern bedingend, und so erscheint in der echten Erkenntnis auch alles Einzelne und Zufällige in das Licht des Ewigen gerückt.
In der eigentlichen Metaphysik steht freilich Spinoza zu Hobbes in direktem Gegensatz; denn während es für diesen kein anderes Ideal gibt als die streng deduktive Erkenntnis der empirischen Wirklichkeit, ist die Philosophie Spinozas ihrer eigentlichen Tendenz und Absicht nach vornehmlich die Lehre von dem Ewigen und Ungewordenen und schließt daher die gesamte Theologie, d. h. die Lehre von der Natur und den Eigenschaften des ewigen, unerzeugbaren und unbegreiflichen Gottes ein, die Hobbes vom System der Philosophie ausschließt.
Trotzdem ist Spinoza der schärfste Gegner der gewöhnlichen theologischen Auffassung, die Gott nach Zwecken und Absichten tätig sein läßt und stellt dieser die wahre und adäquate Erkenntnis der Notwendigkeit seines Wirkens entgegen. Danach bedeutet die »Leitung Gottes« nichts anderes als die feste und unabänderliche Ordnung der Natur oder die allgemeine Verkettung der Naturdinge. In dieser Bedeutung der Natur als »Ordnung« allein ist die Gleichsetzung von »Deus sive natura« zu verstehen.
Wie ist nun aber, so könnte man fragen, unter dieser Voraussetzung eine Erkenntnis der Einzelwesen möglich? In der Tat kann nach der Auffassung Spinozas das Einzelwesen als solches niemals Gegenstand der adäquaten Erkenntnis sein, wohl aber die Ordnung der Einzelwesen. In ihrer durchgängigen Verknüpfung, in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit stellen die Einzelwesen eine Verfassung dar, die zugleich universell und individuell ist. Eine besondere Schwierigkeit bereitet bei diesem Standpunkte Spinozas seine Annahme einer Unendlichkeit von Eigenschaften (Attributen) Gottes, die dem menschlichen Geiste, der nur die beiden Attribute des Denkens und der Ausdehnung zu erfassen vermag, für immer unzugänglich bleiben sollen. – Es ist Spinoza nicht gelungen, die diesbezüglichen Einwände von Tschirnhaus zu entkräften.
Trotz dieses Mangels haben wir in der »Ethik« Spinozas den ersten Versuch einer Ethik auf modernen Grundlagen. Bei ihm wird zum erstenmal die grundsätzliche Frage gestellt, ob denn mit dem neuen Naturbegriff, zu dem die mathematische Naturwissenschaft geführt hat, eine Ethik überhaupt vereinbar ist und das Problem: Naturnotwendigkeit und Freiheit ist seitdem nicht mehr aus der Geschichte, nicht nur der Philosophie, sondern der allgemeinen Kultur verschwunden.
Daß Spinoza in diesem seinem Hauptwerke die »geometrische« oder »synthetische« Methode angewandt hat, zeigt, daß er durch Descartes – dessen »Prinzipien« er ja auch in derselben Weise dargestellt hat – zu der durchweg mathematischen Anschauungsweise gekommen ist, die ihn charakterisiert und die man nie aus den Augen verlieren darf, wenn man sich nicht das Verständnis seiner Lehre erschweren will. Philosophische und mathematische Gewißheit, – dies beides ist ihm gleichbedeutend, und jeder Gesichtspunkt, der für den Mathematiker nicht da ist, wird daher von ihm ausdrücklich als ein ungehöriger verworfen. Es erscheint danach als der besondere Vorzug der Mathematik, daß sie den Zweckgesichtspunkt verbannt, und so gilt es, alles, auch das Tun und Trachten der Menschen, so zu betrachten, als ob es sich um Linien, Ebenen und Körper handle.
Aber auch den Gedanken der Ursache nach der gewöhnlichen Auffassung lehnt Spinoza ab. Er betont immer wieder, daß es in der Natur keine übergehende Ursache ( causa transiens), sondern nur eine immanente Ursache geben könne, und auch die stete Bezugnahme auf mathematische Begriffe zeigt, daß er an Stelle eines wirklichen Kausalzusammenhangs nur ein Bedingtsein durch einen Vor- oder Hilfsbegriff annimmt. Daher fallen für ihn die Termini der »Ursache« ( causa) und des »Grundes« ( ratio) einfach zusammen. In ähnlicher Weise wendet sich Spinoza gegen das reale Nacheinander, die Zeit, die nach seiner Auffassung nur eine verworrene Vorstellung ist. Seine Lehre, daß der Philosoph alles unter der Form der Ewigkeit aufzufassen habe (s. ob. S. IX), d. h. in völliger Zeitlosigkeit, nicht in seiner realen, sondern bloß in seiner logischen Folge, scheint freilich dem Averroës entlehnt zu sein.
Während die politischen Schriften Spinozas sich das Ziel setzen, die bürgerliche Freiheit, d. h. diejenige Machterweiterung darzustellen, deren die Masse der Menschen fähig ist, ist es die Aufgabe der »Ethik«, zu zeigen, wie die wenigen, die des Staates nicht bedürfen und denen eben darum die bürgerliche Freiheit nicht genügt, sich zu der höchsten, der Geistesfreiheit erheben, die eine Privattugend ist. Bei dem Ausgangspunkte Spinozas ist es, da er den Zweckbegriff und damit auch denjenigen des »Sollens« ablehnt, begreiflich, daß er kein ethisches System aufstellen konnte, das sich, wie etwa das Kantische, auf einem kategorischen Imperativ aufbaut. Wie alles, so wird auch das Wollen des Menschen bei Spinoza nach Art der mathematischen Physik behandelt (s. ob. S. X). So ist es zu verstehen, daß der eigentliche Wert dieser Ethik weniger in den streng erkenntnis-theoretischen Voraussetzungen, als in den psychologischen Darlegungen und Beobachtungen zu sehen ist, die – und das gilt besonders für die Affektenlehre – voller Tiefen und Feinheiten sind.
Die Leidenschaft ist nur ein verworrenes Denken oder die Idee einer Körperstörung. Das Eigentümliche dieser beschränkten oder ersten Weise des Erkennens ist es, daß sie alles vereinzelt und stückweise und darum alles gesondert betrachtet, also als ein Zufälliges, das auch anders sein kann, daß sie alles nicht unter den Gesichtspunkt der Ewigkeit, sondern unter den der Dauer stellt. Diese beschränkte Auffassung ist bei den meisten Menschen die einzige und für jeden ist es schwer, sich ganz von ihr zu befreien. Dem Beschränkten stellt nun Spinoza den Geistesfreien und Geistesstarken entgegen, den nichts mit dem unfreien Staunen erfüllt, welches das nicht oder nur halb Erkannte begleitet, sondern der es erkennt und demgemäß (diese Folgerung ist echt intellektualistisch!) auch billigt oder will. In der höheren Erkenntnis, die solche Freiheit verleiht, unterscheidet Spinoza zwei Grade, darum heißt sie Erkenntnis der zweiten bzw. dritten Gattung. Jene erkennt mittelbar, also auf dem Wege des Schlußverfahrens, die letztere dagegen in unmittelbarer Anschauung, darum hat es die Erkenntnis der zweiten Gattung mit dem Bedingten und Abgeleiteten, die der dritten mit dem Unbedingten zu tun. Diese beiden Erkenntnisgrade betrachten alles in seinem ewigen und notwendigen Zusammenhange, es gibt für sie keine Möglichkeit, daß etwas auch anders sein könnte, also verhalten sie sich zu allem frei.
Je mehr nun das Wissen, die klare Erkenntnis, zum Verlangen, d. h. zum Affekt wird, desto mehr ist sie imstande, die Leidenschaften zu besiegen; je mehr sie wächst, um so mehr nimmt die Gelassenheit und Geistesstärke zu. Diese hat die höchste und dauernde Freude, die Seligkeit, nicht etwa zum Lohne, sondern in ihr besteht die Seligkeit. Da nun alles in seiner Notwendigkeit nur erkannt wird, wenn man es als Folge des unendlichen, göttlichen Seins erkennt, so ist diese Freude ohne die Idee Gottes nicht möglich. Also ist jenes Erkennen notwendig Liebe zu Gott. Diese intellektuelle Liebe aber ist nichts anderes als die Liebe zur Wahrheit. Wie wir nun die Wahrheit nicht lieben, damit sie uns wieder liebe, so auch Gott nicht. Nicht also liebt Gott uns, sondern wir, wenn wir erkennen, lieben Gott. –
Dies einige der wichtigsten und geschichtlich fruchtbarsten Gedankengänge der Spinozaschen Philosophie, in deren Hauptwerk, die »Ethik« man ohne eine solche kurze Einführung den Zugang nicht leicht findet. Es dürfte sich, zumal für den philosophisch wenig Geschulten, empfehlen, mit dem dritten Buche zu beginnen und die beiden ersten Bücher erst nach dem fünften zu lesen. Auch so bietet die »Ethik« noch der Schwierigkeiten genug, doch darf man eben auch nicht erwarten, daß sich einem die Schönheiten und Tiefen dieses Meisterwerkes der Weltliteratur sogleich bei der ersten Lektüre ganz erschließen. –
Die »Ethik« ist nicht zu Lebzeiten Spinozas erschienen, da der Philosoph, dessen »theologisch-politischer Traktat« sogar in dem wegen seiner Denkfreiheit berühmten Holland verboten worden war, das um seiner persönlichen Sicherheit willen nicht wagen durfte. Das druckfertige Manuskript befand sich in seinem Nachlaß, und die Freunde Spinozas zögerten zunächst, es dem Drucke zu übergeben, offenbar weil es ihnen gefährlich schien. Ja, man dachte sogar daran, die Originalhandschrift an Leibniz für 150 fl. zu verkaufen, doch bald besann man sich eines Besseren. Noch im November des Jahres 1677 erschienen mit Unterstützung eines einflußreichen Mannes, der im Haag wohnte und dessen Name verschwiegen wurde, die »Nachgelassenen Werke«, Opera posthuma, welche die Ethik, die Bruchstücke des Traktats über die Läuterung des Verstandes, der hebräischen Grammatik, des politischen Traktats und ausgewählte Briefe enthielten.
Der Druck aber mußte geheim gehalten werden, weil man fürchtete, daß sonst das Unternehmen verhindert werden würde. Auch wagte man es nicht, den Druckort und den Namen des Druckers anzugeben. Daß ferner der Verfasser auf dem Titelblatt nicht genannt wurde, hatte dieser selbst angeordnet. Nur seine Lehre, nicht sein Name, sollte ihn überleben, ein Wunsch Spinozas, der freilich nicht in Erfüllung gegangen ist. Seine Werke haben seinen Namen und trotz vieler Verlästerung auch seinen Ruhm durch die Jahrhunderte getragen. Von ihm gilt das Wort von Platen: »Hier ist alles: Charakter und Geist und der edelsten Menschheit Bild, und die Götter vergehn vor dem alleinigen Gott.«
1. Unter Ursache seiner selbst verstehe ich das, dessen Wesen das Dasein in sich schließt, oder das, dessen Natur nur als daseiend begriffen werden kann.
2. Dasjenige Ding heißt in seiner Art endlich, welches durch ein anderes von gleicher Natur begrenzt werden kann. Ein Körper z. B. heißt endlich, weil wir immer einen andern größeren begreifen. So wird ein Gedanke durch einen anderen Gedanken begrenzt; der Körper aber nicht durch einen Gedanken, noch ein Gedanke durch den Körper.
3. Unter Substanz verstehe ich das, was in sich ist und aus sich begriffen wird; das heißt das, dessen Begriff nicht eines andern Dinges Begriff bedarf, um daraus gebildet zu werden.
4. Unter Attribut verstehe ich das, was der Verstand an der Substanz, als ihr Wesen ausmachend, erkennt.
5. Unter Daseinsweise verstehe ich die Affektionen der Substanz, oder das, was in einem andern ist, wodurch man es auch begreift.
6. Unter Gott verstehe ich das absolut unendliche Wesen, d. h. die Substanz, die aus unendlichen Attributen besteht, von denen jedes ein ewiges unendliches Wesen ausdrückt.
Erläuterung. Ich sage absolut, nicht aber seiner Art nach unendlich; denn, was nur seiner Art nach unendlich ist, dem können wir unendliche Attribute absprechen; was aber absolut unendlich ist, zu dessen Wesen gehört alles, was Wesen ausdrückt und keine Negation in sich schließt.
7. Dasjenige Ding wird frei heißen, das aus der bloßen Notwendigkeit seiner Natur existiert und von sich allein zum Handeln bestimmt wird; notwendig aber, oder vielmehr gezwungen, dasjenige, was von einem andern bestimmt wird, auf gewisse und bestimmte Weise zu existieren und zu wirken.
8. Unter Ewigkeit verstehe ich das Dasein selbst, sofern es aus der bloßen Definition eines ewigen Dinges, als notwendig folgend, begriffen wird.
Erläuterung. Denn ein solches Dasein wird ebenso, wie das Wesen des Dinges, als ewige Wahrheit begriffen, und kann deshalb nicht durch Dauer oder Zeit erklärt werden, wenn man sich auch die Dauer als ohne Anfang und Ende vorstellt.
Lehrsatz 1. Die Substanz ist von Natur früher als ihre Affektionen.
Beweis. Dieser folgt aus Definition 3 und 5.
Lehrsatz 2. Zwei Substanzen, die verschiedene Attribute haben, haben nichts miteinander gemein.
Beweis. Dieser erhellt ebenfalls aus Definition 3. Denn jede Substanz muß in sich sein und durch sich begriffen werden, oder der Begriff der einen schließt den Begriff der andern nicht in sich.
Lehrsatz 3. Von Dingen, die nichts miteinander gemein haben, kann nicht eines die Ursache des andern sein.
Beweis. Wenn sie nichts miteinander gemein haben, so können sie (nach Ax. 5) nicht wechselseitig auseinander erkannt werden, und darum (nach Ax. 4) kann nicht das eine die Ursache des andern sein. Was zu beweisen war. Lehrsatz 4. Zwei oder mehrere verschiedene Dinge unterscheiden sich voneinander entweder nach der Verschiedenheit der Attribute der Substanzen, oder nach der Verschiedenheit der Affektionen derselben.
Beweis. Alles, was ist, ist entweder in sich oder in einem anderen (nach Ax. 1), d. h. (nach Def. 3 und 5) außer dem Verstande gibt es nichts als Substanzen und ihre Affektionen. Es gibt also nichts außer dem Verstande, wodurch mehrere Dinge voneinander unterschieden werden können, als die Substanzen, oder, was dasselbe ist (nach Def. 4), ihre Attribute und ihre Affektionen. W. z. b. w.
Lehrsatz 5. Es kann in der Natur nicht zwei oder mehrere Substanzen von derselben Beschaffenheit oder von demselben Attribute geben.
Beweis. Gäbe es mehrere verschiedene, müßten sie nach Verschiedenheit der Attribute oder nach Verschiedenheit der Affektionen voneinander unterschieden werden (nach dem vor. Lehrsatz). Wenn bloß nach Verschiedenheit der Attribute, wird also zugestanden, daß es dennoch nur eine Substanz von demselben Attribute gebe; wenn aber nach Verschiedenheit der Affektionen, so wird, da die Substanz von Natur früher ist als ihre Affektionen (nach Lehrsatz 1), wenn sie also ohne Affektionen und an sich betrachtet, d. h. (nach Def. 3 und 6) richtig betrachtet wird, sie nicht von einer andern unterschieden, begriffen werden können, d. h. (nach dem vor. Lehrsatz) es wird nicht mehrere, sondern nur eine geben können. W. z. b. w.
Lehrsatz 6. Eine Substanz kann nicht von einer anderen Substanz hervorgebracht werden.
Beweis. Es kann in der Natur nicht zwei Substanzen von demselben Attribute geben (nach dem vor. Lehrsatz), d. h. (nach Lehrsatz 2) die etwas miteinander gemein hätten; und deshalb kann (nach Lehrsatz 3) die eine nicht die Ursache der anderen sein, oder eine kann nicht von der anderen hervorgebracht werden. W. z. b. w.
Folgesatz. Hieraus folgt, daß die Substanz nicht von etwas anderem hervorgebracht werden kann. Denn es gibt in der Natur nichts als Substanzen und ihre Affektionen (wie aus Ar. 1 und Def. 3 und 5 erhellt). Nun kann sie nicht von einer Substanz hervorgebracht werden (nach obigem Lehrsatz), also kann eine Substanz überhaupt nicht von etwas anderem hervorgebracht werden. W. z. b. w.
Anderer Beweis. Dies läßt sich noch leichter durch den Widersinn des Gegenteils beweisen; denn, wenn die Substanz von etwas anderem hervorgebracht werden könnte, so müßte ihre Erkenntnis von der Erkenntnis ihrer Ursache abhängen (nach Ar. 4), und demnach (nach Def. 3) wäre sie nicht Substanz.
Lehrsatz 7. Zur Natur der Substanz gehört das Dasein.
Beweis. Die Substanz kann nicht von etwas anderm hervorgebracht werden (nach dem Folgesatz des vor. Lehrsatzes), und ist daher Ursache ihrer selbst, d. h. (nach Def. 1) ihr Wesen schließt notwendig das Dasein in sich, oder zu ihrer Natur gehört das Dasein. W. z. b. w.
Lehrsatz 8. Alle Substanz ist notwendig unendlich.
Beweis. Es kann nur eine Substanz von demselben Attribute da sein (nach Lehrsatz 5), und zu ihrer Natur gehört das Dasein (nach Lehrsatz 7); sie muß also ihrer Natur nach entweder als endliche oder als unendliche da sein; aber nicht als endliche. Denn (nach Def. 2) alsdann müßte sie von einer anderen, von gleicher Natur, die auch noch notwendig da sein müßte, begrenzt werden (nach Lehrsatz 7), also gäbe es zwei Substanzen von demselben Attribute, was widersinnig ist (nach Lehrsatz 5). Sie existiert also als unendliche. W. z. b. w.
1. Anmerkung. Da Endlichsein im Grunde eine teilweise Negation ist und unendlich eine absolute Bejahung des Daseins einer Natur, so folgt also schon allein aus dem Lehrsatze 7, daß alle Substanz unendlich sein muß.
2. Anmerkung. Ich zweifle nicht, daß es allen, die die Dinge unklar beurteilen, und die Dinge nicht nach ihren ersten Gründen zu erkennen gewohnt sind, schwer wird, den Beweis des 7. Lehrsatzes zu begreifen, weil sie nämlich zwischen Modifikationen und Substanzen und den Substanzen selbst nicht unterscheiden und nicht wissen, wie die Dinge hervorgebracht werden. Hierdurch kommt es, daß sie den Anfang, den sie bei den natürlichen Dingen sehen, auch den Substanzen andichten. Denn, wer die wahren Gründe der Dinge nicht kennt, verwirrt alles und fabelt ohne Widerspruch seines Geistes, daß die Bäume wie die Menschen reden, daß Menschen sowohl aus Steinen wie aus Samen gebildet, und daß alle Formen in alle anderen verwandelt werden können. So legen auch die, welche die göttliche Natur mit der menschlichen vermengen, leicht Gott menschliche Affekte bei, zumal, so lange sie auch nicht wissen, wie die Affekte im Geiste hervorgebracht werden. Wenn aber die Menschen auf die Natur der Substanz achteten, würden sie gar nicht an der Wahrheit des 7. Lehrsatzes zweifeln, ja dieser Lehrsatz würde ihnen allen als Axiom gelten und unter die Gemeinbegriffe gezählt werden; denn unter Substanz würden sie das verstehen, was in sich ist und durch sich begriffen wird, das heißt das, dessen Erkenntnis nicht der Erkenntnis eines anderen Dinges bedarf; unter Modifikationen aber das, was in einem anderen ist, und deren Begriff nach dem Begriffe des Dinges, an dem sie sind, gebildet wird, weshalb wir richtige Ideen von nicht daseienden Modifikationen haben können, da, obschon sie außer dem Verstande nicht wirklich da sind, doch ihr Wesen so in einem anderen begründet ist, daß sie durch dieses begriffen werden können. Die Wahrheit der Substanzen aber ist außer dem Verstande nirgends als in ihnen selbst, weil sie aus sich begriffen werden. Wenn jemand also sagt, er habe eine klare und bestimmte, d.h. richtige Idee von der Substanz, er sei aber dennoch ungewiß, ob eine solche Substanz da sei, so wäre das wahrlich dasselbe, wie wenn er sagte, er habe eine wahre Idee, er sei aber dennoch nicht gewiß, ob sie nicht falsch sei (wie dem gehörig Aufmerksamen offenbar sein muß), oder, wenn jemand behauptet, die Substanz werde geschaffen, so behauptet er zugleich, daß eine falsche Idee wahr geworden sei; etwas Widersinnigeres als dies aber kann nicht gedacht werden. Demnach muß man notwendig zugeben, daß das Dasein der Substanz, wie ihr Wesen, eine ewige Wahrheit ist. Hieraus können wir auch noch auf andere Weise schließen, daß es nur eine Substanz von derselben Beschaffenheit gibt, was ich hier einer weiteren Darlegung wert erachtete. Um aber dies in Ordnung auszuführen, ist zu bemerken:
1. daß die richtige Definition jedes Dinges nichts in sich schließt noch ausdrückt, als die Natur des definierten Dinges, woraus sodann
2. folgt, daß keine Definition eine bestimmte Zahl von Individuen in sich schließt noch ausdrückt, da sie nichts anderes als die Natur des definierten Dinges ausdrückt. Z. B. die Definition des Dreieckes drückt nichts anderes aus, als die einfache Natur des Dreieckes, nicht aber eine bestimmte Zahl von Dreiecken.
3. bemerke man, daß es notwendig eine bestimmte Ursache jedes daseienden Dinges gibt, durch welche es existiert.
4. endlich bemerke man, daß diese Ursache, weshalb ein Ding da ist, entweder in der Natur selbst und der Definition des daseienden Dinges enthalten sein (nämlich, daß es zu seiner Natur gehöre, da zu sein), oder außer ihr liegen muß.
Aus diesen Sätzen folgt, daß, wenn in der Natur eine bestimmte Zahl von Individuen da ist, es notwendig eine Ursache geben muß, warum diese Individuen, und warum nicht mehr und nicht weniger da sind. Wenn z. B. in der Welt zwanzig Menschen da wären, die ich, der größeren Deutlichkeit wegen, als zusammen daseiend annehme, und so, daß keine anderen vor ihnen auf der Welt waren, so wird es nicht genügen (um nämlich den Grund anzugeben, warum die zwanzig Menschen da sind), die Ursache der menschlichen Natur im allgemeinen zu zeigen, sondern es wird überdies nötig sein, die Ursache zu zeigen, warum nicht mehr, noch weniger als zwanzig da sind, da (nach der Bem. 3) es notwendig von einem jeden einzelnen eine Ursache geben muß, warum er da ist. Diese Ursache kann aber (nach Bem. 2 und 3) nicht in der menschlichen Natur selbst enthalten sein, da die wahre Definition des Menschen die Zahl zwanzig nicht enthält; daher muß (nach Bem. 4) die Ursache, warum diese zwanzig Menschen da sind, und folglich, warum jeder einzelne da ist, notwendig außer einem jeden liegen, und deshalb ist absolut zu schließen, daß alles das, von dessen Natur mehrere Individuen da sein können, notwendig eine äußere Ursache haben muß, um da zu sein. Da es nun (wie schon in dieser Anmerkung gezeigt) zur Natur der Substanz gehört, da zu sein, so muß ihre Definition ihr notwendiges Dasein in sich schließen, und folglich muß aus ihrer bloßen Definition ihr Dasein geschlossen werden. Aus ihrer Definition kann aber (wie wir schon nach Bem. 2 und 3 dargetan) nicht das Dasein mehrerer Substanzen folgen, es folgt daher aus ihr notwendig, daß nur eine von derselben Natur da sei, wie in dem Lehrsatz angenommen wurde.
Lehrsatz 9. Je mehr Realität oder Sein jedes Ding hat, desto mehr Attribute kommen ihm zu.
Beweis. Dieser folgt aus Definition 5.
Lehrsatz 10. Jedes Attribut einer Substanz muß aus sich begriffen werden.
Beweis. Denn Attribut ist das, was der Verstand, als das Wesen der Substanz ausmachend, erkennt (nach Def. 4), und also (nach Def. 3) muß es aus sich begriffen werden. W. z. b. w.
Anmerkung. Hieraus erhellt, daß, wenn auch zwei Attribute als real verschieden begriffen werden, das heißt eines ohne Vermittlung des andern, wir daraus doch nicht schließen können, daß sie zwei Seiende oder zwei verschiedene Substanzen bilden; denn es gehört zur Natur der Substanz, daß jedes ihrer Attribute aus sich begriffen werde, da alle Attribute, welche sie hat, in ihr immer zugleich waren und eines nicht von dem anderen hervorgebracht werden konnte, sondern jedes die Realität oder das Sein der Substanz ausdrückt. Weit entfernt also, daß es widersinnig wäre, einer Substanz mehrere Attribute zuzuschreiben, ist vielmehr in der Natur nichts klarer, als daß jedes Seiende unter einem Attribute begriffen werden müsse, und daß je mehr Realität oder Sein es habe, es auch desto mehr Attribute habe, welche Notwendigkeit oder Ewigkeit und Unendlichkeit ausdrücken, und folglich ist auch nichts klarer, als daß das absolut unendlich Seiende notwendig definiert werden müsse (wie wir Def. 6 getan) als das Seiende, welches aus unendlich vielen Attributen besteht, von denen jedes eine ewige und unendliche bestimmte Wesenheit ausdrückt. Fragt man aber, durch welches Kennzeichen wir also die Verschiedenheit der Substanzen unterscheiden können, so lese man die folgenden Lehrsätze, welche zeigen, daß es in der Natur der Dinge nur eine Substanz gibt und daß diese absolut unendlich ist, weshalb man nach einem solchen Kennzeichen umsonst suchen würde.
Lehrsatz 11. Gott, oder die aus unendlichen Attributen bestehende Substanz, von denen jedes eine ewige und unendliche Wesenheit ausdrückt, existiert notwendig.
Beweis. Verneint man dies, so nehme man, wenn es möglich ist, an, daß Gott nicht existiert. Also (nach Ax. 7) schließt sein Wesen sein Dasein nicht ein. Nun ist dies (nach Lehrsatz 7) widersinnig, folglich existiert Gott notwendig. W. z. b. w.
Anderer Beweis. Von jedem Dinge muß eine Ursache oder ein Grund bezeichnet werden, sowohl warum es da ist, als auch warum es nicht da ist. Z. B. wenn das Dreieck da ist, muß es einen Grund oder eine Ursache geben, warum es da ist; wenn es aber nicht da ist, muß es auch einen Grund oder eine Ursache geben, welche verhindert, daß es da ist, oder welche sein Dasein aufhebt. Dieser Grund oder diese Ursache muß aber entweder in der Natur des Dinges, oder außerhalb derselben liegen. Z. B. der Grund, warum es keinen viereckigen Kreis gibt, wird von seiner Natur angegeben, nämlich weil das einen Widerspruch enthält. Hingegen warum die Substanz da ist, folgt aus ihrer bloßen Natur, weil sie nämlich das Dasein in sich schließt (siehe Lehrsatz 7). Der Grund aber, warum der Kreis oder das Dreieck da sind, oder, warum sie nicht da sind, folgt nicht aus ihrer Natur, sondern aus der Ordnung der ganzen Körperwelt; denn aus dieser muß folgen, daß entweder das Dreieck notwendig bereits da ist, oder daß es unmöglich ist, daß es jetzt existiert. Dies ist an sich klar. Hieraus folgt, daß dasjenige notwendig da ist, wovon es keinen Grund und keine Ursache gibt, die dasselbe hinderte, da zu sein. Wenn es daher keinen Grund und keine Ursache geben kann, welche hinderten, daß Gott da ist, oder welche sein Dasein aufheben, so ist durchaus zu schließen, daß er notwendig da ist. Wenn es aber einen solchen Grund oder eine solche Ursache gäbe, so müßte es sie entweder in Gottes Natur selbst, oder außerhalb derselben geben, d. h. in einer anderen Substanz von fremder Natur. Denn wäre sie von derselben Natur, so wird eben dadurch zugestanden, daß es Gott gibt. Eine Substanz aber, die von fremder Natur wäre, könnte nichts mit Gott gemein haben (nach Lehrsatz 2), mithin dessen Dasein weder setzen noch aufheben. Da es also einen Grund oder eine Ursache, die das göttliche Dasein aufhöben, nicht außerhalb der göttlichen Natur geben kann, so wird sie, wenn er nämlich nicht da ist, notwendig in seiner Natur selbst liegen müssen, was demnach einen Widerspruch enthielte. Aber dies von dem absolut unendlichen und höchst vollkommenen Seienden zu behaupten, ist widersinnig, und deshalb gibt es weder in Gott, noch außer Gott irgendeinen Grund oder eine Ursache, welche sein Dasein aufhöbe, und folglich existiert Gott notwendig. W. z. b. w.
Anderer Beweis. Möglicherweise nicht existieren, ist Unvermögen; dagegen existieren können, ist Vermögen (wie an sich klar). Wenn daher das, was jetzt notwendig da ist, nur endliche Seiende sind, so sind also endliche Seiende mächtiger, als das absolut unendliche Seiende, dies ist aber (wie an sich klar) widersinnig; daher existiert entweder überhaupt nichts, oder das absolut unendliche Seiende existiert auch notwendigerweise. Nun sind wir entweder in uns da, oder in einem anderen, das notwendig da ist (siehe Ax. 1 und Lehrsatz 7), also ist das absolut unendliche Seiende, d. h. (nach Def. 6) Gott, notwendig da. W. z. b. w.
Anmerkung. In diesem letzten Beweise habe ich Gottes Dasein a posteriori erweisen wollen, damit der Beweis leichter gefaßt würde, nicht aber deshalb, weil aus derselben Grundlage das Dasein Gottes nicht auch a priori sich ergebe. Denn, da möglicherweise Existieren Vermögen ist, so folgt, daß, je mehr Realität der Natur eines Dinges zukommt, es desto mehr Kräfte aus sich habe, da zu sein; und daß so das absolut unendliche Daseiende, oder Gott, ein absolut unendliches Vermögen, da zu sein, aus sich habe, und er darum absolut da ist. Viele werden aber vielleicht die Evidenz dieses Beweises schwer einsehen können, weil sie gewohnt sind, nur die Dinge zu betrachten, die aus äußeren Ursachen entstehen, und sie daraus, daß etwas schnell entsteht, das heißt leicht da ist, auch ersehen, daß es leicht untergeht, und sie dagegen dasjenige für schwieriger zu vollbringen, d. h. für nicht so leicht zu sein halten, wozu sie mehr erforderlich denken. Um sie aber von diesen Vorurteilen zu befreien, habe ich nicht nötig, hier zu zeigen, inwiefern der Satz: was schnell entsteht, vergeht schnell, wahr sei, noch auch, ob in Beziehung auf die ganze Natur alles gleich leicht sei oder nicht; vielmehr genügt es, dies hier zu bemerken, daß ich hier nicht von Dingen spreche, welche aus äußeren Ursachen entstehen, sondern von bloßen Substanzen, welche (nach Lehrsatz 6) von keiner äußeren Ursache hervorgebracht werden können. Denn Dinge, welche aus äußeren Ursachen entstehen, mögen sie aus vielen Teilen oder wenigen bestehen, verdanken alles, was sie an Vollkommenheit oder Realität haben, der Kraft der äußeren Ursache, und also entspringt ihr Dasein aus der bloßen Vollkommenheit der äußeren Ursache, nicht aber aus ihrer eignen. Was hingegen die Substanz von Vollkommenheit hat, verdankt sie keiner äußeren Ursache. Darum muß auch ihr Dasein aus ihrer Natur allein folgen, welche deshalb nichts anderes ist, als ihre Wesenheit. Vollkommenheit hebt daher das Dasein eines Dinges nicht auf, sondern setzt es vielmehr; wohingegen die Unvollkommenheit es aufhebt, und deshalb können wir von dem Dasein keines Dinges gewisser sein, als von dem Dasein des absolut unendlichen oder vollkommenen Seienden, d. h. Gottes. Denn weil seine Wesenheit alle Unvollkommenheit ausschließt, und die absolute Vollkommenheit in sich schließt, so hebt es eben dadurch alle Ursache des Zweifelns an seinem Dasein auf und gibt die höchste Gewißheit von demselben, was, wie ich glaube, auch bei geringer Aufmerksamkeit einleuchten wird.
Lehrsatz 12. Kein Attribut der Substanz kann richtig begriffen werden, aus welchem folgte, daß die Substanz geteilt werden könnte.
Beweis. Denn die Teile, in welche die Substanz, so begriffen, geteilt würde, behalten entweder die Natur der Substanz, oder nicht. Wenn das erste, dann müßte (nach Lehrsatz 8) jeder Teil unendlich sein, und (nach Lehrsatz 6) Ursache seiner selbst, und (nach Lehrsatz 5) aus einem verschiedenen Attribute bestehen, und so könnten aus einer Substanz mehrere gebildet werden, was (nach Lehrsatz 6) widersinnig ist. Hierzu kommt, daß die Teile (nach Lehrsatz 2) nichts mit ihrem Ganzen gemein hatten, und das Ganze (nach Def. 4 und Lehrsatz 10) ohne seine Teile sowohl sein wie begriffen werden könnte; daß dies widersinnig, wird niemand bezweifeln können. Wenn aber das zweite gesetzt wird, daß nämlich die Teile nicht die Natur der Substanz behalten, so würde also, wenn die ganze Substanz in gleiche Teile geteilt wäre, sie die Natur der Substanz verlieren und aufhören, zu sein, was (nach Lehrsatz 7) widersinnig ist.
Lehrsatz 13. Die absolut unendliche Substanz ist unteilbar.
Beweis. Denn wenn sie teilbar wäre, behielten die Teile, in die sie geteilt würde, entweder die Natur der absolut unendlichen Substanz, oder nicht. Wenn das erste, so wird es also mehrere Substanzen von derselben Natur geben, was (nach Lehrsatz 5) widersinnig ist. Wenn das zweite gesetzt wird, könnte also (wie oben gezeigt) die absolut unendliche Substanz zu sein aufhören, was (nach Lehrsatz 11) ebenfalls widersinnig ist.
Folgesatz. Hieraus folgt, daß keine Substanz, und folglich keine körperliche Substanz, insofern sie Substanz ist, teilbar ist.
Anmerkung. Daß die Substanz unteilbar ist, wird noch einfacher daraus allein erkannt, daß die Natur der Substanz nur als unendliche begriffen werden kann, und daß unter einem Teil der Substanz nichts anderes verstanden werden kann, als eine endliche Substanz, was (nach Lehrsatz 8) einen offenbaren Widerspruch enthält.
Lehrsatz 14. Außer Gott gibt es keine Substanz und läßt sich auch keine begreifen.
Beweis. Da Gott das absolut unendliche Seiende ist, welchem kein Attribut, das das Wesen der Substanz ausdrückt, abgesprochen werden kann (nach Def. 6), und er notwendig da ist (nach Lehrsatz 11), so müßte, wenn es eine Substanz außer Gott gäbe, diese durch ein Attribut Gottes erklärt werden, und so wären zwei Substanzen mit demselben Attribut da, was (nach Lehrsatz 5) ungereimt ist; also kann es auch keine Substanz außer Gott geben, und folglich kann auch keine begriffen werden. Denn, wenn sie begriffen werden könnte, müßte sie notwendig als daseiend begriffen werden. Dieses ist aber (nach dem ersten Teil dieses Beweises) widersinnig; also kann es außer Gott keine Substanz geben und keine begriffen werden. W. z. b. w.
Folgesatz 1. Hieraus folgt auf das Deutlichste, erstens: daß Gott einzig ist, d. h. (nach Def. 6), daß es in der Natur der Dinge nur eine Substanz gibt, und daß diese absolut unendlich ist, wie wir in der Anmerkung zu Lehrsatz 10 schon angedeutet.
Folgesatz 2. Es folgt zweitens: daß das ausgedehnte Ding und das denkende Ding entweder Attribute Gottes, oder (nach Ax. 1) Affektionen der Attribute Gottes sind.
Lehrsatz 15. Alles, was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein, noch begriffen werden.
Beweis. Außer Gott gibt es keine Substanz und kann keine begriffen werden (nach Lehrsatz 14), das heißt (nach Def. 3) ein Ding, das in sich ist und aus sich begriffen wird. Die Modi aber können (nach Def. 5) ohne Substanz weder sein noch begriffen werden; weshalb diese allein in der göttlichen Natur sein, und aus ihr allein begriffen werden können. Nun gibt es außer Substanzen und Modis nichts (nach Ax. 1). Also kann nichts ohne Gott sein, noch begriffen werden. W. z. b. w.
Anmerkung. Manche stellen sich vor, Gott bestehe, wie der Mensch, aus Körper und Geist und sei den Leidenschaften unterworfen; aber wie weit diese von der richtigen Erkenntnis Gottes entfernt sind, ergibt sich zur Genüge aus dem schon Bewiesenen. Doch gehe ich auf sie nicht weiter ein; denn alle, die die göttliche Natur auf irgendeine Art erwogen haben, verneinen, daß Gott körperlich sei, was sie auch am besten daraus beweisen, daß sie unter Körper jede lange, breite und tiefe, durch eine gewisse Form bestimmte Masse verstehen und Widersinnigeres als dies kann von Gott, als dem absolut unendlichen Seienden ja nicht ausgesagt werden. Indes zeigen sie doch durch andere Gründe, wodurch sie eben dieses beweisen wollen, deutlich, daß sie die körperliche oder ausgedehnte Substanz selbst von der göttlichen Natur durchaus trennen und sie als von Gott geschaffen annehmen. Aus welcher göttlichen Macht sie aber geschaffen werden konnte, das wissen sie durchaus nicht, was deutlich zeigt, daß sie das, was sie selber sagen, nicht verstehen. Ich wenigstens habe meiner Meinung nach deutlich genug bewiesen (siehe Folgesatz zu Lehrsatz 6, und Anm. 2 zu Lehrsatz 8), daß keine Substanz von einer anderen hervorgebracht oder erschaffen werden kann. Ferner habe ich (Lehrsatz 14) gezeigt, daß es außer Gott keine Substanz gibt, noch eine begriffen werden kann, und hieraus haben wir geschlossen, daß die ausgedehnte Substanz eines von den unendlichen Attributen Gottes ist. Zur vollständigeren Erläuterung will ich jedoch die Beweise der Gegner widerlegen, die alle auf folgendes hinauslaufen. Erstens behaupten sie, daß die körperliche Substanz, als Substanz, aus Teilen besteht, und deshalb verneinen sie, daß sie unendlich, und folglich Gott eigen sein könne. Und dies erläutern sie mit vielen Beispielen, wovon ich das eine und das andere anführen will. Wenn die körperliche Substanz, sagen sie, unendlich ist, und man nehme an, daß sie in zwei Teile geteilt werde, so wird jeder Teil entweder endlich oder unendlich sein. Wenn jenes, so ist also das Unendliche aus zwei endlichen Teilen zusammengesetzt, was widersinnig ist. Wenn dieses, gibt es also ein Unendliches, das noch einmal so groß als ein anderes Unendliches ist, was ebenfalls widersinnig ist. Ferner, wenn man eine unendliche Quantität durch Teile mißt, die das Maß eines Fußes haben, so muß sie aus unendlichen Teilen dieser Art bestehen, wie auch, wenn sie durch Teile gemessen würde, die einen Zoll groß sind; eine unendliche Zahl würde demnach zwölfmal größer sein als eine andere unendliche. Endlich, wenn man annimmt, daß aus einem Punkte einer unendlichen Quantität zwei Linien, AB, AC, nach einer gewissen und im Anfang bestimmten Entfernung ins Unendliche verlängert werden, so ist gewiß, daß die Entfernung zwischen B und C fortgehend zunimmt, und daß sie endlich aus einer bestimmten eine unbestimmbare wird. Da also dieses Widersinnige, wie sie meinen, daraus folgt, daß eine unendliche Quantität angenommen wird, so schließen sie daraus, daß die körperliche Substanz endlich sein müsse, und folglich nicht zur Wesenheit Gottes gehöre. Einen zweiten Beweis leiten sie ebenfalls von Gottes höchster Vollkommenheit her. Denn, da Gott, sagen sie, das höchste vollkommene Seiende ist, kann er nicht leiden; nun kann aber die körperliche Substanz, da sie ja teilbar ist, leiden; daraus folgt also, daß sie nicht zu Gottes Wesenheit gehört. Diese Beweise sind es, welche ich bei den Schriftstellern finde, wodurch sie zu zeigen versuchen, daß die körperliche Substanz der göttlichen Natur unwürdig, sei und nicht zu ihr gehören könne. Wer jedoch die Sache recht betrachtet, wird finden, daß ich hierauf schon geantwortet habe, da ja diese Beweise sich nur darauf gründen, daß die körperliche Substanz als aus Teilen zusammengesetzt angenommen wird, was ich schon (Lehrsatz 12 und Folgesatz zu Lehrsatz 13) als widersinnig gezeigt habe. Ferner, wenn jemand die Sache recht erwägen will, wird er sehen, daß alle jene Widersinnigkeiten (sofern sie wirklich alle solche sind, worüber ich jetzt nicht streite), woraus sie schließen wollen, daß die ausgedehnte Substanz endlich sei, keineswegs daraus folgen, daß man eine unendliche Quantität annimmt, sondern daher kommen, daß sie die unendliche Quantität als meßbar und aus endlichen Teilen zusammengesetzt annehmen, weshalb sie aus den Widersinnigkeiten, die daraus folgen, nichts anderes schließen können, als daß die unendliche Quantität nicht meßbar ist, und daß sie nicht aus endlichen Teilen zusammengesetzt sein kann; und eben dies ist es, was wir oben (Lehrsatz 12 usw.) bereits bewiesen haben; die gegen uns gerichteten Waffen treffen also in Wahrheit sie selbst. Wenn sie aber selbst aus dieser ihrer Widersinnigkeit doch schließen wollen, daß die ausgedehnte Substanz endlich sein müsse, tun sie wahrlich nichts anderes, als wenn jemand daraus, weil er sich einbildet, der Kreis habe die Eigenschaften des Viereckes, schließt, der Kreis habe keinen Mittelpunkt, von welchem aus alle nach dem Umkreise gezogenen Linien gleich sind. Denn, um schließen zu können, daß die körperliche Substanz, welche doch nur als unendlich, nur als einig und nur als unteilbar begriffen werden kann (siehe Lehrsatz 8, 5 und 12), endlich sei, stellen sie sich vor, dieselbe sei aus endlichen Teilen zusammengemischt, vielfach und teilbar. So wissen auch andere, nachdem sie sich erst einbilden, daß die Linie aus Punkten bestehe, viele Gründe aufzufinden, wodurch sie dartun, daß die Linie nicht ins Unendliche geteilt werden könne. In der Tat ist es nicht minder widersinnig, zu behaupten, daß die körperliche Substanz aus Körpern oder Teilen sich zusammensetzt, als daß der Körper aus Flächen, die Flächen aus Linien, die Linien endlich aus Punkten zusammengesetzt seien. Dieses müssen alle, welche wissen, daß die klare Vernunft untrüglich ist, zugeben, und vornehmlich die, welche den leeren Raum bestreiten. Denn, wenn die körperliche Substanz so geteilt werden könnte, daß ihre Teile real unterschieden wären, warum könnte dann nicht ein Teil vernichtet werden, während die übrigen, wie zuvor, unter sich verbunden bleiben? Und warum sollen alle so zusammenpassen, daß es keinen leeren Raum gibt? Von Dingen, welche real voneinander unterschieden sind, kann eines ohne das andere sein und in seinem Zustande bleiben. Da es also in der Natur keinen leeren Raum gibt (worüber an einer anderen Stelle zu handeln sein wird), sondern alle Teile sich so verbinden müssen, daß es kein Leeres gibt, so folgt hieraus auch, daß sie nicht real unterschieden werden können, das heißt, daß die körperliche Substanz, insofern sie Substanz ist, nicht geteilt werden kann. Wenn nun aber jemand fragt, warum wir von Natur so geneigt sind, die Quantität zu teilen, so antworte ich ihm, daß die Quantität auf zwei Arten von uns begriffen wird, nämlich abstrakt oder oberflächlich, je nachdem wir uns nämlich sie selbst vorstellen, oder als Substanz, was allein durch den Verstand geschieht. Wenn wir also auf die Quantität achten, so wie sie in der sinnlichen Vorstellung, ist, was wir oft und ziemlich leicht tun, finden wir sie endlich, teilbar und aus Teilen zusammengesetzt; wenn wir sie aber, wie sie im Verstande ist, betrachten und sie als Substanz begreifen, was sehr schwer geschieht, dann finden wir sie, wie wir schon hinlänglich gezeigt, unendlich, einzig und unteilbar. Dies wird allen, welche zwischen bloßer Vorstellung und Erkenntnis zu unterscheiden wissen, hinlänglich deutlich sein; besonders wenn man auch darauf achtet, daß die Materie überall dieselbe ist und in ihr nur Teile unterschieden werden, insofern wir uns die Materie als auf verschiedene Art bestimmt vorstellen, weshalb ihre Teile nur modal, nicht aber real unterschieden werden. Wir begreifen z. B., daß das Wasser, insofern es Wasser ist, geteilt, und seine Teile voneinander getrennt werden können, nicht aber, insofern es körperliche Substanz ist, denn als solche wird es nicht getrennt noch geteilt. Ferner, Wasser als Wasser wird erzeugt und zerstört, aber als Substanz wird es weder erzeugt noch zerstört; und hiermit glaube ich auch auf den zweiten Beweis geantwortet zu haben, weil er sich ebenfalls darauf gründet, daß die Materie als Substanz teilbar und aus Teilen zusammengesetzt ist. Und wäre dieses auch nicht, so sehe ich nicht, warum sie der göttlichen Natur unwürdig wäre, da (nach Lehrsatz 14) es keine Substanz außer Gott geben kann, durch die sie leiden könnte. Alles, sage ich, ist in Gott, und alles was geschieht, geschieht bloß durch die Gesetze der unendlichen Natur Gottes, und erfolgt aus der Notwendigkeit seines Wesens (wie ich bald zeigen werde); weshalb man auf keine Art sagen kann, daß Gott durch ein anderes leide, oder daß die ausgedehnte Substanz der göttlichen Natur unwürdig wäre, wenn sie auch als teilbar angenommen wird, wofern nur zugestanden wird, daß sie ewig und unendlich ist. Doch für jetzt genug hiervon.
Lehrsatz 16. Aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur muß Unendliches auf unendliche Modi (d. h. alles, was der unendliche Verstand fassen kann) erfolgen.
Beweis. Dieser Lehrsatz muß jedem deutlich sein, der nur erwägt, daß der Verstand aus der gegebenen Definition eines jeden Dinges auf mehrere Eigenschaften schließt, welche wirklich aus derselben (d. h. aus der Wesenheit des Dinges selbst) notwendig erfolgen, und auf desto mehrere, je mehr Realität die Definition des Dinges ausdrückt, das heißt, je mehr Realität die Wesenheit des definierten Dinges enthält. Da aber die göttliche Natur absolut unendliche Attribute hat (nach Def. 6), von denen jedes das unendliche Wesen in seiner Art ausdrückt, muß also aus ihrer Notwendigkeit Unendliches auf unendliche Modi (d. h. alles, was der unendliche Verstand fassen kann) notwendig erfolgen. W. z. b. w.
Folgesatz 1. Hieraus folgt, daß Gott die wirkende Ursache aller Dinge ist, die der unendliche Verstand fassen kann.
Folgesatz 2.