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Euro-Krise, EZB, Währungsunion, Rettungsschirm. Begriffe wie diese begegnen Ihnen täglich in den Medien. Doch was bedeuten sie konkret? Wie funktioniert eine Währungsunion und welche Probleme bringt sie mit sich? Wie kam es zur Euro-Krise? Wie hat die Politik reagiert? Welche Wege gibt es dort hinaus und wie sollen sie funktionieren? Hanno Beck und Aloys Prinz erklären den Euro und die Euro-Krise fundiert und wunderbar verständlich. So können Sie sich in Zukunft selbst ein Bild von der Lage und der Zukunft der Euro-Zone machen und Rettungspakete, Schuldenbremse, Vergemeinschaftung von Schulden und andere Politiken besser bewerten.
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Seitenzahl: 648
Veröffentlichungsjahr: 2016
Europäische Währungsunion für Dummies – Schummelseite
Währungsunion in der Theorie
Eine Währungsunion macht eine Volkswirtschaft unabhängiger von Wechselkursschwankungen und reduziert die Kosten des Handels und Kapitalverkehrs zwischen den beteiligten Staaten – sie kann also Staaten wirtschaftlich enger zusammenschweißen und zusätzliches Wirtschaftswachstum bewirken.
Eine Währungsunion bedeutet aber auch Verzicht: Der Wechselkurs dient zwischen Volkswirtschaften als Schockabsorber. Wenn diese sich auseinanderentwickeln, erleichtert er die Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse. In einer Währungsunion entfällt dieser Schockabsorber.
In einer Währungsunion verlieren die daran beteiligten Staaten zudem die Geldpolitik als Instrument der Wirtschaftssteuerung Auch die Möglichkeiten, mit Staatsausgabenerhöhungen die Wirtschaft anzukurbeln, können in einer Währungsunion auf Schwierigkeiten stoßen, wenn die Verschuldungskapazität des entsprechenden Staates erreicht ist.
Die Folge: In einer Währungsunion verlieren Staaten drei Instrumente, um die heimische Wirtschaft zu steuern: Wechselkurs, Geldpolitik und die Fiskalpolitik, sofern die Verschuldungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Eine eigenständige Krisenpolitik muss dann verstärkt über Produktivitätssteigerungen und lohnpolitische Beschränkungen erfolgen – beides keine politisch angenehmen Optionen.
In einer Währungsunion müssen die Mitgliedstaaten vorrangig gemeinsame und koordinierte Krisenbekämpfung betreiben. Daher besteht eine wichtige Voraussetzung für die Eignung von Staaten für eine Währungsunion in der Ähnlichkeit ihrer Wirtschaftsstruktur und -entwicklung. Diese Voraussetzungen werden in den sogenannten Konvergenzkriterien spezifiziert.
Neben dem grundsätzlichen Problem, dass Mitgliedstaaten einer Währungsunion zur Koordination ihrer Krisenpolitik verpflichtet sind, gibt es noch zahlreiche Politikoptionen, auf welche die Staaten in einer Währungsunion verzichten müssen, weil sie nicht miteinander kompatibel sind (Inkonsistenz-Ttriaden).
Währungsunion in der Praxis: Die Eurokrise
Nach dem Scheitern des Europäischen Währungssystems EWS wurde 1992 der Vertrag von Maastricht unterzeichnet, in dem die wesentlichen Bestimmungen zur Währungsunion festgelegt wurden.
Um die angestrebte Währungsunion vorab krisenfest zu machen, wurden wichtige Regeln festgeschrieben: Konvergenzkriterien, eine No-Bail-out-Klausel, ein Verbot der monetären Staatsfinanzierung und der Stabilitäts- und Wachstumspakt.
In der Schönwetterphase der Währungsunion strömte viel Kapital von den Nordstaaten nach Griechenland, Portugal, Spanien und Irland. Man glaubte, dass diese Staaten gute Investitionsmöglichkeiten bei geringem Risiko bieten – der Grund für diese Annahme war die Mitgliedschaft dieser Staaten in der Währungsunion.
Dieses Kapital wurde allerdings nicht immer klug investiert; der Konsum expandierte, die Staatsschulden und die privaten Schulden ebenfalls, die Löhne stiegen stärker als die Produktivität – es braute sich eine Krise zusammen.
Auslöser der Krise war die amerikanische Immobilienkrise, in der viele Banken – darunter auch europäische Banken – viel Geld verloren. Die von den Vereinigten Staaten ausgehende Finanz- und Wirtschaftskrise legte die Schwächen der Südstaaten sowie die organisatorischen Unzulänglichkeiten der Währungsunion offen, brachte etliche Banken in Schieflage und zwang sie dazu, bei der Kreditvergabe vorsichtiger zu werden. Da einige Staaten ihre Verschuldungskapazität ausgeschöpft hatten, waren sie nicht mehr in der Lage, die Krise allein zu meistern. Das amerikanische Virus hatte in Form einer Staatsschuldenkrise die Eurozone erreicht.
Rettungsaktionen
Die Rettungspolitik bestand aus einer großen Zahl von Maßnahmen der EU und der Europäischen Zentralbank.
Die EU brachte vier Maßnahmenpakete auf dem Weg: Die Rettungsfonds EFSFS, EFSM und ESM als unmittelbare Notfallhilfe, die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes (Fiskalvertrag, Sixpack und Twopack), um mehr Haushaltsdisziplin zu erzwingen, eine verbesserte Koordination der Wirtschaftspolitik (Europa 2020, Euro-Plus-Pakt, Verfahren zur Überwachung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, Europäisches Semester, Pakt für Wachstum und Beschäftigung, Europäischer Fonds für strategische Investitionen) sowie eine Reform des Finanzsystems inklusive einer Bankenunion.
Die Europäische Zentralbank hatte in der Rettungsarchitektur drei Aufgaben: die Liquiditätsversorgung des Finanzsystems zu verbessern, die Wirkungsfähigkeit der Geldpolitik wiederherzustellen (Reparatur des Transmissionsmechanismus) und die Wirtschaft wiederzubeleben. Zu diesem Zweck lockerte sie die Bedingungen, zu denen die Banken sich von ihr Geld leihen konnten (Qualitative Easing) und erhöhte die im Euroraum umlaufende Geldmenge (Quantitative Easing).
Die Zukunft des Euro
Grundsätzlich gibt es zwei denkbare Wege, um die Europäische Währungsunion zu sanieren: Solidarität oder Subsidiarität.
Das Modell Solidarität stellt darauf ab, dass starke Staaten schwache Staaten unterstützen, indem sie unter bestimmten Bedingungen einander Finanzhilfen zusagen oder für ihre Staatsschulden gegenseitig haften. Dadurch bekämpft man wirtschaftliche Unterschiede der Mitgliedstaaten der Union, die zum Auseinanderbrechen der Union führen könnten. Instrumente für diese Politik sind Solidaritätsfonds, Eurobonds, ein europäischer Finanzausgleich sowie eine Fiskal-oder Wirtschaftsunion. Der Vorteil dieser Lösung ist, dass man die Währungsunion auch bei großen Spannungen zusammenhalten kann. Allerdings kann das nur um den Preis erreicht werden, dass die Mitgliedstaaten in beträchtlichem Umfang nationale Souveränität aufgeben müssen.
Das Modell Subsidiarität stellt auf die Eigenverantwortung der Staaten ab. Hilfe gibt es nur, wenn alle eigenen Bemühungen erfolglos waren. Das schließt auch die Möglichkeit mit ein, dass ein Mitgliedstaat der Währungsunion insolvent werden kann. Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass die Mitgliedstaaten mehr Souveränität und Autonomie behalten als beim Modell Solidarität.
Die Modelle Solidarität und Subsidiarität erfordern unterschiedlich tiefe Formen der Integration. Am anspruchsvollsten ist das Solidaritätsmodell, das eine vollständige politische Union wie die »Vereinigten Staaten von Europa« erfordert, um voll funktionsfähig zu sein.
Es stehen aber noch zwei weniger anspruchsvolle Integrationsformen mit der suprastaatlichen Kooperation sowie der suprastaatlichen Politikkoordination zur Wahl. Kooperation und Koordination sind diejenigen Integrationsformen, die mit dem Subsidiaritätsmodell kompatibel sind. Zudem lassen sie eine spätere politische Union zu und bereiten sie sogar vor.
Bibliografische Informationder Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diesePublikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2016
© 2016 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
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Coverfoto: CPN - Fotolia.comKorrektur: Isolde Kommer, GroßerlachSatz: SPi-Global, ChennaiDruck und Bindung:
Print ISBN: 978-3-527-71285-4ePub ISBN: 978-3-527-80247-0mobi ISBN: 978-3-527-80246-3
Über die Autoren
Hanno Beck ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Pforzheim. Zuvor war er Redakteur im Wirtschaftsteil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Seine Forschungsgebiete sind neben der Medienökonomie, Staatsverschuldung und Geldpolitik die psychologischen Grundlagen wirtschaftlichen Handelns (Behavioral Economics) und die Ökonomik des Alltags. Er ist Verfasser mehrerer populärwissenschaftlicher Bücher und hat unter anderem zweimal den Deutschen Finanzbuchpreis gewonnen (2013 und 2015).
Aloys Prinz ist Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Zuvor war er Professor für Wirtschaftspolitik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Zu seinen Arbeitsgebieten gehören unter anderem die öffentlichen Finanzen und die Staatsverschuldung. Er hat zahlreiche Artikel in nationalen und internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht, unter anderem zu Themen der Steuer-, Finanz- und Wirtschaftspolitik. Er ist Gewinner des Deutschen Finanzbuchpreises 2015.
Inhaltsverzeichnis
Abdeckung
Titelblatt
Impressum
Über die Autoren
Einführung
Über dieses Buch
Konventionen in diesem Buch
Unsere Leser
Wie das Buch aufgebaut ist
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Wie es weitergeht
Teil I: Geld und Wechselkurse
Kapitel 1: So geht Währungsunion
Währungsunion in der Theorie
Das kann eine Währungsunion
Schocks und Konvergenz
Geld- und Fiskalpolitik in einer Währungsunion
Die Idee der Konvergenz
Währungsunionen als Clubs
Inkonsistenz-Triaden
Währungsunion in der Praxis
Die Geburt des Euro
Die Schönwetterphase
Der Finanzkrisenschock
Eurokrise in Aktion
Rettungsaktionen
Die Rettungspolitik der EU
Die Rolle der Geldpolitik
Die Zukunft des Euro
Modell Solidarität
Modell Subsidiarität
Kapitel 2: Wie Geld funktioniert
Die Funktionen des Geldes
Zahlungsmittelfunktion
Wertaufbewahrungsfunktion
Rechenfunktion
Beschaffenheit von Geld
Arten von Geld
Warengeld
Papiergeld
Buchgeld
Virtuelles Geld
Der Wert des Geldes
Der Wert des Warengeldes
Der Wert des Papiergeldes
Papiergeld braucht Vertrauen
Die Rolle des Bruttoinlandsprodukts in modernen Geldsystemen
Konvertibilität von Währungen
Kapitel 3: Währungssysteme und Wechselkurse
Der Wechselkurs
Die Mechanik der Wechselkurse
Wechselkurs und Außenhandel
Kaufkraftparitätentheorie
Zinsparitätentheorie
Weitere Einflüsse auf den Wechselkurs
Feste Wechselkurse
Vorteile fester Wechselkurse
Nachteile fester Wechselkurse
Flexible Wechselkurse
Vorteile flexibler Wechselkurse
Nachteile flexibler Wechselkurse
Teil II: Die Mechanik der Währungsunion
Kapitel 4: Das Ende der nationalen Geldpolitik
Die Kunst der Geldpolitik
Die Zentralbank und ihre Aufgaben
Keynesianismus
Monetarismus
Wie Geldpolitik wirkt
Der Transmissionsmechanismus
Die Werkzeuge der Notenbank
Geldpolitik als nationale Herzenssache
Kalte Progression
Geldschöpfungsgewinn
Geldpolitik und Wechselkurs
Geldpolitik bei flexiblen Wechselkursen
Geldpolitik bei fixen Wechselkursen
Geldpolitik in einer Währungsunion
Kapitel 5: Währungsunion unter Schock
Arten von Schocks
Angebotsschocks
Nachfrageschocks
Technologieschocks
Unsicherheitsschocks
Schleichende Schocks
Folgen von Schocks
Kurzfristige Schocks
Langfristige Folgen: Strukturwandel
Schocktherapie I: Geld- und Fiskalpolitik
Fiskalpolitik
Der Zusammenhang zwischen Geld- und Fiskalpolitik
Schocktherapie II: flexible Wechselkurse
Fiskalpolitik bei flexiblen Wechselkursen
Das Zusammenspiel von Geld- und Fiskalpolitik
Schocktherapie III: ohne Stoßdämpfer
Fiskalpolitik bei festen Wechselkursen
Geldpolitik bei festen Wechselkursen
Fiskalpolitik in einer Währungsunion
Kapitel 6: Währungsunion außer Tritt
Zauberwort Konvergenz
Wozu man Konvergenz braucht
Mögliche Konvergenzkriterien
Konvergenz hat keine Ewigkeitsgarantie
Anpassung in einer Währungsunion I: Optimale Währungsräume
Die Idee eines optimalen Währungsraums
Optimale Währungsräume I: Arbeitskräftemobilität
Optimale Währungsräume II: Offenheitsgrad
Optimale Währungsräume III: Diversifikation
Anpassung in einer Währungsunion II: Deflation oder Produktivitätsschub
Innerne Abwertung über die Löhne
Innerne Abwertung durch die Politik
Anpassung in einer Währungsunion III: Finanztransfers und Bail-out
Kapitel 7: Währungsunionen als Clubs
Währungsunionen als Clubs und als Clubs von Clubs
Währungsunionen als Clubs
Staaten als Clubs
Clubs von Clubs
Stabile und instabile Clubs
Stabile Clubs
Instabile Clubs
Clubgüter, die Währungsclubs bereitstellen
Beseitigung des Wechselkursrisikos
Weniger Wechselkursschwankungen
Skaleneffekte
Der Sinn von Clubregeln
Welche Clubregeln unverzichtbar sind
Festlegung der Clubgüter
Regeln über die Aufnahme in den Club
Regeln über Konfliktlösungsmechanismen
Regeln über den Clubaustritt und Clubausschluss
Regeln zur Beendigung des Clubs
Kapitel 8: Zerreißproben: Inkonsistenz-Triaden in Währungsunionen
Die klassische Inkonsistenz-Triade
Vom Dilemma zum Trilemma
So funktioniert die Inkonsistenz-Triade
Inkonsistenz-Triade und Währungsunion
Eine neue Inkonsistenz-Triade: Triade Nummer zwei
Erste (Un-)Möglichkeit
Zweite (Un-)Möglichkeit
Dritte (Un-)Möglichkeit
Triade Nummer drei: destabilisierende Kapitalzuflüsse
Erste (Un-)Möglichkeit
Zweite (Un-)Möglichkeit
Dritte (Un-)Möglichkeit
Triade Nummer vier: Gefährdung der Demokratie
Erste (Un-)Möglichkeit
Zweite (Un-)Möglichkeit
Dritte (Un-)Möglichkeit
Triade Nummer fünf: Internationale Banken werden zum Problem
Das Trittbrettfahrerproblem: Bankenrettung als öffentliches Gut
Die drei (Un-)Möglichkeiten
Überblick: Konfliktpotenziale in einer Währungsunion
Teil III: Praxistest: Die Eurozone
Kapitel 9: Die Geburt des Euro
Die Vorläufer
Die Währungsschlange oder: Die Schlange im Tunnel
Das Europäische Währungssystem EWS
Der Vertrag von Maastricht
Die Europäische Zentralbank
Aufgaben der EZB
Gremien der EZB
Konvergenzkriterien, Stabilitätspakt und weitere Vorsichtsmaßnahmen
Die Konvergenzkriterien
Die No-Bail-out-Klausel
Das Verbot der monetären Staatsfinanzierung
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt
Mogeleien bei den Konvergenzkriterien
Kapitel 10: Euro-Kindheit: Die Schönwetterphase
Konvergenzspekulation
Der Kern der Eurokrise
Warum das Kapital in den Süden floss
Der Boom beginnt
Sinkende Zinsen
Steigende Wachstumsraten
Steigende Immobilienpreise
Steigende Leistungsbilanzungleichgewichte
Die Rolle der Leistungsbilanz
Leistungsbilanzdefizite blähen sich auf
Steigende Auslandsverschuldung
Unheil braut sich zusammen
Steigende Konsumausgaben
Die privaten Schulden steigen
Steigende Löhne
Kapitel 11: Auf der Intensivstation: Der Finanzkrisenschock
Das Jahrzehnt des billigen Geldes
Die Wurzeln der amerikanischen Immobilienkrise
Das klassische Bankensystem
Die Alchemie der strukturierten Finanzprodukte
Die neue Welt: Verbriefung
Das Wasserfall-Modell: strukturierte Finanzprodukte
Die Schattenbanken
Der Lehman-Moment: Der Sturm bricht los
Spekulation auf steigende Häuserpreise
Die Krise bricht aus
Die Krise wird viral
Die Krise kommt bei den Banken an
Der Zusammenbruch des Interbankenmarktes
Ansteckungskanäle: Das Virus besucht Europa
Rettungsaktionen
Staatliche Rettungsaktionen
Die Notenbanken springen ein
Kapitel 12: Eurokrise in Aktion
Der Verlauf der Krise
Griechenland in Not
Vorsicht, ansteckend: Die Staatsschuldenkrise greift um sich
Das Damokles-Schwert Staatsbankrott
Und dann kam Varoufakis
Grexit oder nicht Grexit, das ist die Frage
Das Krisentrio: Finanz-, Schulden- und Eurokrise
Volkswirtschaften als Supernetzwerke
Eine unanständige Affäre: Staaten und Banken
Die EZB als Retterin in der Not
Der Euro macht den Unterschied
Die Folgen der Bail-out-Spekulation
In der Eurofalle
Europäische Rundreise in die Krisenregionen
Griechenland
Irland
Portugal
Spanien
Zypern
Fazit der Rundreise
Kapitel 13: Erste Hilfe für die Eurozone
Die Rettungsarchitektur im Überblick
Akute Krisenbekämpfung: Die Rettungsfonds
Mehr Schuldendisziplin
Die Rettungsfonds EFSF, EFSM und ESM
Der temporäre Schutzschirm: EFSF und EFSM
Der dauerhafte Schutzschirm: Der ESM
Mehr Schuldendisziplin
Sixpack, Twopack und Fiskalvertrag
Korrektur: Verfahren bei übermäßigem Defizit und Verschärfung der Sanktionen
Prävention: Verpflichtender Schuldenabbau
Fiskalpakt und Schuldenbremse
Wirtschaftspolitische Koordination
Europa 2020
Der Euro-Plus-Pakt
Verfahren zur Überwachung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte
Das Europäische Semester
Pakt für Wachstum und Beschäftigung
Europäischer Fonds für strategische Investitionen (EFSI)
Krisenprävention: Finanzmarktregulierung und Bankenunion
Das Europäische Finanzaufsichtssystem EFSF
Kapitel 14: Zweite Hilfe für die Eurozone: Die Geldschleusen werden geöffnet
Die Rettungsaktionen der EZB im Überblick
Feuerwehrfunktion: Sicherung der Liquidität des Finanzsektors
Reparaturbetrieb: Sicherung des Transmissionsmechanismus
Reanimation: Wiederbelebung der Wirtschaft
Sicherung der Liquidität des Finanzsektors
Senkung der Mindestreservesätze
Vollzuteilungspolitik
Qualitative Easing
Devisenswapgeschäfte
Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte
Die ELA-Kredite
Forward Guidance
Die Sitzungsprotokolle
Reparaturbetrieb: Sicherung des Transmissionsmechanismus
Securities Markets Programme (SMP)
Outright Monetary Transactions (OMT)
Weitere Wertpapierankaufprogramme
Reanimation: Wiederbelebung der Wirtschaft durch Quantitative Easing
Chronologisch: die geldpolitischen Maßnahmen der EZB
Kapitel 15: Pleiten, Pech und Banken: Die Rolle der Banken
Wie Banken funktionieren
Versorgung mit Liquidität
Fristentransformation
Losgrößentransformation
Risikotransformation
Wie Bankenkrisen entstehen
Banken im Schleudern
Von Bank zu Bank: Ansteckungseffekte
Bankenkrisen: Folgen für die Realwirtschaft
Warum man Banken retten muss
Warum man Banken regulieren muss
Vorsichtsmaßnahmen gegen Bankenkrisen
Die Rolle der Banken in der Eurokrise
Die Europäische Bankenunion
Die einheitliche Bankenaufsicht (SSM)
Die einheitliche Bankenabwicklung (SRM)
Die Einlagensicherung
Kapitel 16: Für Fortgeschrittene: Das Target-Problem
Die Target-Salden
Das Target-System
Target in Bildern
Die ökonomische Bedeutung der Target-Salden
Außengeldschaffung und Verleih der Druckerpresse
Finanzierung des Handelsbilanzdefizits
Finanzierung der Kapitalflucht
Tilgung der Target-Salden
Fehlanreize durch Target
Ausgleich der Salden als Lösungsvorschlag
Teil IV: Lösungsansätze
Kapitel 17: Solidarität
Solidarität von Nationalstaaten und Transferunion
Die Rolle von Finanztransfers
EU-Fonds
Europäischer Fonds für regionale Entwicklung (EFRE)
Europäischer Sozialfonds
Kohäsionsfonds
Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums
Europäischer Meeres- und Fischereifonds (EMFF)
Eurobonds
Die Folgen von Eurobonds
Ziele von Eurobonds
Kosten von Eurobonds
Politische Vorteile von Eurobonds
Europäischer Finanzausgleich
So funktioniert ein Finanzausgleich
Probleme des Finanzausgleichs
Aufgabe nationaler Souveränität
Fiskalunion
Europäische Wirtschaftsregierung und politische Union
Kapitel 18: Subsidiarität
Subsidiarität und der EU-Vertrag
Subsidiarität und Eigenverantwortung
Subsidiarität als Lösungsansatz für den Euro
Eine Insolvenzordnung für Staaten
Haftung der Gläubiger
Die Rolle der Bankenunion
Austritte aus der Währungsunion
Wann Staaten aus einer Währungsunion austreten
Austritt: Rechtliche Aspekte
Logistik des Austritts
Ansteckungsgefahren
Auflösung von Währungsunionen
Kapitel 19: Neue Clubregeln für den Euro
Die Eurozone als Club von Clubs
Die fünf goldenen Clubregeln
Aufnahme in den Euroclub
Die übrigen Clubregeln
Reichweite der öffentlichen Güter der Eurozone
Freiheitsgrade und Konflikte in heterogenen Clubs
Club Governance
Governance der Geldpolitik
Governance der Fiskalpolitik
Überstaatliche Integrationsformen
Der Fünf-Präsidenten-Bericht
Nationale Vielfalt gegen politische Einheit
Clubregeln 2.0
Regeln für die Eurozone
Regeln für die Geldpolitik
Regeln für die Fiskalpolitik
Regeln für die Bankenpolitik
Regeln für die Stabilitätspolitik
Fazit
Teil V: Der Top-Ten-Teil
Kapitel 20: (Fast) Zehn Persönlichkeiten der Eurokrise
Francois Hollande
Gescheiterte Reichensteuer
Reformdruck
Hilfe für Griechenland
Alexis Tsipras
Der Aufstieg von Syriza
Das Programm
Die Entzauberung
Yanis Varoufakis
Der Provokateur
Die Kritiker
Der Ausstieg
Wolfgang Schäuble
Der Europäer
Der Profiteur
Der Buhmann
Angela Merkel
Der Weg in die Politik
Die Europa-Politikerin
Jean-Claude Juncker
Der Europäer
Der Politiker
Mario Draghi
Der Geldpolitiker
Kritik: Der Banker
Martin Schulz
Der Europäer
Der Politiker
Christine Lagarde
Die Europäerin
Die Politikerin
Kapitel 21: Die zehn wichtigsten Institutionen der Eurokrise
Die Europäische Kommission
Aufgaben
Mitglieder
Das Europäische Parlament
Das ordentliche Gesetzgebungsverfahren
Zustimmungs- und Konsultationsverfahren
Rat der Europäischen Union
Europäischer Rat
Euro-Gruppe
Europäischer Gerichtshof
Europäische Zentralbank
Aufgaben der EZB
Der Rat der EZB
Das Direktorium
Erweiterter Rat
Internationaler Währungsfonds
Das System von Bretton Woods
Die Quote
Das Beistandssystem
Die Gremien
Bundesverfassungsgericht
Deutscher Bundestag
Literatur
Stichwortverzeichnis
End User License Agreement
Einleitung
Keine politische Entscheidung hat das Gesicht des europäischen Kontinents in den vergangenen 50 Jahren so verändert wie der Beschluss europäischer Politiker, eine gemeinsame Währung einzuführen. In den ersten Jahren schien alles auf einen Erfolg hinzudeuten – ein Irrtum, wie sich herausstellen sollte. Schon nach zehn Jahren ist die Europäische Währungsunion in stürmische Gewässer geraten, offenbar wurden bei ihrer Gründung schwere Fehler gemacht.
Was ist schiefgelaufen? In den tagesaktuellen Debatten kommen die wahren Ursachen und Hintergründe der Eurokrise zumeist zu kurz, weil die Berichterstattung dafür keine Zeit und keinen Platz hat oder weil die Berichterstatter kompliziertere Themen ihren Lesern und Zuschauern nicht zumuten wollen. In der Tat sind die Zusammenhänge in einer Währungsunion kompliziert – aber nicht so kompliziert, dass man sie nicht auch allgemeinverständlich vermitteln könnte. Alles, was die Leser dazu brauchen, ist etwas Zeit und Interesse. Wenn Sie das mitbringen, sorgt dieses Buch für den Rest.
Wer wissen will, warum eine neue Währung einen ganzen Kontinent in eine Krise stürzen konnte, welche Fehler Politiker bei der Gründung gemacht haben, wie eine Währungsunion funktioniert und wie die europäische Währungsunion wieder funktionsfähig werden kann, sollte dieses Buch lesen.
Über dieses Buch
Dieses Buch zeigt, wie Währungen funktionieren, welche ökonomischen Zusammenhänge in einer Währungsunion gelten und welche Probleme in einer Währungsunion auftreten können. Für Letzteres liefert die Eurokrise reichhaltiges Anschauungsmaterial. Jeder Teil steht dabei für sich, Sie können ihn lesen, ohne die vorherigen Teile gelesen zu haben. Sie müssen also nicht das Buch von vorn bis hinten durcharbeiten, obwohl wir finden, dass Sie das tun sollten. Wenn Sie es tun, verstehen Sie die Ursachen der Eurokrise, ihre Hintergründe und die tieferen Konflikte, die sich grundsätzlich in einer Währungsunion auftun, und warum gerade die Staatsverschuldung dabei eine so große Rolle spielt.
Die Krise des Euroraumes dient hier als Anschauungsmaterial für die ökonomischen Theorien und politischen Hintergründe, die in diesem Buch dargestellt werden und die man benötigt, um zu verstehen, warum der Euroraum in eine solche Krise geraten ist. Wer diese Hintergründe versteht, kann bei jeder Euro-Debatte mitreden, sich ein eigenes Bild davon machen, welche Zukunft die Eurozone hat, und selbst entscheiden, welche Politik er für geeignet hält, um den Euro zu retten.
Konventionen in diesem Buch
Für ein profundes Verständnis der Eurokrise sollten Sie das Buch vollständig lesen, aber Sie können bei Bedarf auch einzelne Kapitel lesen, um Teilaspekte zu verstehen. Die Kästen enthalten interessante zusätzliche Details, die für das grundlegende Verständnis nicht erforderlich sind. In den Text eingestreut sind auch Fakten über das Zustandekommen und die Geschichte der Europäischen Währungsunion, die zum Verständnis zwar nicht notwendig sind, aber das Gesamtbild vervollständigen.
Unsere Leser
Wer die Ursachen der Eurokrise kennen möchte, wer ihre Folgen verstehen will, wer in der politischen Debatte um den Euro mitreden will, sollte dieses Buch lesen. Wer sollte das sein? Alle interessierten Personen, Wähler, alle politisch engagierten und tätigen Menschen, alle, die in der politischen Bildung oder der Erwachsenenbildung arbeiten, und alle, die wissen wollen, was aus unserem Geld wird. Um dieses Buch zu verstehen, benötigen Sie keine ökonomischen oder wissenschaftlichen Vorkenntnisse; wir werden Ihnen auch keine Formeln zumuten. Alles, was Sie mitbringen müssen, ist Interesse, Zeit und Neugier. Also eignet sich dieses Buch auch als eine Art Vorkurs für Studierende der Ökonomie oder anderer Sozialwissenschaften; wer die grundsätzlichen Ideen rund um Währungen oder Währungsgemeinschaften versteht, tut sich später leichter mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung solcher Zusammenhänge.
Wie das Buch aufgebaut ist
Das Buch enthält eine systematische Aufbereitung des Wissens, das man benötigt, um Währungsunionen und ihre Funktionsweise zu verstehen. Im Einzelnen besteht es aus folgenden Teilen:
Teil I
Dieser Teil erklärt, wie Währungen entstehen und funktionieren. Sie lernen die Zusammenhänge zwischen einer nationalen Währung und dem Außenhandel einer Volkswirtschaft kennen und verstehen, worin der Wert einer eigenen Währung besteht. Zudem gewinnen Sie einen ersten Einblick in die Welt der internationalen Devisenmärkte und lernen die Funktionsweise von Wechselkursen kennen.
Teil II
Dieser Teil zeigt die Zusammenhänge in einer Währungsunion auf: Hier wird erklärt, welche Konfliktpotenziale bestehen, wie sie entstehen und welche Folgen sie für die Mitgliedstaaten der Währungsunion haben. Teil 2 enthält alle ökonomischen Aspekte, die man kennen muss, um die Mechanik einer Währungsunion zu verstehen.
Teil III
Teil 3 unterzieht die ökonomischen Theorien aus Teil 2 einem Praxistest, indem die Krise der Europäischen Währungsunion nachgezeichnet wird; dabei wird erläutert, was schiefgelaufen ist; so wird auch geprüft, ob die ökonomischen Theorien aus Teil 2 praxistauglich sind. Darüber hinaus erörtert dieser Teil die Rettungsmaßnahmen der EU und die komplizierte Mechanik der Banken und der Finanzmärkte und deren Beitrag zur Eurokrise.
Teil IV
Teil 4 versucht, die Lehren aus Teil 2 und 3 zu ziehen und erörtert, welche Reformansätze möglich und nötig sind, um die Eurozone zu stabilisieren.
Teil V
Teil 5 stellt einige Top-Ten-Listen zum Thema zusammen – die wichtigsten Personen, Institutionen und die beste Literatur zum Thema.
Symbole, die in diesem Buch verwendet werden
Dieses Symbol weist auf interessante Anekdoten oder besondere Ereignisse hin, die das jeweilige Thema von einer anderen Seite her beleuchten.
Hier stehen wichtige Dinge, die Sie sich merken sollten.
Dieses Symbol weist auf Begriffe hin, die neu eingeführt werden.
Dieses Symbol steht für Beispiele, die das im Text Erläuterte illustrieren.
Wie es weitergeht
Wird der Euro überleben oder bricht Europa auseinander? Was wird aus unserem Geld – werden unsere Ersparnisse auch morgen und übermorgen noch etwas wert sein? Kommt womöglich eine Währungsreform? Wir werden Ihnen keine abschließende Antwort auf diese Fragen geben, wir werden Sie aber mit dem theoretischen Rüstzeug ausstatten, um sich selbst eine Meinung zu bilden. Also – worauf warten?
Teil I
Geld und Wechselkurse
In diesem Teil ...
erfahren Sie, was Geld ist und wie es funktioniert. Darüber hinaus lernen Sie, was ein Wechselkurs ist, welche Bedeutung er für die Volkswirtschaft eines Landes hat und wie Währungssysteme grundsätzlich funktionieren. Dieser Teil enthält die fundamentalen und wichtigsten theoretischen Zusammenhänge, die man braucht, um internationale Währungspolitik und Wirtschaftspolitik in Währungsunionen zu verstehen.
Kapitel 1
So geht Währungsunion
In diesem Kapitel
Währungsunion in der Theorie
Der Weg in der Praxis
Die Rettungsaktionen
Die Zukunft der Währungsunion
Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Gesamtüberblick über die Idee und Praxis der Währungsunion. Sie erfahren, welche grundsätzlichen Probleme eine Währungsunion mit sich bringt und welche Mittel es gibt, diese Probleme zu vermeiden. Weiterhin erhalten Sie einen Kurzüberblick über die Eurokrise, über die Rettungsaktionen der europäischen Mitgliedstaaten und über mögliche Wege zur Stabilisierung des Euro.
Währungsunion in der Theorie
Warum braucht man überhaupt eine Währungsunion – welche Vorteile bringt es mit sich, eine gemeinsame Währung zu haben? Eigentlich ist es intuitiv einleuchtend, dass nicht alle Staaten gleichermaßen geeignet sind, eine gemeinsame Währung zu haben. Um diese Intuition zu überprüfen, muss man aber zuerst wissen, wie eine Wirtschaft mit einer eigenen Währung funktioniert. Aus der Funktionsweise einer eigenständigen Währung mit einem eigenen Wechselkurs ergeben sich fast schon automatisch die Vor- und Nachteile einer Währungsunion.
Das kann eine Währungsunion
Eine Währungsunion zwischen zwei Staaten ist gleichbedeutend damit, dass der Wechselkurs zwischen ihnen abgeschafft wird. Der Wechselkurs ist eine Art Scharnier zwischen zwei Volkswirtschaften, der sich immer dann ändert, wenn sich die beiden Länder ökonomisch auseinanderentwickeln. Steigen beispielsweise in Land A die Preise, so werden dessen Produkte für das Ausland B teurer, weswegen es weniger Waren in A einkauft. Die Nachfrage nach den Gütern aus A sinkt, weswegen auch die Nachfrage nach der Währung des Landes A sinkt (die man ja braucht, um dessen Waren zu kaufen). Das führt dann in der Regel dazu, dass die Währung dieses Landes abwertet, also billiger wird – und damit auch Einkäufe in Land A.
Die Mechanik der Wechselkurse sowie die Vor- und Nachteile fester sowie flexibler Wechselkurse erläutert Kapitel 3.
Sie sehen, ein Wechselkurs ist eine Art automatischer Schockabsorber, der zum Einsatz kommt, wenn sich zwei Staaten wirtschaftlich auseinanderentwickeln. Verändert sich ein Staat, so verändern sich auch seine Beziehungen zu anderen Staaten – Exporte, Importe, Kapitalflüsse – und wenn sich diese Beziehungen verändern, ändert sich der Wechselkurs.
Ein flexibler Wechselkurs zwischen zwei Staaten ist also eine Art Thermometer, das Auskunft darüber gibt, ob – und wenn ja, wie weit – sich zwei Staaten ökonomisch auseinanderentwickeln. Dabei bestimmt sich der Wechselkurs einer Währung gegenüber dem Ausland durch die Nachfrage des Auslandes nach den Waren und Dienstleistungen des Inlandes und durch die Kapitalströme zwischen den beiden Staaten.
Natürlich wirft so ein Wechselkurs auch Probleme für die heimische Wirtschaft auf:
Schwankt der Wechselkurs zu stark, wird es für Exporteure und Importeure schwieriger, ihre Kosten und Preise zu kalkulieren. Zwar kann man dieses Problem durch Verkauf und Kauf der Währungen im Voraus (sogenannte Devisentermingeschäfte) reduzieren, aber diese Transaktionen kosten etwas.
Für Privatleute macht sich der Wechselkurs vor allem bemerkbar, wenn sie ins Ausland reisen und ihr Geld gegen fremde Währung eintauschen müssen – gegen eine entsprechende Gebühr.
Hält man die Vorteile fester Wechselkurse für stichhaltiger als ihre Nachteile, kann man sich auch fragen, warum man nicht gleich zu einer gemeinsamen Währung übergeht, also eine Währungsunion gründet. Schließlich besteht eine Währungsunion aus Ländern, die eine gemeinsame Währung haben, also eine Währung ohne jedes Änderungsrisiko von Wechselkursen. Das schafft doch Sicherheit für alle Beteiligten. Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht – welche Probleme bringt eine Währungsunion mit sich?
Schocks und Konvergenz
Das erste Problem liegt auf der Hand: Wenn der Wechselkurs so etwas wie ein automatischer Schockabsorber ist, dann fällt genau dieser Schockabsorber bei der Gründung einer Währungsunion weg. Das Problem einer Währungsunion sind vor allem Schocks, also Ereignisse, die dazu führen, dass zwei Staaten sich wirtschaftlich auseinanderentwickeln. Das kann plötzlich geschehen, aber auch schleichend; entscheidend ist, dass diese Schocks beide Länder nicht gleichermaßen treffen – genau diese Asymmetrie in der Betroffenheit ist es dann, die dazu führt, dass zwei Staaten sich wirtschaftlich auseinanderentwickeln können.
Kapitel 5 erläutert, welche Arten von Schocks es gibt, welche Folgen sie haben können und welche Gegenmaßnahmen die Politik ergreifen kann.
Die unmittelbare Folge solcher Schocks besteht darin, dass die wirtschaftliche Entwicklung der Staaten unterschiedlich verläuft, sie bewegen sich sozusagen nicht mehr im Gleichklang. Normalerweise würde jetzt der Wechselkurs dieses Auseinanderdriften der Volkswirtschaften abfedern, aber da in einer Währungsunion kein Wechselkurs existiert, ist das nicht mehr möglich. Gibt es andere Möglichkeiten?
Geld- und Fiskalpolitik in einer Währungsunion
Generell versuchen Staaten bei schlechter gesamtwirtschaftlicher Entwicklung gegenzusteuern – das geschieht zumeist mit Hilfe von Geld- und Fiskalpolitik.
Die Ansatzpunkte und Instrumente der Geld- und Fiskalpolitik, ihre vermuteten Wirkungen und die Kritik daran finden Sie in Kapitel 4.
Bei expansiver Fiskalpolitik erhöht der Staat seine Ausgaben und hofft, dass er auf diesem Weg die gesamtwirtschaftliche Nachfrage beleben kann; man spricht auch davon, die Konjunktur anzuschieben. Im besten Fall kommt es zu einem sich selbst verstärkenden Aufschwung.
Bei expansiver Geldpolitik erhöht die Notenbank die Geldmenge und hofft, dass dadurch die Investitionen und der Konsum steigen – auch das würde dann aus der Krise herausführen.
Bei Existenz eines Wechselkurses ist eine solche inländische Politik grundsätzlich möglich (ob sie in jedem Fall erfolgreich sein wird, ist umstritten; Kapitel 4 zeigt auch die Folgen dieser Politik für den Wechselkurs), aber in einer Währungsunion wird das schwierig. Zumindest eine eigenständige Geldpolitik der jeweiligen Staaten ist nun nicht mehr möglich, da es in einer Währungsunion nur eine Währung gibt und damit auch nur eine Geldpolitik. Wenn nun in einem Land der Währungsunion ein Boom herrscht, im anderen Land hingegen Flaute, so kommt es zu einem Konflikt: Das Boom-Land möchte die Geldmenge lieber knapp halten, um Inflation zu verhindern, das Flaute-Land hingegen möchte die Geldmenge ausweiten, um aus der Flaute zu kommen – beides gleichzeitig ist aber in einer Währungsunion nicht möglich; für mindestens ein Land wird die gemeinsame Geldpolitik der Union immer falsch sein.
Bliebe noch die expansive Fiskalpolitik zur Bekämpfung wirtschaftlicher Flauten, aber auch hier gibt es einen Haken: Für diese Politik verschulden sich Staaten zumeist, was zur Folge haben kann, dass sie sich überschulden. Was aber passiert, wenn ein Mitgliedstaat einer Währungsunion überschuldet ist? Kann man ihn wirklich einfach pleitegehen lassen? Können Sie sich vorstellen, dass die deutsche Regierung nicht eingreifen würde, wenn, sagen wir, das Saarland pleite ist? Unter anderem aus diesem Grund hat man im Fall der europäischen Währungsunion Grenzen für die Staatsverschuldung der Mitgliedstaaten vorgegeben – was es aber erschwert, aktive Fiskalpolitik zur Bekämpfung einer wirtschaftlichen Flaute zu betreiben.
Damit fehlen einem Land in einer Währungsunion gleich drei wichtige wirtschaftspolitische Instrumente, um mögliche Krisen im Inland zu bekämpfen, nämlich
die Geldpolitik als aktives Instrument zur Bekämpfung von asymmetrischen Krisen,
die Fiskalpolitik bei Staatsschuldenproblemen und
der Wechselkurs als automatischer Schockabsorber.
Staaten, die sich zu einer Währungsunion zusammenschließen, fehlen also wichtige Instrumente für die Bekämpfung wirtschaftlicher Fehlentwicklungen. Gerade diese Fehlentwicklungen sind es, die in einer Währungsunion Probleme schaffen können: Wenn sich zwei Mitgliedstaaten einer Währungsunion auseinanderentwickeln, der Wechselkurs dies nicht abfedern kann und die Staaten auch keine Möglichkeit haben, diese Fehlentwicklungen mittels Fiskalpolitik selbst zu korrigieren, entsteht rasch eine Sollbruchstelle für die Währungsunion. Wenn ein Staat in eine Krise rutscht, diese aber nicht auf herkömmliche Art – Wechselkurs, Geld- oder Fiskalpolitik – bekämpfen kann, wird er entweder nach Hilfe vom Rest der Währungsunion rufen oder aber der Versuchung ausgesetzt sein, die Währungsunion zu verlassen, um wieder eine eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben zu können. Wie kann man das verhindern?
Die Idee der Konvergenz
Wenn also Staaten in einer Währungsunion nicht mehr in der Lage sind, eine eigenständige Krisenpolitik zu betreiben, dann liegt die Schlussfolgerung für eine Währungsunion auf der Hand: Da die Mitgliedstaaten nur eine gemeinsame Politik betreiben können, sollten sie sich in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung möglichst ähnlich sein. Der Grund dafür: Je weniger die Mitgliedstaaten einer Währungsunion auseinanderdriften, umso eher sind sie in der Lage, eine gemeinsame Geldpolitik zu betreiben und umso eher sind sie in der Lage, auf den Wechselkurs zu verzichten. Diese Voraussetzung für gute Aussichten hinsichtlich einer ähnlichen wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten einer Währungsunion nennt man Konvergenz.
Das Konzept der Konvergenz und mögliche Wege zu einer konvergenten Entwicklung innerhalb einer Währungsunion diskutiert Kapitel 6.
Die Idee der Konvergenz besteht darin, dass sich die Teilnehmerstaaten an einer Währungsunion in einer ähnlichen wirtschaftlichen Situation befinden, wodurch eine gemeinsame Geldpolitik möglich ist, keine asymmetrischen Schocks und Entwicklungen auftreten und damit der Wechselkurs als Schockabsorber überflüssig wird.
Das grundsätzliche Problem einer Währungsunion besteht damit in mangelnder Konvergenz – wer eine Währungsunion wetterfest machen will, muss auf ausreichende Konvergenz der Mitgliedstaaten achten. Diese lässt sich auf mehreren Wegen herstellen:
Konvergenzkriterien. Man lässt nur Staaten als Mitglieder der Währungsunion zu, deren wirtschaftliche Daten darauf schließen lassen, dass sie in einer Währungsunion nur wenige Probleme haben werden. Mit Hilfe verschiedener sogenannter Theorien optimaler Währungsräume versucht man, solche Staaten zu identifizieren.
Deflation oder Produktivitätsschub. Wenn ein Staat sich wirtschaftlich von den anderen Staaten einer Währungsunion wegentwickelt, so kann er den fehlenden Wechselkurs durch eine sogenannte interne Abwertung ersetzen. Mittels seiner Wirtschaftspolitik kann der Staat versuchen, entweder seine Produktivität zu erhöhen oder seine Preise über die Produktionskosten zu senken (was über Lohnzurückhaltung erreicht werden kann). Auf diesem Wege kann das Land aus einer wirtschaftlichen Flaute herauskommen und wieder zu den anderen Staaten der Währungsunion aufschließen (wie genau das funktionieren kann, erläutert Kapitel 6).
Finanztransfers oder Bail-out. Wenn der Weg über Lohnzurückhaltung oder Lohnkürzungen und andere wirtschaftspolitische Reformen zu schmerzhaft wird, bleibt noch die Möglichkeit, dass die anderen Mitgliedstaaten der Währungsunion helfend zur Seite springen, indem sie dem in die Klemme geratenen Staat mit Zahlungen helfen. Das kann einmalig geschehen (sozusagen als Notfallhilfe) oder es kann auch eine feste Einrichtung innerhalb der Union werden, mit der man grundsätzlich schwache Staaten unterstützt, damit diese sich wirtschaftlich nicht vom Rest der Union entfernen.
Kapitel 6 behandelt die verschiedenen Theorien optimaler Währungsräume und die möglichen Wege zur Konvergenz.
Währungsunionen als Clubs
Fehlende wirtschaftliche Konvergenz ist also ein potenzielles Problem einer Währungsunion, doch es kommt noch ein weiteres Problem hinzu. Eine Währungsunion ist eine Art Club von Staaten und wie in jedem Club kann es passieren, dass einige Clubmitglieder auf Kosten der anderen Clubmitglieder leben wollen – das nennt man Trittbrettfahrer-Verhalten.
Wie kann man sich das vorstellen? Eine gemeinsame Währung führt dazu, dass ein Mitgliedstaat nicht mehr uneingeschränkt selbstständig über alle Währungsfragen und seine Wirtschafts- und Finanzpolitik entscheiden kann. Kurz gesagt, seine Entscheidungen betreffen auch andere Clubmitglieder. Also braucht eine Währungsunion als Club feste Regeln, an die sich alle Mitglieder halten müssen, damit die Union stabil bleibt. Wenn jeder Mitgliedstaat der Währungsunion sein eigenes wirtschafts- und finanzpolitisches Süppchen kocht, wird die Union eines Tages auseinanderfallen.
Damit das nicht passiert, müssen die Mitgliedstaaten als Erstes bestimmte Zugangsbedingungen erfüllen, die sicherstellen sollen, dass nur solche Staaten der Währungsunion beitreten, die bereit und in der Lage sind, auf eine eigenständige Währung – und damit auch auf eigene Wechselkurse gegenüber anderen Währungen – verzichten zu können. Darüber hinaus müssen sie sich dazu verpflichten, die Clubregeln einzuhalten. Sind die Interessen der Clubmitglieder zu unterschiedlich und halten sich einige Staaten nicht an die Clubregeln, riskiert die Währungsunion auseinanderzufallen.
In Kapitel 7 erfahren Sie, warum die Währungsunion ein Staatenclub ist und welche Vorkehrungen man treffen muss, damit dieser Club stabil bleibt.
Inkonsistenz-Triaden
Eine Währungsunion wird darüber hinaus dadurch noch komplizierter, dass bestimmte Kombinationen von Zielen und Politikmaßnahmen miteinander unvereinbar werden. Kurz gesagt, man kann eben nicht alles haben, was man möchte; man kann nicht gleichzeitig einerseits eine Währungsunion haben und dennoch die Annehmlichkeiten einer eigenen Währung behalten. Im Zusammenhang mit Währungsunionen spricht man von Inkonsistenz-Triaden – damit meint man den Umstand, dass man in einer Währungsunion von jeweils drei Zielen immer nur zwei erreichen kann; auf das dritte muss man verzichten. Ein Beispiel: Wenn Sie abnehmen wollen, gerne Schokolade essen und ungerne Sport treiben, können Sie offensichtlich nur jeweils zwei dieser drei Ziele erreichen. Entweder Sie verzichten auf die Diät, dann können Sie Schokolade essen und Bewegungsmuffel bleiben, oder Sie essen Schokolade, machen aber viel Sport, oder Sie verzichten auf die Schokolade, dann können Sie abnehmen und Bewegungsmuffel bleiben. Aber Sie können nicht alle drei Ziele zugleich erreichen.
In einer Währungsunion gibt es gleich fünf solcher Inkonsistenz-Triaden, die allesamt dazu führen, dass Staaten Handlungsspielräume verlieren:
Die klassische Inkonsistenz-Triade ist der Zielkonflikt zwischen freier Kapitalmobilität, einer eigenständigen Geldpolitik und einem festen Wechselkurs – in einer Währungsunion ist der Wechselkurs automatisch fixiert und da in der Europäischen Währungsunion die freie Bewegung von Kapital über die Grenzen hinweg zu den sogenannten Grundfreiheiten der Union gehört, ist eine eigenständige Geldpolitik nicht möglich.
Da in einer Währungsunion keine eigenständige Geldpolitik mehr möglich ist, muss entweder zwingend festgelegt werden, dass es keine Hilfen bei finanziellen Notlagen von Mitgliedstaaten gibt, oder aber die Staaten nehmen eine Einschränkung ihrer nationalen Ausgabensouveränität hin. Andernfalls drohen Staatsschuldenkrisen.
Da in einer Währungsunion die Wechselkurse als Anpassungsinstrument nicht mehr zur Verfügung stehen und die Kapitalmobilität nicht begrenzt werden kann, ist die Stabilität des Finanzsystems der Mitgliedstaaten bedroht, wenn die Staaten hier keine Vorkehrungen treffen.
Schlimmstenfalls kommt es bei fehlenden Wechselkursen und uneingeschränkter Kapitalmobilität dazu, dass die Staaten auf demokratische Handlungsspielräume verzichten müssen und ihnen die ausländischen Gläubiger Sparprogramme diktieren.
Die fünfte Triade besteht zwischen den Wünschen nach einer nationalen Politik für Finanzstabilität, international integrierten Finanzmärkten und einem stabilen Finanzsystem. Bei steigender Integration der nationalen Finanzsysteme müssen die Staaten entweder ihre nationale Politik zur Stabilisierung des Finanzsystems durch eine gemeinsame internationale Politik ablösen oder die Stabilität ihres Finanzsystems riskieren.
In Kapitel 8 erfahren Sie alles, was Sie über Inkonsistenz-Triaden und die daraus resultierenden Konflikte in einer Währungsunion wissen müssen.
Währungsunion in der Praxis
Die theoretischen Überlegungen zeigen, dass eine Währungsunion dazu führt, dass Staaten auf Handlungsspielräume verzichten müssen, und dass nicht jeder Staat Mitglied einer Währungsunion werden kann. Das war auch den Gründern der Europäischen Währungsunion klar, sodass – zumindest theoretisch – Vorkehrungen getroffen wurden, um zu verhindern, dass der Club »Europäische Währungsunion« auseinanderbricht. Wie ist also das Europäische Experiment verlaufen?
Der zweite Teil des Buches schildert und analysiert den Verlauf der Währungsunion von der Gründung bis zur Eurokrise und zeigt, welche Anstrengungen zur Rettung und Reform der Union unternommen wurden.
Die Geburt des Euro
Nachdem das Europäische Währungssystem (EWS) als erster Anlauf zu einer währungspolitischen Integration gescheitert war, wurde am 7. Februar 1992 in Maastricht der EU-Vertrag (beziehungsweise der Vertrag von Maastricht) unterzeichnet. In ihm finden Sie alle wesentlichen Bestimmungen zur Währungsunion, nämlich
die Gründung der unabhängigen Europäischen Zentralbank (EZB),
die Festlegung von Konvergenzkriterien, die dafür sorgen sollten, dass nur Staaten Mitglied der Währungsunion werden, die ökonomisch dazu geeignet sind,
eine No-Bail-out-Klausel, die besagt, dass die Mitgliedstaaten der Währungsunion bei finanziellen Notlagen keine Hilfe von der Union zu erwarten haben,
das Verbot der monetären Staatsfinanzierung durch die Notenbank, das besagt, dass die Notenbank klammen Mitgliedstaaten keine Kredite geben darf, und den
Stabilitäts- und Wachstumspakt, mit dessen Hilfe die Entwicklung der Haushaltslage und der Höhe des öffentlichen Schuldenstands in den Mitgliedstaaten überprüft werden sollte.
Wie Sie sehen, hat man im Vertragswerk von Maastricht durchaus Vorkehrungen getroffen, um die Währungsunion wetterfest und stabil zu machen – doch in der Praxis sah das leider anders aus.
Alle Details zum Vertragswerk von Maastricht und die Vorkehrungen der EU gegen Krisen der Währungsunion finden Sie in Kapitel 9.
Die Schönwetterphase
Zumindest zu Beginn der Währungsunion schien das recht gut zu funktionieren. Kapital strömte in Massen von den reichen Nordstaaten in die südliche Peripherie der Union, also nach Griechenland, Portugal und Spanien, aber auch nach Irland. Der Grund für diese sogenannte Konvergenzspekulation ist darin zu sehen, dass mit dem Eintritt in die Währungsunion die Risiken eines Investments in diesen Staaten sanken. Die Investoren sahen in den neuen Mitgliedstaaten der Währungsunion exzellente Anlagemöglichkeiten, die hohe Renditen versprachen – also wanderte viel (im Endeffekt zu viel) Kapital in diese Staaten.
Hier ist auch einer der Kerne der Eurokrise zu suchen: Bereits nach der Ankündigung der Euro-Einführung sanken die (von den Investoren wahrgenommenen) Risiken, in südeuropäischen Staaten zu investieren, deutlich; diese Staaten konnten sich nun zu relativ geringen Zinsen im Ausland verschulden. Und das taten sie dann auch, und diese Verschuldung war einer der Grundsteine der Eurokrise.
Kapitel 10 beschreibt die Kindertage der Europäischen Währungsunion und zeigt, wohin das Kapital in dieser Phase geflossen ist und warum dies bereits den Keim der Krise in sich trug.
Zumindest anfänglich lief das alles recht rund: Das Wachstum in den Staaten Südeuropas nahm zu, die Zinsen sanken, die Bauindustrie boomte – die Euro-Welt war in Ordnung. Doch auf lange Frist entstand hier ein Gebräu aus steigendem Konsum, steigenden Staatsschulden und privaten Schulden, einer Zunahme der Verschuldung im Ausland und steigenden Löhnen, das sich früher oder später als äußerst problematisch erweisen sollte. Es bedurfte nur eines Auslösers, und der kam dann in Gestalt der amerikanischen Immobilienkrise.
Der Finanzkrisenschock
Die Immobilienkrise des Jahres 2007 brachte die Verwerfungen, die sich innerhalb der Europäischen Währungsunion aufgebaut hatten, ans Tageslicht. Auslöser der Krise waren die lockere Geldpolitik der Amerikaner und die Exporterfolge Chinas: China exportierte in die Vereinigten Staaten und die dabei erzielten Dollar-Erlöse investierte es in den Vereinigten Staaten, wodurch das amerikanische Zinsniveau dramatisch niedrig war und einen Immobilienboom zur Folge hatte. Billiges Geld überschwemmte die Vereinigten Staaten und führte zu einem Bauboom; neuartige Finanzprodukte (sogenannte strukturierte Produkte und Verbriefungstechniken) und Gesetzeslücken erleichterten die Kreditvergabe für Immobilienkäufe – in den Vereinigten Staaten brach ein Bauboom erst los und dann ein.
Über das internationale Bankensystem und andere internationale Ansteckungskanäle erreichte das amerikanische Virus dann Europa. Die europäischen Banken mussten feststellen, dass sie viel Geld in Amerika verloren hatten und ihre Bilanzen wackelten. In dieser Situation machten sie einen Kassensturz und stellten fest, dass auch andere Posten in ihrer Bilanz riskant waren, nämlich die Kredite an südeuropäische Staaten und Unternehmen.
Kapitel 11 beschreibt die Entstehung und den Verlauf der amerikanischen Immobilienkrise; hier finden Sie auch Erläuterungen zu den strukturierten Finanzprodukten, die mit zur Entstehung der Krise beigetragen haben.
Eurokrise in Aktion
Die amerikanische Immobilienkrise löste also Ansteckungseffekte aus: Europäische Banken gerieten ins Schlepptau der Immobilienkrise, mussten ihre Bilanzen bereinigen, was dazu führte, dass sie in der Kreditvergabe vorsichtiger wurden. Und Kredite an die Südstaaten erwiesen sich auf einmal als riskanter als gedacht: Hohe Haushaltsdefizite, hohe Leistungsbilanzdefizite, zu hohe Lohnkosten und damit eine zu geringe Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Eurozone – die von den Vereinigten Staaten ausgehende Finanz- und Wirtschaftskrise hat diese gravierenden Schwächen (die sich in den Kindertagen der Währungsunion aufgebaut hatten) schonungslos offengelegt.
Auslöser der Eurokrise war die Ankündigung der griechischen Regierung im Oktober 2009, dass das griechische Haushaltsdefizit mit 12,7 Prozent des BIP weit höher liege, als bisher mit 4 Prozent angenommen. Die Höhe des Haushaltsdefizits war so erschreckend, dass Banken und Finanzmärkte in Panik gerieten; Griechenland war mit einem Schlag nicht mehr kreditwürdig – und damit eigentlich pleite. Das zwang die EU zu – eigentlich im Maastrichter Vertrag ausgeschlossenen – Rettungsaktionen; das Karussell der Krisenpolitik begann sich zu drehen. Und es drehte sich immer schneller, weil die Krise nun auch auf Portugal, Spanien und Irland übersprang. Die Europäische Währungsunion stand kurz vor der Auflösung.
Einen Überblick über den Verlauf der Krise inklusive einer Rundreise durch die Krisenregionen bietet Ihnen Kapitel 12.
Rettungsaktionen
Angesichts der Gefahr einer Auflösung der Währungsunion warf man die guten und in den Maastrichter Verträgen fixierten Vorsätze, keinem Staat finanziell zu helfen, schneller über Bord, als Politiker »Wiederwahl« aussprechen können, und startete Rettungsaktionen in einem Ausmaß, wie sie der Kontinent noch nie gesehen hatte. Die Hilfe kam von zwei Seiten: Zum einen wurden dreistellige Milliardenbeträge zur Rettung der Pleitestaaten mobilisiert, zum anderen wurde die Europäische Zentralbank (EZB) zur Retterin in der Not.
Die Rettungspolitik der EU
Die Rettungspolitik der EU setzte sich aus vier verschiedenen Maßnahmenpaketen zusammen:
Zunächst ging es darum, in Not geratene Staaten zu unterstützen. Dazu wurden über die Rettungsfonds EFSFS, EFSM und ESM Summen im dreistelligen Milliardenbereich mobilisiert.
Dann wollte man die Staaten zu größerer Schuldendisziplin bewegen, indem man den bereits existierenden Stabilitäts- und Wachstumspakt verschärfte, um die Staaten zu soliderer Haushaltspolitik zu zwingen. Die Regelungen dazu wurden im Fiskalvertrag, im sogenannten Sixpack und Twopack, festgelegt.
Dann sollte mehr Konvergenz her, indem man die Wirtschaftspolitiken der Staaten besser koordinierte und daraufhin untersuchte, ob sie eine potenzielle Gefahr für die Währungsunion darstellten. Diese wirtschaftspolitische Koordination setzte sich aus einem ganzen Bündel von Einzelmaßnahmen zusammen (die Wachstumsstrategie Europa 2020, der Euro-Plus-Pakt, das Verfahren zur Überwachung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte, das Europäische Semester, der Pakt für Wachstum und Beschäftigung und der Europäische Fonds für strategische Investitionen (EFSI)).
Potenzielle Krisenursachen eliminieren: Nicht zuletzt sah man auch im Finanzsystem eine der Ursachen der Eurokrise; dementsprechend wollte man das Finanzsystem reformieren, die Finanzmärkte besser regulieren und eine funktionierende Bankenunion schaffen.
Kapitel 13 erläutert alle Rettungsmaßnahmen der Europäischen Union im Detail.
Die Rolle der Geldpolitik
Eine wichtige, wenn nicht sogar die allerwichtigste Rolle bei der Krisenpolitik spielte die Europäische Zentralbank (EZB). Sie übernahm im Rahmen der Rettungspolitik drei Aufgaben:
Feuerwehrfunktion: Sie sollte die Liquiditätsversorgung des Finanzsystems verbessern und damit Banken und das Finanzsystem stabilisieren.
Reparaturbetrieb: Man sah den monetären Transmissionsmechanismus gestört, der dafür sorgt, dass das Geld den Weg von der EZB zu den Unternehmen findet; diesen Mechanismus sollte die EZB reparieren.
Reanimation: Nicht zuletzt sollte die EZB die Wirtschaft mittels Verbesserung der Kreditversorgung wiederbeleben.
Zu diesem Zweck ergriff die EZB ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das in der Summe recht unübersichtlich ist, unter dem Strich aber letztlich nur eines bewirken sollte: die Eurozone mit Geld fluten.
Kapitel 14 zeigt und analysiert die vielen Rettungsmaßnahmen der EZB im Detail. Kapitel 15 erläutert die Rolle der Banken in der Eurozone, Kapitel 16 widmet sich einem Spezialthema der Währungsunion, den sogenannten Target-Salden, die für viel Unruhe und Debatten sorgten.
Die Zukunft des Euro
Hat die Rettungspolitik der EU und der EZB geholfen? Schwer zu sagen, sie hat zumindest den Zusammenbruch der Eurozone respektive den Austritt einzelner Mitglieder verhindert – allerdings zu einem hohen Preis. Zudem muss man fragen, ob die Rettungsmaßnahmen auch die Ursachen der Eurokrise beseitigt haben oder nur eine Art Schmerzmittel sind, die temporäre Erleichterung verschaffen. Welche Optionen gibt es also zur Reparatur der Eurozone?
Teil 3 des Buchs untersucht die verschiedenen Reformoptionen für die Europäische Währungsunion.
Modell Solidarität
Das erste Reparaturmodell für die Eurozone stellt auf die Solidarität der Mitgliedstaaten untereinander ab. Starke Staaten helfen schwachen Staaten, indem sie unter bestimmten Bedingungen einander Finanzhilfen zusagen oder für ihre Staatsschulden gegenseitig haften. Man bekämpft also zu große wirtschaftliche Unterschiede der Mitgliedstaaten der Union, die zu einem Auseinanderbrechen führen könnten, mit Hilfe von Finanztransfers und stützt Staaten, die in Finanznot geraten sind.
Damit aber einzelne Staaten die Solidarität der anderen Staaten nicht missbrauchen, benötigt eine Transferunion in irgendeiner Form Vorkehrungen gegen opportunistisches Verhalten von Trittbrettfahrern, beispielsweise Vorgaben zur nationalen Finanzpolitik oder die Abgabe von Kompetenzen in der Finanzpolitik an die EU. Als Instrumente der Solidarität werden unter anderem diskutiert
gemeinsame Fonds, auch als Solidaritätsfonds bezeichnet, in die jeder Staat einzahlt,
Eurobonds,
ein Europäischer Finanzausgleich
oder sogar eine Fiskal- und Wirtschaftsunion
Dass jede dieser Lösungen gewisse Probleme mit sich bringt, liegt auf der Hand.
Kapitel 17 erläutert das Konzept einer solidarischen Währungsunion und analysiert die einzelnen Instrumente, die man im Rahmen dieses Ansatzes diskutiert.
Modell Subsidiarität
Wer befürchtet, dass sich die Krise der Währungsunion nicht über Solidarität allein lösen lässt, weil die damit verbundenen Souveränitätsverluste der Staaten von diesen nicht akzeptiert werden, muss über ein Gegenmodell nachdenken, und das wäre das Modell Subsidiarität.
Die Grundidee der Subsidiarität ist es, Probleme dort zu lösen, wo sie entstehen und bewältigt werden können. Eine übergeordnete Instanz hilft nur dann, wenn die untergeordnete Ebene eine Aufgabe aus eigener Kraft nicht mehr bewältigen kann. Hilfe von der übergeordneten Instanz gibt es also nur, wenn alle Eigenbemühungen ausgeschöpft sind. Subsidiarität bedeutet demnach Eigenverantwortung, auch in der Krise: Gerät ein Staat in finanzielle Bedrängnis, so muss er seine Probleme zunächst alleine lösen. Das schließt auch die Möglichkeit ein, dass ein Mitgliedstaat der Währungsunion pleitegehen kann, wenn er seine Finanzen nicht im Griff hat. Schlimmstenfalls kann das Modell Subsidiarität bedeuten, dass man auch den Austritt eines Landes aus der Währungsunion zulassen muss.
Kapitel 18 erläutert das Modell Subsidiarität und zeigt die Folgen einer Staatspleite oder eines Austritts aus der Währungsunion. Kapitel 19 diskutiert, welche anderen Formen der Zusammenarbeit oder des Zusammenschlusses die Staaten der Europäischen Währungsunion wählen könnten.
Kapitel 2
Wie Geld funktioniert
In diesem Kapitel
Die Funktionen des Geldes
Arten von Geld
Der Wert des Geldes
Außenbeziehungen: Konvertibilität von Währungen
In der Eurokrise dreht sich vieles, wenn nicht alles, um Geld. Um zu verstehen, was im Zuge der Krise passiert ist, um die Gefahren zu erkennen, die mit einer solchen Krise verbunden sind, muss man ein wenig über das Wesen des Geldes wissen – was es leistet, welche Formen von Geld es gibt und wie sich dessen Wert bestimmt. Dieses Kapitel ist also ein Crash-Kurs in Sachen Geld.
Die Funktionen des Geldes
Was ist eigentlich Geld? Wir nutzen es jeden Tag, tragen es mit uns herum, haben ihm gegenüber das Gefühl einer begehrlichen Verachtung – doch fragt man uns, was Geld eigentlich genau ist, kommen wir ins Schleudern. Geld, das ist alles, was wir in den Taschen haben, auf unserem Bankkonto, womit wir zahlen, sparen und rechnen. Die letzten drei Aktivitäten – zahlen, sparen, rechnen – sind recht brauchbar, sie beschreiben, was Geld leistet. Es sind diese drei Funktionen:
Zahlen: Zahlungsmittelfunktion
Sparen: Wertaufbewahrungsfunktion
Rechnen: Geld als Recheneinheit
Zahlungsmittelfunktion
Stellen Sie sich einen Moment eine Welt ohne Geld vor. Und jetzt stellen Sie sich vor, sie wollen ein selbstgebackenes Brot gegen ein Eis tauschen. Ohne Geld. Ein anstrengendes Unterfangen: Sie müssen jemanden suchen, der genau dieses Brot tauschen will – gegen genau das Eis, das Sie haben wollen. Oder Sie müssen jemanden finden, der genau den Käse hat, den der Besitzer der Eisdiele haben will, und der diesen Käse gegen Ihr Brot eintauscht, damit Sie anschließend das Brot in der Eisdiele gegen das begehrte Eis tauschen können. In einer Welt mit Geld ist das einfacher: Sie verkaufen Ihr Brot gegen Geld an den Nächstbesten, der es haben will, und marschieren mit dem beim Verkauf erhaltenen Geld in die nächste Eisdiele – fertig. In einer Welt ohne Geld können Sie nur Güter gegen Güter tauschen, was schon bei wenigen Gütern unmöglich wird – erst recht in einer modernen Volkswirtschaft, in der jeden Tag Millionen Güter ge- und verkauft werden. Geld löst also ein Problem, das sich so auf den Punkt bringen lässt: Frierender Bäcker sucht hungernden Schneider.
Wertaufbewahrungsfunktion
In einer Welt ohne Geld kann man nur sparen, indem man sich Güter in den Keller legt, was bei verderblichen oder sperrigen Gütern unpraktisch bis unmöglich ist. Mit Geld ist das kein Problem: Man erntet oder stellt etwas her, verkauft es gegen Geld, das man unter das Kopfkissen legt (oder auf die Bank bringt) und später wieder in Güter umtauscht – Geld speichert also den Wert der Produkte, die man damit kaufen kann. Wenn Sie so wollen, enthält der Inhalt Ihrer Brieftasche den Wert Ihrer Arbeit. Aber nur, wenn dieses Geld auch über die Zeit hinweg seinen Wert behält. Im schlimmsten Fall passiert Folgendes: Sie verkaufen Ihre Arbeit gegen Geld, das sie sparen, doch wenn Sie das Geld dann gegen Güter tauschen wollen, hat dieses Geld keinen oder nur noch einen geringeren Wert (das werden Sie bald als Inflation kennenlernen). Geld kann also nur seine Wertaufbewahrungsfunktion ausüben, wenn es selbst seinen Wert behält.
Rechenfunktion
Woher wissen Sie eigentlich, was ein Eis wert ist? Sie vergleichen einfach den Preis des Eises mit dem Preis anderer Güter und bekommen dadurch eine Vorstellung davon, was so ein Eis wert ist (und ob der Preis für Sie zu hoch oder zu niedrig ist). Weil jedes Gut ein Preisschild hat, können Sie die Preise aller Güter und Waren miteinander vergleichen. Geld weist also jedem Gut eine Zahl, einen Preis zu, mit dem Sie rechnen und vergleichen können. Wie wollten Sie das in einer Welt ohne Geld machen?
Die Funktionen des Geldes kann man sich recht einfach merken: Stellen Sie sich einfach vor, wie Ihr Leben aussähe, wenn es kein Geld gäbe: Wie kaufen Sie Ihr Frühstück? Was bekommen Sie als Lohn von Ihrem Chef? Wie sorgen Sie fürs Alter vor? Dann tauchen automatisch die Probleme auf, für die Geld die Lösung ist. Wenn es kein Geld gäbe, würden die Menschen es recht schnell erfinden.
Beschaffenheit von Geld
Wenn Sie einen Moment darüber nachdenken und sich noch einmal vorstellen, wie eine moderne Wirtschaft ohne Geld funktionieren sollte, werden Sie feststellen, dass Geld eine geniale Erfindung ist, die erst Arbeitsteilung möglich macht – damit ist Geld eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Entstehen und den Wohlstand moderner Volkswirtschaften. Zugleich verraten uns die Funktionen des Geldes etwas darüber, wie Geld beschaffen sein muss, damit es diese Funktionen erfüllen kann:
Geld muss leicht transportierbar sein: Wenn man etwas kauft, übergibt man ja dem Verkäufer den Geldbetrag; also sollte er auch in der Lage sein, mit dem Geldbetrag nach Hause zu gehen. Wir werden gleich sehen, dass es eine Alternative zum »Mit-nach-Hause-Nehmen« gibt – indem man statt des Geldes nur Eigentumsansprüche überträgt.
Geld darf nicht verderblich sein, sonst kann man nicht damit sparen (versuchen Sie mal, Kartoffeln für den Ruhestand 30 Jahre lang im Keller zu horten).
Geld muss einheitlich sein: Ein Stück davon muss so sein wie das andere, andernfalls kann man damit nicht rechnen und Preise vergleichen. Wenn jede Euromünze einen anderen Wert hätte, könnte man kaum damit bezahlen und rechnen.
Geld muss in Einheiten teilbar sein: Nur so kann man große und kleine Beträge ausgeben. Wäre der kleinste Geldschein eine 10.000-Euro-Note, wäre es recht schwierig, damit einen Schokoriegel zu kaufen.
Es muss knapp sein, sonst erfüllt es nicht die Wertaufbewahrungsfunktion. Wenn Sie heute etwas verkaufen, müssen Sie darauf vertrauen, dass Sie für das Geld, das Sie erhalten haben, später wieder Waren im gleichen Wert kaufen können. Das aber wird nur der Fall sein, wenn dieses Geld begehrt, also knapp ist. Das erklärt, warum Sand als Zahlungsmittel nicht in Frage kommt, aber seltene Edelmetalle.
Strich drunter: Geld ist jedes Medium, mit dessen Hilfe wir bezahlen, sparen und rechnen können, das leicht übertragbar, nicht verderblich, einheitlich und knapp ist. Diese Definition trifft auf eine Menge von Geldarten zu.
Arten von Geld
Viele Dinge erfüllen die oben angesprochenen Eigenschaften, weswegen es nicht überraschend ist, dass es in den vergangenen Jahrhunderten viele verschiedene Arten von Geld gab. Man unterscheidet vier verschiedene Arten von Geld: Warengeld, Papiergeld, Buchgeld und virtuelles Geld.
Warengeld
Als Warengeld bezeichnet man alle Arten von Waren, die Geldfunktion übernehmen können: Muscheln, Salzbarren, Felle, Zigaretten, Federn oder auch Vieh (von lateinischen pecus = das Vieh stammt auch das Wort pecunia = Geld ab; heute spricht man von »pekuniären Verhältnissen«). Alle diese Waren haben die gleichen Eigenschaften: Sie sind knapp (man kann sie nicht unbegrenzt herstellen), kurzfristig nicht verderblich, transportabel und einigermaßen vergleichbar. Später setzten sich Edelmetalle wie Gold und Silber zunehmend als Geld durch, die später als Münzen geprägt wurden, um eine einheitliche Berechnungsbasis zu haben (das war das sogenannte Zeichengeld). Warengeld hat den Vorteil, dass es einen Wert für sich darstellt und damit nicht so rasch entwertet werden kann wie Papiergeld. Ein Ochse ist immer etwas wert, der Wert eines Geldscheins hingegen kann rasch gegen null gehen, wie wir sehen werden.
Papiergeld
Die Chinesen waren wohl die ersten, die statt Warengeld Papiergeld in Umlauf brachten. Anders als beim Warengeld hat Papiergeld keinen eigenen Wert (die Kuh kann man schlachten, die Zigarette rauchen und das Gold in Schmuck umwandeln), es erhält seinen Wert durch das Zahlungsversprechen, das hinter ihm steht. Früher wurde das Zahlungsversprechen durch einen Kaufmann gegeben – er stellte einen Schuldschein aus, der dem Besitzer versprach, gegen Vorlage des Schuldscheins den im Schuldschein genannten Betrag auszuzahlen. Der Schuldschein war damit wohl eine der ersten Formen des Papiergeldes. Heute garantiert der Staat den Wert der Geldscheine, indem er verfügt, dass die Scheine einen bestimmten Wert haben. Dass dieses Versprechen sich bisweilen in Luft auflöst, liegt auf der Hand.
Das erste Papiergeld entstand wohl 600 v.Chr. in China, vermutlich auch, weil Metallgeld knapp war. Das war auch der Grund für die Einführung von Papiergeld im Westen: 1685 bezahlte ein französischer Offizier in Kanada seine Soldaten mit Spielkarten, weil die Gelder für die Soldaten nicht rechtzeitig eingetroffen waren. Fünf Jahre später konnte man in den amerikanischen Kolonien seine Steuerschulden mit Papier-Schillingen bezahlen. Die Regierenden versprachen, den Gegenwert dieses Papiers mit zukünftigen Steuereinnahmen zu bezahlen – eine Praxis, die sich rasch verbreitete.
Buchgeld
Buchgeld (das man auch als Giralgeld bezeichnet) ist Geld, das nur in den Kontobüchern der Banken steht, also völlig stoffloses Geld. Man bezahlt, indem man sein Geld von Konto zu Konto verschiebt (Ökonomen nennen das »buchen«); irgendeinen stofflichen Gegenwert, sei es auch nur in Form eines Papierscheins, gibt es nicht. Diese Form des Geldes ist praktisch beim Bezahlen (eine einfache Anweisung reicht und schon wechselt das Geld seinen Besitzer), birgt aber die Gefahr, dass hinter diesen Einträgen auf den Konten kein Gegenwert mehr steht. Dieses Geld entsteht auch, wenn Banken ihren Kunden Kredit einräumen – dann wird auf deren Konto einfach der Kontostand erhöht und damit ist neues Buchgeld geschaffen.
Virtuelles Geld
Mittlerweile gibt es auch virtuelle Währungen, die im Internet geschaffen werden und nur in Form von Bits vorliegen; das bekannteste Beispiel dafür sind Bitcoins. Das Besondere an diesen Währungen ist, dass sie nicht von einem Staat geschaffen werden, sondern – so auch im Fall von Bitcoin – von anonymen Computernutzern. Bislang sind diese Währungen kein offizielles Zahlungsmittel, werden aber bei vielen Geschäften bereits als Zahlungsmittel und damit als Geld akzeptiert.
Auf der Pazifikinsel Yap bezahlte man auch mit Steinen, die so groß waren wie Mühlsteine, indem man vereinbarte, dass ein Stein zwar den Besitzer wechselte, aber am gleichen Ort stehen blieb. Die Übertragung des Eigentums an den Steinen geschah stets öffentlich, sodass jeder wusste, welcher Stein wem gehört. Als eines Tages ein Stein ins Meer gespült wurde, beschloss man, so zu tun, als ob er noch da sei. Das ist praktisch Buchgeld – ein abstraktes Zahlungsversprechen, nur daran gebunden, dass es jeder akzeptiert.
Begriffs-Wirrwarr – Geld, Währung, Devisen
So viele Begriffe rund ums Geld verwenden Sie täglich. Aber was bedeuten sie eigentlich?
Währung: Der Begriff Währung wird meistens verwendet, um die Geldeinheit eines Landes zu bezeichnen (»Die Währung der Amerikaner ist der Dollar«); im weiteren Sinn wird darunter oft auch die Verfassung und Ordnung des gesamten Geldwesens eines Staates verstanden. Ganz klar ist die Abgrenzung zum Begriff »Geld« hier nicht, oft werden beide Begriffe synonym verwendet.
Devisen: Devisen sind Forderungen in ausländischer Währung (»Unser europäisches Unternehmen hat in der Kasse Devisenbestände in Höhe von 10.000 Dollar«).
Geld verdienen: Das umgangssprachliche »Geld verdienen« meint eigentlich das, was Ökonomen Einkommennennen – das, was jeden Monat auf dem Gehaltsscheck steht (»Ich verdiene 2.000 Euro pro Monat« bedeutet, dass Ihr Einkommen 2.000 Euro pro Monat beträgt).
Geld haben: Eine ebenfalls umgangssprachliche Bezeichnung, die oft für das verwendet wird, was Ökonomen Vermögennennen, also der Wert aller Besitztümer (»Mein Onkel hat ganz schön viel Geld«). Im Gegensatz zum Einkommen, das jeden Monat neu aufs Konto trudelt, ist das Vermögen ein Bestand, der sich jeden Monat ändern kann – er steigt um den Betrag des monatlichen Einkommens minus der monatlichen Ausgaben. »Geld haben« kann aber genauso gut das bezeichnen, was man gerade in der Brieftasche hat, also das, was man die Bargeldbestände nennt (»Hast Du Geld dabei? Ich habe nur 20 Euro«).
Der Wert des Geldes
Vor allem die virtuellen Währungen geben ein Rätsel auf: Wieso sollte ich als Bezahlung für meine Waren oder Arbeit etwas akzeptieren, das wildfremde Leute mit ihrem Computer erschaffen haben? Und etwas weiter gedacht: Warum soll man arbeiten oder Waren liefern für Zahlen, die eine Bank einfach auf meinen Kontoauszug druckt? Wieso sollte man der Bank vertrauen? Wieso akzeptieren die Leute Geld, das keinen offensichtlichen Gegenwert hat? Was also macht den Wert des Geldes aus?
Wenn Sie an die Funktionen des Geldes denken, wird klar, dass Geld nur dann Geld ist, wenn es einen Wert hat – Geld ohne Wert, das ist bedrucktes Papier, nutzloses Metall oder das sind wertlose Muscheln. Es ist die Fähigkeit von Geld, Wert zu speichern, die es so nützlich macht. Woher kommt dieser Wert?
Der Wert des Warengeldes
Warengeld trägt seinen Wert sozusagen in sich – das Vieh, die Zigaretten, der Schmuck oder was auch immer man als Warengeld verwendet, erhält seinen Wert dadurch, dass man es auch für seinen ursprünglichen Zweck nutzen kann – die Kuh wird gemolken, die Zigarette wird geraucht, der Schmuck getragen. Der Wert des Warengeldes ergibt sich also auch aus dem, was man seinen Gebrauchswert nennt, der Nutzen, den diese Waren für ihren Besitzer haben. Da man zudem die betreffenden Waren nicht beliebig vermehren kann, sind sie knapp und damit begehrt – auch das macht ihren Wert aus.
In Kriegsgefangenenlagern des vergangenen Jahrhunderts haben sich oft Zigaretten als Währung etabliert – sie wurden als Zahlungsmittel auch von Nichtrauchern akzeptiert, weil sie wussten, dass alle anderen Insassen Zigaretten ebenfalls als Zahlungsmittel akzeptieren.
Der Wert des Papiergeldes
Papiergeldkann man nicht direkt nutzen; sein Wert ergibt sich aus dem Versprechen, bei Bedarf den Gegenwert auszuzahlen. Sie können sich Papiergeld wie einen Schuldschein vorstellen, vermutlich ist es auch so entstanden: Ein Geschäftsmann hinterlegt sein Gold bei einem Goldschmied und bekommt dafür eine Quittung. Diese Quittung kann er nun auch zum Bezahlen verwenden, sie erhält ihren Wert dadurch, dass der Goldschmied bei Bedarf gegen Vorlage der Quittung die betreffende Menge Gold herausgibt. Die Quittung ist damit de facto zu einem Geldschein geworden.
Papiergeld, hinter dem Werte von gleicher Höhe stehen, nennt man auch vollständig gedeckte Währung, weil der Wert, der auf dem Papier steht, komplett durch Gold (oder einen anderen Warenwert) gedeckt ist, das man dafür bekommt.
Beim Buchgeld ist das im Grunde genommen ähnlich: Sein Wert entsteht dadurch, dass man erwartet, gegen Vorlage dieses Geldes einen entsprechenden Gegenwert zu erhalten. Im Unterschied zum Papiergeld, das früher meistens durch entsprechende Waren gedeckt war (heute nicht mehr), stehen hinter dem Buchgeld nicht immer irgendwelche Waren oder Werte (man nennt das auch eine nicht gedeckte Währung). Der Wert des Buchgeldes – und von nicht gedecktem Papiergeld – bestimmt sich letztlich durch das Vertrauen der Bürger in dieses Geld. Solange Sie erwarten, dass jeder dieses Geld im Tausch gegen Waren und Dienstleistungen akzeptiert, werden Sie es selbst ebenfalls als Zahlungsmittel akzeptieren.