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Was, wenn du feststellst, dass deine große Liebe ein Lügner ist?
Eine bewegende College-Football-Romance über neue Chancen und ein Happy End
Abigail Giroud hatte auf eins der begehrten Stipendien für das Kunststudium gehofft, stattdessen muss sie nun Geld zurücklegen und jobbt im Coffee&Dreams und der Party-Agentur ihrer Schwester. Als ein gebuchter Auftritt im Umkleideraum der angesagten College-Football-Mannschaft im peinlichen Fiasko endet, wird Abby von dem gutaussehenden Runningback Ethan Thomas gerettet. Obwohl sie sich schnell zueinander hingezogen fühlen, antwortet Ethan auf Fragen nach seinem früheren Leben in England nur ausweichend. Doch Abby kann Lügen nicht ertragen, und zwischen ihren Zweifeln und Ethans Schuldgefühlen drohen sich die beiden wieder zu verlieren. Was verbirgt Ethan vor Abby und wird ihre Liebe diese Zerreißprobe bestehen?
Erste Leser:innenstimmen
„Diese Sports Romance hat die perfekte Mischung aus herzergreifender Romantik und Mysterium!“
„Abigail ist eine sehr sympathische Protagonistin, die trotz der schwierigen Situation mit Ethan nie die Hoffnung verliert.“
„Die Chemie zwischen Abigail und Ethan ist bezaubernd beschrieben und sehr berührend!“
„Amy Olsen hat in der Football Romance eine gute Balance zwischen romantischen und dramatischen Elementen gefunden.“
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Seitenzahl: 340
Abigail Giroud hatte auf eins der begehrten Stipendien für das Kunststudium gehofft, stattdessen muss sie nun Geld zurücklegen und jobbt im Coffee&Dreams und der Party-Agentur ihrer Schwester. Als ein gebuchter Auftritt im Umkleideraum der angesagten College-Football-Mannschaft im peinlichen Fiasko endet, wird Abby von dem gutaussehenden Runningback Ethan Thomas gerettet. Obwohl sie sich schnell zueinander hingezogen fühlen, antwortet Ethan auf Fragen nach seinem früheren Leben in England nur ausweichend. Doch Abby kann Lügen nicht ertragen, und zwischen ihren Zweifeln und Ethans Schuldgefühlen drohen sich die beiden wieder zu verlieren. Was verbirgt Ethan vor Abby und wird ihre Liebe diese Zerreißprobe bestehen?
Erstausgabe August 2024
Copyright © 2024 dp Verlag, ein Imprint der dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH Made in Stuttgart with ♥ Alle Rechte vorbehalten
E-Book-ISBN: 978-3-98998-224-6 Taschenbuch-ISBN: 978-3-98998-502-5
Covergestaltung: Jasmin Kreilmann unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © efks © Gustavo_Andrade © believeinme © 10comeback © Interpas Shutterstock.com: © BaLL LunLa Lektorat: dp DIGITAL PUBLISHERS GmbH
E-Book-Version 14.08.2024, 09:33:45.
Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Sämtliche Personen und Ereignisse dieses Werks sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen, ob lebend oder tot, wären rein zufällig.
Abhängig vom verwendeten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
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»Willkommen im Coffee&Dreams«, höre ich Dominic sagen und werfe einen schnellen Blick über die Schulter. Der Laden brummt wie an jedem Nachmittag, wenn nicht gerade ein Spiel der Ravens stattfindet. Ich hantiere hektisch mit den Siebträgern. »Einen Caffè Latte«, ruft er mir zu und sucht meinen Blick. Ich nicke abgelenkt, denn das Zischen der Maschine macht mich gleichzeitig darauf aufmerksam, dass ich die Dampf-Lanze nicht tief genug in der Milch stecken habe. Ein dummer Fehler, der mir eigentlich nicht mehr unterläuft, der aber an Tagen wie diesem, wenn es hektisch ist, schon mal passieren kann.
Ich konzentriere mich hastig wieder auf die vollendete Zubereitung des Cappuccinos mit doppeltem Espresso und schäume die Milch so weit auf, dass sie als Topping den nötigen Halt hat, um mein eigentliches Steckenpferd tragen zu können: die Latte Art.
»Und einen Soja-Latte«, ruft Dominic. »Kommst du hinterher?«
»Eins nach dem anderen«, murmele ich, schließlich ist dies nur eine rhetorische Frage. Mein Chef verlässt sich darauf, dass ich meinen Job schnell und effizient erledige. Mit der Milch zufrieden hebe ich die Tasse an, um meinen Zauber zu versprühen. Das Klingeln meines Telefons reißt mich aus der Konzentration, und ich verschütte einige Tropfen der heißen Milch. Schnell stelle ich das Kännchen ab und ziehe mein Telefon aus der Hosentasche, um abzunehmen. »Ja?« Damit ich trotz meines Privatgesprächs weiterarbeiten kann, stecke ich mir das Handy zwischen Ohr und Schulter und greife wieder nach dem Kännchen.
Mich grüßt ein bellendes Husten. Abgelenkt gieße ich die Milch zu schnell in den Espresso.
»Abby?«, krächzt Claire.
»Wer sonst?« Ich verdrehe die Augen und konzentriere mich wieder auf das komplizierte Raben-Emblem, das wir vor jedem Spiel unserer Football-Mannschaft, der UCS Ravens, in unsere Schaumkronen zeichnen.
»Du musst mich retten«, haucht meine große Schwester ins Telefon. »Ich habe einen Auftrag, aber …« Sie unterbricht sich mit einem schaurigen Hustenorkan.
»Das klingt nicht gut.« Und das ist eine Untertreibung. »Ich bin im Coffee&Dreams. Meine Schicht dauert noch mindestens drei Stunden, und wenn das hier so weitergeht, vermutlich länger. Ich kann dir also nicht helfen.« Das weckt zwar mein schlechtes Gewissen, schließlich unterstütze ich meine Schwester gern und arbeite auch für sie in ihrer Party-Agentur, aber ich sehe keinen Weg, wie ich nun beides unter einen Hut bekomme. Dominic zählt genauso auf mich wie Claire.
»Ich weiß«, sagt sie mit stark belegter Stimme. »Der Auftrag ist morgen.«
»Morgen?« Ich bin erleichtert. »Super, da habe ich frei.« Mein einziger freier Tag in dieser Woche, aber das stört mich nicht. Da ich das Stipendium der UCS, der University of California in Sacramento, nicht bekommen habe, brauche ich dringend Geld, damit ich zumindest bald mein Studium aufnehmen kann. Extraschichten kommen mir da gelegen, und Claire zahlt in der Regel gut. »Was brauchst du denn?« Ich hoffe auf ein möglichst ausgefallenes Kunstwerk, denn neben der Latte Art liebe ich jede Kunst, die mit Farbe und Gestaltung zu tun hat.
Ich stelle den Cappuccino auf den Tresen, wo die Kundschaft auf ihre kunstvoll verzierten Kaffeespezialitäten wartet. »Bitte schön.«
Ich drehe mich gleich wieder um, schließlich ist die Liste an Bestellungen heute endlos. Ich leere den Siebträger und lausche dabei, wie sich meine Schwester die Lunge aus dem Leib hustet. »Hey, soll ich später vorbeikommen? Du klingst wirklich furchtbar.«
»Danke, Abby, aber es ist besser, wenn du wegbleibst. Wenn du auch ausfällst, geht der Auftrag baden.« Sie räuspert sich und bricht gleich wieder in wildes Gebell aus. »Aber der ist wirklich wichtig.«
»Ich helfe dir«, verspreche ich und wechsle die Schulter, da das einseitige Hochziehen schmerzhaft wird. »Was brauchst du denn?«, frage ich erneut. »Und bis wann?« Ich sehe mich bereits die Nacht durcharbeiten, damit der Auftrag auch fristgerecht fertig wird. »Moment«, flüstere ich, da mir der Fehler auffällt. Claire ist künstlerisch nicht begabt, dafür beschäftigt sie schließlich mich. Meine Schwester kümmert sich um die Planung und Ausführung aller Tätigkeiten rund um ein Event. Also um Dinge, die mir schwerfallen. Sie spricht mit Kunden, überbringt Grußbotschaften und singt auch schon mal vor großem Publikum. All das liegt mir so gar nicht, weshalb ich nun nervös werde. Was erwartet mich wohl?
»Äh«, brummt Claire und seufzt dann. »Du musst für mich ein Geburtstagsständchen überbringen.«
Ich verschütte die Milch und wische sie hastig weg. »Nein«, sage ich dabei mit bebender Stimme. »Du weißt doch, dass ich das nicht kann.« Schon der Gedanke bringt meine Hände dazu, unkontrolliert zu zittern. »Das schaffe ich nicht.«
Claire hustet und ich habe so die Ahnung, dass mir nichts anderes übrig bleiben wird, als über meinen Schatten zu springen. Der Hals zieht sich mir zu. Die Wasserdampfdüse zischt und schäumt die Milch auf. Ich drehe das Kännchen langsam und nutze die Zeit, um meine Gedanken zu sammeln. Ich kann einfach nicht vor Menschen sprechen. Singen scheidet da völlig aus. Das endet nur in einer Katastrophe, wenn ich es versuche.
»Es ist wirklich schrecklich wichtig.« Claire räuspert sich. Mit ihrer belegten Stimme klingt sie so gar nicht wie sie selbst. »Ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht so wichtig wäre!«
»Claire, erinnerst du dich an die Aufführung, als ich fünf war?« Mein einziges bisheriges Bühnenerlebnis – ein durchaus denkwürdiges.
»Als du ohnmächtig wurdest, weil du Piep sagen solltest?«
»Ja.« Ich schnaube leise und dekoriere auch diese Schaumkrone mit dem Raben-Emblem.
»Zwei Latte mit Karamell und einen Espresso Grande«, ruft Dominic mir zu.
»Kommt!«
»Du wurdest ohnmächtig, hast dabei die Hauptdarstellerin umgerissen, ihr seid beide von der Bühne gefallen und habt euch die Köpfe angeschlagen.« Claire seufzt gedehnt. »Aber du bist keine fünf mehr, Abby, und irgendwann musst du deine Ängste überwinden. Es ist auch nur ein Geburtstagsgruß. Nichts Schwieriges. Das bekommst du hin. Du siehst einfach auf die Wand, singst und verschwindest wieder.«
Ich reinige schnell die Dampf-Lanze und fülle erneut Kaffee in die beiden Siebträger. »So einfach ist das nicht«, murre ich. Ich weiß, dass sich Ängste lindern lassen und dass man unangenehmen Situationen nicht aus dem Weg gehen kann, aber ich halte es auch für falsch, sich denen absichtlich auszusetzen. »Was ist gewonnen, wenn ich wieder ohnmächtig werde?« Auf die Erfahrung kann ich gut verzichten, da ich damals eine Gehirnerschütterung davongetragen hatte.
»Wirst du nicht«, verspricht Claire. »Cooper ist da und unterstützt dich.«
Ich verdrehe die Augen und widme mich wieder meinem Kunstwerk. So aufwendig es ist, einen Raben in den Schaum auf einem Caffè Latte zu malen und dabei lediglich das Kännchen als Stift zu verwenden, erscheint mir dies doch wesentlich einfacher, als vor Claires bestem Freund ein Geburtstagslied zu trällern.
»Du kannst ihn ansehen und so tun, als wärt ihr allein.«
Ich schnaube. »Ja, ich singe besonders gern, wenn Cooper da ist. Muss ich dich daran erinnern, dass er meine Kunst als albernen Kinderkram abtut?«
Claire seufzt. »Mit Latte Art kannst du ihn nicht beeindrucken«, gibt sie zu. »Aber er sagt, dass ihm deine Stimme eine Gänsehaut bereitet.«
Dies ist nicht als Kompliment zu verstehen, denn Cooper hat mir bereits ins Gesicht gesagt, dass er mich für eine Krähe hält, und jeder weiß doch, wie Krähen klingen. »Ja, das hilft.« Ich stelle die beiden Kaffeespezialitäten auf den Tresen.
»Du hast eine wundervolle Singstimme«, behauptet Claire.
»Spar dir deine Schmeicheleien«, murre ich. »Verdammt! Du weißt, dass ich das nicht kann.«
»Du kannst«, versichert Claire voller Inbrunst. »Du musst dich nur trauen. Ich weiß, dass ich auf dich zählen kann.« Sie hustet. »Es sind keine fünf Minuten. Du singst vor Coopers Freund ein sexy Geburtstagsständchen und bist raus.«
Ich stelle das Kännchen ab. »Vor Coopers Freund?« Ich betone das letzte Wort absichtlich. Cooper ist homosexuell, und bei der Formulierung nehme ich nun an, dass Claires bester Freund seit der Junior High endlich den Mann fürs Leben gefunden hat.
»Ja.« Sie zieht das A etwas.
Ich wische mir die feuchte Hand ab und nehme das Kännchen wieder auf, um frische Milch aufzuschäumen. Es ist sicher immer noch peinlich, vor Fremden zu singen – das mag ich nicht einmal vor Claire oder meinen Eltern –, aber vielleicht ist es etwas anderes vor Coopers Freund? Ich fühle mich gleich schuldig, weil ich ihn anders betrachte als andere Männer. Kann ich mich eher vor einer homosexuellen Person zum Narren machen als bei einer heterosexuellen? Ganz sicher nicht! Schließlich sollte es kein Unterschied sein, ob ich vor einem weiblichen, männlichen oder diversen Publikum stehe.
»Er ist ein ganz Lieber«, versichert Claire. »Cooper ist sich sicher, dass du seinen Freund nicht verschrecken kannst.« Sie kichert und bellt im Anschluss. »O Mann, glaub mir, Abby, ich würde dich nicht bitten, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.«
»Okay«, murmele ich. Obwohl mein Herz flattert und mir bereits der Angstschweiß auf der Stirn steht, kann ich meine Schwester nicht im Stich lassen. Sie hört sich tatsächlich krank an und kennt mich gut genug, um sich denken zu können, welchen Dienst sie da erbittet. »Ich mache es, aber ich kann nicht versprechen, dass ich auch nur ein Wort hervorbekomme!«
Claire stößt den Atem aus. »Danke, du bist ein Schatz. Du musst morgen um halb vier am Stadion sein. Jermaine wird dich in Empfang nehmen und dich in die Torte stecken.«
»Bitte was?« Ich lasse beinahe das Kännchen fallen. »Du hast Singen gesagt.« Einen Auftritt, wie Claire ihn regelmäßig hinlegt, habe ich noch nie absolviert, und ich bin mir auch ziemlich sicher, dass mich das völlig überfordert.
»Keine Sorge«, säuselt meine Schwester. »Das ist viel nervenschonender, als auf eine Bühne treten zu müssen, wo bereits alle Augen von Beginn an auf dich gerichtet sind. Du springst raus, singst, und Jermaine holt dich im Anschluss direkt wieder ab.«
Das klingt vielleicht einfach, aber ich glaube nicht eine Sekunde lang, dass es wirklich einfach ist!
»Du bist die Beste.« Claire keucht mitleiderregend. »Wenn du noch Fragen hast, wende dich einfach an Jermaine. Ich gehe ins Bett und stehe erst wieder auf, wenn ich gesund bin.« Sie kichert und beginnt erneut zu husten.
»Gute Besserung«, sage ich tonlos. Ich weiß genau, was ich mir da aufbürde, und fürchte mich vor meiner eigenen Courage.
»Abs!«, sagt Dominic und tippt mich an. »Du kommst ja gar nicht nach.«
»Entschuldige«, murmele ich und zwinge ein Grinsen auf meine Lippen. »Eine Hiobsbotschaft von meiner Schwester. Mein freier Tag morgen ist gestrichen und …« Ich breche ab, schließlich schnürt sich mir bei dem Gedanken an die Tortur, die mir bevorsteht, der Hals zu.
»Okay.« Er tätschelt meine Schulter. »Mach eine Pause, ich übernehme hier.«
Ich schüttele den Kopf und schiebe mir mein Telefon in die Hosentasche. »Nein, besser ich denke gar nicht weiter darüber nach, sondern stürze mich in die Arbeit. Wenn du mir hier kurz hilfst, muss niemand lange auf seinen Kaffee warten.«
»Mach ich.« Dominic greift nach dem Siebträger und leert ihn mit geübten Handgriffen. »Wie schlimm ist es?«
»Ich muss ins Stadion.« Ich verdrehe über meine Befürchtungen belustigt die Augen und spüre seinen Blick auf mir.
»Lass uns tauschen«, schlägt er vor. »Ich habe nichts dagegen, ins Stadion zu fahren.«
»Und ein Geburtstagsständchen zu trällern, nachdem du peinlicherweise aus einer Papptorte gesprungen bist?«
Sein Blick ist unbezahlbar. »Du hast recht«, brummt er. »Das hat Fremdschampotenzial.«
»Hey!« Ich schlage sanft nach seinem Arm. »Mach es mir nicht noch schwerer!«
»Wird das heute noch was mit meinem Latte?«, fragt eine honigsüße Stimme in meinem Rücken, die mir gleich einen Schauer über den Körper rollen lässt. Ich drehe mich halb zu der Frau um, der sie gehört. Lindsey Severin lehnt am Tresen und mustert mich aus ihren stechenden blauen Augen. Meine Nemesis ist Stammgast im Coffee&Dreams und nie zufrieden. Ich arbeite ihr stets zu langsam – der Hinweis heute fällt vergleichsweise nett aus.
»Dein Latte ist bereits unterwegs«, erwidere ich betont freundlich, auch wenn mich ihre Spitzen verletzen. Mit bebenden Fingern kreiere ich das Raben-Emblem und stelle das Glas vor ihr ab. »Bitte schön.«
Lindseys Blick wandert belustigt an mir hinab. »Du siehst schlimm aus. Arbeiten muss anstrengend sein.« Sie feixt. »Zum Glück kann ich mir das sparen und mich völlig auf mein Studium konzentrieren.«
Ich atme tief ein. »Genieß deinen Latte, Lindsey.«
»Alter, was stimmt denn nicht mit dir? Wer so was isst, der frisst auch kleine Kinder!« Cooper schlägt mir so hart auf den Rücken, dass sich ein Schwall Essig über meine Fritten ergießt.
Die anderen Jungs lachen schallend, ich stelle die Plastikflasche ab und sehe unseren Quarterback mit hochgezogener Augenbraue an.
»Oh. Sorry, Mann.« Cooper sieht zerknirscht aus. »Ich wollte dein … Essen nicht ruinieren.«
»Das schafft er schon allein«, ruft Will und lacht noch lauter. »Essig, pfui Teufel!«
Ich bleibe noch eine halbe Sekunde ernst, dann grinse ich Cooper an. »Kein Problem. Je mehr, desto besser.« Ich schiebe mir zwei der dicken, essigtriefenden Fritten in den Mund und kaue genüsslich. Ah, fast wie zu Hause.
Ein kurzer, scharfer Stich des Heimwehs fährt mir in die Brust, und ich verdränge schnell das Gefühl.
Angeekelte Laute erklingen rund um den großen Tisch im Hinterzimmer des Burger Haven, des Stamm-Restaurants der Ravens. Hier essen wir immer vor Spieltagen, um uns einzustimmen und letzte taktische Details zu besprechen.
»Ihr wisst ja nicht, was gut ist«, sage ich und zwinge mich, nicht an früher zu denken. An die feuchtfröhlichen Abende mit meiner Rugbymannschaft. Meine Kehle wird eng, und das altbekannte Schuldgefühl erfasst mich.
»Wer kennt sie nicht, die hohe Qualität der britischen Küche?« Petes Stimme klingt eine Spur zu höhnisch, um als neckend durchzugehen. Er ist keiner meiner Lieblingskollegen. Na ja, man kann nicht alle mögen, immerhin bestehen die Ravens aus mehr als fünfzig Spielern. Cooper allerdings kriegt Herzchenaugen, wenn er Pete ansieht. Es ist beinahe süß.
»Warst du je in England?«, frage ich Pete herausfordernd. »Oder woher kennst du unser Essen so genau?«
Pete grunzt und fährt sich durch den blonden Schopf.
»Außerdem ist deine geliebte Mac-and-Cheese-Pizza auch kein kulinarisches Highlight«, setze ich hinzu. »Ein gut gemachter Cottage Pie dagegen …«
»Wenn du so gern in England wärst, warum bist du dann überhaupt hier?«, fragt Cooper. In seiner Stimme schwingt keine Bosheit mit, nur ehrliches Interesse. Verdammt. Darauf kann ich nicht mit einer scharfen Retourkutsche antworten.
Ehrlich kann ich aber auch nicht sein.
»Weißt du doch«, entgegne ich lahm. »Ich sehe mich nicht mehr im Rugby. American Football liegt mir mehr.«
»American Football«, höhnt Pete. »Im Unterschied zu was? Eurem Soccer? Es genügt, wenn du Football sagst. Als ob es irgendeinen anderen Fußball gäbe, der von Bedeutung wäre.«
Ich beiße mir auf die Zunge, um nicht die Three Lions und meine Lieblingsfußballmannschaft, Manchester United, glühend zu verteidigen. Auch so eine Sache, die ich nie verstehen werde – warum man in diesem Teil der Welt so wenig Interesse an Fußball hat. Aber ich habe mir nun mal ausgesucht, hier zu leben. Und es ist toll! Hier an der Westküste der USA, in Kalifornien, dem Sonnenstaat. Die Leute entspannt, das Wetter herrlich, selbst jetzt im Herbst noch. Wann habe ich zu Hause zuletzt so viele sonnige Tage am Stück erlebt? Vermutlich nie. Seit ich vor drei Monaten hier angekommen bin, fällt es mir leichter, zu atmen. Das hier ist meine Gegenwart und meine Zukunft. Alles andere ist nicht mehr von Bedeutung.
»Na, Jungs, nun lasst den Mann mal in Frieden«, brummt Headcoach Gerber. »Wir können froh sein, dass er sich für das Studium an der UCS entschieden hat. Ein erstklassiger Rugbyspieler ist ein Gewinn für jede Mannschaft.« Er tippt auf den dicken Ordner vor sich, sein Playbook, in dem alle Taktiken, die er spielen lässt, verzeichnet und skizziert sind. »Er ist auf so gut wie jeder Position einzusetzen. Was nicht heißt, dass ich nicht jeden Einzelnen von euch schätze.« Er schaut lächelnd in die Runde. »Wir sind ein Team. Und was werden wir morgen?«
»Ein Jahr älter!«, ruft Cooper, bevor irgendwer anders reagieren kann, und deutet lachend auf Pete, der unwillig das Gesicht verzieht.
»Das meinte ich zwar nicht«, sagt Headcoach Gerber, »aber gut, dann stelle ich meine Frage anders: Was werden wir morgen tun, um unserem Tailback einen würdigen Geburtstag zu bereiten?«
»Gewinnen!«, rufen einige meiner Kameraden im Chor.
»Was werden wir?«, fragt Offense-Coach Simmons, der neben Gerber sitzt, lauter und breitet die Arme aus.
»Gewinnen!«, erklingt es ebenfalls kräftiger.
Beim dritten Mal stimme ich ein, dann essen wir auf, und danach erklärt der Headcoach noch einige Details über unsere Gegner von der UCLA. Morgen ist Heimspiel-Tag und mein erster Einsatz in dieser Saison. Aufregung und Vorfreude erfassen mich. Ich bin wieder Teil eines Teams. Im Training schon ein paar Wochen, doch nun darf ich endlich auch auf den Platz!
»Aber mal ehrlich«, sagt Will später zu mir, als wir das Restaurant verlassen und zusammen die Straße runter zum Wohnheim gehen. »Warum bist du hierhergekommen? Vermisst du deine Familie nicht? Ich kann mir nicht vorstellen, so weit von meinen Eltern entfernt zu leben.«
Ich sehe die enttäuschten Gesichter meiner Eltern und Joeys traurige Miene vor mir. Mein kleiner Bruder, der immer zu mir aufgeblickt hat, konnte mir nicht einmal mehr in die Augen sehen, nachdem alles herausgekommen war. »Klar vermisse ich sie«, presse ich heraus. Ich bekomme die Worte kaum über die Lippen.
»Warum bist du dann gegangen?«, fragt Emilio.
»Und du?«, gebe ich zurück, denn der Mannschaftskamerad ist ebenfalls nicht in den USA geboren.
»Weil ich hier bessere Chancen habe.« Emilio hebt die Schultern.
»So geht es mir auch«, behaupte ich und verschweige, dass meine Chancen nicht nur besser sind, sondern dass diese Stadt, dieses Team meine einzige Chance ist, doch noch im Profisport Fuß zu fassen. Weil hier niemand weiß, was ich getan habe.
Und es darf auch nie jemand erfahren. Ich muss aufhören zurückzuschauen und mir bessere Antworten überlegen, wenn ich gefragt werde, warum ich England verlassen habe.
Schweigend gehen wir weiter. Die Sonne steht schon tief und taucht den Himmel in ein zartrosa Licht. Der Sacramento River liegt ruhig da, und ich atme tief die noch warme Abendluft ein. Mir wird ein wenig leichter zumute. Schön ist es hier. Ich mag das milde Wetter und habe über den Sommer sogar schon etwas Farbe bekommen, sehe jetzt beinahe wie ein kalifornischer Junge aus. Ich mag diese unaufgeregte kleine Großstadt und den übersichtlichen Campus der UCS, mein winziges Einzelzimmer im Wohnheim, unseren Aufenthaltsraum und die Gemeinschaftsküche, die ich fast immer für mich habe. Es gibt zwar einen Speisesaal, in dem wir verköstigt werden, aber ich finde es schön, auch mal außerhalb des festgelegten Essensplans etwas zubereiten zu können.
»Pete ist ganz schön sauer, dass Headcoach Gerber dich auch als Quarterback trainieren lässt«, reißt mich Leroy aus den Gedanken. Er bemüht sich nicht einmal, leise zu sprechen. Pete ist nicht bei uns, er wohnt nicht auf dem Campus, ebenso wie Cooper und drei oder vier andere von den Jungs.
Die anderen brummeln zustimmend, aber ich hebe abwehrend die Hände. »Ach was. Dazu hat er keinen Grund. Sicher will der Coach mich nur alle Positionen einmal ausprobieren lassen, um zu entscheiden, wo er mich am besten gebrauchen kann.«
In meinem alten Team war ich Fullback, der Schlussmann, die letzte Verteidigung bei gegnerischen Angriffen und derjenige, der den Gegenangriff einleiten kann. Auch im Football gibt es Fullbacks, aber deren Aufgaben sind nicht dieselben. Im Rugby ist es eine vielseitige Position, vielleicht die vielseitigste im ganzen Team, die gute Schussqualitäten ebenso erfordert wie den Mut, sich dem angreifenden Gegner in den Weg zu stellen.
Ich klinge wie ein Rugby-Lehrbuch. Aber ich habe den Sport geliebt und gelebt. Ich liebe ihn noch immer. Nur leben kann ich ihn nicht mehr. Mein Leben ist jetzt der American Football. Nein, der Football. Schlicht und einfach. Kein Blick zurück.
Wir erreichen das Wohnheim, und ich bleibe vor der Tür stehen und richte den Blick noch einmal in den Himmel. Ich mag nicht hineingehen. Wenn ich allein bin, kommen zu viele Gefühle hoch, die ich in Gesellschaft besser beiseiteschieben kann.
Leroy bemerkt mein Zögern. »Na, noch nicht müde?« Er deutet auf den Basketball-Korb. »Werfen wir noch ein paar Bälle?«
Ich lache auf. »Damit du mich wieder abziehen kannst? Lass uns lieber ein bisschen kicken. Ich hol meinen Fußball.«
»Da bin ich dabei.« Emilio fängt an, auf der Stelle zu laufen, wie um sich aufzuwärmen.
»Dann los.« Leroy scheucht mich mit einer Handbewegung ins Haus, und ich renne die drei Treppen hinauf in mein Zimmer.
Ich hole den schwarz-weißen Ball aus der Rollbox unter meinem Bett. Es hängen so viele Erinnerungen daran. Er ist alt, abgenutzt. Wie oft ist er zu den Smiths oder den Carters hinübergeflogen, je nachdem, ob wir in Brandons oder in meinem Garten gespielt haben … Damals, bevor wir beide ins Rugby-Team aufgenommen wurden. Danach habe ich hauptsächlich mit meinem kleinen Bruder gekickt. Ihm wollte ich den Fußball am Tag meiner Abreise schenken, aber Joey hat nur den Kopf geschüttelt. Warum ich den Ball dann mitgenommen habe, weiß ich selbst nicht.
Ich reiße mich aus meiner Starre, jogge die Treppe wieder hinunter und gehe raus zu den fünf Jungs, die mit mir kicken wollen. Dieses Spiel ist Spaß, morgen wird es ernst. Meine erste echte Bewährungsprobe an dieser Uni, in dieser Mannschaft, in dieser Sportart. Werde ich mich beweisen können?
Und wird es mir helfen, endlich ganz in den USA anzukommen?
Mein Magen fährt Achterbahn. Jermaine bleibt vor mir stehen und mustert mich irritiert. »Gut, dass ich ein Kostüm dabeihabe. Du siehst aus wie eine Bibliothekarin.« Er schnalzt mit der Zunge und deutet auf den Hintereingang zum Stadion. »Und du bist auch noch spät dran.«
Ich stolpere los. »Nein«, wispere ich. »Ich bin pünktlich!«
Jermaine schnaubt. »Ja, für den Auftritt, aber du musst aufgehübscht werden, sonst kann ich den Geburtstagsgruß auch selbst singen!« Er verdreht die Augen, und ich hoffe, dass es nicht ganz so schlimm um mein Erscheinungsbild bestellt ist, wie er es andeutet. Schön, mein Kleid ist nicht sexy, aber ich fühle mich wohl darin. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Jermaines Kostüm zwar sexy sein wird, aber dadurch eben auch unangenehm zu tragen.
Ich fühle mich gleich wieder wie eine graue Maus, aber all die Jahre des scheuen Versteckens haben mich zumindest gelehrt, dass man seinen Blick auf einen Punkt oder ein Ziel gerichtet haben muss, um jede unangenehme Situation durchstehen zu können.
»So, dann setz dich mal«, sagt Jermaine und zieht mir einen Hocker heran. »Ich habe eine Perücke dabei und genug Farbe, um aus dir ein Kunstwerk zu machen.« Er feixt zufrieden und platziert mich auf dem Hocker.
»Ja, die Aufmunterung brauche ich jetzt«, murmele ich dabei, bin aber folgsam und schließe die Augen, damit er mich schminken kann.
»So«, sagt er nach wenigen Augenblicken. Ich blinzele. Er mustert mich kritisch. »Jetzt noch die Perücke und das Kleid, und wir können loslegen.«
Ich lasse mir das falsche Haar überstülpen und nehme das weiße Kleid entgegen. »O nein«, brumme ich, da ich den Schnitt erkenne. »Marilyn Monroe?«
»Keine haucht erotischer.« Jermaine zwinkert und deutet zur Tür. »Zwei Minuten.«
Mit zittrigen Knien steige ich in das Kleid und rücke den Ausschnitt zurecht.
Jermaine klopft. »Fertig?«
»Ja«, antworte ich bebend und wende mich der überdimensionalen Torte zu. »Oh, das ist so erniedrigend«, wispere ich und fühle, wie mir Tränen in die Augen steigen.
»Hopp«, fordert Jermaine und klappt das Pappgebilde auf, damit ich mich auf das fahrbare Untergestell hocken kann. »Happy birthday, aber sexy«, erinnert er mich und sieht mich bedeutsam an. »Das Geburtstagskind ist Pete, der blonde Tailback. Cooper wird sich neben ihm halten. Claire rät, du solltest dich ganz auf Cooper konzentrieren.«
Ich verdrehe die Augen und atme tief durch. Jermaine schließt die Tür und linst noch einmal durch die Klappe, durch die ich gleich springen soll. »Fünf Minuten, dann bist du wieder raus. Kein Grund umzukippen, sich zu übergeben oder schreiend davonzulaufen. Du schaffst das.« Er schlägt die Klappe zu, und im nächsten Moment setzt sich die Torte in Bewegung. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Jermaines aufmunternde Worte helfen nicht, aber er hat sich auch nicht gerade Mühe gegeben, meine Nervosität zu lindern. Ich lausche angestrengt. Neben meinem pochenden Puls höre ich das Quietschen der Räder, dann den Jubel der Menge. Eine Durchsage ertönt, dass das Spiel zu Ende ist und die Gastgeber – die Ravens – gewonnen haben. Schritte, Grölen.
Moment!
Hat Claire erwähnt, wie genau dieses Ständchen stattfinden wird? Doch wohl vor dem Geburtstagskind und Cooper allein. Das war doch die Absprache, oder? Claire bringt mich doch nicht etwa in eine absolut unhaltbare Situation?
»Du bist eine Rampensau«, ruft jemand.
»Und du eine Dampfwalze.«
Oh, verflucht, ich kann das nicht!
Nur wie soll ich aus dieser Situation herauskommen, ohne …
»Ah!«, ruft Cooper. Seine Stimme erkenne ich. »Was haben wir denn hier?«
Das Gegröle wird lauter und im nächsten Moment von Musik übertönt.
O nein!
Es klopft gegen die Seitenwand. »Oh, wie dumm, sie hat den Einsatz verpasst«, sagt Jermaine. »Moment.« Die Musik beginnt von vorn.
Ich presse die Lider aufeinander. Wenn ich tote Maus spiele, dann platzt der Auftrag, und ich habe versprochen, dass ich für Claire einspringe.
Mach jetzt!
Ich springe auf, durchbreche den Tortendeckel und strecke die Arme aus. »Happy birthday to you …« Ich bewege mich sinnlich – hoffe ich zumindest – und richte meinen lasziven Blick auf einen blonden Hünen, der genau wie der Rest des Raumes vor meinen Augen verschwimmt. Cooper hat den Arm um dessen Schultern geschlungen und sieht ihn aufmerksam an. Der Tailback grinst breit. Ich kenne ihn, kann ihn aber nicht einordnen. Sein Blick gleitet über mich, und mein Magen dreht sich. Ich bin mir meines tiefen Ausschnittes unangenehm bewusst. Meine Knie sind weich, es sirrt in meinen Ohren.
Ich bekomme den Namen nicht über die Lippen und schwanke. Ich fasse nach der Umrahmung der Torte, weil mir schwummrig ist, und breche durch. Mit einem Aufschrei lande ich ausgerechnet in den Armen des Geburtstagskindes, das mich direkt fest an sich zieht und seinen Mund auf meinen presst.
Ich bin davon so überrascht, dass ich nicht reagiere. Zumindest nicht gleich. Ich erstarre, reiße die Augen auf und bezwinge den Brechreiz. Er hätte eine Faust im Magen verdient, aber ich bin wie gelähmt vor Schreck.
»Langsam!« Cooper klingt angestrengt. »Happy birthday, Pete!«
Warum hilft er mir denn nicht? Und sollte der Typ nicht Coopers fester Freund sein?
Ich hebe die Hände, um sie zwischen Pete und mich zu schieben und ihn von mir fortzudrücken. Er umschlingt mich sogleich fester und zieht mich wieder eng an seinen Körper. Ich schaffe es, den Kopf zu drehen. »Hör auf!«, schnaufe ich und bekomme endlich Unterstützung, aber nicht von Cooper.
»Hey, ich glaube, sie will, dass du sie loslässt.«
»Unsinn, Mann«, nuschelt Pete an meinem Hals und saugt im Anschluss daran. »Die Kleine gehört mir.«
»Nein«, piepse ich und balle die Fäuste an seiner Brust. »Lass mich los!«
»Pete!«, übertönt mich der andere Mann. Dann bin ich frei, und breite Schultern blockieren meinen Blick auf den Tailback. »Mann, Nein heißt Nein«, knirscht er und hebt die Hände.
Ich lege die Arme um mich und fange Coopers Blick auf. Er verdreht die Augen. »Es gibt Menschen, die würden sich über einen Kuss von Pete freuen.«
Ich blinzele heftig. Anstatt sich für mich zu verwenden, steht Cooper auf der Seite des übergriffigen Tailbacks? Was stimmt nicht mit ihm?
»Offenbar gehört …« Mein Retter dreht sich zu mir um, und mir fallen die sanften braunen Augen auf, die von beneidenswert dicken Wimpern umkränzt werden. Mein Kopf schwirrt, und ich starre ihn an. Er spricht. Seine Lippen bewegen sich, und seine Brauen ziehen sich dabei über seiner Nasenwurzel zusammen.
»Abby.« Cooper stößt mich an. »Das ist Abby.«
»Geht es dir gut?«, fragt mein Gegenüber und mustert mich. Er hat braunes Haar, das ihm am Schädel klebt. Er ist groß, zumindest größer als ich, seine breiten Schultern wirken imposant, und die muskulösen Schenkel stecken zum Glück noch in der engen Hose.
»Wow«, höre ich Jermaine sagen. »Was ist hier passiert?«
Pete schiebt sich an meinem Retter vorbei und greift nach mir. Sein Blick ist immer noch auf mein Dekolleté gerichtet. »Abby, was für ein schöner Name. Heute ist mein Geburtstag …«
Ich schüttele seine Hand ab und mache einen Schritt rückwärts. Ich stoße gegen die Torte und komme damit nicht aus seiner Reichweite.
»Pete!«, blafft mein Retter und legt ihm die Hand auf die Brust. Er schiebt ihn weg von mir.
Jermaine verstellt mir die Sicht. »Was hast du angestellt?«
»Ich?«, krächze ich und versuche angestrengt, mich zusammenzunehmen. Ich zittere und bin verwirrt.
»Ja, du!« Jermaine deutet auf die kaputte Torte. »Bist du umgekippt?«
Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt. »Ich habe vorher gesagt, dass ich das nicht kann!«
Jermaine verdreht die Augen und bückt sich nach dem Deckel der Torte. »Die Reparatur wird kein Spaß, Abby.«
Ich beiße die Zähne aufeinander und senke den Blick. Meine Augen brennen und ich zittere immer noch. Ich unterdrücke ein Schniefen und spüre die Blicke der Männer auf mir. Da waren deutlich mehr als nur Pete und Cooper. Ich schaue mich hastig um und keuche erschrocken, da mir bewusst wird, dass ich in einer Umkleidekabine stehe und die gesamte Mannschaft der Ravens meinen peinlichen Auftritt inklusive Beinahe-Ohnmacht und unerwünschtem Abknutschen verfolgt hat. Ach ja, und offenbar stört es die meisten nicht, dass sich eine Frau in der Kabine befindet, denn der größte Teil ist dabei, sich umzuziehen, und beachtet mich nicht.
»Geh mir aus dem Weg, Ethan!«, knirscht Pete. »Sie ist mein Geschenk!«
»Sie ist kein Geschenk, sondern ein Mensch«, widerspricht mein Retter. »Sie ist völlig durch den Wind.« Er sieht zu mir herüber und lächelt mir aufmunternd zu. »Such dir lieber jemanden, der dich küssen will.«
»Mann«, murrt Jermaine neben mir. »Wir brauchen die Torte übermorgen wieder.«
»Auf keinen Fall!«, fiepe ich und hebe abwehrend die Hände. »Das mache ich nicht noch mal!«
»Ach, komm schon.« Cooper schlägt mir auf die Schulter, und ich verliere das Gleichgewicht. »So schlimm warst du nicht.« Ich stolpere vorwärts und fange mich gerade noch. Meine Wangen und mein Magen brennen. Ich bekomme die Worte nicht hervor. Ärger und Scham schnüren mir den Hals zu.
»Hey«, raunt Ethan und berührt meinen Oberarm. »Alles in Ordnung?«
Ich schaue auf und fasse nach meiner Schulter. Cooper hat mir sicher den Rücken gebrochen. »Ja«, krächze ich. »Au.« Ich versuche zu lächeln. »Danke.«
»Bist du dir sicher?« Er lächelt schief. »Du bist ziemlich blass.«
»Ich muss nur nach Hause.« Eigentlich brauche ich Kaffee. Oder Schokolade. Irgendetwas, das das Sirren aus meinem Kopf vertreibt. »I-ich sollte los.« Ich wende mich ab und erinnere mich daran, dass ich eigentlich mit Jermaine zurückfahren soll.
»Ich kann dich nicht mitnehmen.« Er deutet auf das Pappgebilde. »Ich muss zusehen, dass ich das hier repariert bekomme!«
»Ich kann dich fahren«, bietet Ethan an und reibt die Hände aneinander, als sei er nervös. »Gib mir fünf Minuten, um mich umzuziehen.«
Cooper hängt sich an seinen Hals und klopft ihm auf die Brust. »Was ist mit unserer Siegesfeier?«, fragt er und zwinkert mir zu. »Abby kann warten.«
»Sie kommt mit«, behauptet Pete und schlängelt sich an Cooper und Ethan vorbei.
»Nein«, murmele ich und mache einen hastigen Schritt zur Seite. »Ich …« Ich suche Ethans Blick. Da ich mit dem Bus gekommen bin, brauche ich entweder eine Mitfahrgelegenheit oder muss auch wieder mit dem Bus zurück in die Stadt. Am liebsten sofort.
»Ich muss mich nur schnell umziehen.« Ethan zeigt auf seine nackte Brust und grinst schief. »Dann bringe ich dich, wohin du möchtest.«
Jermaine reicht mir meine Kleidung. »Du kommst klar?«, fragt er brummig. »Du hast dich nicht verletzt, als du aus der Torte gefallen bist, oder?« Er mustert mich. »Du brauchst … keine Ahnung … keinen Arzt oder so?«
»Nein.« Ich drücke meine Sachen an meine Brust. »Ich … Mir ist schwindlig geworden. Es tut mir leid, dass ich die Torte beschädigt habe. Wenn du willst, helfe ich bei der Reparatur.« Das ist vernünftiger, als mit dem Footballspieler mitzufahren. Einem Typen, den ich nicht mal kenne.
Jermaine schnaubt. »Nope, lass mal. Mir wäre es lieber, wenn Cooper dich fahren würde.«
Ich verdrehe die Augen. »Das hat er offenbar nicht vor!« Er hätte es zumindest anbieten können, aber der Quarterback hat sich nur für seine blöde Siegesfeier interessiert. »Und ich kann darauf auch verzichten!« Ich hebe den Blick und sehe Jermaine direkt in die Augen. »Hast du gewusst, dass die gesamte Mannschaft dabei sein würde?«
Er zuckt die Achseln. »Ja, natürlich.«
Ich reiße vor Überraschung die Augen auf. »Das war genau so geplant?« Ein Auftritt vor versammelter Mannschaft? Claire weiß genau, wie schwer mir dergleichen fällt. Sie hat mich beschwindelt, weil ich niemals zugestimmt hätte, vor so großem Publikum zu singen. Sie hat mich ausgetrickst, mich rundheraus angelogen, obwohl Claire genau weiß, wie sehr ich Lügen hasse. Und Lügner.
»Soweit ich weiß. Warum?«
Ich kann nur den Kopf schütteln, da ich einfach erschüttert bin. Sprachlos, dass meine eigene Schwester mich hintergeht und ihr meine Gefühle dabei völlig gleichgültig sind.
Jermaine runzelt die Stirn. »Abby? Du bist merkwürdig.« Er zeigt auf mich. »Ich brauche das Kostüm.«
Ich ziehe mir die Perücke vom Kopf und reiche sie ihm.
»Hey.«
Ich drehe mich zur Tür um. Ethan schiebt die Hände in die Jeanstaschen und hebt die Schultern.
»Ich habe mich beeilt.« Er grinst verlegen. Sein Haar ist nass, und ein Handtuch liegt um seinen Hals geschlungen. Sein Hemd steht offen, und die Ärmel sind bis zu den Ellenbogen aufgerollt. »Wir können los.«
Ich starre ihn an. Mir ist irgendwo bewusst, dass ich dringend etwas sagen muss, damit dies hier nicht noch peinlicher wird. Etwas Sinnvolles. Also nichts über seine hübschen Augen oder darüber, dass seine Schultern auch ohne Schutzausrüstung breit sind.
»Abby.« Jermaine stößt mich an. »Das Kleid.«
»Ja«, murmele ich und lege mein eigenes Kleid auf dem Hocker ab. Ich friemele an dem Reißverschluss in meinem Rücken.
»Ich mache dann hier mal die Tür zu«, meint Ethan und greift nach der Klinke.
»Moment, ich komme mit!« Jermaine wirft mir noch einen fragenden Blick zu. »Sicher, dass du klarkommst?«
»Ja«, krächze ich und öffne den Verschluss. Kaum ist die Tür geschlossen, setze ich mich auf den Hocker und beuge mich vor. Ich atme tief durch und schließe die Augen. Mir ist immer noch schwummrig. Ich bin immer noch verwirrt. Und verärgert. Aber letztlich möchte ich nach Hause und mich in meinem Bett verkriechen. Dort lässt es sich auch viel besser grübeln als in diesem Raum, in dem die Hausmeister ihre Utensilien lagern. Es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis die hier auftauchen, und die sollen mich nicht in Unterwäsche erwischen. Also streife ich das weiße Kleid ab, das ich auf die Torte werfe, wo sich bereits die Perücke befindet, und schlüpfe in mein eigenes Kleid.
Ethan lehnt an der Wand gegenüber, als ich aus dem Raum trete. Er schaut auf und sein Mundwinkel zuckt.
»Na endlich«, murrt Jermaine und rauscht an mir vorbei. Neben mir bleibt er stehen. »Hey«, spricht er Ethan an. »Mach keinen Unsinn, verstanden?«
Ethan blinzelt verblüfft. »Okay«, erwidert er hörbar irritiert. »Mach ich nicht.«
»Ihre Schwester ist Coopers BFF.«
Hitze schießt mir in die Wangen. Jermaine meint es sicher gut, aber Ethan hat bereits mit eigenen Augen verfolgt, wie unwichtig Cooper meine Sicherheit ist. Ich haste vor und deute zum Ausgang. »Wir sollten uns beeilen. Wenn alle losfahren wollen, stehen wir sonst stundenlang in der Schlange.«
»Okay.« Ethan folgt mir. Nach wenigen Schritten dreht er sich um. »Ich bringe sie unbehelligt nach Hause. Keine Sorge.«
Ich stapfe weiter. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ich peinlicherweise aus einer Torte gesprungen bin, meinen Einsatz versemmelt habe und dem Geburtstagskind in die Arme gefallen bin – Jermaine macht mich mit seinen Aussagen nun völlig unmöglich. »Ich bin zwanzig«, flüstere ich. »Nicht zwölf!«
»Was hast du gesagt?« Ethan holt zu mir auf und fasst nach der Türklinke, nach der ich ebenfalls die Hand ausstrecke. Meine Fingerspitzen berühren seine warme Haut, und ich zucke zurück, da ein kleiner Schlag durch mich hindurchfährt. Ups. Er schiebt die Tür auf und sieht mich an. »Du bist zwölf? Lässt man hier wirklich Zwölfjährige aus Torten hüpfen?«
Mir fällt auf, dass er ungewöhnlich spricht. Er stammt definitiv nicht aus der Gegend. Und noch etwas bemerke ich nun, da er ins Sonnenlicht tritt: Seine Augen sind gar nicht braun, sondern eine Mischung aus Braun und Grün.
»Ja … Nein … Was?« Ich bleibe stehen und hebe die Hände. »Moment.« Worüber sprechen wir eigentlich?
»Du bist zwölf?«, fragt er und grinst schief. »Und eigentlich darfst du nicht aus Torten hüpfen?«
»Nein!« Ich hebe die Hände noch etwas höher. »Ich bin nicht … Ich bin zwanzig und wusste, dass die Sache im Desaster endet.«
Sein Grinsen wird strahlender. »Nun, so schlimm war es nicht.«
»Na, für mich war es schlimm!« Ich schlinge die Arme um mich. Es hilft nicht dabei, mich besser zu fühlen. Ich werfe ihm vorsichtige Blicke zu, während ich ihm zu seinem quietschroten Dodge folge.
»Ach was, du hast doch eine schöne Stimme.« Er zieht die Fahrertür auf und deutet ins Innere. »Bitte.«
Ich werfe einen Blick hinein, nicht sicher, ob ich nun über den Fahrersitz kriechen soll, um auf den Beifahrerplatz zu kommen. »Ist die andere Tür kaputt?«
Ein Runzeln gleitet über seine Stirn. »Wie bitte?« Er sieht in den Wagen und läuft tomatenrot an. »Oh!« Er schaut mich an, seine Brauen heben sich, und ich zerschmelze vor Rührung. Er ist so süß! »Das vergesse ich immer wieder.« Er grinst. »Ich sollte dich warnen. Mit mir zu fahren, ist gefährlich.«
Obwohl seine Worte eher besorgniserregend sind, muss ich lachen. »Ach ja?«
»Ich habe mich offensichtlich noch nicht daran gewöhnt, dass ich auf der linken Seite sitze und auf der rechten Seite fahre.« Er hebt eine Schulter. Dann geht er rasch um den Dodge herum und öffnet die Beifahrertür. »Mylady.« Er verbeugt sich leicht, und ich kichere wie ein Teenager. »Ich übertreibe«, sagt er mit beruhigendem Unterton. »Du brauchst keine Angst zu haben, mit mir im Graben zu landen. Ich habe meinen Führerschein neu machen müssen, um in den USA fahren zu dürfen.«
In den USA … Langsam umrunde ich den Wagen und bleibe vor ihm stehen. »Woher kommst du denn?«
»West Bromwich.« Sein Grinsen ist so breit, dass er Zähne zeigt.
»Ah.«
»Du hast keine Ahnung, wo West Bromwich liegt.« Er zwinkert mir zu.
»Nein«, gebe ich zu. »Ich nehme mal an, nicht in Amerika.«
»Nein, in Großbritannien.« Er deutet in den Wagen. »Steig ein. Wohin bringe ich dich?«
Ich nicke und setze mich in den Dodge. Ethan schlägt vorsichtig die Tür zu und umrundet seinen Wagen. Ich verfolge ihn mit den Augen und lege den Kopf schräg. Er schnallt sich an und sieht mich erwartungsvoll an.
»Ich brauche Kaffee«, sage ich vorsichtig. »Macht es dir etwas aus, mich zum Coffee&Dreams zu bringen?« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Ich lade dich ein, wenn du möchtest.« Da er mich nur ansieht, werde ich nervös und rutsche auf meinem Sitz herum. »Musst ja nicht. Ich wollte mich nur für die Unterstützung bedanken. Euer Tailback ist …«
»… manchmal ein ganz schönes Arschloch«, beendet Ethan meinen Satz, auch wenn ich mich wohl vorsichtiger ausgedrückt hätte. »Pete weiß wirklich nicht, wann es angebracht ist, den Mund zu halten.« Er hebt die Brauen und sieht mich noch eindringlicher an als zuvor. »Oder die Finger bei sich. Und ich nehme deine Einladung gern an. Ehrlich, ich dachte, dass ich vielleicht etwas müffeln könnte, da ich mich nur schnell abgebraust habe. So geht man doch nicht auf ein Date.« Er zwinkert mir zu.