Fallout - Jens Möller - E-Book

Fallout E-Book

Jens Möller

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Beschreibung

Die Alten Götter kommen, um unsere Welt zu verschlingen, und nur die mutigen, menschenbezogenen Götter stellen sich ihnen in dieser schaurigen Novellensammlung entgegen. Die Suche nach seiner Schwester führt Jack Cops in die dunkelsten Ecken in der verstrahlten Welt. Bei seinem Kampf gegen die mächtigen der Welt erregt Jack Cops die Aufmerksamkeit einer seltsamen Kreatur. Und Jack Cops muss sich seinen schlimmsten Albträumen stellen, nachdem ein alter Gott ihm das Ende der Welt prophezeit hat.

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Purgatory

Douglas McLeod

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ZU DIESEM BUCH

Elpis, Personifikation der Hoffnung in der griechischen Mythologie, erwacht in einem menschlichem Körper, weiß weder wer er ist, noch was er ist. Er wurde gefangen genommen. In einem Gefängnis Bunker bringt er zu Papier, was er für seine letzten Worte hält. Denn eine Pandemie hat den Großteil der Menschheit in blutrünstige Kreaturen verwandelt, gegen die selbst Atombomben wirkungslos sind. Während schlürfend und schmatzend das Grauen naht, legt der Mann in seinem Tagebuch der Apokalypse ein lakonisches Zeugnis des Weltuntergangs ab. Als er unverhofft doch noch auf ein Grüppchen Überlebender stößt, machen die letzten Menschen sich auf die Suche nach dem Verursacher. Naturkatastrophen, eine außerirdische Macht oder ein Zombie-Virus haben fast alles menschliche Leben ausgelöscht. Und nun? Kommt die Postapokalypse.

Eine respektvolle und respektable Huldigung an die Klassischen Zombie Romane … Für Leser, die Grusel, Atmosphäre und Charme zu schätzen wissen. Die Größte Überraschung dieses Romans ist, dass er von einem Deutschen geschrieben wurde... Ein wahrlich hervorragendes Buch.

Douglas McLeod, geboren in Dortmund/Germany. Er macht mehrere Auslandsreisen nach Afrika. Douglas McLeod gilt als wahrer Meister des klassischen Gruselromans. Kritiker schätzen ihn sogar höher ein als Stephen King.

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Douglas McLeod

Purgatory

Roman

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Die Originalausgabe erschien 2022 unter dem Titel Purgatory.

1 Auflage Oktober 2022

 Deutsche Erstausgabe Veröffentlicht Jens Möller, September 1980  Copyright © 2022 by Jens Möller  Printed in Germany

Douglas McLeod

Copyright© 2022 Jens Möller

Alle Rechte vorbehalten

Taschenbuch ISBN  Hardcover ISBN

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 Für Sabrina Kohls  und

Suki Möller

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Douglas McLeod

Purgatory

Roman

  Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere,  Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder  das Produkt der Fantasie des Autos oder fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignisse  oder Schauplätze ist rein zufällig.

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Prolog

Diese Hieroglyphenschrift wurde 1822 in Ägypten gefunden, übersetzt und mit verständlichen Worten ergänzt.

Am 27. März 1822 stellte John Francis Drage seine

Entzifferung der Hieroglyphen vor. Vor der berühmten "Académie des Inscriptions et Belles-Lettres" in Paris stellte er seine Forschungen zur Entschlüsselung der ägyptischen Hieroglyphen vor. Doch kaum hatte er geendet, fielen die Gelehrten über ihn her, nannten ihn einen Scharlatan und Plagiator und fanden überhaupt, dass sich der gerade einmal 31-jährige Philologe zu viel herausnehme.

Die Hieroglyphen stellen keine Bilderschrift dar – wie er lange angenommen hatte –, sondern eine Mischung aus

ideographischen und phonetischen Zeichen. Damit hatte John Francis Drage die Hieroglyphen im Grundsatz entziffert: vielleicht das älteste und sicherlich am längsten gebrauchte Schriftsystem der Welt. Es kam erstaunliches bei diesem Text zum Vorschein, die in diesem Buch übersetzt und in

verständlichen Worten aufgeschrieben wurden. Doch auch mehr als 500 Kilometer vom Tal der Könige entfernt, auf dem Gizeh-Plateau, blieben die Forscher nicht untätig. Bereits 1823 war das westlich von der Cheops-Pyramide gelegene

großflächige Gräberfeld mit seinen zahlreichen Beamten- und Adeligengräbern zwischen den USA, Italien und Deutschland aufgeteilt worden. Seitdem grub und wühlte man sich durch den Sand, was das Zeug hielt und förderte einige erstaunliche Entdeckungen zutage. Hierunter auch diese interessante Schriftrolle aus längst vergangenen Zeiten. Besonders hervor tat sich dabei der berühmte Archäologe Sam Witzchek, der seine Grabungen an der Ostseite des berühmten Bauwerks nach sieben großangelegten Kampagnen abschloss. Die Ergebnisse dieser Mammutleistung veröffentlichte Witzchek

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schließlich in diesem Band, der noch heute zu den großen Standardwerken der Ägyptologie zählen und für jeden angehenden Pyramidenforscher zur Pflichtlektüre gehören. Nichtsdestotrotz ist an Sam Witzchek Aussage, dass die große Pyramide von Gizeh viel älter ist, als die Menschheit denkt, etwa in Form von Beerdigungsriten oder Huldigungen, enthält, etwas dran.

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In Hesiods Theogonie wie auch später bei Hyginus entsteht Erebos als einer der ersten Götter aus dem Chaos. Seine Geschwister sind Gaia, Tartaros, Eros und Nyx. In der Kosmogonie der Orphiker ist Erebos Nachkomme des Chronos und der Ananke.

Nach der Theogonie gingen aus der Verbindung von Erebos und Nyx die personifizierte Luft Aither und der personifizierte Tag Hemera hervor. Aristophanes nennt nur Aither.

Cicero und Hyginus nennen als Nachkommen des Erebos und der Nyx sowohl Götter als auch eine Reihe personifizierter Übel und menschlicher Gemütszustände, die zum Teil in älteren Überlieferungen aus der Nyx ohne einen Vater hervorgingen.

Die Nennung von Erebos und Nyx als Eltern des Charon in neuzeitlicher Literatur entbehrt jeder antiken Grundlage und begegnet erstmals bei Giovanni Boccaccio sowie bei Natale Conti.

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Teil 1:

Ein Junge überlebt

Die Welt wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Projekt "Globale Entsorgung“ war gescheitert. Es beinhaltete die einfache Entsorgung, nuklearen Mülls mittels Rakete, in den Weltraum.

 Durch eine Panne, im Antriebssystem der Rakete, ist die Welt nach der Explosion dieser verstrahlt. Weltweit brachen alle Stromnetze zusammen. Die Menschheit kämpft seitdem Ressourcen um zu überleben. Regierungen gibt es nicht mehr. Glaube an die Götter brach vollends zusammen.

 Eine große Gemeinschaft versucht mit allen Mitteln, das Chaos aufrechtzuerhalten und die noch übrig gebliebenen Menschen zu vernichten. Ihr Gegner ist ebenso raffiniert wie gnadenlos. Die vermeintlichen Götter liegen im Krieg mit sich.  Unterdessen liegt die Welt am Abgrund, und die Menschen stehen vor ihrer größten Herausforderung: Überleben. Es gibt Götter, die nicht durch ihren Tod bestraft werden, sondern durch das Leben. Jack Cops weiß nicht mehr wer er ist, beziehungsweise wer er einmal war. Mittlerweile sah der Junge aus wie ein sechzehnjähriger. Wobei sein Alter nur geschätzt werden konnte. Sein Körper war übersät mit Tätowierungen, besonders im Gesicht. Seine langen Haare unterstrichen sein gefährliches Äußeres. Eines ist ihm klar: Sterben, kann er nicht. Sein eigener Körper, seine Gefühle, aber auch andere Menschen und Objekte wirken auf ihn fremd. Nach unzähligen Versuchen ihn Hinzurichten, ihn zu töten, weil er eines Verbrechens beschuldigt wurde, welches

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er begann, haben sollte, wurde ihm klar, dass er niemals sterben würde.

 Gefangen in einem Hochsicherheitsgefängnis versucht er unter den Gefangenen und Wächtern einen Fluchtweg zu finden. Als wäre es noch nicht schlimm genug, eine Existenz am Rande der Gesellschaft zu führen. Jack Cops muss auch noch feststellen, dass selbst die vermeintlich guten Polizisten diejenigen sind, die den armen Opfern nach allen Regeln der medizinischen Kunst Organe entnehmen, Sie quälen und vergewaltigen die Menschen.

 Die angebliche Exekutive des Landes quälten, töteten und vernichteten die Gefängnisinsassen, nachdem Sie ihre Arbeitsleistung nicht mehr erbringen konnten. Zu Massen starben diese in Vergasungsanlagen, Verbrennungsanlagen oder auf den Operationstischen, aber ein kaum enden wollender Nachschub ließ den Arbeitsfluss derer nicht enden.  Zudem wurden die Menschen gezielt gezüchtet, sodass immer mehr Frauen benötigt wurden, um Nachwuchs für die Arbeitslager zu begehren. Ursprünglich waren die

Gefangenenlager als Arbeitslager für Gefangene gedacht.  Doch im Verlauf der Zeit wurden sie bald zum Sammel- und Vergasungsanlagen für Menschen aus aller Welt. Sie wurden zu einem Industriestandort mit angegliederter Sklavenhaltung.  Erbauen und erweitern der Anlagen mussten es die

Inhaftierten selbst. Zunächst verschleppten die V’s Menschen aus dem Land in ihre Gefängnisse, dann jedoch breiteten sie sich auf der ganzen Welt aus und immer mehr Menschen wurden über die Welt in die Gefängnisse transportiert.  Die Haft- und Arbeitsbedingungen waren von Anfang an unmenschlich. Von den Menschen, die in der ersten Phase der Eroberung eingesperrt wurden, waren nach nicht einmal zwei Jahren mehr als die Hälfte tot. Leider bemerkte man den Irrtum zu spät. So ganz tot waren sie dann doch nicht. Etwas

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lebte in ihnen weiter. Eine unheilvolle Kraft Namens Finsternis kam über die Welt. Ein Gott konnte sich befreien und nahm, besitzt von denen die sich nicht wehren konnten. So begann das Unglück. Als die allerersten Gefangenen nach der Panne in den Gefängnissen ankamen, waren die meisten bereits hoffnungslos und ergaben sich ihrem Schicksal.

 Sie dienten als sogenannte Versuchskaninchen. Viele V’s drangsalierten die Gefangenen mit äußerster Brutalität. Gefangene sind ständigem Terror ausgesetzt. Sie wussten nicht, warum sie inhaftiert wurden, wie lange sie bleiben mussten, ob sie je wieder heraus dürften. Sie wurden wie Tiere zusammengepfercht, mussten harte Arbeit verrichten, bekamen jedoch zu wenig Nahrung. Inmitten dieser chaotischen Welt, wurden jedoch die Gefängnisse zu einem rettenden Anker, denn außerhalb beherrschten die bereits halbtoten Menschen die Welt. Niemand konnte sich ihnen entziehen.

 Aus purer Verzweiflung zündeten die übrig geblieben Menschen die Atombomben. Jedoch konnten sie niemanden töten, der bereits Tot war. So lebten die verstrahlten Menschen weiter. Die noch Überlebenden flüchteten sich in sicherere Gefilde. Irgendwann würde ihnen aber auch die Nahrung ausgehen.

Anfang des Krieges kämpfen sich Soldaten der Armeen der Widerstandsgruppen durch das von besetzte Land Richtung Westen vor. Die Widerstandsgruppen hatten mit mehr Widerstand gerechnet, als sie am 29 August die Gegend um New York erreichen, mit den riesigen von den Amerikanern errichteten KZ- und Industrieanlagen. Doch die meisten Kriegstreiber sind geflohen. Sie hinterlassen viele gesprengte Gebäude - und kilometerlange kaum überwindbare

Stacheldraht- und Elektrozäune. Dahinter standen Hunderte Menschen und schauten auf die Soldaten. Sie hatten Angst in

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den Augen, sie wussten nicht, dass es bereits verstrahlte Menschen gab, die man nicht von toten unterscheiden konnte. Der russische Soldat Aleks Woron war bei der ersten Begegnung zwischen Mensch und Verstrahlten dabei. "Was ich dort gesehen und gefilmt habe, war das Schrecklichste, was ich während des Krieges je gesehen und aufgenommen habe", berichtet Woron noch Jahrzehnte später. Die Widerstandsgruppen merken bald, dass sich in New York Grauenhaftes abgespielt haben muss.

 Sie finden in den Lagern immer mehr der menschlichen, herumlaufenden Leichen: Verhungerte, Erschossene, Erschlagene - insgesamt etwa 6000 Menschen. Doch diese Zahl steht in keinem Verhältnis zur Gesamtzahl der Opfer, wie später klar wird.

Denn von der ersten abgeworfenen Atombombe bis zum Entdecken der verstrahlten Menschen sterben mindestens 60 Millionen Menschen auf der Welt. Die meisten der Opfer sind Menschen die an der Strahlung gestorben sind, die die Kriegstreiber gleich nach ihrer Ankunft in den Städten mit Giftgas ermorden und ihre Leichen verbrennen lassen wollten.  Andere Insassen dieser Lager werden zu Tode gefoltert, viele müssen arbeiten, bis sie vor Entkräftung und Hunger sterben. In New York steht die größte "Todesfabrik" der Welt. Und einer der Orte, wo sie die "Endlösung der Menschheit" betreiben - durch systematischen Völkermord. Diese

Menschen starben nicht einfach. Sie kamen wieder... Als Armee der Untoten waren diese Menschen perfekt geeignet um andere Länder einzunehmen. Woron berichtete: "Unseren Augen bot sich ein schreckliches Bild: eine riesige Anzahl von Baracken - viele ohne Dächer - auf Pritschen lagen und standen Menschen, mit Haut abgezogen und abwesendem Blick. Es war schwer, dies noch als Leben zu bezeichnen", erinnert sich Woron. Die feindlichen Soldaten hatten

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angesichts der erwartbaren Niederlage gegen die

vordringenden Gruppen in einer einzigen Nacht noch 10.000 Menschen ermordet und Gaskammern und andere Beweise ihrer Taten zerstört. Sie zwangen Zehntausende Gefangene zu "Todesmärschen" Richtung Westen, um sie auf andere Lager der Widerstandsgruppen loszulassen. Zurück ließen die Soldaten vor allem solche Menschen, von denen man annahm, dass sie ohnehin bald nicht mehr konnten. Als die Widerstandsgruppen New York erreichen, sind viele der etwa 9500 dort verbliebenen, verstrahlten Menschen in einem lebensbedrohlichen Zustand.

Zu Beginn der Errichtung der Anlage ist das Lager

"lediglich" für bis zu 10.000 Versuchsobjekte geplant. Erbauen und erweitern müssen es die ersten Gefangen Menschen selbst. Von den 20.000 Menschen, die in der ersten Phase im Lager eingesperrt werden, sind nach knapp zwei Jahren mehr als die Hälfte untot. Nicht ganz am Leben, sterben konnten sie dennoch nicht. Doch manchmal werden damals noch Verstrahlte wieder in die Freiheit entlassen, wo sie in die Städte einfielen und für die zweite Generation von Untoten sorgten.

 Die ersten Gefangenen, die in New York ankommen, sind allerdings Kriminelle die absichtlich in die Strahlungszone gebracht worden sind. Sie dienen als sogenannte

Versuchsobjekte. Sie sollen als "Kampfmaschinen" erschaffen werden und erhalten dafür Vergünstigungen. Viele der

verstrahlten Menschen drangsalieren ihre Mitgefangen mit äußerster Brutalität. Der erste wirklich Untote Mensch entsteht. Der Glaube der Menschen schwindet. Die Götter fühlen sich betrogen, verlassen und sehnen sich nach Rache. Besonders die Götter der Finsternis kommen auf die Welt herab. Ihr Reich entsteht. Zeus Macht schwindet. Die Welt fällt in das Chaos.

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Erster Tagebucheintrag

Ich bin heute Morgen mit enormen Kopfschmerzen aufgewacht und ich kann mich nicht erinnern, wo ich bin und noch wichtiger wer ich bin. Mein Körper schmerzt, habe überall am Körper Tätowierungen. Wer weiß woher. Sie sind noch frisch. Wach wurde ich auf einem kaltem, dreckigem Fußboden, ohne Kleidung an meinem Leib. Zum Glück lagen hier im Raum einige passende, alte wenn noch stinkende Klamotten herum, die ich mir anziehen konnte.

 Zudem lag hier ein leeres Buch, welches ich nun in meinen Händen halte. Ich denke, ich werde es als Erfahrungsbericht führen. Jedenfalls wird das Buch jedem helfen zu verstehen, was hier passierte. Vielleicht hilft es mir meine Erinnerung wiederzufinden. Wer es gelesen hat, wird wissen, worauf er sich einlässt. Ich bin anscheinend krank. Es geht mir schlecht.  Ich weiß, dass ich bald hier verschwinden muss. Schüsse und Gebrüll ertönen draußen. Der Krieg ist ein riesiger, alles vernichtender Sturm, der über das Land hinweg fegt. Das alte Haus wird mir keinen Schutz bieten, wenn die Horden an Soldaten hier eindringen. Warum ich solche Angst habe, kann ich nicht erklären. Flüchtige Bilder ohne Sinn und Verstand durchströmten meinen Kopf. In meinem Kopf erscheinen immer wieder Bilder von Frauen die bei lebendigem Leibe, aufgeschnitten und verspeist wurden. Der Kannibalismus lebt, auch wenn ich es nicht glauben kann. Oder niemals war haben wollte. Noch kann ich die Bilder nicht zuordnen.

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 Die letzten Minuten erlebte ich wie in Trance, die Angst ist nun allgegenwärtig. Zum ersten Mal heiße ich sie jedoch willkommen. Denn die Kanoneneinschläge und die Schüsse aus den Waffen der näher kommenden Soldaten hinderten mich bis jetzt, mich fluchtartig zu verdünnisieren. Mein schweres Gemüt verhinderte, dass ich die Geschehnisse bewusst miterlebte. Gedankenverloren griff ich zu dem jetzt geladenen Gewehr und rannte aus dem Haus hinaus.  Irgendwie hatte ich das Gefühl, meine Hände und Arme verselbstständigten sich dabei. Vielleicht ließ mich mein Instinkt die Flucht ergreifen. Kurze nach meiner Flucht stieß ich auf Soldaten, die genauso gekleidet waren wie ich. Schnell wurde ich in ihre Mitten genommen und angehalten auf den Feind in den komischen Uniformen mit dem V zu schießen. Erbarmungslos töten die V’s ihre Gegner, oder verschleppten sie.

 Ich habe selbst einige Kugeln abbekommen, die mich hätten töten müssen. Auch dabei hat mir meine Schwermut geholfen. Ich merke wie meine Sinne schwinden. Ich lebe am Abgrund, und ich fürchte, sogar ein leichter Windstoß könnte mich zu Fall bringen. Bin psychisch krank. Bin ich das wirklich? Woher weiß ich das? Nur weil mir schlecht wird, mir die Welt vor den Augen verschwimmt, mir alles egal ist und ich am liebsten sterben will? Das ist falsch. Ich habe eine psychische

Krankheit. Sie ist ein Teil von mir, definiert mich aber nicht als Ganzes. So muss es sein. Vieles passt zu mir, aber nun mal nicht so richtig ganz. Viel ist wahrscheinlich passiert in der Zeit, wo ich mich nicht dran erinnern kann. Die Schatten in meinem Kopf haben angefangen mich heimzusuchen.  Eventuell, weil ich keine Hoffnung mehr empfinde.

Permanent fühle ich mich müde, als ob ich nicht schlafen könnte. Ich kann mich nicht erinnern, wie dies geht. Kann man es verlernen? Die Stunden vergingen und die guten Zeiten

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schienen nicht zu kommen. Immer nur diese Finsternis in den Augen des Krieges. Ich verkapsele mich immer mehr von der Welt ab und halte mich von den Menschen fern, so gut es ging. Ich rechtfertigte es damit, dass die Menschen alle so schrecklich grausam sind. Mein Charakter ist viel zu widerlich und meine Präsenz schadet ihnen. Zumindest denke ich das.  Meine Gedanken wurden in der kurzen Zeit, in der ich mich meiner Bewusst bin immer schlechter und dadurch hasste ich mich immer mehr, worauf ich in eine Art Trauer viel und mein Empfinden den Menschen gegenüber noch schlechter wurden.  Ein Kreislauf entstand, aus dem ich nicht ausbrechen konnte. Ich aß nichts mehr, ich schlief die ganze Zeit, auch wenn die Kugeln der Feinde die Menschen trafen, die um mich herum kämpften. Ich stellte mich so gut es ging Tot. Meine Gefühle waren leer und meine Existenz nur noch eine Farce.  Mein Körper war eine Hülle und ich erkannte mich selber nicht mehr. Mein Äußeres spiegelte mein Inneres wider, welches alles andere als schön aussah. Ich blieb einfach auf dem Schlachtfeld liegen, stellte mich schlafen, in der Hoffnung nicht mehr aufwachen zu müssen. Die Schatten hatten komplett Besitz von mir ergriffen. Zwischen all dem Chaos um mich herum sah ich sie das erste Mal. Die Menschen die immer wieder kehrten. Ein schreckliches Bild. Viele Stunden dachte ich über Selbstmord nach. Immer wieder und wieder, doch ich kann nicht sterben. Egal was passiert, ich würde weiter leben. Warum sterbe ich nicht einfach? Warum kann ich es nicht?

 Ich romantisierte den Suizid in meinen Gedanken und nannte ihn Freund, nicht wissend, dass Selbstmord meine schrecklichste Tat gewesen wäre. Aufhängen, erschießen, verbrennen, aufgegessen werden, ja das waren meine Gedanken. Ich sah diese Menschen, wie sie sich übereinander hermachten. Wie sie die lebenden töteten. Sie wurden in die

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Finsternis gezogen. Alle! Mir fiel selbst das Aufstehen schwer und jede Bewegung war anstrengend und schwierig. Aber ich musste weiter kämpfen. Sie würden mich ebenfalls erreichen und das wollte ich nicht. Diese Wesen waren keine Menschen mehr. Sie waren etwas anderes. Was dann mit mir geschah, nenne ich den tiefsten Punkt meines Lebens und dabei will ich es auch bleiben lassen. Es gibt keine Worte dafür. Viel zu spät bemerkte ich, dass etwas nicht stimmte.

 Kein gesunder Mensch quält sich so durch sein Leben. Ich konnte noch nie vorher soviel Angst in den Augen der

Menschen um mich herum sehen. Sie hatten alle Angst vor ihnen. Diese Kreaturen unterschieden nicht nach Hautfarbe und auch nicht nach Gruppierung. Sie griffen einfach alle Menschen und alle Tiere an. Alles was lebte, musste sterben.  Niemand hasste mich so sehr, wie ich es tat. Ich lag einfach da und konnte nichts unternehmen. Ließ die Menschen einfach machen. Ich ließ sie sterben. Ich habe ein Problem! Sich so etwas einzugestehen braucht viel Mut, doch Hilfe zu holen noch mehr. Nur gab es eine solche Hilfe nicht auf dem Schaltfeld. Psychische Krankheiten sind in dieser Gesellschaft nicht mehr vorhanden, jeder der sich nicht wehren kann, wird sterben. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich bin trotzdem noch einmal aufgestanden. Eine Entscheidung die mir rückblickend das Leben rettete. Zumindest mich vor den die körperlichen Schmerzen rettete. Ich meine, ich habe ein chemisches Ungleichgewicht in meinem Kopf, weswegen zu wenig Glückshormone produziert werden. Deshalb nehme ich diese Welt anders wahr, als die Menschen um mich herum.  Zuerst empfand ich Scham, obwohl ich nichts dafür konnte. Ich wollte nicht, dass diese guten Menschen an meiner Seite von meiner Krankheit wussten. Es hat viel Zeit gebraucht, bis ich akzeptieren konnte, wie ich bin. Derzeit bin ich auf dem Weg der Besserung. Ich lerne langsam mich wieder selbst zu

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lieben. Ich lebe immer am Abgrund. Die Hoffnung in mir ist noch nicht besonders groß.

"Ich werde mich um die V's im Gebäude kümmern“, sagte ich zu meinen Mitstreitern. "Hände hoch V. Jetzt ist es aus, mit euch!“ Nachdem wir einen kurzen Sieg eingefahren hatten konnten wir in einem kleinen Dorf Schutz suchen. Ich dachte wir wären alleine im Dorf, doch dies war ein grausiger Irrtum meinerseits. Nachdem ich in einem der Häuser etwas zum Essen gesucht hatte, überfielen mich eine der gegnerischen Soldaten. "Schnappt ihn euch. Tötet die anderen.“ Brüllte ihr Anführer. Sie hatten alle die V's Uniform an und schossen um sich.

Einige meiner Brüder starben sofort. Die Kugeln

durchlöcherten ihre Körper und sie vielen einfach auf der Stelle zu Boden. Zu meiner Verwunderung wurde ich zwar verletzt, starb jedoch nicht! Die meisten konnten sich von meinen Soldaten allerdings nach dem Übergriff ergeben und wurden nur gefangen genommen. Allerdings war dies nicht besser als der Tod. Sie wurden zum Hafen von Sevenirus gebracht.

Zu meiner Rechten sah ich etwas, das es vermutlich nicht geben durfte. Niemand würde es mir jemals glauben, wenn ich es erzählen könnte. Ängstlich wich ich zurück. Ich blickte an mir herab. Das Messer steckte tief in meinem Brustkorb. Dabei sah ich mich hoffnungsvoll um, doch ich war ganz allein auf mich gestellt.

"So ein Mist", fluchte ich mit rauer Stimme. Meine

Verwunderung war genauso groß wie die meines Opfers. Vor knapp einer Minute hatte ich meinem Gegner die Kehle durchgeschnitten, und obwohl es unmöglich war, war es doch eine Wohltat zu wissen, dass ich nicht der einzige war.

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"Schnappt ihn euch! Tötet die anderen", brüllte der Mann welcher eigentlich bereits tot seinen sollte, während er mich mit einem Messer verfolgte. Diesmal sah es allerdings so aus, als ob ich vollends scheitern würde – obwohl ich mich selbst kaum auf den Beinen halten konnte, werte ich mich mit Händen und Füssen, gegen die geballte Überzahl der Gegner.  Die Menschen hatten sich als Gruppe den Namen V

gegeben. Sie hatten sich zu Aufgabe gemacht die Menschheit zu reinigen. Es durften nur noch diejenigen Leben, die reinen Blutes waren. Erebos befahl ihnen mich in Ketten zu legen und einzusperren. Ich fuhr herum und musste feststellen, dass Erebos, der Herrscher über die Finsternis, nur wenige Schritte hinter mir stand. Für mich fühlte es sich so an, als war er in einem Schatten gehüllt, der sich um ihn herum auflöste wie Nebelschwaden, am Morgen. Seine Haare und die Mütze verdeckten einen Großteil seines Gesichts, aber ich konnte zumindest Erebos geöffneten Mund und das markante Gesicht sehen. Der Rest war in der gleichen Uniform der V’s gekleidet. Ich schluckte und konzentrierte mich darauf, ihn mit meinen geschwollenen Augen anzusehen. "Wer bist du?" Schrie Erebos. "Reist ihn von den Beinen" Raunte er. Hilflos lag ich auf dem Boden, festgehalten von vielen kräftigen Männern.

 Meine Stimme zitterte vor Angst, obwohl Erebos mir nichts antun konnte. "Schafft ihn raus und zündet die nächsten Atombomben." In meinem Kopf hämmerte es immer noch so stark, dass ich den Sinn der Worte noch nicht begriff. "Ich bin gekommen, um über die Menschen zu urteilen. Dies wird nun mein werden Reich. Das Reich der Finsternis. Niemand kann mich aufhalten, auch nicht du! Niemand! Hört ihr Götter! Niemand!" Sie packten mich und zogen mich weg. Ich ließ mich gehen und Panik erfüllte meinen Körper. "Lasst mich

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frei“, rief ich während mich eine Gruppe von Soldaten davon schleifte. Ich musste mit ihnen laufen. "Klappe!“

Befahl man mir. Ich solle still sein. Nicht das uns noch einige meiner Kameraden hören konnten. Bei dem Versuch die über griffige Gruppe von Soldaten zu töten kamen die Menschen um, die mir am Herzen lagen. Sie vielen einfach im offenen Gelände.

 Die V's Soldaten überrumpelten sie. Töteten sie schnell und präzise. Selbst im Hinterhalt konnten sie nicht überleben. Sie wurden zum größten Teil in die Front, der bereits warteten V's gejagt und dort erschossen, auf offener Straße. Nachdem sie mich und diejenigen die sie gefangen nahmen in einem kleinen, verlassenem Dorf kurzerhand anbanden, telefonierten sie mit der Leitstelle. Sie bestätigten ihren Erfolg und gaben den Befehl den entsprechenden Landschaftsbereich mit Atombomben zu befeuern. "Schafft sie weg.“ Der Befehlshaber schlug sofort zu, wenn wir im Gang langsamer wurden. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich natürlich noch nicht, dass ich eine Schwester hatte, die sich wahnsinnige Sorgen um mich machte. "Jack! Verliere niemals die Hoffnung in dir. Du kommst hier raus. Bruder ich werde dich befreien, ich werde dich finden. Das Verspreche ich dir.“

 Hätten sie noch einige Minuten mit dem Abwurf der Armbomben gewartet, wäre diese Geschichte anders ausgegebenen. Sie war bereits am Rande der Abwurfgrenze angelangt und hätte damals nicht sehr lange gebraucht um mich zu befreien, so aber dauerte es noch Jahre, bevor ihre Freunde mich wiederfinden sollten.

Die V's steckten die Gefangen, so auch mich, in ein eingezäuntes Arial. Stacheldraht umgab uns. "Los da rein!“ Befahl mir einer der Wachen. Ich wusste nicht, wo es hingehen sollte.

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 Ein großer Raum in einem noch größerem Gebäude beherbergte einige Dutzend Menschen. Ich wurde von den Soldaten beinahe totgeprügelt, bevor sie mich auf den kalten und feuchten Boden der Halle warfen. Niemand der hier Gefangenen Menschen kümmerte sich um mich. Ich blieb auf dem Boden liegen. Konnte mich nicht mehr bewegen. Am nächsten Tag musste ich miterleben, wie einige Soldaten blindlings auf die gefangenen Menschen schossen. Zum Spaß machten sie Zielübungen auf die erschöpften Arbeiter, die gerade den Boden umgruben, um auf ihm Gemüse anzupflanzen.

 Ich konnte immer noch nicht richtig laufen, musste aber dennoch die schweren, mit Steinen befüllten Säcke tragen. Viel häufiger hin. Meine Beine bluteten bereits. "Steh auf, du faule Sau“, schrien sie mich an. Die Soldaten kamen sofort angerannt und schlugen mit ihren Gewehren auf mich ein, solange bis ich wieder auf meinen Beinen stand. Diejenigen die zu schwach waren, wurden einfach in die

Verbrennungsanlagen verfrachtet. So auch ich! Nur, dass ich nicht mehr alleine laufen konnte. Die anderen Mitgefangenen mussten meinen fast leblosen Körper mit in ihren tot tragen. "Die Hoffnung stirbt zuletzt!“ Ging mir dabei durch den Kopf.  Die grellen Schreie der brennenden Körper klingen mir immer noch im Kopf nach. Ich konnte sie nicht mehr vergessen. Der Gestank nach verbrannter Haut, stieg mir in die Nase. Die Soldaten staunten nicht schlecht, als sie erkennen mussten, welch ein Wesen ich seien musste. Feuer konnte mich nicht töten. Erst hatten sie die Flammenwerfer in Verdacht. So konnte ich mich noch einmal aus der Misere ziehen.

 Sie wussten schließlich nichts von meiner Gattung. Ich leider zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht! War nur glücklich noch zu leben. Nach über Tausenden von Jahren

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Gefangenschaft erkannte die Menschheit etwas in mir. Ich würde nicht sterben. In einem Hochsicherheitsgefängnis sperrten sie mich ein. Große Mauern und noch dickere Wände sollten mich daran hindern dieses Gefängnis jemals zu verlassen. Sie erkannten die Gefahr, welche von mir ausging.  Ein Mensch, der niemals sterben würde, egal welche Wunden ihm zugeführt würden. Der perfekte Soldat. Man versuchte herauszufinden, warum ich so war, wie ich nun einmal bin. Sie wollten die Supermenschen erschaffen. Dies misslang ihnen!

"Hängt sie alle!“ Meine Mitgefangenen kamen und gingen. Meistens gingen sie wieder, wenn ihre Körper den Experimenten nicht mehr standhielten. Niemand wurde so wie ich! Niemand überlebte die chemischen Experimente, die sie an den Körpern der Unschuldigen Menschen durchführten. "Ich werde entkommen, und euch alle bestrafen.“ Das war mein tägliches Brot. Jeder Satz war nur eine vage Hoffnung, doch einmal hier herauszukommen. "Jack, wir haben sie alle getötet.

 Nun kommen neue Gefangene. Bitte sei so gut und stell dich diesmal nicht so an.“ Die Wärter wollten wieder einmal eine neue Testserie anfangen. Neues Menschenfleisch wurde dafür gebraucht! Mehrere Tausend Menschen wurden wahllos in die Gefängnisse gefahren, wo sie niemals wieder heraus konnten.

 Derjenige der mich damals gefangen genommen hatte, kam eines Tages in meine Zelle und wollte wissen, ob ich jetzt endlich wüsste, wer ich bin. Ich sollte endlich reden. Mit dem Gedanken, dass er ebenfalls unsterblich war, wuchs mein Hass auf diesem Mann. Er war für das gesamte Leid in dieser Welt verantwortlich. "Deine damaligen Freunde sind bereits alle Tod.“ Ich sollte endlich reden. Woher komme ich? Wer bin ich? Gibt es noch mehrere? Das waren allerdings alles

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Fragen, die ich mir selbst nicht beantworten konnte. Zu meinem Glück fanden mich an diesem Tag, auch die Spitzel meiner Schwester.

 Einer der Toten hatte eine kleine Notiz auf seinem Arm mit nach draußen schmuggeln können, so dass kurze Zeit später die Widerstandsgruppe wusste wo ich mich aufhalten musste. Mittlerweile herrschte auf der Erde das pure Chaos. Viele der bereits verstorbenen Menschen aus den Gefängnissen wachten auf einmal wieder auf. Sie waren wie ich unsterblich geworden. Im gewissen Sinne lebten sie so lange bis ihr Gehirn endgültig versagte. Dies konnte allerdings Tausende von Jahren dauern.

 Der lebendige, denke Teil der Menschen war jedoch für immer verloren gewesen, nur der animalische Teil lebte weiter. Immer neue Mutationen kamen zum Vorschein, sie lebten weiter. Griffen die noch lebenden Menschen an und fraßen. Ja sie fraßen, nur Fleisch konnte sie beruhigen. Sie mussten essen. Die V's schreckten vor nichts mehr zurück. Sie wollten das Geheimnis wissen. Das Geheimnis der Unsterblichkeit. Nachdem sie mich wieder aus meiner kleinen Zelle geholt hatten, mich in Ketten gelegt und in das Labor brachten, konnte ich mich durch einen Fehler des Offiziers befreien. Mit sehr viel Glück konnte ich aus meinem Zellentrakt entkommen. Nicht ohne einige der Wächter zu töten. Im unteren Teil der Anlage angekommen, erblickte ich die Versuchsräume. Hier lagen unzählige Körper.

 Verstümmelt, und teilweise auch eingesperrt in Käfigen. Menschen waren dies nicht mehr. Sie standen, hingen an den Wänden und von der Decke. Überall konnte ich den Tod sehen. "Diese Basssarde, was haben sie nur gemacht?“ Hier musste ich zum ersten Mal erkennen, dass man diese Menschen am besten mit einer Kugel im Kopf aufhalten konnte. "Verschwinde!“ Brüllte ich den umherwandernden

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entgegen. Die mich dennoch angriffen. Sie griffen alles an,

was nicht wie sie war.

Zu meinem Pech traf ich auf weitere Offiziere. Selbst die Chefin der Anlage eilte ihnen zu Hilfe. Sie wollten mich nicht einfach entkommen lassen. Sie boten alles auf, was sie hatten, schossen mit allen Waffen und griffen mit ihren Waffen und Versuchskaninchen an. Ich hätte nicht entkommen können.

 Niemals! Dennoch bin ich nun frei. Das habe ich einer der schrecklichsten Waffen der Menschheit zu verdanken. Der Atombombe. Sie wurde genau am 08.04.20220 um 16.00 gezündet. Die gesamte Stadt gab es nicht mehr. Nur noch Trümmer und ein lebendiges Wesen. Ich! Erst hatte ich gedacht, die Welt geht unter, dann erkannte ich mein Glück. Alleine, völlige Stille! Nie mehr Qualen erleiden. Meine Gedanken hingen im Hier und Jetzt. Heute weiß ich, es war der letzte Schimmer Hoffnung, die die Menschen dazu verleitet haben, die Atombombe genau hier zu zünden.

 Ich habe die Menschen nie kennenlernen dürfen, die mich hier befreit haben und ihr Leben dabei geopfert hatten. Für welchen Preis? Diese Gedanken machte ich mir damals nicht! Ich wollte einfach nur weglaufen. Frei sein. Die Luft atmen. Sonne! Endlich, die Sonne sehen. Die Hoffnung breite sich wieder in mir aus. Ich rannte über die Trümmer, wollte nur noch fort von diesem Ort. Nachdem ich endlich in Sicherheit war legte ich mir kurz auf den feuchten Boden in der Nähe eines Baumes zu Boden. Ich schlug mein kleines Buch auf und fing wieder an zu schreiben.

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Zweiter Tagebucheintrag

- Die Flucht

Liebes Tagebuch, nach einigen Tausenden von Jahren in meiner Zelle, weiß ich mit Bestimmtheit, dass ich nicht sterben kann. Was nicht heißen soll, dass ich unsterblich wäre. Daran glaube ich nicht. Vielleicht ist es auch alles nur ein böser Traum, aus dem ich irgendwann einmal aufwache. Ich weiß nur, dass meine physische Krankheit in dieser Zeit immer schlimmer geworden ist. Ich schlief sehr viel. Mir war es egal wie oft ich in diese Verbrennungskammern musste. Ich wusste, ich würde sie überstehen. Nur die armen Menschen die mit mir verbrannten, die taten mir leid.

 Mir wurden Organe entnommen und unsägliches Leid angetan. Ich konnte mich einfach nicht wehren. Die Hoffnung jemals in Freiheit zu leben verschwand für immer. Mein Schicksal war es hier nicht sterben zu können, obwohl ich es mir so sehr wünschte. Schon Monate vor dem Angriff auf die nächste Nation war klar geworden, dass sie die Gefängnisse sich größer entwickeln würde als ursprünglich geplant. Hier gab es gute Anbindungen, Rohstoffe und massenhaft günstige Arbeitskräfte: Die V-Führung verspricht sich durch die

Gefangenen Menschen günstige Zwangsarbeiter. Der Bau der Nebenlager begann. Die V’s wollten überleben. Doch alle anderen mussten sterben. Insgesamt entstanden im Lauf der

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Zeit Hunderte Nebenlager und Außenkommandos, um Bergwerke, Industrieanlagen und landwirtschaftliche Betriebe mit Arbeitssklaven zu versorgen. Das Gefängnis war die Hölle für mich.

 Nur durch die Explosion einer Atombombe, die die gesamte Stadt vernichtete und sie in Trümmer legte, konnte ich aus dem Sicherheitskomplex entkommen. Dank meines Körpers, habe ich es überlebt. Mein Körper heilte schnell und die Strahlung machte mir nichts aus. Nicht, dass ich es nicht versucht hätte vorher zu entkommen, aber es war unmöglich gewesen. Wahrlich hatte ich einige Versuche bei denen auch einige Wachen ihr Leben lassen mussten. Ich trauer ihnen nicht nach, denn sie waren allesamt Abschaum. Ich musste mit erleben, wie Millionen von Menschen durch ihre gnadenlosen Machenschaften starben. Im Gefängnis gab man mir den Namen Jack Cops.

 Ich denke, ich behalten diesen Namen, solange bis ich weiß, wer ich bin. Der Tod er kommt jetzt unaufhaltsam näher. Vor meinem inneren Auge zieht mein bisheriges Leben vorüber. Während des Schreibens erlebe ich alles noch einmal, auch die richtig schlimmen Dinge. Viele Menschen, so auch ich, glauben, dass die Geisterwesen, die ihre Körper verlassen haben, irgendwann wiederkommen – und damit auch in Frieden sterben können. Wie hatte ein Gefangener mal gesagt? Nur ein selbstgerechter Mensch, ohne eigene Persönlichkeit und ohne Fantasie, endet ohne das Leben jemals geliebt zu haben.

 Was mit den Lebewesen ohne Seele passiert, weiß ich allerdings nicht. Irgendwie haben die V’s es geschafft die Seelen aus den Körpern einiger Gefangen zu entfernen. Es waren anschließend nur noch bestialische Gefäße ohne Hirn und Verstand übrig geblieben. Kein eigener Wille oder eine Seele waren mehr übrig geblieben. Unter diesen Menschen

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habe ich mich mehr einem überirdischen Wesen verbunden gefühlt, als jemals zuvor.

 Mein Glauben wuchs und nur die Hoffnung hielt mich, solange am Leben, ohne zu verzweifeln. Sollte mein Geist irgendwann nicht mehr mit meinem Körper verbunden sein, so hoffe ich, dass mein Geist meinen Körper wieder findet. Trotzdem muss ich es aufschreiben. Ich wünschte, ich hätte mehr geschrieben. Aber ich höre den Tod kommen und muss mich nun wieder auf die Flucht konzentrieren. Das elende Schreien, verfluchter, gequälter Seelen ertönen von weit her über das Land und es wird von Minute zu Minute lauter und schriller. Bald sind sie auch hier, noch habe ich die

Gelegenheit ihnen zu entkommen.

 Ich bin wach. Bin müde, aber zu wach um einzuschlafen. Ersticke langsam. Aber an was? Habe keine Ahnung. Ich habe nichts womit ich mich rechtfertigen kann, warum ich mich so fühle. Ich fühle mich nicht mal traurig im Moment. Da ist gar nichts in mir. Mein Körper ist nur eine Hülle. Die Leere schmerzt nicht, ich fühle einfach nur nichts. Liege einfach nur da und vertreibe die Zeit. Sehe die körperlosen Seelen auf mich zukommen. Und doch, sie sind so gefährlich nah, wünschte ich könnte weinen. Alles wäre besser als diese bedrückende Leere. Da, die negativen Gedanken. Schon wieder! Manchmal frage ich mich, ob ich alles nur vortäusche. Weil ich mich so Leer fühle.

 Aber ich habe kein Gefühl, dass ich etwas vermisse oder dass ein Teil von mir herausgerissen worden ist. Nur mein Magen verknotet sich und ein winziger Kloß bildet sich in meiner Kehle. Mein Körper wartet, dass mein Gehirn endlich mich weinen lässt, er wartet auf eine Ausatmung, ein Gefühl von Erlösung. Mein Gehirn ist von dieser Leere gefüllt. Am Rande der zerstörten Stadt entdeckten mich zwei der überlebenden Wachen. Erst wollte ich sie laufen lassen,

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allerdings schossen sie auf mich. Versteckten sich hinter einem Streifenwagen. Die Kugeln schossen nur so durch meinen geschundenen Körper. Trotzdem wollte ich sie nicht umbringen, ich schoss ihnen nur mit der gestohlenen Waffe in die Schultern. Sie verfluchten mich!

 Anscheinend wissen sie nun, wie schmerzhaft ein solcher Schuss ist. Drohte ihnen mir nicht zu folgen, aber so ganz alleine konnte ich sie nicht zurücklassen. Die komisch mutierten Wesen griffen sie gerade an, als ich aus der Stadt endgültig fliehen wollte. Häuser brannten, stürzten in sich ein. Nichts war mehr wie es einmal in meiner Erinnerung war. Woher kamen nur die entsetzlich entstellten Menschen. Mitten im Wald, welcher unheimlich große Bäume hervorgebracht hatten fand ich eine Frau. Sie schrie um Hilfe. Erst beim näher kommen entdeckte ich ein ekliges Monster. Es beugte sich gerade über den Körper der Frau.

 Versuchte zuzubeißen Eine Geschöpf mit einer Art Haifisch Kopf und Armen wie aus Stahlträgern versuchte nach ihr zu schnappen. "Beweg dich nicht!“ Schrie ich ihr zu und schoss. "Hilfe es will mich töten!“ das eklige Vieh sackte in sich zusammen. Ihren Körper unter dem Koloss herauszuziehen war eine ganz schön langwierige Prozedur gewesen. "Jack Cops! Kein Thema, hab ich doch gerne gemacht.“ Diese Frau wollte sich nicht bedanken. "Heiße Marry! Deine Schwester schickt mich.“ "Schwester? Ich habe eine Schwester? Du verulkst mich!“

 Mit ihrem Gewehr gingen wir weiter durch den Wald. Diese Frau trug ein ganzes Waffenarsenal mit sich herum. Dennoch wimmelte es im Wald voller komischer Kreaturen. Die

meistens waren mir unbekannt. Ein Feuer zumachen, war zu gefährlich. Hockten uns auf den Boden, als es zu Dunkel wurde, um weiter zu gehen. "Woher kommst du, Marry?“, wollte ich von ihr wissen. In genau diesem Moment hörten wir

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das tiefe Atmen von komischen Menschen die durch den Wald liefen. "Hörst du das?“ "Da ist er! Tötet ihn!“ Keine Ahnung, ob ich mir das eingebildet hatte, aber ich glaubte im Nachhinein nicht das sie gesprochen hatten.

 Diese Wesen waren bereits halb tot gewesen, dennoch waren sie schnell und ihre Kleidung voller Blut. Nachdem sie sämtliche Menschen erschossen hatte, sah ich mir diese Wesen einmal näher an. Viel konnte man in der Dunkelheit nicht erkennen. Einigen fehlten allerdings Gliedmaße. Sie mussten schon tot gewesen sein, das konnte kein Mensch überlebt haben. Dennoch war es Realität. Sie liefen noch! Während ich über den leblosen Körper stand, griff mich aus dem Hinterhalt eines der Wesen an.

 Ich viel zu Boden, stemmte meine Arme gegen den Angreifer, der bereits über mir herfiel. "Nein, verschwindet“, schrie ich panisch! Meine Waffe lag ein Stück neben mir. Ich musste sie verloren haben. Panisch versuchte ich sie zu erreichen und gleichzeitig diese Kreatur von mir fernzuhalten. Kaum hatte ich den ersten Menschen ermordet, griff noch ein weiterer an. Er kam direkt durch die Sträucher auf mich zu. Griff mich an mein Fußgelenk. Versuchte mich am meinem Fußgelenk festzuhalten.

 "Töte ihn!“ Schrie Marry mich an. Ich war erstarrt! Hatte Angst. Erst im allerletzten Moment, konnte ich mich

durchringen, auch diese Gestalt zu erschießen. Es war überhaupt nicht so wie in seiner Vorstellung. Sicher, alles was ich mir so vorstellte, oder zumindest große Teile davon, schien den Erinnerungen meines früheren Ichs zu entspringen, also dachte ich mir, dass es nun wirklich nicht an meinem eigenen Vorstellungsvermögen liegen konnte, wenn die Dinge nicht so waren, wie sie sein sollten. Es gab keines dieser ominösen Warnsignale, die jeder ignorierte, wie große, aufgeschreckt davonfliegende Vogelschwärme oder grundlos

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bellende Hunde, das gemeinhin mit einem Schulterzucken als vorbeifahrender Lastwagen abgetan wurde. Diese Kreaturen, so nenne ich sie einmal, waren doch nicht mehr lebendig.  Dennoch irgendetwas trieb diese Toten Körper an.

Ich klammerte mich nicht an Marry, und ich würde mich sicherlich nicht opfern, um sie zu retten. Und als der Angriff vorbei war, fand ich mich auch nicht in Embryostellung zusammengekauert wieder, übersät mit Staub und

Blutspritzern und mit der Frage beschäftigt, ob die juckende Feuchtigkeit an meinen Beinen Blut, oder meine eigene Pisse war. Ich wollte mich am liebsten gar nicht bewegen. Fühlte mich genauso wie damals, als ich im Gefängnis in meinem durchnässten Bett aufwachte, unfähig mich zu rühren und inständig hoffend, dass alles trocknen würde, bevor die Wächter kamen, besonders dieser eine Wächter, mich holten und entdeckten, dass ich ein Bettnässer war.

 Die Heftigkeit der Angst und der Scham, Jahre später, überraschten mich fast so sehr wie die Tatsache, dass ich jetzt daran denken musste. Scheiße, war das eklig! Dieser Gestank, der von diesen Kreaturen ausging war unerträglich. Widerlich. Die Scham reichte aus, um die Augen zu öffnen und den toten Körper von mir wegzuschieben. Ich hievte mich unter der Leiche hervor und schnitt mir in der Eile einen Finger an meinem Messer auf.

 Aber das kümmerte mich jetzt nicht. Ich musste hier weg. Als Erstes fiel mir das Blut auf. Überall. In meinen Augen, meiner Nase, auf meinem Gesicht. Hustend rappelte ich mich auf und

kam, um mein Gleichgewicht ringend, auf die Beine. Es war auch nicht sonderlich hilfreich, dass der Waldboden überall kleine Wasserpfützen aufwies, so als strebte irgendetwas da unten mit aller Kraft danach, an die Oberfläche zu kommen.

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Als wir beide am Rande des Waldes angelangt waren, erblickten wie die Trümmer einer alten Stadt. Die Häuser waren nie so stabil gebaut worden worden. Sie stand seid Jahrzehnten leer und waren dem Verfall überlassen worden, was es zu einer wunderbar heruntergekommenen Kulisse für Personen wie mich machte.

 Heute waren einige der Häuser nicht leer. In der Stadt lebten fünfzig oder sechzig Leute. Die Überlebenden, nicht mutierten Menschen. Jetzt kämpften sie hier um ihr überleben. Großer Gott.

Marry stolperte über die Trümmer und bahnte uns einen Weg um die Überreste der ehemaligen Häuser herum. "Lebt hier irgendjemand?", rief ich, wartete aber keine Antwort ab, ich zog bereits meine Pistole aus der Tasche,versuchte sie zu entsichern, während wir uns den Überresten der Stadt näherten. Die Mechanik der Waffe ließ sich nicht bedienen. Scheiße!

 Wozu hatte man eine verdammte Waffe, wenn man sich in einem solchen Moment nicht darauf verlassen konnte? Ich ließ die Pistole, steckte sie in meine Tasche und schloss mich Marry an. Das war wirklich übel. Marry war eine echte Soldatin und sie eine natürliche Richterskala, mit einer Genauigkeit von zwei Stellen hinter dem Komma. Und ihr Arsch sagte ihr jetzt: Das hier war größer. Viel größer. Jenseits ihres

Erfahrungsspektrums. Hier gibt es Ärger!

"Fremde!", kreischte jemand.

 Es war der Typ auf einem der Dächer, einer der Einwohner, einer der Leute, die das ganze schwere Arsenal von Waffen beherbergte. Dem Typen fehlte ein Ohr, Blutspritzern färbte sein Shirt von der Schulter bis hinunter zu seinen Beinen rot.

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Aber der Kerl bemerkte das nicht einmal. Er wiederholte einfach nur ständig denselben Satz, während er durch sein Fernglas schaute.

"Fremde", sagte er. "Fremde kommen in die Stadt."  Er sagte das wieder und wieder und wurde immer hektischer, je öfter er das wiederholte. Marry konzentrierte sich darauf, auf dem Weg vor sich voran zu kommen. Wir wusste nicht, was wir sonst tun sollten. Bei dem Geschrei des Idioten, würde es hier bald von Mutanten nur so wimmeln. Wo zum Teufel waren die Einwohner? Gab es noch mehr Wächter? Warum hörte

er keine anderen Stimmen?

"Hier drüben!", schrie einer der Einwohner.

Sofort kletterten alle über die Schutthaufen, um ihm zu helfen, die Fremden aufzuhalten. Der erste Schuss viel. Doch nicht die Einwohner hatten geschossen. Ich viel hin, stürzte einen Geröllhaufen hinunter, der mich unter sich begrub. Weiter Schüsse fielen, schlugen in die alten Wände der Häuser ein. Zuerst legte Marry mein blutiges Hosenbein frei, dann eine große, Gürtelschnalle.

 Mehr brauchte Marry nicht zu sehen. Sie hatten mich unter den Trümmern gefunden. Marry brachte mich immer zum Lächeln. Genau genommen war Marry gerade mit ihrem von mir verursachten Lächeln vor mir gegangen, als die Schießerei losging.

"Wir sind gerettet,", sagte Marry noch, "wir haben keine Bösen Absichten!"

"Das war wohl nichts?", sagte ich, bereitwillig. "Meine eigene Anziehungskraft", antwortete Marry. "Wieder einmal typisch."

Sie brachte den Rest von mir zum Vorschein. Ich wäre tot gewesen, wenn ich nicht unsterblich wäre. Sie wunderte sich

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überhaupt nicht. Noch vor wenigen Minuten hatte sie sich mit mir ganz normal unterhalten, Witze

gerissen und Pläne geschmiedet, und jetzt hatte sie Gewissheit. Sie hatte den richtigen Menschen gefunden. Meine Schwester war also ebenfalls unsterblich.

Wie konnte das sein?

 In diesem Moment drehte jemand die Lautstärke der Welt auf. Meine Ohren wurden mit einem schrillen Kugelgewitter und einem Chor von Alarmtönen bombardiert, durchsetzt mit dem gedämpften Poltern und Knallen von Explosionen, wie Salven auf einem fernen Schlachtfeld.

Wir sahen auf.

 Es war, als ob nach der dunkelsten Nacht die Sonne am nächsten Morgen wieder schien und die Umgebung wieder wahrnahm, die man vollkommen vergessen hatte. Diesmal aber ging in der neuer Welt die Sonne auf. Alle noch intakten Gebäude in dem heruntergekommenen Gebiet waren entweder in sich zusammengeklappt oder zu Geröll reduziert, und über allem hing eine riesige Staubwolke. Die einzige noch intakte Bausubstanz war ein herrschaftliches Gebäude in einer kleinen Gasse, aus dem sein Besitzer zögerlich und mit dreckverschmiertem Gesicht auf die Zerstörung ringsum spähte, dann verschwand er wieder nach drinnen, eine Tür fiel hinter ihm zu.

 Seine Behausung war die einzige weit und breit, die noch stand. Die V's bombardierten die Überreste der Stadt mit allem was sie aufzubringen vermochten. Marry drehte sich um und sah die Brücke, die über den beiden großen Gebäuden hing. Der riesige Turm eines Hauses sackte in die zementierten Ufer der Straßenfluten und ein Strom von Schutt und Staub ergoss sich in die verschmutzte Luft. Flammen züngelten aus den Fenstern, das flackernde Licht spiegelte sich in den

zerklüfteten Mauern. Merry drehte sich noch einmal um und

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sah die Skyline der zerstörten Stadt. Der Großteil der Gebäude stand nicht mehr, wie riesige, zerbrochene Ziegel, die von der grellen Sonne in schroffen Strahlen

zurückgeworfen wurden. Wir hatten mit dem Erdboden mit geschwankt, rannten weiter, und dabei unsere Deckung verlassen. Die Stadt atmete keuchend Rauch und Flammen aus. Ich drehte mich wieder und wieder im Kreis herum, als könne ich all das dadurch begreifen.

 Es war unmöglich. Das Ausmaß der Zerstörung war zu groß. Ich hatte plötzlich das Gefühl, mich außerhalb des Geschehens zu befinden, so als sähe ich all das aus der Entfernung, statt es selbst zu erleben.

Aber das konnte ich nicht.

Plötzlich begann sich der Boden unter dem Beschuss der V's zu heben. Zuerst dachte Marry, es sei ein Erdbeben; dann wurde ihr klar, dass sie selbst die Ursache war. Ihr ganzer Körper zitterte heftig. Sie fiel auf die Knie und begann zu würgen, sie erbrach sich, bis sie dachte, als Nächstes würde sie ganze Organe ausspucken. Ich zerrte sie bisweilen weiter. Hinter eine Mauer fanden wir Schutz.

 Endlich ließ der Würgereiz nach und Marry blieb einfach, wo sie war. Mit geschlossenen Augen wartete sie darauf, dass ihr Körper aufhörte zu zittern, Erbrochenes in ihrer Kehle, ihrer Nase. Sie fand den ekelhaften Geruch und den Geschmack von Krankheit auf seltsame Weise beruhigend. Es war etwas, das sie kannte. Ich richtete mich auf und kramte einen Stofffetzen aus meiner Tasche. Sie schnäuzte sich die Nase, zerknüllte das Tuch und steckte es weg. Ich schaute an der Mauer vorbei.

 Sah einen Menschen auf der anderen Straßenseite. Ein Einwohner winkte mir zu. Schnell! Rüber zu ihm! Dachte ich nur. Riss Marry mit mir mit! Jetzt wusste ich, wir könnten eine Überlebenschance haben. Hilfe war unterwegs. Vielleicht nicht

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für uns, aber vielleicht für die Einwohner selbst. Niemand würde für jemanden anderen sterben. Und das würde sich in nächster Zeit auch nicht ändern. Wir rannten los.

Apropos Zeit.

Scheiße! Meine Einschätzung war genauso Richtig wie auch Falsch gewesen. Mitten auf der Straße wurde ich von einem Auto erfasst und überfahren. Mein Körper war nicht mehr zu erkennen gewesen.

 Marry zog die Überreste in eines der noch funktionsfähigen Trümmer. Sie musste gewusst haben, dass mein Körper sich selbst heilen würde. Nur die Zeit hatte sie jetzt nicht! Wir mussten hier weg! Die Fahrer des Wagens kamen auf uns zu. Es waren die Angreifer, die uns jagten. Sie schossen sofort auf Marry. Wollten meinen Körper wieder haben. Marry Gedanken überschlugen sich nach alledem, was

sie in den vergangenen Tagen gesehen und getan hatte. Dann geriet die Situation erneut außer Kontrolle. Wenn sie sich vor Angst nicht gerade so fest an das Gewehr klammerte, dass sich ihre Fingerknöchel weiß unter der Haut

abzeichneten, bemerkte sie, dass sie immer wieder an dem Rest meines Körpers nestelte.

 Marry konnte kaum erwarten, das ich mich endlich regenerieren würde. Die Einschläge in den Mauern waren eine Qual für sie, doch zum Glück saß sie an einem Fensterplatz, wo die Zeit rascher verging und die Furcht erträglicher war. Sie konnte wenigstens ein, zwei der Angreifer erschießen. Jedes Mal, wenn sich die Arterielle schüttelte oder absackte, krallte sie sich krampfhaft an meine verbliebenen Körperteile, sodass ich befürchtete, mein Bein

abzubrechen. Die letzten zehn Minuten hatten eine

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Wende in ihrem Leben und ihrer beruflichen Laufbahn eingeleitet. War sie bisher nur eine Soldatin gewesen, so hat sie sich zu meinem Babysitter herab gearbeitet. Vor einer Stunde hat sich eine weitere Bombe in den weichen Boden des Flachlands von gebohrt, sie war von allen Parteien nicht unbemerkt geblieben.

 Wäre man am Ort des Aufpralls zugegen gewesen, hätte man keine Warnung erhalten. Allseitiger Ruhe war innerhalb einer Millisekunde eine gewaltige Erschütterung der Erde gefolgt, und einen weiteren Sekunden Bruchteil später hatte es ein einziges Mal geblitzt, während der schwere Metallkörper einen mehr als 1.000 Fuß tiefen Krater mit einem

Durchmesser von über einer Meile aufgerissen und Geröll meilenweit in den Himmel geschleudert hatte. Die

Auswirkungen konnte Sie noch in ihrem Versteck spüren. Die Atombombe war nicht groß genug, um weltweite Katastrophen auszulösen; streng genommen hatte niemand in einer Entfernung von wenigen Hundert Meilen überhaupt etwas bemerkt, doch dem Aufschlag waren Folgen erwachsen, die kein Forscher, Astronom oder Astrophysiker vorhersah.  Die Kreaturen die bereits auf der Erde herum wandelten konnten sich an der Strahlung laben. Dies wusste im Moment noch niemand. Sie wurden von ihr buchstäblich angezogen. Die Erde bebte erneut. In nervöser Unruhe zurrte sie den Gurt ihrer Waffe über ihren Arm fest. Sie wusste, wie dämlich das war, denn sollte der Atom Sturm herankommen, würde sie auch kein Gurt mehr retten. Ungeachtet dieser wohlbekannten Weisheit, band sie das andere Ende um meinen Arm. Wir warteten.

 Die V's wussten es auch, dennoch flohen sie. So schnell so konnten. Vergeblich! Der Sturm kam! Wir wurden begraben. Es dauerte Tage, bis ich uns wieder an die Oberfläche gebracht hatte. Ich möchte an dieser Stelle nicht erwähnen,

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wie wir überlebt haben. Es kostete Überwindung. "Beweg dich nicht! Es ist nicht mehr viel von dir übrig!“ Irgendeine Stimme klang an meinen Ohren. Kannte sie nicht! "Ich habe mein bestes getan. Jetzt liegt es an ihm sich zu erholen. Wir haben Zeit.“ Es dauerte noch eine ganze Weile, bis ich wieder sehen konnte. Lag auf einem Bett, inmitten einiger mir fremder Personen.

Marry war allerdings anwesend. Beruhigte mich

ungemein. Es müssen Wochen oder Monate gewesen sein die wir hier tief unter der Erde, in einem Bunker verbracht hatten. Die Haare von Marry waren mittlerweile kurz geschnitten. Abgemagert sah sie aus. Die Bewohner der Stadt waren uns sehr gütig gegenüber. Konnten dennoch nicht für ewig unter der Erde ausharren. Mussten weiter! Jetzt ging es darum, die Menschen zu überzeugen und durch den Bunkereingang wieder hinaus zu lassen. Marry würde bestimmt an der Strahlung sterben, dennoch wollte sie mich zu meiner Schwester bringen. Es musste ihr sehr wichtig sein. Die Explosion der Atombombe hatte unzählige dieser Verstrahlten Wesen angelockt. Es wimmelte nur so von ihnen in den Ruinen der Stadt.

Wir traten in die dichte Dunkelheit der Ruinenstadt hinaus und waren gerade dabei, ihr Gewehr zu entsichern, als sie alle auf einmal kamen. Es roch noch nach verbranntem. Ich atmete den Rauch des über der Stadt liegenden Nebels aus und rief Marry zu: "Kommst du noch?“ Marry suchte fieberhaft nach einer Entschuldigung, um mir nicht sofort eines über zu braten. Unvermittelt schoss ihr das Bild durch den Kopf, wie sie mir den Arm hinter dem Rücken verdrehte, aber sie wollte kein Feigling sein und auch nicht wie einer dastehen.

Ich musterte sie mit einem Grinsen, das durchaus

höhnisch gemeint sein konnte, vielleicht aber auch nur

gespannte Erwartung ausdrückte, Marry kam aus dem Haus.

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Sie ignorierte es, wollte mich nicht maßregeln. Wir schlichen uns davon. Mit mehr Glück als Verstand entkamen wir der Hölle.

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JALS – Die Stadt der Überlebenden

Mittlerweile sind wir in der neu gegründeten Stadt Jals angekommen, ausgehungert und müde von den Strapazen, mussten Marry und ich erkennen, dass auch hier Menschen lebten, die uns nicht wohlgesonnen waren. Sie war riesige. Hier lebten mehrere Tausende Menschen. Die Stadt war an sich hermetisch abgeriegelt, dennoch konnten wir ungehindert hinein gehen. Viele Menschen hausten hier. Leben konnte man hierzu nicht mehr sagen. Sie versuchten nur noch zu überleben.

 Frauen, Kinder und viele Männer mit Waffen, bewachten ihre Stadt. Es war einigermaßen sauber und es roch nicht mehr so nach Tod. Mit gemeinsamer Kraft versuchten wir den Ansturm der dort lebenden Menschen zu überstehen. Mit einem Schrei auf den Lippen schreckte ich aus meiner Ohnmacht auf. Dieses Ende war wirklich alles andere als angenehm! Und ich frage mich, was soll das? Warum sind die Menschen so brutal? Ist das etwa immer so? Wozu das alles?  Warum bekämpfen sie sich? Was haben sie davon?

Irgendwie bin ich verärgert. Doch ich merke , dass der Charakter meiner Gefährtin, dieser merkwürdigen aber dennoch faszinierenden Frau mich heute an mich selbst erinnert. Vor einigen Jahren war ich noch sehr naiv, obgleich auch schon sehr neugierig. Auch meine Freiheitsliebe und den Drang die Welt zu erkunden waren wohl schon immer vorhanden. Eine Kanonenkugel traf im Kampf aus versehen

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meinen geschundenen Körper. War es das nun? Immerhin dürfte kein Mensch diese Wunde überleben. Geschweige denn noch denken können. Was um Gottes willen war ich. Träumte ich das alles nur? War es nur ein Traum. Die Schmerzen, sie waren doch realer Natur. Aber wo bleibt da denn der Spaß?  Ich erinnere mich an Eis, obwohl ich noch nie welches gesehen habe. Kalt und bitter schmeckt es auf meinem Gaumen. Ich hätte es mir anders vorgestellt. Oder besser, aber anders – intensiver und süßlicher. Ja, intensiver trifft es genau. Hier wird es wohl nun enden. Natürlich kann ich die Schüsse knallen hören und natürlich kann ich kein Eis schmecken, aber letztendlich zehre ich von meinen Erinnerungen, wem auch immer sie gehören mögen, die vielleicht irgendwann einmal wieder kommen werden. Ich weiß , wie sich das Rauschen in meinen Ohren anhört, wenn das Blut meinen Körper verlässt, und ich weiß auch, wie dieses Gefühl schmeckt. Die Sehnsucht nach einem richtigem Ende erwacht.

 Mein Verstand grunzt, doch dann herrscht plötzlich Stille. Sei es drum, denke ich und sinniere weiter über den Sinn des Lebens. Gedanken belohnen uns mit Einfällen, wenn wir sie in ein Tagebuch schreiben. Vielleicht ist es dieser Grund, warum ich nun meine Erfahrungen aufschreibe. Die depressiven Erkrankungen gehören zu den weltweit schwerwiegendsten und bedeutendsten Krankheitsbildern. Woher weiß ich so was?

 Wenn ich nicht einmal weiß wer ich bin? Das Denken, die Gefühle, der Körper, die sozialen Beziehungen – kurzum das ganze Leben – sind beeinträchtigt. Jeder der so fühlt und denkt wie ich ist bestimmt so betroffen wie ich selbst. Nur es gibt keine Ärzte mehr, die einen Heilen könnten. Was mache ich nur? Ich verursache großes Leid und mein Verlust an Lebensqualität ist enorm. In den vergangenen Jahren ist mir

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zudem klar geworden, dass meine Depression eine chronische Stressfolgeerkrankung ist. Eine unbehandelte Depression kann zwar die Lebenserwartung verkürzen, aber was nutzt mir das? Ich lag auf dem Boden, in meiner Blutlache wie ein Häufchen Elend. Erinnerungen kamen hoch. Ich wusste, was in meiner kurzen Lebensphase schief gelaufen war und habe einen Deckel drauf gehalten.

 Ich habe damals schon gedacht, wenn dieser Deckel ein klein wenig angehoben wird, dann läuft es über und

überschwemmt mich. Ich wollte das damals nicht und habe beschlossen, alleine damit klarzukommen. Wem hätte ich mich auch anvertrauen können. Jede Bewegung war unendlich anstrengend und hat sich angefühlt, als wenn ich durch zähen Schlamm laufe. Ein wichtiges Thema für mich ist, Grenzen zu setzen und auf mich zu achten. Wenn andere auf mich zukommen und nach Hilfe fragen, fällt es mir immer noch sehr schwer, das auch mal abzulehnen. Es ist auch nach wie vor eine Aufgabe für mich, zu akzeptieren, dass ich

leistungseingeschränkt bin und viele Pausen brauche. Man vergleicht sich immer mit anderen, aber es ist wichtig, dass man "bei sich bleibt“. Ich habe lange gebraucht dies zu erkennen. Aber ich habe gemerkt, dass dies ein Weg ist, an den für mich wichtigen Lebensthemen und an meiner Lebensgeschichte zu arbeiten. Zu forschen und es zu akzeptieren.

 Das ist ein langer Weg. Aber ich kann schon viel besser Grenzen setzen. Und wenn ich es schaffe, dann bin ich immer stolz auf mich! Übrigens Jack, Depressionen haben nichts mit Zusammenreißen zu tun. Merk dir das endlich! Depressionen können jeden treffen. Wirklich jeden, und warum ausgerechnet du welche hast, dass weißt du noch gar nicht! Steh jetzt auf! Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen. Ich erzähle nicht jedem von meiner Erkrankung. Marry aber weiß davon. Aber

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wenn es die Situation für mich erforderlich macht, dann stelle ich klar, warum ich etwas nicht machen kann. Das kann sicher auch mal nach hinten losgehen, aber bisher habe ich immer Glück gehabt. Es wurde bisher immer von Marry akzeptiert und dann war oft der Umgang miteinander leichter. Bei meiner aktuellen Flucht aus dem Gefängnis hatte ich ein Riesenglück auf sie zu treffen.

 Mir wird von ihr großes Verständnis entgegengebracht. Das kannte ich im Gefängnis überhaupt nicht. Es gab damals wie auch heute Zeiten, da habe ich keine Zukunft für mich gesehen. Mein Leben bestand aus den nächsten Tagen, weiter zu denken hat mir Angst gemacht. Es war auch Sinnlos gewesen. Mitten unter den Zellennachbarn, der Arbeitstruppen und zu Tode geweihten. Ich war nie akut suizidal, aber der Gedanke war schon so oft da, oft auch täglich. Wenn die Gedanken, mir das Leben zu nehmen, stärker wurden, habe ich mir Hilfe bei einigen Mitgefangenen gesucht, denen ich vertrauen konnte. Zum Beispiel bin ich zu meiner besten Freundin gegangen während wir im Steinbruch arbeiten mussten oder habe auch mal bei der Gruppe nachgefragt. Das sind diejenigen gewesen die noch Leben durften, die nicht als Futter ausgebeutet worden sind. Diese Gespräche haben mir aus meinem Tunnel und den Gedankenkreiseln

herausgeholfen.

 Zumindest für eine Zeit lang! Das kostete unendlich viel Kraft und Mut. Sie haben in der gesamten Zeit nicht verraten. Kein V wusste von meiner Krankheit, sonst hätten sie es mir noch schwerer gemacht. Mich noch mehr gequält. Wie offen man mit seiner Erkrankung umgeht, ist eine ganz individuelle Sache. Das muss jeder für sich entscheiden. Ich habe für mich den Weg der Offenheit gewählt und komme damit sehr gut zurecht. Der Schmerz des plötzlichen Heilens durchzuckte meinen Körper, meine einzelnen Atome wurden wieder mit

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Energie aufgeladen und Sekunden später richtete ich mich wieder auf. Jedes mal dasselbe! Nur die Abstände der Heilung werden besser. Es heilte schneller und tat nicht mehr so weh. Marry brauchte mich und ich brauchte sie. Es durfte ihr nichts passieren!

Jetzt nicht schlapp machen! Steh gefälligst auf und kämpfe! Jack! Musste mich motivieren. Meine Waffe klemmte, ließ sich nicht mehr benutzen. Versuchte die Angreifer mittels meines Körpers zu überwinden. Rannte durch die Kugeln, schlug meine Gegner nieder. Was ich nicht sehen konnte, der Bürgermeister der Stadt kam bereits angerannt. Wollte den Kampf sofort unterbinden, den seine Wachen angezettelt hatten. Wir einigten uns Marry frei laufen zu lassen und mich, da ich eine Gefahr darstellte einzusperren. Hauptsache Marry war in Sicherheit.

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Ätzend! Wieder Gefangener

Freiheit verursacht bei den meisten Insassen Brechreiz. Ich hatte damals an alles Gedacht, nur nicht an das. Schließlich hatte ich schon Erfahrungen gesammelt, in den engen Zellen des riesigen Gefangenenkomplexes. Mir machte diese enge nichts mehr aus. Vorerst wenigstens. Ich fühlte nichts, absolut nichts. Null. Keine Freunde, kein Jubel, kein Lachen, kein stummes Triumph Gebrüll. Alles stumpf, wie taub und erloschen.

 Am allermeisten machte ich mir Gedanken, über die Sicherheit von der hübschen Marry. Jede Bewegung lief nun wie automatisiert ab, als wäre ich der Protagonist eines Videospieles, der Zuschauer im eigenen Spiel. Jack, der Held, oder doch nur das Opfer? Derjenige den sie alle gerne beiseiteschieben wollten. Gehe nicht über Start, sondern direkt in das Gefängnis. Mein Gehirn glich einem Watteball. Ich tat, was man von mir verlangte. Ich war am selben Tag noch der Gefangene 100909234; Jack. Jetzt bloß nicht kotzen. Der Geruch des Urins in der kleinen, engen Zelle machte mir zu schaffen. Es erinnerte mich daran, dass ich noch lebte, der ehemaligen Hölle entronnen zu sein. Ich hatte es damals geschafft.

 Tschüss und auf Nimmerwiedersehen! Ein paar Stunden zuvor, war ich noch verängstigt. Überall verstrahlte Menschen, willenlos und gnadenlos. Niemand wagte es in der freien Natur, auch nur zu flüstern, um nicht irgendeinen dieser

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Kreaturen anzulocken. Wenn man Glück hatte, traf man nur auf ein einzelnes Exemplar, allerdings waren sie meistens zu mehreren unterwegs, und da fangen die Probleme auch schon an. Wenn sie nicht sogar in ganzen Horden auf einen zu rannten.

Das Schweigen kannte ich zur Genüge. Es war

beklemmend. Gefühle sind nicht mein Ding. Für mich musste aber niemand Krach machen. Ich konnte mich sehr gut mit Zeichensprache verständigen. Ich meine nicht die Gehörlosensprache, sondern wirklich nach dem Motto – Guck mal da. Nur per Handzeichen, ein Gespräch war nicht möglich. Zu gefährlich. Manchmal meinte ich ein aufmunterndes Augenzwinkern oder ein Zunicken wahrzunehmen. Vielleicht bildete ich mir das aber auch nur ein. Marry war meistens gut drauf. Ich bin sicher, sie gönnte mir vieles von Herzen. Marry gehörte zu den Menschen, die man niemals mehr vergessen konnte.