Fänger des Glücks - Nora Roberts - E-Book

Fänger des Glücks E-Book

Nora Roberts

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Beschreibung

Die erfolgreiche Werbefilmerin Brooke Gordon kennt die Spielregeln des Lebens: Viel Arbeit, keine Männer, unabhängig sein. Konsequent verfolgt sie ihr Erfolgsrezept. Doch dann muss sie mit dem Baseballstar Parks Jones einen Spot drehen. Parks ist lässig, sportlich und heftig umschwärmt. Er steht für all das, was Brooke seit Jahren vermeidet: Die Liebe ist für ihn ein Spiel, das keine Regeln kennt. Sie will mit ihm zusammen sein, aber kann sie ihre Angst überwinden, sich im aufregenden Strudel ihrer Gefühle zu verlieren?

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Seitenzahl: 278

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Nora Roberts

Fänger des Glücks

Roman

Aus dem Amerikanischen von Anne Pohlmann

WILHELM HEYNE VERLAG

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Die Originalausgabe Rules of the Gameist bei Silhouette Books, Toronto, erschienen. Die deutsche Erstausgabe ist im MIRA Taschenbuch erschienen.

Wilhelm Heyne Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Copyright © 1984 by Nora Roberts

Published by Arrangement with Eleanor WilderCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2007 by MIRA Taschenbuch in der Cora Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung eines Fotos von shutterstock/Eduard Stelmakh

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN: 978-3-641-12116-7V003

www.penguinrandomhouse.de/nora-roberts

1. KAPITEL

»Ein Sportler, großartig.« Brooke nahm einen großen Schluck von ihrem starken schwarzen Kaffee, lehnte sich zurück in den weichen Ledersessel und nickte lächelnd. »Da kommt Freude auf.«

»Kein Grund, sarkastisch zu sein«, erwiderte Claire milde. »Wenn de Marco für die Werbung einen Athleten einsetzen will, was könntest du dagegen einzuwenden haben?« Sie schaute abwesend auf den schweren Goldring an ihrer rechten Hand. »Immerhin bringt dir der Regieauftrag für die Werbespots eine Kleinigkeit ein.«

Mit ihren grauen Augen fixierte Brooke ihre Freundin mit dem für sie typischen bohrenden Blick. Eins von Brookes größten Talenten und eine nützliche Waffe war ihre Fähigkeit, jeden, vom Top-Manager bis zum launischen Schauspieler, niederzustarren. Sie hatte diesen Trick früher als Schutz vor ihrer eigenen Unsicherheit entwickelt und ihn seitdem zu einer Kunst verfeinert. Eine Kunst jedoch, die Claire Thorton nicht beeindrucken konnte. Mit neunundvierzig war sie die Chefin einer Produktionsfirma mit Millionendollarumsatz, die sie mit Köpfchen und Wagemut auf die Beine gestellt hatte. Die Erfahrungen von fast einem Vierteljahrhundert lagen ihren geschäftlichen Entscheidungen zugrunde, und sie beabsichtigte nicht, sich in Zukunft darin beirren zu lassen.

Sie kannte Brooke seit zehn Jahren – seit Brooke sich als Achtzehnjährige mit einem frechen Mundwerk einen Job bei »Thorton Productions« verschafft hatte. Dann hatte Claire Brooke dabei beobachtet, wie sie sich hochgearbeitet hatte – vom Mädchen für alles zur Beleuchterin, von der Chefbeleuchterin zur Assistentin des Kameramanns und schließlich zur Regisseurin. Claire hatte nie den Entschluss bedauert, der sie dazu veranlasst hatte, Brooke ihren ersten Werbefilm von fünfzehn Sekunden zu geben.

Intuition war die Grundlage von Claires Erfolg mit »Thorton Productions«, und intuitiv hatte sie ein ausgeprägtes Talent bei der jungen Frau gespürt. Hinzu kam, dass Claire sie kannte und verstand wie nur wenige. Vielleicht, weil sie beide zwei Eigenschaften gemeinsam hatten – Ehrgeiz und Unabhängigkeit.

Nach einem Moment gab Brooke seufzend nach. »Ein Sportler«, stieß sie erneut aus, wobei sie sich in ihrem Büro umsah. Es war ein kleiner Raum, an dessen hellgrauen Wänden Fotos aus Dutzenden ihrer Werbefilme hingen. Ein zweisitziges Sofa – neu mit dunklem Cord bezogen – war nicht bequem genug, um zu langen Besuchen zu ermuntern. Der Stuhl mit dem gepolsterten Rücken stammte aus einer Haushaltsauflösung, wie auch der Couchtisch, der weiter links an der Wand stand.

Brooke setzte sich hinter ihren alten abgeschlagenen Schreibtisch, dessen eine Schublade sich nicht mehr ganz schließen ließ. Er war beladen mit Papierstößen, einer Architektenlampe und einem Sammelsurium von Einwegkulis und zerbrochenen Bleistiften. Die Stifte befanden sich in einer antiken Vase. Am Fenster dahinter siechte ein Ficus in einem kunstvoll gearbeiteten Tontopf dahin.

»Verdammt, Claire, warum besorgen sie uns nicht einen Schauspieler?« In einer für sie typischen, weit ausholenden Geste riss Brooke die Hände hoch, dann stützte sie ihr Kinn darauf. »Weißt du überhaupt, was es bedeutet, aus Sportlern oder Rockstars einen Satz herauszukitzeln, ohne dass ihnen das Wort im Hals stecken bleibt oder sie miserabel übertreiben?« Mit einem kraftvollen Fluch, der jeden Kommentar überflüssig machte, schob sie die Papiere zu einem kleinen Stapel zusammen. »Ein Anruf bei einem Agenten, und hundert qualifizierte Schauspieler, die ganz heiß auf den Job sind, würden mir die Bude einrennen.«

Geduldig strich sich Claire einen Fussel von ihrem altrosa Leinenkostüm. »Du weißt, wie es den Absatz fördert, wenn ein Produkt mit einem bekannten Namen oder Gesicht angeboten wird.«

»Bekannter Name? Wer hat jemals von Parks Jones gehört? Übrigens ein blöder Name«, murmelte sie.

»Jeder Baseball-Fan im Land.«

Das milde Lächeln verriet Brooke, dass weitere Einwände sinnlos waren. Genau darum reizte es sie, weiterzumachen. »Wir machen Werbung für Mode, nicht für Sportvereine.«

»Acht Pokalauszeichnungen«, fuhr Claire unbeirrt fort. »Er ist in dieser Saison der beste Spieler in der Liga.«

Brooke zog die Brauen zusammen. »Woher willst du das wissen? Du hast dich noch nie für Baseball interessiert.«

»Ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Und genau darum bin ich auch eine erfolgreiche Produzentin geworden. Jetzt solltest du besser deine Hausaufgaben machen.« Claire erhob sich träge. »Nimm dir nichts vor. Ich habe uns Karten für das Spiel heute Abend besorgt. Die ›Kings‹ spielen gegen die ›Valiants‹.«

»Wer?«

»Mach deine Hausaufgaben«, wiederholte Claire, bevor sie die Bürotür hinter sich schloss.

Mit einem erneuten Fluch schwang sich Brooke in ihrem Stuhl herum und blickte hinaus auf Los Angeles – aufragende Gebäude, blinkendes Glas und vom Verkehr verstopfte Straßen. Sie hatte andere Ausblicke auf Los Angeles während ihres Aufstiegs auf der Karriereleiter gehabt, aber noch nie von so weit oben. Brooke überblickte die Stadt vom zwanzigsten Stockwerk. Der Höhenunterschied bedeutete Erfolg, aber Brooke verweilte nicht bei dem Gedanken. Dann hätte sie nur an die Vergangenheit gedacht, was Brooke gewissenhaft vermied.

Sie lehnte sich in dem riesigen Stuhl zurück und spielte mit dem Ende ihres Zopfes. Ihr langes, dickes, unbändiges Haar hatte genau den warmen mit Gold durchzogenen Rotton, den Maler immer wieder für die Ewigkeit festzuhalten versucht hatten. Brooke war weiblich genug, es nicht auf eine praktischere Länge abzuschneiden, und praktisch genug, es während der Arbeit in einem dicken Zopf zu zähmen. Er hing hinten über die dünne Seidenbluse und den Bund der verwaschenen Jeans.

Ihre Augen waren von einem nebligen Grau, umrahmt von dichten Wimpern. Ihre Haut hatte den zarten Elfenbeinton, der so typisch für ihre Haarfarbe war. Doch damit endete die Zartheit auch schon. Ihre Nase war klein und scharf, ihr Mund groß, ihr Kinn aggressiv. Ein beunruhigendes Gesicht – in einem Augenblick schön, im nächsten herb, aber immer herausfordernd. Sie hatte einen flüchtigen Hauch von Rot auf die Lippen gelegt, trug emaillierte Ohrringe aus einem billigen Warenhaus und einen Spritzer vom teuersten Spitzenparfüm.

Brooke dachte an den de Marco-Auftrag … Designer-Jeans, exklusive Freizeitkleidung, weiches italienisches Leder. Es war ein fetter Zweijahresvertrag mit einem Budget, das Brooke jeden künstlerischen Spielraum bot, den sie sich wünschen konnte. Sie sagte sich, dass sie es verdient hatte. Es standen drei jener begehrten, doch seltenen »Clios«, also Auszeichnungen für die beste Regie in einem Werbespot, in dem Eckbord rechts von ihr.

Nicht schlecht, überlegte sie, für eine achtundzwanzigjährige Frau, die zu »Thorton Productions« mit nichts anderem hereinspaziert war als einem Zeugnis der High School, frecher Überredungskunst und verschwitzten Handflächen. Und zwölf Dollar fünfunddreißig in der Tasche, wie sich Brooke erinnerte. Dann schob sie den Gedanken beiseite. Wenn sie den de Marco-Auftrag wollte – und sie wollte ihn – musste sie einfach dafür sorgen, dass der Baseballspieler spurte.

Grimmig schwang sie ihren Stuhl wieder zurück, nahm den Hörer vom Telefon und drückte zwei Knöpfe. »Bring mir alles, was wir über Parks Jones haben«, ordnete sie an, während sie die Papiere zur Seite schob. »Und frag Miss Thorton, um wie viel Uhr ich sie heute Abend abholen soll.«

Parks Jones steckte die Hände in die Taschen und sah seinen Agenten vorwurfsvoll an. »Wie konnte ich mich nur von dir dazu überreden lassen?«

Lee Duttons Lächeln enthüllte etwas schief stehende Zähne und eine Menge Charme. »Du vertraust mir eben.«

»Mein erster Fehler.« Parks musterte Lee, einen onkelhaft erscheinenden Mann mit zurückgehendem Haaransatz, einem kobolthaftem Gesicht und funkelnden schwarzen Augen. Ja, ich vertraue ihm, dachte Parks, er mochte den verschlagenen kleinen Teufel sogar, aber … »Ich bin kein verdammter Schauspieler, Lee, sondern Baseballspieler.«

Lee faltete die Hände, und das Sonnenlicht blitzte zurück vom Armband seiner schmalen Schweizer Uhr. »Du hast bereits eingewilligt. Außerdem … seit der ersten Rasierklinge haben Baseballspieler Werbung gemacht.«

Parks schnaufte und stapfte in dem geräumigen, im orientalischen Stil eingerichteten Büro umher. »Hier geht es aber nicht ums Rasieren, sondern um verdammte Klamotten. Ich werde mich dabei wie ein Idiot fühlen.«

Aber du wirst nicht wie einer aussehen, dachte Lee, während er eine duftende dünne Zigarre hervorzog. Er zündete sie an und musterte Parks durch den Rauch hindurch. Der lange, etwas schlaksige Körper war ideal für legere, exklusive Kleidung, wie auch das blonde Haar und das unmissverständlich kalifornische Aussehen. Parks’ gebräuntes schmales Gesicht, die blauen Augen und der Lockenschopf hatten ihn schon lange zum Liebling der weiblichen Fans werden lassen, während sein freundlicher, unaufdringlicher Charme ihm große Sympathien bei den Männern eingebracht hatte. Er war talentiert, gut aussehend und sympathisch. Insgesamt also, dachte Lee, eine Naturbegabung. Dass er darüber hinaus noch intelligent war, konnte ebenso sehr von Vorteil wie von Nachteil sein.

»Parks, du bist im Augenblick der heiße Favorit.« Lee stieß einen Seufzer aus, von dem sie beide wussten, dass er berechnet war. »Und du bist dreiunddreißig. Wie lange wirst du noch Baseball spielen?«

Parks fixierte ihn düster. Lee wusste von seinem Gelöbnis, sich mit fünfunddreißig vom Profisport zurückzuziehen. »Was hat das damit zu tun?«

»Es gibt viele Sportler, außerordentlich gute Sportler, die in Vergessenheit geraten, sobald sie zum letzten Mal vom Spielfeld gehen. Du musst an die Zukunft denken.«

»Ich habe an die Zukunft gedacht«, erinnerte Parks ihn. »Maui – angeln, in der Sonne dösen, schönen Frauen schöne Augen machen.«

Das würde ungefähr sechs Wochen anhalten, kalkulierte Lee, was er aber klugerweise für sich behielt.

»Lee.« Parks ließ sich in einen roten chinesischen Sessel fallen und streckte die Beine aus. »Ich brauche das Geld nicht. Warum soll ich also in diesem Winter arbeiten, statt mich an den Strand zu legen?«

»Weil es gut für dich sein wird. Und es ist gut fürs Spiel. Die Spots werden das Image für Baseball steigern. Und«, fügte er mit seinem kobolthaften Lächeln hinzu, »weil du einen Vertrag unterschrieben hast.«

»Ich muss zum Training«, stieß Parks hervor und stand auf. An der Tür drehte er sich mit einem verdächtig freundlichen Lächeln um. »Nur noch eins: Wenn ich mich zum Narren mache, werde ich die Beine deines geliebten chinesischen Tonpferds zerbrechen.«

Mit quietschenden Reifen fuhr Brooke durch das elektronisch gesicherte Tor auf die von Rhododendren begrenzte Zufahrt, die zu Claires Villa führte. Insgeheim hielt Brooke das ganze Anwesen für einen wunderschönen Anachronismus. Das Haus war riesig, weiß und mit Säulen am Portal. Brooke machte sich immer ihren Spaß daraus, sich zwei schwarz behelmte Wachposten mit geschulterten Gewehren vorzustellen, die die geschnitzte Doppeltür flankierten. Die Villa hatte früher einem Stummfilmstar gehört, der alle Räume mit pastellfarbener Seide und Satinstoffen ausgekleidet hatte. Vor fünfzehn Jahren hatte Claire sie dann einem Parfüm-Baron abgekauft und mit ihrer eigenen Liebe für orientalische Kunst neu dekoriert.

Schlingernd kam Brooke vor der weißen Marmortreppe zum Stehen. Brooke kannte nur zwei Fahrstile: halten und fahren. Sie stieg aus und atmete den süßen Duft von Vanille und Jasmin ein, bevor sie die Treppe in dem ihr eigenen gelösten Gang, der auf die Kombination von langen Beinen und Zerstreutheit zurückzuführen war, hinaufstieg. In einer Menschenmenge sahen sich die Männer wegen dieses Ganges um, aber Brooke bemerkte es nicht, es hätte sie auch nicht interessiert.

Energisch klopfte sie, dann drückte sie ungeduldig den Türgriff. Da die Tür offen war, trat Brooke in die riesige, lindgrüne Eingangshalle und rief: »Claire! Bist du fertig? Ich komme um vor Hunger.«

Eine kleine Frau im adretten grauen Kostüm trat links aus einer Tür.

»Hallo, Billings.« Brooke lächelte sie an und warf ihr Haar über die Schulter zurück. »Wo ist Claire? Ich habe nicht die Energie, dieses Labyrinth nach ihr zu durchsuchen.«

»Sie zieht sich um, Miss Gordon.« Die Haushälterin sprach klar artikuliert und beantwortete Brookes Lächeln mit einem Nicken. »Sie kommt sofort herunter. Möchten Sie einen Drink?«

»Etwas Mineralwasser vielleicht, es ist schwül draußen.« Brooke folgte der Haushälterin in den Salon und ließ sich auf einen Diwan fallen. »Hat sie Ihnen gesagt, wohin wir gehen?«

»Zu einem Baseballspiel, Miss.« Billings tat Eis in ein Glas und fügte sprudelndes Wasser hinzu. »Etwas Zitrone?«

»Nur einen Spritzer. Nun kommen Sie schon, Billings.« Brookes rauchige Altstimme senkte sich verschwörerisch. »Was halten Sie davon?«

Methodisch drückte Billings Zitrone in das Mineralwasser. Sie war die Hausdame von Lord und Lady Westbrook in Devon gewesen, bevor sie von Claire Thorton abgeworben worden war. Als sie die Position angenommen hatte, hatte sie sich – die englischste aller Engländerinnen – geschworen, sich niemals amerikanisieren zu lassen. Edna Billings hatte ihre Grundsätze. Doch Brooke hatte sie nie ganz widerstehen können. Ein ungezogenes Ding, hatte sie vor einem Jahrzehnt bei ihrer ersten Begegnung gedacht, und bei dem Urteil war sie geblieben. Vielleicht war das der Grund, warum Billings Brooke so zugeneigt war.

»Ich bevorzuge Cricket«, antwortete sie freimütig. »Ein zivilisierteres Spiel.« Sie reichte Brooke das Glas.

»Können Sie sich Claire auf einem offenen Tribünenplatz vorstellen?«, fuhr Brooke fort. »Von schreienden, schwitzenden Fans umgeben, während sie eine Horde von erwachsenen Männern beobachtet, die nach einem kleinen Ball schlagen und im Kreis herumrennen?«

»Wenn ich mich nicht irre«, meinte Billings langsam mit wiegendem Kopf, »ist doch etwas mehr an dem Spiel.«

»Sicher, Punkte holen und Aufsteigen und Ausscheiden und Ausschreien.« Brooke seufzte tief. »Wer steigt schon bei den Regeln dieses Spiels durch? Ist aber auch egal.« Brooke zuckte die Schultern und nahm einen großen Schluck Wasser. »Claire wünscht, dass ich mir diesen Burschen in Aktion ansehe, um mich inspirieren zu lassen.« Sie kreiste mit einer Fingerspitze über den Rand des Glases. »Was ich wirklich brauche, ist etwas Anständiges zu essen.«

»Du kannst dort einen Hot Dog und Bier bekommen«, verkündete Claire von der Tür.

Brooke brach in schallendes Gelächter aus. Claire sah elegant aus in der hellen Leinenhose, der bedruckten Bluse und Schuhen aus feinstem Leder. »Du gehst zu einem Baseballspiel«, erinnerte Brooke sie, »nicht in ein Museum. Und ich hasse Bier.«

»Wie schade.« Claire überprüfte den Inhalt ihrer zu den Schuhen passenden Ledertasche, die sie dann zuschnappen ließ. »Gehen wir, wir wollen nichts versäumen. Gute Nacht, Billings.«

Brooke kippte den Rest des Wassers hinunter, sprang hoch und rannte hinter Claire her. »Lass uns unterwegs anhalten und etwas essen«, schlug sie vor. »Schließlich verpassen wir nicht den ersten Akt einer Oper, und ich musste das Mittagessen auslassen.« Sie setzte den Blick des verlassenen Waisenkindes auf. »Du weißt, wie ungenießbar ich bin, wenn ich auf ein Essen verzichten muss.«

»Wir werden dich vor die Kamera stellen, Brooke, deine schauspielerischen Leistungen werden immer besser.« Mit einer gemurmelten Bemerkung über Brookes kleinen Wagen zwängte sich Claire hinein. Sie wusste, Brookes Besessenheit für reguläre Mahlzeiten war auf ihre entbehrungsreiche Kindheit zurückzuführen. »Zwei Hot Dogs«, schlug sie vor und schnallte sich an. »Es sind fünfundvierzig Minuten zum Stadion.« Claire drückte ihr mit Silberstreifen durchzogenes brünettes Haar zurecht. »Also schaffst du es in fünfundzwanzig Minuten.«

Brooke fluchte und fuhr los. Dreißig Minuten später suchte sie einen Parkplatz vor dem Stadion.

Sie folgten der Menge, die aufs Stadion zuschwärmte. Es roch nach erhitztem Asphalt, schlechter Luft und menschlichen Ausdünstungen – Los Angeles im August. Dämmerung überzog den Himmel, und die Lichter des Stadions schickten ihren weißen nebligen Schein empor. Drinnen schoben sie sich an den Ständen vorbei, an denen Wimpel und Bilder und Programme verkauft wurden. Es roch nach Popcorn und gegrilltem Fleisch und Bier. Sofort reagierte Brookes Magen.

»Weißt du, wohin wir gehen müssen?«, fragte sie.

»Ich weiß immer, wohin ich gehen muss«, antwortete Claire, während sie sich einem Gang zuwandte, der abwärts führte.

Das Stadion war taghell erleuchtet und vollgestopft mit Menschen. Über der aus den Lautsprechern dringenden Rockmusik lag das unaufhörliche Summen von Tausenden von Stimmen. Herumlaufende Verkäufer boten von ihren Bauchläden aus Essen und Trinken an.

Erregung. Brooke fühlte direkt die in Wellen kommende elektrische Spannung. Sofort verschwand ihre Gleichgültigkeit und wurde ersetzt durch eine lebhafte Neugier. Die Menschen hier waren besessen, Tausende, zusammengepfercht um ein Spielfeld aus grünem Gras und braunem Schmutz.

Etwas anderes als Hunger rührte sich in ihr.

»Sieh sie dir an, Claire«, murmelte sie. »Ob das hier immer so ein Hexenkessel ist?«

»Die ›Kings‹ führen in der Liga.« Sie sah Brooke mit hochgezogenen Brauen an. »Ich habe dir gesagt, du sollst deine Hausaufgaben machen.«

»Hm-hm.« Brooke war ganz gefangen von den Menschen und der Atmosphäre.

Langsam folgte sie Claire die Treppe hinunter und saugte dabei die neuen Eindrücke in sich auf. Das Riesige, die Geräusche und die Gerüche der im Stadion zusammengepferchten Menschen, die umfassende Farbpalette, all das gefiel ihr ungemein. Marineblau-weiße Fähnchen wurden von den Fans der »Kings« geschwenkt.

Plötzlich blieb Brooke stehen und legte eine Hand auf Claires Schulter. »Ist das nicht Brighton Boyd?«

Claire sah nach links, wo der Schauspieler und Oscar-Preisträger saß und sich Erdnüsse aus einer weißen Papiertüte in den Mund stopfte. »Ja. Und hier ist unser Platz.« Sie winkte dem Schauspieler freundlich zu, bevor sie sich setzte. »Hier müssten wir eigentlich einen guten Überblick haben«, stellte Claire zufrieden fest.

Sich immer noch fasziniert umblickend, ließ sich Brooke auf ihren Platz fallen. Im Kolosseum in Rom, dachte sie, muss dieselbe Atmosphäre geherrscht haben, ehe die Gladiatoren einmarschierten. Müsste sie einen Werbefilm über Baseball drehen, würde sie nicht das Spiel, sondern die Zuschauermenge zeigen. Ein Kameraschwenk aus der Totalen mit leiser Hintergrundmusik – die sich allmählich steigerte, während die Kamera näher kam. Und dann wumm! Volle Lautstärke, volle Wirkung. Klischee oder nicht, das war Amerika pur.

»Hier, Liebes.« Claire unterbrach Brookes Gedankengang und reichte ihr einen Hot Dog. »Spendiere ich dir.«

»Danke.« Brooke biss hungrig hinein und sprach dann mit vollem Mund. »Wer macht die Werbung für das Team, Claire?«

»Konzentrier’ dich einfach nur aufs Spiel und unseren Mann«, riet Claire und trank einen Schluck von ihrem Bier.

»Ja, aber …« Die Menge brüllte, als die Mannschaft aufs Spielfeld kam. Die Spieler, in strahlendem Weiß mit marineblauen Kappen und Baseballsocken, nahmen ihre Positionen ein. So lächerlich sehen sie eigentlich gar nicht aus, dachte Brooke, während die Fans um sie herum weiter ihre Jubelrufe ausstießen. Die Spieler sahen sogar ziemlich heroisch aus. Brooke konzentrierte sich auf Parks Jones.

Der stand mit dem Rücken zu ihr, so dass Brooke sein Gesicht nicht sehen konnte. Im Augenblick brauchte sie es auch nicht, sein Körper war genug. Über einsachtzig, schätzte sie, nicht mehr als zweiundsiebzig Kilo, aber nicht dünn. Sie stützte ihre Ellbogen auf die Absperrung und ließ das Kinn auf die Hände sinken.

Fast schlaksig, dachte sie. Er müsste Kleidung gut präsentieren können. Parks warf einem Mannschaftskameraden einen Ball zu. Für einen Moment verirrten sich Brookes Gedanken. Etwas schlich sich in ihre professionelle Begutachtung, was sie aber schnell verdrängte. Die Art, wie er sich bewegt, dachte sie. Katzengleich? Nein. Sie schüttelte den Kopf. Nein, er war ganz Mann.

Sie wartete, hielt unwillkürlich den Atem an, während er wieder einen Ball fing. Er bewegte sich gelöst, offensichtlich mühelos, doch sie spürte eine Körperbeherrschung, als er sich beugte, drehte. Ein fließender Bewegungsablauf – Füße, Beine, Hüften, Arme. Ein Tänzer hatte vielleicht nach jahrelangem Training diese Art von lässiger Perfektion. Wenn ich ihn sich bewegen lasse, überlegte Brooke, wird es nichts ausmachen, wenn der Mann nicht einmal seinen Namen vor der Kamera sprechen kann.

In jeder seiner Bewegung steckte sexuelle Ausstrahlung. Sie war sogar zu spüren, wenn er stand, lässig auf einen weiteren Ball wartete. Vielleicht könnte es doch klappen, überlegte Brooke, während ihr Blick über seinen Körper und die blonden Locken streifte, die seitwärts und hinten unter seiner Kappe hervorsprangen.

Parks Jones drehte sich um, und Brooke starrte ihm voll ins Gesicht. Ein längliches, schmales Gesicht, wie sein Körper, und es erinnerte sie ebenso an die Gladiatoren, die sie im Geiste vorher schon heraufbeschworen hatte. Weil er sich konzentrierte, lag kein Lächeln um seinen sinnlichen Mund. Die Augen waren fast von demselben Blau wie die Kappe, die sie umschattete. Es ging etwas Wildes von ihm aus, wie von einem Krieger, etwas eindeutig Gefährliches. Was auch immer Brooke erwartet hatte, es war weder dieses kompromisslos entschlossene, sexy Gesicht noch ihre Reaktion darauf.

Jemand rief Parks etwas von den offenen Tribünen aus zu. Er lächelte und verwandelte sich sofort in einen freundlichen, umgänglichen Mann mit der Aura von lockerem Charme. Brookes Muskeln entspannten sich.

»Was hältst du von ihm?«

Ein wenig benommen lehnte Brooke sich zurück und kaute abwesend auf ihrem Hot Dog. »Es könnte klappen. Er bewegt sich gut.«

»Nach dem zu urteilen, was man mir gesagt hat, hast du bis jetzt noch nichts gesehen.«

Wie gewöhnlich hatte Claire recht, das musste sich Brooke während des Spielverlaufs eingestehen. Er spielt, dachte Brooke, mit der gelösten Begeisterung eines Jungen und der Entschlossenheit eines Veteranen. Auch ohne die Regeln des Spiels zu kennen, wusste sie, dass so ein Spieler nicht zu halten war.

Es war eine Lust, ihn in Aktion zu beobachten. Wieder entspannt, den ersten beunruhigenden Eindruck hinter sich, dachte Brooke über den Einstellwinkel der Kamera nach. Wenn nur seine Stimme so gut war wie der Rest von ihm. Nun, das würde sich noch zeigen. Nachdem Brooke einen weiteren Hot Dog verdrückt hatte, lehnte sie sich wieder auf die Absperrung. Die »Kings« führten mit 2:1. Das Publikum war aus dem Häuschen. Brooke entschied, einige Bewegungsaufnahmen von Parks im Zeitlupentempo zu machen.

Es war heiß und windstill unten auf dem Spielfeld. Oben ließ ab und zu eine leichte Brise die Fahne flattern, eine angenehme Abkühlung für die Zuschauer auf den Rängen. Aber unten, unterhalb der Scheinwerfer, war die Luft zum Schneiden. Parks lief der Schweiß den Rücken hinunter.

Er warf einen Blick zu den Logenplätzen hinüber, und plötzlich, für beide überraschend, traf er auf den von Brooke, die ihn ja schon lange beobachtete.

Also, das ist ein Gesicht, dachte er, wie man es nicht jeden Tag zu sehen bekommt. Die Frau erinnerte ihn mit ihrer wilden roten Haarmähne und der Porzellanhaut irgendwie an eine entzückende Aristokratin aus dem achtzehnten Jahrhundert. Augenblicklich spürte er einen Druck im Magen. Das Gesicht strahlte kühlen, verbotenen Sex aus. Aber die Augen … Die Augen waren von einem weichen Grau und blickten direkt und durchdringend wie Pfeile. Sie starrte zu ihm zurück, ohne zu blinzeln oder zu erröten, auch nicht lächelnd, wie es die meisten Fans getan hätten. Sie starrt mich einfach nur an, dachte Parks, als ob sie mich sezieren wollte. Es ärgerte ihn und machte ihn zugleich neugierig. So etwas hatte er noch nie erlebt.

Er dachte weiter an sie, als er auf der Bank saß. Er beobachtete den Schlagmann und dachte an die Rothaarige auf dem überdachten Tribünenplatz.

Warum hatte sie ihn so angesehen? Als ob sie überlegt hätte, wie er in einem Trophäenkasten aussehen würde. Mit einem leichten Seufzer erhob sich Parks und setzte seinen Schlaghelm auf. Er sollte seine Gedanken besser von der Kleinen auf der Tribüne wieder aufs Spiel richten. Doch unwiderstehlich wurde sein Blick nach links gezogen. Er konnte Brooke nicht klar aus dieser Entfernung sehen, aber er spürte, dass sie ihn immer noch offen musterte. Erneut brach der Ärger in ihm durch, als er als Schlagmann eingewechselt wurde.

Was will die Frau überhaupt?, fragte er sich, als er probeweise den Schläger schwang. Es wäre leichter, wenn er sie als ein typisches Baseball-Groupie hätte einordnen können, aber es war nichts Typisches an diesem Gesicht – oder an diesen Augen. Die Füße gegen den Boden stemmend, beugte er sich vor und wartete auf den Ball. Er wartete zwei Bälle ab. Geduld war der Kern von Parks’ Talent. Selbst unter größtem Druck konnte er auf den Ball warten, den er wollte. Die Menge schrie, flehte ihn im Chor an zu schlagen, aber Parks konzentrierte sich auf den Werfer.

Der Ball kam mit einer Geschwindigkeit von hundertfünfzig Stundenkilometern, aber Parks konnte ihn einschätzen. Auf den hatte er gewartet. Parks holte aus und hörte den Knall, als er den Ball traf. Von der Menge angefeuert, lief Parks. Mit einem jungenhaft triumphierenden Grinsen nahm er die erste Base. Bei der zweiten blickte er automatisch hinüber zu Brooke. Sie saß, das Kinn auf die Absperrung gelegt, während die Menge um sie herum hochsprang und schrie. Da war wieder diese ruhige Eindringlichkeit in ihrem Blick, kein anerkennendes Aufblitzen, keine vergnügte Erregung über den Spielverlauf. Irritiert versuchte Parks, sie mit einem Blick aus der Fassung zu bringen, als er die dritte Base nahm. Doch ihr Blick blieb fest, bis er die Homebase erreichte. Parks fühlte sich gleichermaßen freudig erregt wegen seines Erfolgs, den Lauf komplett geschafft zu haben, wie er auf die unbekannte Frau wütend war.

»Ist das nicht fabelhaft?« Strahlend beugte sich Claire zu Brooke vor. »Ein sehr talentierter junger Mann.« Sie machte einem umherschlendernden Verkäufer ein Zeichen, um noch ein kühles Getränk zu kaufen. »Er hat dich angestarrt.«

»Hm-hm.« Brooke wollte auf keinen Fall zugeben, dass ihr Pulsschlag bei jedem Blickkontakt hochgeschnellt war. Sie kannte diesen Typus Mann – gut aussehend, erfolgreich und herzlos. Damit hatte sie jeden Tag zu tun. »Er wird sich bestimmt gut vor der Kamera machen.«

Claire lachte mit der lässigen Lust einer Frau, die auf die Fünfzig zuging. »Er wird sich überall gut machen.« Brooke zuckte nur mit den Achseln.

Das Spiel ging weiter. Brooke achtete nicht auf den Spielstand oder die anderen Spieler, sie beobachtete nur unaufhörlich Parks in der für sie typischen Haltung: Arme auf der Absperrung, Kinn auf den Händen, die in Stiefeln steckenden Füße übereinander gelegt. Es ist etwas an ihm, überlegte sie, das über die unübersehbare Anziehungskraft, die elementare Sinnlichkeit hinausgeht. Es war diese Gelöstheit in den Bewegungen, die die disziplinierte Körperbeherrschung überlagerte. Das war es, was sie einfangen wollte. Diese Kombination würde mehr erreichen, als de Marco-Mode nur zu verkaufen – sie würde sie typisieren.

Sie würde ihn in der lässig-eleganten Freizeitmode einen seiner weit ausholenden Schläge machen lassen, vielleicht auch in de Marco-Jeans durch die Brandung reiten lassen. Athletische Szenen – das war es, wofür er gebaut war. Und wenn sie etwas Humor aus ihm herauskitzeln konnte, mit Frauen zeigen. Sie wollte nicht das übliche anbetungsvolle Anstarren oder die männlich-wissenden Blicke, sondern etwas Fantastisches und Spaßiges. Wenn die Texter es schafften, wenn Jones sich Regieanweisungen unterordnete …

Brooke weigerte sich, länger bei »Wenn« zu verweilen und sagte sich, dass sie es hinkriegen würde. Innerhalb eines Jahres würde jede Frau Parks Jones wollen, und jeder Mann würde ihn beneiden.

Der Ball wurde hoch getroffen. Parks jagte hinter ihm her, auf die Tribünen zu. Und plötzlich standen sich Brooke und Parks von Angesicht zu Angesicht gegenüber, nah genug für sie, um den herben Geruch seines Schweißes wahrzunehmen und die Tropfen über seine Schläfen hinablaufen zu sehen. Wieder lagen ihre Blicke ineinander. Brooke brach den Blickkontakt nicht, teils, weil sie interessiert, teils, weil sie wie gelähmt war. Das Einzige, was ihr Blick offen verriet, war Neugier.

Hinter ihnen ertönten Schreie des Triumphs, als ein Fan sich den Ball als Trophäe schnappte.

Wütend starrte Parks zurück. »Ihr Name?«, fragte er leise.

Er hatte wieder diesen intensiven, gefährlichen Blick. Brooke verordnete ihrer Stimme ruhige Gelassenheit. »Brooke.«

»Den ganzen, verdammt!«, stieß Parks aus, von der Zeit gedrängt und wütend auf sich selbst. Er beobachtete, wie sie eine geschwungene Augenbraue hochzog und ertappte sich beim Wunsch, die Frau von ihrem Tribünenplatz zu zerren.

»Gordon«, antwortete Brooke ungerührt. »Ist das Spiel vorbei?«

Parks kniff die Augen zusammen, bevor er aufs Spielfeld zurückging und dabei murmelnd antwortete: »Es beginnt gerade erst.«

2. KAPITEL

Brooke hatte den Anruf erwartet. Immerhin kannte Parks ihren Namen, und der stand im Telefonbuch. Erwartet hatte sie ihn allerdings nicht Sonntagmorgen um Viertel nach sechs.

Noch halb im Schlaf, griff sie nach dem schrillenden Telefon. Den Hörer zu packen, das schaffte sie gerade noch, doch der Apparat fiel mit einem Knall zu Boden. »Hallo«, murmelte sie, ohne die Augen zu öffnen.

»Brooke Gordon?«

»Hm.« Sie kuschelte sich ins Kissen. »Ja.«

»Hier spricht Parks Jones.«

Plötzlich putzmunter, öffnete Brooke die Augen. Das Licht war weich und verschwommen in der frühen Dämmerung. Die ersten Vögel begannen gerade zu zwitschern. Brooke tastete nach ihrem alten Aufziehwecker neben dem Bett und wunderte sich, dass es noch so früh war. Einen Schwall von Flüchen unterdrückend, sprach sie ruhig und gedämpft weiter. »Wer bitte?«

Parks nahm den Hörer in die andere Hand und zog die Brauen zusammen. »Parks Jones. Sie wissen schon – Baseball.«

Brooke gähnte und drückte ihr Kissen zurecht. »Oh!« Das war alles, was sie sagte, aber in ihren Augen blitzte es verschmitzt auf.

»Ich möchte Sie wiedersehen. Wir fliegen heute von New York zurück. Wie wäre es mit einem späten Dinner?« Warum tue ich das?, fragte er sich, als er in dem kleinen Hotelzimmer auf und ab ging. Und warum, um alles auf der Welt, tat er es nicht mit etwas mehr Stil?

»Dinner«, wiederholte Brooke träge, während ihr Verstand schnell arbeitete. War es nicht gerade typisch für diese Sorte Mann zu erwarten, dass eine Frau keine festen Pläne hatte und nur darauf wartete, ihm zu gefallen? Ihr erster Impuls war, ihm eine kalte Abfuhr zu erteilen, doch dann gewann ihr Sinn für das Lächerliche der Situation die Oberhand. »Nun …« Sie zog das Wort in die Länge. »Vielleicht. Um wie viel Uhr?«

»Ich hole Sie um neun ab.« Parks ignorierte einfach das Vielleicht. Wenn er es drei Tage lang nicht schaffte, sich eine Frau aus dem Kopf zu schlagen, dann musste er den Grund dafür herausfinden. »Ich habe die Adresse.«

»In Ordnung, Sparks, um neun.«

»Parks«, verbesserte er und legte auf.

Brooke brach in schallendes Gelächter aus.

Brooke war immer noch in bester Laune, als sie sich abends umzog. Was würde Parks Jones wohl sagen, wenn er wüsste, dass er seine zukünftige Regisseurin zum Dinner ausführte? Bestimmt würde er nicht sehr erfreut sein, wenn er erfuhr, dass sie diese kleine Information ausgelassen hatte. Aber das ganze Szenario reizte Brooke zu sehr. Außerdem war da auch noch die Tatsache, dass er etwas in ihr berührt hatte, was sie verarbeitet haben wollte, ehe ihre gemeinsame Arbeit begann.

In ein Badetuch gehüllt, begutachtete Brooke ihre Garderobe. Sie verabredete sich nicht oft – ihre Entscheidung. Frühe Erfahrungen hatten ihre Haltung Männern gegenüber beeinflusst. Waren sie gut aussehend und charmant, ging Brooke ihnen aus dem Weg.

Sie war erst siebzehn gewesen, als sie ihren ersten hübschen Charmeur getroffen hatte. Er war zweiundzwanzig gewesen und frisch vom College. In dem Restaurant, in dem sie gearbeitet hatte, hatte Clark immer schnell einen Scherz parat gehabt und war großzügig mit Trinkgeld. Sie gingen ein- oder zweimal die Woche ins Kino, dann folgte ein Picknick. Es hatte Brooke nicht beunruhigt, dass er nicht arbeitete. Er behauptete, seine Freiheit für einen Sommer genießen zu wollen, ehe er sich an einen festen Job band.

Seine Familie stammte aus Boston, tat sehr vornehm und hatte Beziehungen. Ihr vornehmes Getue, erklärte Clark mit seinem beißenden Spott, der Brooke so faszinierte, gründete sich darauf, dass es viele Familienerbstücke und wenig Bargeld gab. Doch aus seinem Spott sprach auch familiäre Verbundenheit, und dafür beneidete sie ihn zutiefst. Clark konnte Späße über seine Familie machen, weil er fest zu ihr gehörte.

Er brauche seine Freiheit, meinte er, ein paar Monate Flucht vor Anforderungen nach den Bevormundungen des College. Er wolle das wirkliche Leben schmecken, bevor er sich nach einer idealen Karriere umsah.

Jung und hungrig nach Zuneigung, hatte Brooke jedes seiner Worte aufgesaugt, hatte jeden Spruch geglaubt. Clark blendete sie mit einer Ausbildung, die sie sich gewünscht hatte, aber nie bekommen konnte. Er sagte ihr, wie schön und süß sie sei, dann küsste er sie, als ob er es ehrlich meinte. Sie verbrachten Nachmittage am Strand und mieteten sich Surfbretter, und Brooke bemerkte gar nicht, dass sie dafür bezahlte. Und als sie ihm ihre Unschuld in einer Mischung aus panischer und verschämter Aufregung gab, schien er zufrieden mit ihr zu sein. Über ihre naive Verlegenheit lachte er und war zärtlich zu ihr. Für Brooke konnte es kein vollkommeneres Glück geben.

Dann schlug er ein gemeinsames Leben vor, und Brooke willigte begeistert ein. Sie wollte für ihn kochen und putzen und sehnte sich danach, mit ihm aufzuwachen und einzuschlafen. Über die Tatsache, dass ihr geringer Verdienst sie beide ernähren musste, machte sie sich keine Gedanken. Und von Ehe sprach Clark genauso wie von Arbeit – vage. Das war etwas für die Zukunft, etwas, woran moderne verliebte Leute keinen Gedanken verschwendeten. Brooke stürzte sich überglücklich in das, was sie als ihr erstes wirkliches Zuhause ansah. Eines Tages würden sie Kinder haben, Jungen mit Clarks hübschem Gesicht, Mädchen mit seinen braunen Augen. Kinder, die Großeltern in Boston hatten, Kinder, die wussten, wer ihre Eltern waren und wo ihr Zuhause.

Drei Monate schuftete sie wie ein Pferd, sparte von ihrem knappen Lohn noch für die Zukunft, von der Clark immer sprach. Er selbst widmete sich weiter seinen, wie er sagte, Studien und lehnte systematisch alle Jobs in den Stellenanzeigen als für ihn ungeeignet ab. Brooke konnte ihm nur zustimmen. Für sie war Clark viel zu klug für irgendeine körperliche Arbeit, viel zu bedeutend für irgendeine gewöhnliche Position. Wenn der richtige Job erst kam, das wusste sie, dann würde er einfach antreten und sofort wie eine Rakete an die Spitze schießen.