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Gutes Dressurreiten setzt weder Reithalle noch Viereck voraus! Hier erfährt der ambitionierte Freizeitreiter, wie er die klassische Reitlehre im Gelände anwenden und sein Pferd in freier Natur gymnastizieren kann. Kreative Übungsreihen von der Grundausbildung bis hin zu Seitengängen und Galoppwechseln beziehen die verschiedensten Geländegegebenheiten mit ein und bringen Abwechslung in das Training eines jeden (Dressur)pferdes.
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Seitenzahl: 132
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FeinesDressurreitenim Gelände
Katharina Möller
FeinesDressurreitenim Gelände
Gymnastizierung in freier Natur
Haftungsausschluss
Autorin und Verlag haben den Inhalt dieses Buches mit großer Sorgfalt und nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt. Für eventuelle Schäden an Mensch und Tier, die als Folge von Handlungen und/oder gefassten Beschlüssen aufgrund der gegebenen Informationen entstehen, kann dennoch keine Haftung übernommen werden.
Impressum
Copyright © 2014 by Cadmos Verlag, SchwarzenbekGestaltung und Satz: r2 medien design, VerdenLektorat der Originalausgabe: Maren Müller
Coverfoto und Fotos im Innenteil: Neddens Tierfoto, sofern nicht anders angegeben
Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-EinheitsaufnahmeDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten.
Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.
eISBN: 978-3-8404-6169-9
INHALT
Einleitung
Dressurreiten im Gelände – Not oder Tugend?
Viereck oder Landschaft?
Sinn und Zweck der Campagneschule
Dressurübungen im Gelände
Wege mit und ohne seitliche Begrenzung – die Linie finden
Waldweg (beidseitige Begrenzung): Takt, Losgelassenheit, Anlehnung
Waldrand (einseitige Begrenzung): Seitengänge
Feld- und Wiesenwege: Tempokontrolle und Kombination der Seitengänge
Lange und kurze Wege
Übergänge zwischen den Gangarten
Durchlässigkeit gezielt verbessern
Wege mit Gefälle
Bergaufreiten: Förderung der Schubkraft
Bergabreiten: Förderung der Tragkraft
Wellenbahn
Kurven
Diagonale Hilfengebung und Biegung
Umstellen und flache Schlangenlinien
Kurzkehrt und Arbeitspirouetten
Kontergalopp und Galoppwechsel
Schmale und breite Wege
Schmale Pfade: Kontrolle der Linie
Breite Wege: Schenkelweichen und Zickzacktraversalen
Wiesen und offenes Feld
Zirkelvariationen
Volten und Seitengänge in Kombination
Geländeschwierigkeiten aus Dressurreitersicht
Klettern
Brücken
Tore
Wasserdurchritt
Windbruch
Springen
Aufbau einer Arbeitseinheit
Sorgfältig aufwärmen
Sinnvoll lösen
Gemeinsam arbeiten
Gezieltes Pausenmanagement
Entspannt nach Hause kommen
Wie oft? Wie lange? Wie viel?
Ausblick:„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!“
Anhang
Danksagung
Über die Autorin
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis und Lesetipps
EINLEITUNG
„Draußen nur – wenn du liebst – trägt dein Pferd dich recht.
Draußen nur, unter freiem Himmel, ist es ganz königlich, ist es ganz Tier.
Draußen nur ist es wirklich beschwingt […].
Hohe Schule – nun wohl. Aber die höchste Schulung:
Willst du sie missen? Nur der Himmel, Geliebte, ist groß genug,
dein Zelt zu sein, wenn du reitest.“
(Rudolf G. Binding)
Die Seitengänge lassen sich im Gelände hervorragend erarbeiten und verbessern.
Dressurreiten im Gelände –Not oder Tugend?
Mit Bedauern in der Stimme hört man manche Reiter sagen: „Nein, ich bin nur Geländereiter. Eine Reithalle haben wir nicht, wir können keine Dressur.“ Wer sich aber für die klassische Dressur unabhängig vom Turniersport interessiert, stellt schnell fest, dass diese überhaupt nicht abhängig ist von einem sogenannten Dressurviereck. Gut reiten kann man schlicht und einfach überall! Ich selbst habe die Erfahrung gemacht, dass aus der vermeintlichen Not des Im-Gelände-Dressurreiten-Müssens sogar eine Tugend werden kann. Viele Dressurlektionen machen draußen doppelt so viel Spaß oder gelingen sogar leichter als in einer Reithalle. Unter welchen Voraussetzungen eine Dressurausbildung im Gelände funktionieren kann und wo sie sich geradezu anbietet, ist Thema dieses Buches.
HUFSCHUTZ FÜRS GELÄNDE
Die Bodenbeschaffenheit im Gelände ist regional sehr unterschiedlich. Je nachdem, wie bei Ihnen vor Ort die Böden sind und wie die Hufe Ihres Pferdes beschaffen sind, wird Ihr Pferd für sinnvolles, regelmäßiges Training im Gelände einen Hufschutz benötigen. Ein fühliges Pferd wird sich immer festhalten, anstatt sich losgelassen zu bewegen.
Meine eigenen Pferde gehen seit Jahren „barfuß“ und kommen mit vielen Böden gut zurecht. Im Bedarfsfall, etwa wenn ich geschotterte Wege bereiten möchte, nutze ich Hufschuhe.
ViereckoderLandschaft?
Keine Frage – es gibt Ausbildungsziele, die man leichter und schneller auf einem Dressurviereck erarbeiten kann. Aber es gibt genauso Ausbildungsziele, die in der freien Landschaft besser zu erreichen sind. Im Idealfall hat man also beides zur Verfügung und kann täglich individuell entscheiden, wo man reiten geht – je nachdem, was man gerade trainieren möchte.
Ein Vorteil eines guten Dressurvierecks ist sein ebener, weich federnder, aber dennoch nicht zu tiefer Boden. Der erleichtert oft erst einmal die taktmäßige und losgelassene Bewegung. Auf der anderen Seite fördert aber gerade der unebene, vielseitige Naturboden im Gelände Gleichgewicht und Koordination und somit die gesunde Entwicklung des Pferdes. Ein hektisches Reiter-Pferd-Paar wird neue Übungen vielleicht besser in der sicheren, gewohnten Umgebung des Vierecks erlernen, wohingegen Training im Gelände gerade bei „klemmigen“, eher verhaltenen Pferden, denen das Vorwärts fehlt, Wunder wirken kann.
Je nachdem, wie die Landschafts- und Bodenverhältnisse geartet sind, die man vor der eigenen Haustür findet, muss man unter Umständen im Gelände ständig Rücksicht nehmen und in angepasstem Tempo reiten, während man die Bewegungen auf sicherem Reitplatzgrund auch einfach mal fließen lassen kann. Ich habe es aber auch schon andersherum erlebt: Wenn ein suboptimaler Hallenboden einem Traumgelände gegenübersteht, dann fällt die Entscheidung für gewisse Trainingsabschnitte eben pro Natur. Es gilt, die örtlichen Trainingsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen. In den Praxiskapiteln wird bei den entsprechenden Übungen und Lektionen erläutert, in welchen Fällen und warum diese besonders gut im Gelände geübt werden können. Auch die Entscheidung, auf welchem Boden man welche Gangart wählt, ist individuell zu fällen. Je besser Sie Ihr Pferd kennen, desto besser spüren Sie, ob ihm ein Boden zu hart, zu nass oder zu tief ist. Nutzen Sie diese Strecke dann ebenfalls für Ihr Training, aber passen Sie nötigenfalls Gangart und Lektion an!
Das Gelände nutzen: Galoppverstärkung bergauf mit vorbildlicher Rahmenerweiterung.
Abgesehen von ebenem Boden besitzt das Dressurviereck auch gerade Begrenzungslinien und Bahnpunkte, was es dem Reiter erleichtert und ihn auch dazu ermuntert, sein Pferd auf Linie zu bringen: Durch das korrekte Reiten der Hufschlagfiguren verbessern sich Geraderichtung und Balance. Das Pferd kommt an die Hilfen, weil der Reiter bei der Arbeit auf wohlüberlegten Hufschlaglinien das Zusammenspiel seiner inneren und äußeren Hilfen übt und jedes Abweichen bemerkt (vergleiche Ritter: ‘Klassisches Reiten auf Grundlage der Biomechanik’). In der freien Landschaft dagegen gibt es keine vorgegebenen Figuren und festgeschriebenen Bahnpunkte, an denen man seine Linienführung wie gewohnt orientieren kann. Daher muss der Reiter selbst seine Linie festlegen und Orientierungspunkte finden. Zunächst mag das im Gelände schwerer fallen als auf einem Reitplatz, doch zum einen wird Ihnen dieses Buch Anhaltspunkte für eine geschickte Linienführung, abhängig von Lektion und Geländesituation, liefern. Zum anderen werden Sie feststellen, dass Sie gerade durch das Fehlen vorgeschriebener Linien draußen ein besonders feines Gespür dafür entwickeln werden, wann das Pferd sich unter Ihnen wirklich im Gleichgewicht befindet. Wer das fühlen kann, braucht keinen Zaun und keine Buchstabentafeln mehr!
Zumindest für die Schrittarbeit findet sich in jeder Jahreszeit ein geeigneter Untergrund.
Sinn und Zweck derCampagneschule
Die Campagneschule bezeichnet in der klassischen Reiterei denjenigen Teil der Dressurausbildung, der vor der Hohen Schule steht: Somit umfasst die Campagneschule alle Dressurlektionen bis zur Klasse M, also Biegungen, Seitengänge, versammelte sowie verstärkte Tempi und Galoppwechsel.
Wie der Name schon sagt („Campagne“ ist Französisch für Land, Feld), geht es dabei nicht um Turniererfolge im Sinn der modernen Sportdressur, sondern um eine allgemeine Grundausbildung, sozusagen die Dressur für den Hausgebrauch. Das Pferd soll durch diese klassische Ausbildung in die Lage versetzt werden, das Reitergewicht gesund erhaltend zu tragen und ein angenehmes Reitpferd zu werden. Je weiter Pferd und Reiter auf diesem Weg fortgeschritten sind, desto genussvoller und sicherer ist das Reiten – auch und gerade im Gelände. Wir wünschen uns ein Pferd, das in allen oben genannten Bewegungsformen durchlässig und willig den feinen Hilfen des Reiters zu entsprechen vermag. Im Lauf der Ausbildung wird das Pferd immer durchlässiger, weil es körperlich immer geschmeidiger, kräftiger und besser ausbalanciert wird. Im Gelände ausgeführt, werden bei dieser auf den natürlichen Bewegungsformen des Pferdes basierenden Ausbildung dessen Bedürfnisse nach Licht, Luft und Bewegung am umfassendsten erfüllt.
Die Grundausbildung eines Pferdes kann sehr gut im Gelände stattfinden.
Dass eine Reitbahn für die Ausbildung nicht zwingend benötigt wird, heißt nicht, dass man die Ergebnisse nicht auf dem Dressurviereck unter Beweis stellen darf – im Gegenteil! Ein im Sinn der Campagneschule ausgebildetes Pferd wird auch mit Anstand, wenn nicht gar mit Bravour, durch eine Turnieraufgabe oder einen Showauftritt kommen. Langstreckenpferde, die im Wanderreiten oder im Distanzsport gehen, werden durch derartige Dressurausbildung besser geradegerichtet werden und so ermüdungsfreier und gelenkschonender laufen können. Die Trainingszweige ergänzen sich also in allen Fällen gegenseitig.
WER HIRN HAT, SCHÜTZT ES!
Im Gelände ist das Tragen eines Reithelms obligatorisch. Moderne Helme sind leicht, gut belüftet und, wenn sie richtig zum Reiterkopf passen, auch sehr bequem. Wer einmal die Zeit und das Geld investiert, das richtige Modell zu finden, der wird den Helm dann auch gern tragen. Seien Sie ein Vorbild und reiten Sie nicht ohne Helm aus – auch nicht „nur“ die kleine Schrittrunde um die Reitanlage!
Insbesondere wenn Sie allein unterwegs sind, sollten Sie außerdem immer ein Mobiltelefon bei sich tragen und im Stall jemanden über die Strecke informieren, die Sie reiten wollen.
Dressurübungen im Gelände
Ein Pas de deux auf dem Stoppelfeld.
Die Traversale kann auf dem freien Feld besonders großzügig und schwungvoll angelegt werden.
Wie man sein persönliches Dressurtraining im Gelände aufbaut, hängt von der reiterlichen Zielsetzung ab: Was genau möchte ich fördern und verbessern? Auf welchem Ausbildungsstand befinden mein Pferd und ich uns überhaupt, also was genau sollen wir als Nächstes erlernen? Womit kann ich bestimmte Rittigkeitsprobleme verbessern? Jede einzelne Arbeitseinheit erfüllt einen Zweck, selbst der vermeintliche „Bummelausritt“ mit Freunden (das entspannte Gehen am langen Zügel trainiert beispielsweise die Gelassenheit in der Gruppe, fördert das zwanglose Schreiten und somit den Raumgriff im Schritt).
Außerdem gilt es zu beachten, welche Geländemöglichkeiten man vor Ort findet. Unterschiedliche landschaftliche Gegebenheiten bieten sich für diverse Lektionen an – deswegen ist dieses Kapitel nach Wegarten strukturiert. Wenn es eine oder mehrere dieser Geländesituationen bei Ihnen nicht gibt, heißt das aber nicht, dass Sie diese Übungen nicht auch in anderer Umgebung reiten könnten. Wer keinen Wald vor der Stalltür hat, sucht sich eben entsprechende Feldwege und umgekehrt. Ein optimales Reitgelände, das alle vorgeschlagenen Geländesituationen direkt vor der Stalltür bietet, gibt es kaum. Werden Sie kreativ und nutzen Sie die vorhandene Landschaft!
Die Übungen sind nach Lektionengruppen zusammengefasst. Im Rahmen der klassischen Dressurausbildung ist es jedoch wichtig, dass diese Lektionen nicht als Selbstzweck verstanden, sondern dazu eingesetzt werden, die Durchlässigkeit des Pferdes schrittweise zu verbessern. Für jede Lektionengruppe gibt es Anwendungs- und Kombinationsbeispiele, die Ihnen helfen sollen, sinnvolle Übungsreihen für Ihr jeweiliges Pferd zusammenzusetzen. Es werden Wirkzusammenhänge erklärt und Folgeübungen für eventuell aufkommende Schwierigkeiten vorgeschlagen.
Wichtig: Dieses Buch kann und soll keine Reitlehre ersetzen. Die vollständige Hilfengebung und technische Ausführung aller vorkommenden Lektionen können Sie zum Beispiel den in den Literaturhinweisen angegebenen Grundlagenwerken entnehmen. Hier liegt das Hauptaugenmerk darauf, wie Lektionen im Gelände eingesetzt werden können, worauf dabei im Hinblick auf die Gesamtausbildung des Pferdes zu achten ist und welche gymnastizierende Wirkung die Lektionen bei der beschriebenen Anwendung haben.
REITUNTERRICHT IM GELÄNDE
Leider ist es vielerorts nicht üblich, bei der Arbeit im Gelände Unterricht in Anspruch zu nehmen – dabei wäre das sehr sinnvoll, um individuell auf das eigene Pferd und die eigene Reiterei angepasste Übungsansätze und gegebenenfalls Korrekturen zu erhalten. Aufgeschlossene Reitausbilder können jedoch – wenn es nicht möglich ist, die Schüler ins Gelände zu begleiten – auch auf dem Reitplatz Tipps für das nächste Training im Gelände geben. Scheuen Sie sich nicht zu fragen!
Ob es sinnvoll ist, allein, zu zweit oder gar in einer Gruppe auszureiten, ist ebenfalls abhängig davon, was genau Sie trainieren möchten. Für die Basisübungen bietet sich die Begleitung eines geländeerfahrenen zweiten Pferdes an, das Ruhe ausstrahlt und sich ganz nach Übungszweck vor, hinter oder neben Ihrem Pferd reiten lässt. Einem ängstlichen Pferd vermittelt das erfahrene Führpferd Sicherheit, ein triebiges Pferd wird von ihm „gezogen“. Einem übereifrigen Pferd tut es dagegen gut zu üben, hinter dem zweiten Pferd zu bleiben. Neue Lektionen erlernt jedes Reiter-Pferd-Paar natürlich am besten an der favorisierten „Wohlfühlposition“, aber im Zug der umfassenden Grundausbildung sollte selbstverständlich daran gearbeitet werden, dass das Pferd später an jeder beliebigen Position in der Gruppe reitbar ist. Solange es anfangs um die Losgelassenheit in den Grundgangarten geht, sollte der Reitpartner ein Pferd mit ähnlichem Gangvermögen reiten und das Tempo sollte insgesamt dem Wohlfühltempo des Jungpferdes angepasst werden, in dem dieses besonders gut zur Losgelassenheit finden kann. Sobald vom Ausbildungsstand her Tempounterschiede möglich sind, können sich auch „ungleiche“ Paare zusammenfinden und sich einander anpassen.
Steht Ihnen kein Trainingspartner zur Verfügung, der eine ähnliche reiterliche Philosophie verfolgt, dann ist es besser, allein zu reiten. Auch für die fortgeschrittenen Übungsreihen, die viele Übergänge oder gar Pirouetten enthalten, müssen Sie und Ihr Pferd ungestört sein. Wie wir in den folgenden Praxiskapiteln noch eingehend besprechen werden, entsteht dabei nämlich ein wahrer Fluss an individuellen Übungen, deren Bestandteile nach Gefühl zusammengesetzt werdenM; ein Fluss, der sich ständig weiterentwickelt – Reiten als Zwiegespräch zwischen Ihnen und Ihrem Pferd.
Wenn Sie gemeinsam reiten, besprechen Sie auf jeden Fall vorab, dass Sie einen „Dressurausritt“ machen und was genau Sie üben möchten.
WO DARF MAN ÜBERHAUPT REITEN?
Die Regelung des Reitrechts ist in Deutschland Ländersache, deswegen unterscheiden sich die Reitgebote und -verbote in den einzelnen Bundesländern auch stark voneinander. Wo genau das Reiten in Feld und Wald in Ihrem Bundesland erlaubt ist, müssen Sie daher individuell in Erfahrung bringen. Eine Zusammenstellung über das Reitrecht in allen Bundesländern finden Sie beispielsweise auf der Internetseite der Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (e. V.) unter www.vfdnet.de.
Wege mit und ohne seitliche Begrenzung –die Linie finden
Ein essenzielles Ziel in der Grundausbildung des Pferdes, das auch bei den höheren Lektionen immer als Erfolgskriterium gilt, ist das Reiten auf Linie. Dabei geht es darum, dem Pferd zu seitlichem Gleichgewicht zu verhelfen. Eine Linie kann der Reiter nur dann halten, wenn er sein Pferd zwischen seinen beiden Beinen (im Speziellen seiner Oberschenkelknochen) und beiden Zügeln bei festgestelltem Halsansatz wie einen Zug auf Schienen führen kann. Es liegen Welten zwischen „das Pferd irgendwie in eine gewünschte Richtung laufen lassen können“ und dem Reiten auf einer exakten Spur – und eben nicht einen Meter links oder rechts davon.
In Ermangelung festgeschriebener Bahnfiguren muss und darf der Reiter im Gelände seine Linien selbst wählen. Zu Beginn erleichtern Landschaftsmerkmale die Orientierung im Raum. Je besser das Pferd ins Gleichgewicht findet, je mehr es geradegerichtet und versammelt wird, desto schöner, sicherer und fließender werden seine Bewegungen und desto unabhängiger wird man vom vorhandenen Gelände – das Reiten auf Linie soll zur geliebten Gewohnheit werden! Der Reiter entwickelt dabei im Lauf seiner eigenen Reitausbildung ein zunehmend besseres Gespür für das Gleichgewicht: Auf welche Schulter kippt das Pferd gerade? Welches Hinterbein fußt am Schwerpunkt vorbei? Basierend darauf kann dann ein geraderichtendes Gymnastizierungsprogramm erarbeitet werden. Doch beginnen wir zunächst mit den Grundvoraussetzungen.
Feldkanten bieten gute Orientierungshilfen.
Waldweg (beidseitige Begrenzung): Takt, Losgelassenheit, Anlehnung
Erfahrungsgemäß sind übersichtliche Waldwege oder Wege, die anderweitig seitlich begrenzt sind, am leichtesten zu reiten. Für junge Pferde und (Gelände-)Einsteiger sind zwei bis drei Meter breite Wege ideal, die seitlich blickdicht durch Wald begrenzt sind. Gerade wenig routinierte Geländepferde oder -reiter finden hier Sicherheit und ein gleichmäßiges Tempo, da der vor ihnen liegende Weg klar ersichtlich ist. Wenn zudem ein sicheres Führpferd mit einem verständnisvollen, aber nicht ängstlichen Reiter vorneweg geht, geht das Geländeeinsteigerpferd erfahrungsgemäß auch gelassen hinterher. Gerade diese ersten Ritte müssen mit Bedacht geplant werden. Vorsicht bei der Streckenwahl (damit Ihnen nicht überraschend Geländeschwierigkeiten begegnen!) und gegenseitige Rücksichtnahme zeugen nicht etwa von Angst, sondern von Verantwortungsbewusstsein. Tragen Sie Sorge dafür, dass diese ersten Ritte keinesfalls traumatisch enden.