Fettnäpfchenführer Dänemark - Katja Josteit - E-Book

Fettnäpfchenführer Dänemark E-Book

Katja Josteit

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Beschreibung

Jan und Katie freuen sich bei ihrem Aufenthalt im Hygge-Paradies auf einen entspannten Menschenschlag und viel Ruhe. Beinahe wäre es auch genauso gekommen, wenn sie bedacht hätten, dass ... ... Gelassenheit auch nerven kann ... Süßigkeiten manchmal nicht unseren deutschen Gaumen munden ... man schnell dänische Lautmalerei mit deutschen Bedeutungen durcheinanderwirft ... das dänische Arbeitsleben anders funktioniert – aber auch viel richtig macht

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FETTNÄPFCHENFÜHRERDÄNEMARK

KATJA JOSTEIT

DER UNTERHALTSAME REISEKNIGGE

Impressum

© 2024 Bruckmann Verlag GmbH

Infanteriestraße 11a

80797 München

Alle Rechte vorbehalten.

ISBN: 978-3-7343-3242-5

eISBN: 978-3-9588-9510-2

Autorin: Katja Josteit

Verantwortlich: Matthias Walter

Produktmanagement: Svenja Müller

Lektorat: Meike Key, Rueil-Malmaison, Frankreich

Korrektorat: Simona Fois

Umschlaggestaltung: derUHLIG Büro für Gestaltung unter Verwendung von Motiven Katja Josteit (Reifen), kuznetsova_darya / vecteezy.com (Leuchtturm & Möwe), artofangga / vecteezy.com (Hintergrund)

Satz: Röser MEDIA, Karlsruhe

Druck und Verarbeitung: Printed in Türkiye by Elma Basim

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Alle Angaben dieses Werkes wurden von der Autorin sorgfältig recherchiert und auf den neuesten Stand gebracht sowie vom Verlag geprüft. Für die Richtigkeit der Angaben kann jedoch keine Haftung erfolgen. Sollte dieses Werk Links auf Webseiten Dritter enthalten, so machen wir uns diese Inhalte nicht zu eigen und übernehmen für die Inhalte keine Haftung.

INHALT

DIE PROTAGONISTEN

ANREISE: DÄNEMARK – LANGWEILIG UND VERREGNET?

Anreise ins geliebte Land

1MAL EBEN ÜBER DIE GRENZE?

Bitte keine offenen Messer

2ENDLICH IM HERZENSLAND?

Erst mal einen Hotdog

3GAS GEBEN OHNE REUE?

Kein Stress mit dem Beschleunigungsstreifen

4WELCHE VERDAMMTE KURVE?

Die berühmteste Kurve Dänemarks

5KEINER IST BESSER ALS DER ANDERE?

Von Gastfreundschaft, Gleichheit und dänischer Gelassenheit

6WIE ÖFFNET MAN EINE TÜR?

Wenn die Türen anders gehen

7MAL KURZ AN DEN STRAND?

Quer durch die Dünen: Fehlanzeige

8EIN FERIENHAUS IST KEIN HOTEL?

Wie man sich bettet

9NATURFREUND ODER NICHT?

Spinne am Morgen – kein Grund für Sorgen

10EINKAUFEN AN EINEM SONNTAG?

Im Paradies des dänischen Essens

11WER IST EIGENTLICH DIESER YMER?

Milch ist nicht gleich Milch

12WARUM DARF ICH HIER NICHT PARKEN?

Strafzettel? Nein danke!

13EINFACH MAL DIE DEUTSCHE FLAGGE NEHMEN?

Regeln fürs richtige Hissen

14LAKRITZSTREUSEL AUF DEM EIS?

Guf und andere süße Verwirrungen

15WARUM SIND HIER KEINE 30 GRAD?

Vom Umgang mit »schlechtem« Wetter

16IST EIN ABSCHIED EIN NEUER ANFANG?

Gelassenheit und Optimismus als Lebensprinzip

17WIE GEHE ICH MIT DEN BUNKERN UM?

Zeugnisse deutsch-dänischer Geschichte

18WAS BEDEUTET KRYDSENDE CYKLISTER?

Kreuzende Radfahrer und ein Apfelkuchen, der keiner ist

19NICHTS ALS ALTES ZEUGS?

Auf zum dänischen loppemarked

20WARUM VERSTEHEN SICH DIE SKANDINAVIER NICHT?

Dänen sind keine Schweden

21ZUR FROKOST ERST MITTAGS KOMMEN?

Von Mahl- und Essenszeiten

22SIND NAMEN SCHALL UND RAUCH?

Warum man in Dänemark mehrere Namen tragen kann

23BERUF UND FAMILIE – EIN KINDERSPIEL?

Vereinbarkeit und Kinderfreundlichkeit

24IST HIER DENN KEINER?

Gerade noch gut gegangen

25WARUM MUSS ICH SO FRÜH LOS?

Pünktlichkeit ist eine Zier

26DU ODER SIE?

Von Duz-Freunden und Chefinnen

27PLANEN ODER MACHEN?

Deutsche Alphatiere und dänische Deeskalation

28WARUM IST EIN SMØRREBRØD KEIN BUTTERBROT?

Probieren geht über Studieren

29SPRECHE ICH DAS RICHTIG AUS?

»D«, »l« oder doch »ð«

30ALLER ANFANG IST SCHWER?

Studieren in Dänemark

31SICHER ODER VERANTWORTUNGSLOS?

Schlaf, Kindlein, schlaf!

32EINFACH ESSEN GEHEN?

Smileys und Hygge im Restaurant

33WER ENTSCHEIDET?

Lasst uns alle einig sein

34EIN SICHERES LAND?

Von offenen Haustüren und einem prekären Picknick

35NUR EIN LEUCHTTURM?

Die Fahrt nach Norden

36WILLST DU …?

Ein Häuschen im gelobten Land

37WAS MIT NACH HAUSE NEHMEN?

Dänische Köstlichkeiten für zu Hause

38KÖNNEN WIR NICHT EINFACH LOSFAHREN?

Erst sauber machen, dann Sonnenuntergang

ABREISE: FARVEL, DÄNEMARK?

Die Hygge im Herzen bewahren

TUSIND TAK – TAUSEND DANK

Jan und Katie freuen sich bei ihrem Aufenthalt im Hygge-Paradies auf einen entspannten Menschenschlag und viel Ruhe. Beinahe wäre es auch genauso gekommen, wenn sie bedacht hätten, dass …

… Gelassenheit auch nerven kann

… Süßigkeiten manchmal nicht unseren deutschen Gaumen munden

… man schnell dänische Lautmalerei mit deutschen Bedeutungen durcheinanderwirft

… das dänische Arbeitsleben anders funktioniert – aber auch viel richtig macht

»Die ortskundigen Beschreibungen machen das Buch lebendig, die einfache Geschichte ist ein geeigneter roter Faden und die vielen Informationsboxen halten für Neugierige und langjährige Dänemark-Urlauber spannende Fakten bereit.«

KLITLY.DE – DER KLEINEDÄNEMARK-BLOG

»Dänemark-Fans werden das Buch vermutlich verschlingen.«

KIELER NACHRICHTEN

10 DINGE,

MIT DENEN MAN SICH IN DÄNEMARK AUF JEDEN FALL BLAMIERT

1.Die deutsche Flagge hissen: Das ist sogar verboten! Nur die dänische Flagge darf alleinstehend gehisst werden, und selbst dafür gibt es Regeln.

2.Zu spät kommen: Pünktlichkeit ist eine Tugend! Wer bei einem beruflichen Termin oder einer privaten Feier zu spät erscheint, macht Minuspunkte, bevor das erste Wort gewechselt ist.

3.Zu schnell fahren: Die Geschwindigkeit zu überschreiten kann in Dänemark rasant teuer werden.

4.Denken, dass jeder Däne Deutsch kann: Zum einen ist das nicht so, und zum anderen ist schon die Annahme ziemlich unhöflich. Besser, man fragt »Må jeg tale tysk?« (»Darf ich Deutsch sprechen?«). Als Alternative bietet sich Englisch an, das nahezu alle Dänen sehr gut sprechen.

5.Sich über das Wetter beklagen: Das hören die Dänen nicht gerne, lieber freuen sie sich über jeden Sonnenstrahl. Einfach wetterfeste Kleidung anziehen!

6.Baderegeln ignorieren: Mutterseelenallein im Meer zu schwimmen kann lebensgefährlich werden. Denn dann ist niemand da, der einen rettet, wenn man in eine gefährliche Strömung gerät.

7.Quer durch die Dünen laufen: Die Dünen sind ein wichtiger Bestandteil des Küstenschutzes und zudem Heimat einer reichen Fauna und Flora.Bitte auf den Wegen bleiben und die Natur schonen!

8.Mit Status, Anzug und Auto angeben: Die Dänen sind bescheidene Leute, keiner empfindet sich als etwas Besseres. Wer im Berufsleben Erfolg haben möchte, sollte also nicht mit einem dicken Auto vorfahren, sich in Schlips und schwarzem Anzug präsentieren und mit seinen Titeln protzen.

9.Witze über die dänische Sprache reißen: Auch wenn einige Wörter im Dänischen schwierig auszusprechen sind: Witze darüber zu reißen ist tabu. Stattdessen lieber Dänisch lernen!

10.Massenweise deutsche Lebensmittel mitnehmen: Denn auch in Dänemark gibt es Supermärkte. Außerdem bringt man sich dann um den Genuss der dänischen Spezialitäten – und das wäre doch wirklich schade.

Für meine Eltern, denen ich es zu verdanken habe, dass ichmeine Kindheitssommer in Dänemark verbringen durfte

Für meine Küstenkinder, die die Dänemarkliebe bereitsim Herzen tragen

Und für M., der den Zauber in mein Leben und in diesesBuch gebracht hat

DIE PROTAGONISTEN

Katie: Referendarin und zukünftige Deutschlehrerin, liebt und bereist Dänemark seit ihrer Kindheit

Jan: ITler und Projektmanager, Katies Freund und Dänemarkneuling

Mikkel: kompetenter Chef der Ferienhausvermietung in Søndervig, ist mit Katie befreundet

Marie: kundige Mitarbeiterin der Ferienhausvermietung

Janne: Katies dänische Freundin aus Studienzeiten, eifrige Flohmarktgängerin

Hanne: Katies Freundin, Marketing-Expertin, ausgewandert nach Hvide Sande

Frederik: IT-Spezialist, Hannes Mann

Lina und Mads: Hannes und Frederiks Kinder

Philipp: Jans Kumpel aus Studienzeiten, inzwischen Projektmitarbeiter im dänischen Projektteam

Hans Zimmer: deutscher Projektleiter, Jans Chef, schnell erzürnt

Steffen: dänischer Projektmitarbeiter

Ulf: deutscher Projektmitarbeiter, fällt durch unangebrachte Witze auf

Anne: deutsche Projektmitarbeiterin, lernt gerne neue Sprachen

Tine Clausen: freundliche und durchsetzungsfähige Chefin des dänischen Projektteams

Inge: verständige dänische Projektmitarbeiterin

ANREISE:

DÄNEMARK – LANGWEILIG UND VERREGNET?

Anreise ins geliebte Land

Autobahn Richtung Norden, vormittags, Vorfreude

»Hoffentlich habe ich nichts vergessen!« Katie kramt zum x-ten Mal in ihrer prall gefüllten Handtasche, die sie auf ihren Knien balanciert. Jan schmunzelt, während er den alten Kombi sicher durch den dichten Verkehr die A 7 entlang Richtung Flensburg steuert. »Lass mal gut sein, Katie. Du hast bestimmt an alles gedacht. Wir haben wahrlich genug an Bord.« Er deutet mit dem Kinn in Richtung Kofferraum, der mehr als ausreichend gefüllt ist, ebenso wie die Rückbank: Außer Jans Koffer und seinem schicken Leder-Business-Case sind dort noch zwei Koffer von Katie verstaut sowie mehrere Taschen, zwei große Lebensmittelkisten, eine Kühlbox, ein Picknickkorb, diverses Strandzubehör und ein Lenkdrache.

»Und falls du doch etwas vergessen haben solltest: Dänemark ist ja schließlich unser Nachbarland, was soll da groß anders sein als bei uns? Alles, was dir fehlt, kannst du vor Ort kaufen. Außerdem hast du das Wichtigste dabei: mich.« Jan zwinkert Katie zu. »Überhaupt dachte ich, Dänemark sei für dich wie ein zweites Zuhause. Weshalb bist du so aufgeregt?«

»Na, eben deshalb«, seufzt Katie. Wie soll sie Jan bloß klarmachen, dass die Aufregung, das Packen, ja selbst die Fahrt Teil der Vorfreude auf ihr Herzensland sind und für sie zur Reise nach Dänemark einfach dazugehören? Sie hofft so sehr, dass es Jan dort ebenso gut gefallen wird wie ihr – doch das würde es bestimmt. »Det skal nok gå«, schießt es Katie durch den Kopf, und sie schmunzelt, als sie merkt, dass sie gerade auf Dänisch gedacht hat, und zwar ebenjenen Satz, der wie kein anderer für sie die gelassene Grundhaltung der Dänen ausdrückt: »Das wird schon werden.«

Sie strahlt Jan an: »Entschuldige bitte, ich bin ein bisschen aufgeregt. Schließlich ist das unser erster gemeinsamer Dänemarkurlaub! Es liegt mir am Herzen, dass du dich dort wohlfühlst.«

Jan freut sich über ihr Lächeln. Das ist seine Katie, so gut gelaunt! Die letzten Wochen und Monate sind nicht ganz einfach gewesen: Stress im Job, aber auch beziehungstechnisch nicht ganz ohne. Sie sind beide so beschäftigt gewesen, von zahlreichen Verpflichtungen gehetzt und ausgelaugt, dass ihre Liebe ein wenig gelitten hat. Und dann die ewigen Diskussionen um eine mögliche gemeinsame Zukunft! ›Das hat schon etwas an den Nerven gezehrt‹, denkt Jan, doch jetzt soll das anders werden. Lieber den Tag genießen! Wie gut, dass Katie die Idee gehabt hat, seine Dienstreise nach Kolding mit einem gemeinsamen Urlaub an der Nordseeküste zu verbinden. Denn dahin würden sie zuerst fahren und eine Woche an Strand und Meer entspannen. Katie würde anschließend dort bleiben und die Zeit mit ihren dänischen Freunden verbringen, während Jan an dem deutsch-dänischen Projekttreffen teilnehmen würde. Am Ende hatten sie noch ein paar gemeinsame Tage an ihrem Urlaubsort.

Nun ja, ein wenig unsicher fühlt Jan sich schon, weil Dänemark für ihn als Urlaubsland ganz neu ist. Selbst von Geburt an ein Nordlicht, hat er sich in seinen Urlauben bislang Richtung Süden orientiert. Er schätzt das nördliche Nachbarland eher als langweilig und verregnet ein; jedenfalls hat ihm das ein Freund berichtet, der vor ein paar Jahren dort gewesen war. Hoppla, hat er den letzten Satz etwa laut ausgesprochen? Jedenfalls fährt Katie neben ihm hoch: »Wie bitte? Langweilig und verregnet?« Doch als sie Jans belustigten Blick auffängt, fügt sie erleichtert hinzu: »Du willst mich ärgern, stimmt’s?«

»Ich? Ich doch nicht!« Jan lacht. »Ich hab’s ja nur gehört. Ab sofort kann ich mich selbst vom Gegenteil überzeugen – oder etwa nicht?«

»Also regnen kann es schon mal«, gibt Katie zu. »Natürlich nicht die ganze Zeit, besonders an der Küste ziehen die Wolken schnell weiter. Doch wichtig ist, Kleidung für alle Fälle dabeizuhaben.«

»Na, das sollte zumindest bei dir der Fall sein«, neckt Jan sie. »Für mich reichen ja eine Badehose, meine Turnschuhe und eine Krawatte für das Projekttreffen.« Katie sieht Jan von der Seite an. Wenn sie sich das so in Kombination vorstellt … Sie schmunzelt. Vor allem zum Thema »Krawatte« bei dänischen Businessterminen gäbe es einiges zu sagen, doch das kann sie sich für einen späteren Zeitpunkt aufheben.

Lieber greift sie ein anderes Stichwort auf: »Langweilig ist Dänemark übrigens auch nicht, du wirst schon sehen! Tatsächlich geht es dort in einigen entscheidenden Punkten anders zu als in Deutschland. Und zwar komplett anders! Das sieht man bloß nicht auf den ersten Blick.«

»Wieso denn nicht?«, will Jan wissen. »Und was meinst du damit? Dass smørrebrød kein Butterbrot ist?«

»Das schon mal gar nicht!« Jetzt ist es an Katie, zu lachen. »Doch ich meine etwas viel Grundlegenderes. Zum Beispiel in puncto Gelassenheit und Lebensweise unterscheiden sich Deutsche und Dänen gewaltig voneinander. Von den Dänen und ihrer Hygge können wir uns einiges abschauen!«

»Hygge? Was ist denn das?« Jan ist verwirrt. »Etwa so ein Kerzengedöns?«

»Nicht wirklich. Aber etwas, das uns auch als Paar guttun wird«, antwortet Katie mit einem Lächeln und legt die Hand auf Jans Knie. »Doch das ist schwer zu erklären, das musst du erleben!«

»Na dann …« Jan lächelt zurück und freut sich insgeheim ein bisschen. Vielleicht bedeutete das ja so etwas wie ein paar nette Abende zu zweit? Das könnten sie wahrlich gut gebrauchen … Doch noch sind sie nicht im Ferienhaus angekommen – jetzt müssen sie erst einmal über die Grenze.

1

MAL EBEN ÜBER DIE GRENZE?

Bitte keine offenen Messer

Grenzübergang, später Vormittag, große Aufregung

»Ach Mensch, wo ist denn bloß mein Perso?« Katie kramt schon wieder in ihrer riesigen Handtasche. Jan schmunzelt. Inzwischen sausen sie die B 200 entlang, nachdem Katie darauf bestanden hatte, dass sie von der A 7 abfahren und den Grenzübergang bei Kruså nehmen.

Jan liebt Katie, aber manchmal macht sie definitiv zu viel Wind um gewisse Dinge. Kann sie es nicht etwas entspannter angehen lassen? So wie die Dänen, die sie so gern zitiert, die alles »hügelig« machen, oder so ähnlich.

Doch als er eine Andeutung in diese Richtung macht, sieht Katie ihn belustigt an: »Hyggelig heißt das!« Sie knufft ihn in die Seite: »Weißt du überhaupt, was das bedeutet?« Sie zuckt mit den Schultern: »Na gut, das können wir auch später noch klären. Und überhaupt, ich bin entspannt. Bloß ein bisschen aufgeregt. Eigentlich möchte ich nur, dass wir gut über die Grenze kommen und dann den Rest der Strecke in Ruhe hinter uns bringen.«

Jan legt ihr beruhigend die Hand aufs Knie. »Na klar, was soll da schon schiefgehen? Noch drei Kilometer, dann haben wir es geschafft.« Merkwürdigerweise sorgt diese Ankündigung bei Katie jedoch keineswegs für Entspannung. Während die liebliche Gegend von Wassersleben an ihnen vorbeizieht und eine Lücke zwischen den Bäumen kurz den Blick auf die Bucht der Flensburger Förde freigibt, wühlt sie weiter in den Tiefen ihrer Tasche, bis sie schließlich mit einem triumphierenden »Ha!« ihren Ausweis hervorzieht. »Wusste ich’s doch! Jetzt noch keine offenen Messer, und dann kommen wir ohne Probleme durch.«

»Keine offenen Messer?« Jan überlegt kurz, was das wohl bedeuten mag und ob er etwas sagen soll. Denn soweit er weiß, haben sie mindestens ein großes scharfes Messer dabei, und zwar in der Küchenkiste im Kofferraum. Egal, jetzt ist ganz sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um das zu diskutieren, denn die Grenze bei Kruså ist bereits in Sichtweite. Jan kommt in den Sinn, dass auch er vielleicht seinen Reisepass aus seiner Business-Tasche hervorholen und ihn Katie zum Bereithalten hätte geben sollen. Mal ganz abgesehen davon – ist der eigentlich noch gültig? Aber da sind sie schon an der Stelle angelangt, an der sich die Straße zweiteilt.

Doch dann geht alles ganz einfach. Zwar wird vor ihnen ein Wagen von der streng dreinblickenden Frau in Flecktarnuniform und mit Waffe am Gürtel aus der Schlange der Autos gewinkt und auf den Parkplatz nebenan gelotst, Katie und Jan jedoch dürfen ungehindert passieren. Sie müssen nicht einmal die Ausweise vorzeigen, und auch der Kofferraum ihres alten Kombis wird keines Blickes gewürdigt. Während Katie neben ihm die Luft, die sie offensichtlich angehalten hat, geräuschvoll ausatmet, fühlt Jan sich bestätigt: Das war ja alles gar nicht so wild – und jetzt sind sie in Dänemark!

Det skal nok gå

Ja, es ist »nur« die deutsch-dänische Grenze und nicht die Einreise in die Vereinigten Staaten von Amerika, dennoch gibt es einiges zu beachten. Es gibt zwar keinen Grund, so aufgeregt wie Katie zu sein, doch Jans Sorglosigkeit ist auch nicht unbedingt hilfreich, wenn der Urlaub ohne größere Zwischenfälle beginnen soll.

Zwar gilt in den europäischen Ländern des Schengenraums seit 1995 die allgemeine Reisefreiheit, doch Dänemark hat seit dem 4. Januar 2016 die Grenzkontrollen stichprobenartig wieder eingeführt, mit Verweis auf die Sicherheit des Landes sowie bestehende Terrordrohungen. Die temporären Maßnahmen wurden immer wieder um jeweils sechs Monate verlängert. Seit Beginn der Grenzkontrollen wurde über 7.000 Menschen die Einreise verweigert, darunter einer erheblichen Anzahl von Europäern, die ihre Ausweisdokumente schlicht und ergreifend nicht dabeihatten.

Um nach Dänemark einreisen zu können, brauchen alle Personen einen gültigen Reisepass oder Personalausweis; für Kinder müssen die Eltern entsprechend den Kinderreisepass dabeihaben. Hier ist es wichtig, dass das Kind auf dem Foto gut zu erkennen ist; insbesondere, wenn das Bild zu einem Zeitpunkt aufgenommen wurde, als das Kind noch erheblich jünger war – denn sowohl das Gesicht als auch Haar- und sogar Augenfarbe können sich in der Entwicklung vom Baby zum Kleinkind verändern.

Ohne vorherige Genehmigung dürfen Waffen nicht eingeführt werden. Das gilt auch für scharfe und spitze Messer mit einer Klinge über zwölf Zentimeter Länge. Außerdem ist es in Dänemark generell verboten, Messer und Dolche an öffentlich zugänglichen Orten mit sich zu führen. Das heißt, auch das Küchenmesser bleibt besser in der Kiste im Kofferraum und wird erst im Ferienhaus wieder ausgepackt.

Feuerwerk ist ebenfalls tabu, und zwar gleich im doppelten Sinne: Zum einen ist prinzipiell verboten, es einzuführen. Dazu gehören übrigens auch kleinere Feuerwerkskörper und Wunderkerzen. Zum anderen gibt es in vielen Ferienhausgebieten Sicherheitsregelungen, z. B. zum Schutz von Reetdachhäusern, die das Abfeuern von Raketen mit weniger als 200 Meter Sicherheitsabstand verbieten. Bei stürmischem Wetter verdoppelt sich der Abstand entsprechend – verständlicherweise. Einen Vorteil haben diese strengen Regelungen jedoch: So bleibt ein Urlaub im dänischen Ferienhaus auch über Weihnachten und Silvester herrlich ruhig und besinnlich.

EINEN ALTERNATIVEN GRENZÜBERGANG WÄHLEN

Der am häufigsten genutzte Grenzübergang auf der Reise nach Jütland ist definitiv derjenige von Ellund bzw. Padborg oberhalb von Flensburg an der A 7, die auf der dänischen Seite zur E 45 wird. Der Vorteil an dieser Stelle ist, dass Reisende auf der Autobahn bleiben und gleich weiterfahren können. Der Nachteil: Gerade zur Urlaubszeit bilden sich oft lange Staus, wenn es an der Grenze nur langsam vorangeht.

Eine gute Alternative ist der Grenzübergang im nahe gelegenen Ort Kruså, den Autofahrer über die B 200 erreichen. Kontrollen finden dort allem Anschein nach nicht so häufig statt, und kaum ein Lkw nimmt diesen Weg. Hat man die Grenze hinter sich gelassen, führen Hinweisschilder bzw. das Navi einen schnell wieder auf die E 45, auf der man seine Reise Richtung Norden fortsetzen kann. Eine andere Möglichkeit, Staus auf dem Weg nach Jütland zu umgehen, ist, von vornherein eine alternative Route zu wählen, z. B. über die deutsche B 5 und die dänische Landstraße 11. Hier passiert man den Grenzübergang Böglum zwischen Süderlügum und Tønder.

2

ENDLICH IM HERZENSLAND?

Erst mal einen Hotdog

Sønderhav, mittags, hungrig bis heiter

»Hurra!« Katie reißt die Arme hoch. »Endlich im Herzensland!« Jan schaut sie belustigt an. Er weiß ja, dass Katie leicht zu begeistern ist. Dennoch fasziniert es ihn immer wieder, dass sie selbst bei Kleinigkeiten imstande ist, in frenetischen Jubel auszubrechen. So ganz versteht er jedoch nicht, was ein paar Meter hinter der Grenze anders sein soll. Das Gras sieht hier auch nicht viel grüner aus – oder etwa doch? Na ja, wenn er genau hinsieht, scheint es tatsächlich etwas ordentlicher gemäht zu sein als auf der deutschen Seite …

»Achtung, hier biegen wir ab«, reißt ihn Katie aus seinen Gedanken.

»Wieso abbiegen?« Jan ist irritiert. »Wir müssen doch nach Norden, Richtung Søndervig, zu unserem Ferienhaus.« Katie knufft ihn freundschaftlich in die Seite: »Na klar, da fahren wir auch noch hin. Aber erst mal wollen wir zu Annies Kiosk, einen Hotdog essen. Das gehört einfach dazu!«

Einen Hotdog essen? Also eine Wurst? Na gut, da sagt Jan nicht nein. Fleisch ist sein Gemüse, und Wurst die Sahne auf der Torte. Ein bisschen verwundert ist er jedoch schon. Sie sind gerade mal anderthalb Stunden gefahren und sollen bereits haltmachen? Außerdem haben sie ausreichend Verpflegung im Auto, da Katie kaum das Haus verlassen kann, ohne massenhaft Proviant einzupacken. »Das habe ich von meiner Großmutter«, erklärt sie in diesen Fällen immer. »Nachkriegsgeneration, ich hab das geerbt.« Okay, das versteht Jan, Essen ist immer gut.

Aber Katie und ein Hotdog? Auch wenn sie keine strikte Vegetarierin ist, weiß Jan, dass seine Freundin bei der Auswahl ihrer Lebensmittel sehr bewusst und kritisch ist. Wurst steht für sie tendenziell auf der roten Liste, das hat er zu seinem Leidwesen oft genug feststellen müssen. Zumal wenn Katie nicht zu 100 Prozent weiß, wie und wo sie hergestellt wurde, und das Tier, von dem sie stammt, nicht mit Vornamen kennt. Diesen Gedanken behält Jan allerdings für sich und nimmt stattdessen die von Katie angezeigte Ausfahrt, neugierig, was es wohl mit dieser Annie und ihrem Kiosk auf sich hat.

ANNIES KIOSK

Leckere dänische Hotdogs zusammen mit einem atemberaubenden Blick über die Flensburger Förde und die Ochseninseln, vor dem Weiterfahren noch ein großes Softeis: Ein Besuch bei Annies Kiosk lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Deshalb, und weil der dänische Imbiss in der Ortschaft Sønderhav einfach Kult ist, ist er gerade im Sommerhalbjahr ein beliebtes Ausflugsziel – auch unter Bikern, die hier teils ihre Treffen abhalten und für einen Umsatz von Hunderten der beliebten røde pølser am Tag sorgen.

Die langjährige Besitzerin und Namensgeberin Annie Bøghild begann ihre Karriere dort als Aushilfe, wurde 1974 zur Mit- und 1984 schließlich zur alleinigen Eigentümerin. Im Alter trat Annie, die zuvor bis zu 14 Stunden am Tag gearbeitet haben soll, etwas kürzer, bis sie 2016 verstarb. Nach einigem Hin und Her übernahm Jan Enemark den Kiosk und ließ nach dem Abriss im Januar 2018 einen etwas größeren Neubau errichten, der am 13. April 2018 an gleicher Stelle und mit der gleichen Belegschaft wieder eröffnet wurde. Der Name »Annies Kiosk« blieb dabei erhalten, und der Imbiss ist beliebt wie eh und je. Selbst die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat ihn schon besucht.

Adresse: Fjordvejen 76, 6340 Kruså

»Wir sind gleich da!« Katies Stimme verrät freudige Erregung. Schon taucht auf der linken Seite der helle Kiosk mit dem roten Dach auf. Ein paar Motorräder stehen auf dem Parkplatz, Jan platziert den Kombi gleich daneben. Sie gehen an die Theke, an der ihnen ein junger Mann in schwarzem Shirt und roter Schürze entgegenlächelt: »God morgen!«

Mensch, der spricht ja genau wie wir, freut sich Jan und entgegnet fröhlich: »Moin, moin!« Zwar guckt sein Gegenüber etwas amüsiert, fragt ihn jedoch höflich auf Deutsch nach seiner Bestellung. Jan überfliegt schnell die aushängenden Schilder. Bei den pølser gibt es eine große Auswahl, auch wenn das alles ziemlich ähnlich aussieht. Wo liegt denn da der Unterschied, und wofür soll er sich entscheiden? »Für mich gerne das mit der roten Wurst«, bestellt Jan aufs Geratewohl.

Katie nickt zufrieden: »Der Klassiker! Das nehme ich auch!« Und zu dem jungen Mann hinter der Theke gewandt: »Jeg vil også gerne have en almindelig hotdog.«

Sie nimmt ihr knallrotes Würstchen, das bereits in einem aufgeschnittenen Brötchen mit Zwiebeln und Gurkenscheiben eingebettet ist, mit entzücktem Gesichtsausdruck entgegen. »Willst du auch alle Soßen auf deinen Hotdog?« Jan nickt, während er fasziniert beobachtet, wie seine sonst so gesundheitsbewusste Katie großzügig Ketchup, Senf und dänische Remoulade auf ihren Hotdog gibt. Okay, in Deutschland hätte er seine Wurst wahrscheinlich nur mit Senf gegessen, doch hier tut er es ihr schmunzelnd nach und folgt seiner Freundin nach draußen, wo sie sich an einem der Picknicktische mit Blick auf die Flensburger Förde niederlassen. »Ach, ist das herrlich«, seufzt Katie und beißt herzhaft zu. »Auf die Tradition! Jetzt sind wir wirklich in Dänemark.«

Det skal nok gå

Tatsächlich, Katie und Jan sind in Dänemark! Das ist für viele Dänemarkfans, die seit Jahren in ihr Herzens- oder Lieblingsland reisen, ein echter Grund zum Feiern. Denn etliche von ihnen fiebern ihrem Urlaub regelrecht entgegen, zählen die Tage, bis es so weit ist, und zelebrieren auch die Anreise entsprechend. Das ist oft verbunden mit bestimmten Traditionen oder Ritualen, wie etwa gleich hinter der Grenze einen der typischen Imbisse aufzusuchen und dort dänische Hotdogs (røde pølser) zu essen – klassisch mit Röstzwiebeln, Gurken und allen Soßen belegt. Ein besonders bekannter Imbiss ist Annies Kiosk, der schon fast den Status einer Sehenswürdigkeit erreicht hat. Dort bekommt man übrigens den Hotdog meist im Brötchen samt Zwiebeln und Gurken serviert; ansonsten würde man die »richtige« Reihenfolge einhalten und – zumindest bei der roten Wurst (røde pølse) – Zwiebeln (rohe und/oder geröstete) sowie Gurkenscheiben erst ganz zum Schluss drauflegen. Das ist dann ein hotdog med det hele oder ein almindelig hotdog, wie die Dänen sagen.

Doch ausgerechnet hier, wo es wirklich locker und entspannt zugeht, tapst Jan gleich in zwei Fettnäpfchen, die sich mit ein bisschen Aufmerksamkeit vermeiden ließen. Denn gerade wenn man in ein Land reist, das dem eigenen in gewisser Hinsicht ähnlich ist, lohnt es sich, auf die kleinen und feinen Unterschiede zu achten, damit man mit seinem Verhalten nicht in den Spinat tappt (træde/jokke i spinaten), wie die Dänen sagen würden.

Das betrifft zum einen die Wahl der Sprache: Das dänische »god morgen« entspricht zwar dem deutschen »Guten Morgen«, wird aber etwas anders ausgesprochen. Nämlich eher »go’ morn«, wie überhaupt im Dänischen die unbetonten Endsilben vieler Wörter kaum hörbar sind. Jan geht jedoch automatisch davon aus, ein deutsches Wort verstanden zu haben. Er setzt die kurze Unterhaltung dann auch in seiner eigenen Sprache fort, in der Annahme, dass ihn sein Gegenüber ohne Weiteres versteht.

Das ist zwar – besonders dicht hinter der Grenze – durchaus wahrscheinlich, aber nicht besonders höflich. Denn gerade weil Dänemark ein kleines Land ist und die deutsch-dänische Geschichte nicht immer eine ganz unproblematische war (siehe Kapitel »Wie gehe ich mit Bunkern um?«), sollte man lieber gleich zu Beginn einer Unterhaltung »Taler du tysk?« (»Sprechen Sie Deutsch?«) oder »Må jeg tale tysk?« (»Darf ich Deutsch sprechen?«) fragen, um sich zu vergewissern, dass der Gebrauch der Sprache des »großen Nachbarn« für alle Beteiligten in Ordnung ist. In vielen Fällen wird das Gegenüber darauf eingehen, erfreut, dass sein Gesprächspartner sich zumindest um ein paar Worte Dänisch bemüht. Falls das nicht der Fall sein sollte, kann man immer noch gemeinsam auf Englisch ausweichen – denn das verstehen und sprechen nahezu alle Dänen hervorragend.

Zum anderen begeht Jan einen weiteren Lapsus, indem er dem netten Mitarbeiter von Annies Kiosk mit »Moin, moin« antwortet. Das ist zwar gut gemeint und zudem im Norddeutschen tatsächlich eine adäquate Erwiderung auf das typische »Moin«. Im Dänischen jedoch sagen sich mit einem »mojn« insbesondere die Bewohner des westlichen Teils von Nordschleswig »Tschüss«. Jan verabschiedet sich mit seiner vermeintlichen Begrüßung sozusagen gleich wieder, was sein Gegenüber, zumal er ja einen Kunden vor sich hat, lediglich mit einem wissenden Schmunzeln quittiert, anstatt darauf einzugehen.

Natürlich sind solche kleinen Fehler keine Kapitalverbrechen. Dennoch: Kommunikation auf Augenhöhe sieht anders aus. Besser würde Jan mit einem »god dag« (»Guten Tag«) oder dem lockeren Gruß »hej« (»Hallo«) fahren, wobei er dann zum Abschied wieder »hej hej« (»Tschüss«) sagen könnte. Das sind gängige Ausdrücke, die sich Jan auch für das Zusammentreffen mit seinen dänischen Projektpartnern merken kann, um dann gleich bei der Begrüßung zu punkten und den Weg für die weiteren Verhandlungen zu ebnen.

3

GAS GEBEN OHNE REUE?

Kein Stress mit dem Beschleunigungsstreifen

Dänische Landstraße, früher Nachmittag, im Rausch der Geschwindigkeit

»Na, jetzt aber los!« Jan schwenkt auf die Straße vor Annies Kiosk ein, von der aus sie noch einmal kurz den tollen Blick auf die Flensburger Förde genießen können. Er wartet, bis er das Ortsschild passiert hat, und gibt dann Gas. »Nicht so schnell!« Katie sieht erschrocken von ihrem Handy hoch. »Wir sind auf der Landstraße, da darf man nur 80 km/h fahren.«

»Ach was«, Jan winkt beruhigend ab, »so viel drüber bin ich ja gar nicht.« Er zwinkert Katie zu: »Und du sagst doch immer, die Dänen sind so entspannt, warum also nicht auch beim Autofahren?«

Katie sieht auf ihre Hände hinunter. Sie kämpft mit sich: Soll sie Jan jetzt im wahrsten Sinne des Wortes bremsen – oder ihn seine eigenen Erfahrungen machen lassen? Doch das könnte ganz schön teuer werden, also versucht sie es mit Humor: »Hej, mein rasanter Freund, entspann du doch mal deinen Fuß auf dem Gaspedal, und wir leisten uns statt eines Bußgeldes lieber 33 Hotdogs, wenn wir an unserem Urlaubsort angekommen sind. Wie wäre das?«

»Oha, so teuer sind die Strafzettel hier?« Jan zieht verwundert die Augenbrauen hoch, fährt jetzt jedoch deutlich gemächlicher. Eigentlich ist er ja eher für flottes Vorankommen, will aber nicht gleich zu Beginn des gemeinsamen Urlaubs Stress bekommen. Obwohl – wer würde ihn auf der dänischen Landstraße schon erwischen? Und ein paar km/h drüber sind doch nicht so schlimm, oder?

Ziiiiisch – gerade als Jan das denkt, werden sie überholt. Und zwar offensichtlich von einem dänischen Fahrzeug, denn das Kennzeichen hat einen gelben Hintergrund mit schwarzen Buchstaben und Ziffern darauf. »He«, beschwert sich Jan sofort bei Katie. »Wieso darf der das und ich nicht?«

»Tsja«, sie zuckt mit den Schultern, »der darf das genauso wenig wie du. Und es gibt Gerechtigkeit im Staate Dänemark: Wenn der erwischt wird, zahlt er genauso viel wie du!«

SPANNENDE KENNZEICHEN

Die Autokennzeichen in Dänemark sind eindeutig vielfältiger und bunter als in Deutschland. Dasjenige, das Jan gesehen hat, mit einem gelben Hintergrund und schwarzen Buchstaben und Zahlen versehen, kennzeichnet ein kommerziell genutztes Auto, also einen Geschäftswagen. Hat das Kennzeichen hingegen einen weißen Hintergrund, eine schwarze Schrift und einen roten Rand, handelt es sich um ein privates Fahrzeug. Die Mischform dieser beiden, das sogenannte »Papageienkennzeichen«, charakterisiert einen Geschäftswagen, der auch privat genutzt wird. Diese Unterscheidungen sind für die Dänen wichtig, haben sie doch Folgen, wenn es darum geht, die Steuern für diese Fahrzeuge festzusetzen.

Eine Krone links auf dem Kennzeichen weist ein Fahrzeug des dänischen Königshauses aus, weiße Schrift auf blauem Hintergrund Diplomaten-Pkws, weiße Schrift auf schwarzem Hintergrund und ein entsprechendes Design Oldtimer und weiße Schrift auf rotem Hintergrund Flughafenfahrzeuge. Es lohnt sich also, beim Autofahren in Dänemark genauer hinzusehen: Aufmerksame Beobachter erfahren so einiges über den Vordermann.

»Falls, Katie, falls!« Jan freut sich diebisch, seine Freundin, die Referendarin und zukünftige Deutschlehrerin, bei einem sprachlichen Lapsus zu erwischen. Überhaupt liebt er den verbalen Schlagabtausch mit ihr – vorausgesetzt, er bleibt auf einer spaßigen Ebene. Und das war in letzter Zeit leider immer seltener der Fall. Was haben sie sich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestritten! Doch bevor die Stimmung umschlagen kann, lenkt Jan ab: »Die Landschaft hier ist wirklich toll! Und es stehen schon ein paar Schilder weniger am Straßenrand als bei uns, oder?«

Katie lässt sich gerne auf die Frage ein – alles, bloß kein Streit zu Urlaubsbeginn. Sie lächelt Jan an: »Ja, manches lösen die Dänen etwas pragmatischer als wir. Schau mal, die ›Haifischzähne‹, also die Zacken auf dem Asphalt, da wo die Seitenstraße in die Hauptstraße einmündet: Da steht das ›Vorfahrt beachten!‹ quasi auf der Straße.«

»Das ist echt praktisch«, stimmt Jan ihr zu. »Doch was mache ich jetzt?« Er ist an der Autobahnauffahrt angelangt und fährt gerade an einem Schild vorbei, auf dem sich zwei rote Linien zu einem nach oben zeigenden Pfeil vereinen. »Einfach weiterfahren und einfädeln«, meint Katie. »Hier gilt das Reißverschlussprinzip, an das müssen sich sowohl die halten, die bereits auf der Autobahn sind, als auch die, die auffahren.«

Und es klappt tatsächlich! Mühelos reiht sich Jan in den fließenden Verkehr ein. »Mensch, das ist ja entspannt«, freut er sich. »Kein Stress mit dem Beschleunigungsstreifen!«

»Genau«, gibt ihm Katie recht, »Autofahren in Dänemark ist deutlich hyggeliger als bei uns!«

Det skal nok gå

Eines macht Jan schon mal richtig: Innerhalb einer Ortschaft gilt die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Dass er jedoch aufs Gaspedal tritt, nachdem er das weiße Ortsschild mit der schwarzen Schrift und den Häusersilhouetten hinter sich gelassen hat, ist weder gesetzeskonform noch klug. Auf dänischen Landstraßen gilt ein Tempolimit von 80 km/h (mit Anhänger 70 km/h). Auf Autobahnen dürfen prinzipiell 130 km/h gefahren werden (mit Anhänger 80 km/h), die jedoch oftmals auf 110 km/h reduziert sind.

Hier ist Jan in einen äußerst typischen Fettnapf getappt oder vielmehr gerast. Ja, die Dänen fahren tatsächlich entspannt, sind es aber nicht, wenn es um die Verletzung von elementaren Verkehrsregeln geht – insbesondere hinsichtlich Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die dänische Polizei ahndet bereits geringe Überschreitungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, und zwar sowohl bei Einheimischen als auch bei Touristen. Da hilft es auch nicht, auf den überholenden einheimischen Fahrer hinzuweisen – der ist genauso dran, wenn er erwischt wird! Und dass man erwischt wird, ist gar nicht so unwahrscheinlich, denn Kontrollen finden häufig statt. Jan täte also gut daran, Respekt vor den dänischen Bußgeldern zu entwickeln – die haben es nämlich in sich.

Wer bis zu 20 km/h zu flott fährt, ist umgerechnet 160 Euro und mehr los; bei mehr als 20 km/h über dem Tempolimit kann es sein, dass man deutlich mehr zahlen muss, teils bis zu 1.000 Euro. Dank EU-Recht werden die Tickets übrigens auch grenzübergreifend vollstreckt. Bei extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen kann sogar der Führerschein aberkannt werden – bei Ausländern bedeutet das unter Umständen ein lebenslanges Fahrverbot in Dänemark. Ebenfalls sehr kostspielig kann es beim Überschreiten der Promillegrenze werden, die in Dänemark 0,5 Promille beträgt. In besonderen Fällen werden den Besitzern sogar die Autos entzogen und öffentlich versteigert. Auch der Gebrauch des Handys am Steuer ist verboten und richtig teuer.