Feuernebel - Peter Horn - E-Book

Feuernebel E-Book

Peter Horn

0,0

Beschreibung

"Aus der Berglandschaft, in der die Geschichte spielt, bricht unvermittelt der Schrei von zerrissenen Seelen." Drei Freunde. Ein Fremder. Ihre Geheimnisse. Daniel, Teresa und Markus wollen weg - weg von dem Hof, den sie unten im Tal brennen sehen, den sie selbst in Brand gesteckt haben. In einer einsamen Berghütte finden sie Zuflucht. Doch wie soll es weitergehen? Die Enge, der Nebel, der sie umschließt, ihre Ängste und Albträume führen dazu, dass sich immer mehr Spannungen um sie aufbauen. Und ohnehin werden sie hier nicht für immer bleiben können ... In seinem bewundernswert knappen und überaus präzisen Stil, der jeden Gedanken und jeden Satz auf den Punkt trifft, seziert Peter Horn die Gefühle von Zerrissenheit und Wut, Einsamkeit und Trauer und der Unsicherheit über erstes sexuelles Begehren in einem Text, der wie ein Film vor den Augen der Leserinnen und Lesern abläuft. "Der Roman dreht sich um die Frage von Schuld und porträtiert die Unsicherheiten, die mit dem Erwachsenwerden einhergehen. Dabei gelingen dem Autor in knappen Kapiteln die Porträts der Jugendlichen so plastisch, dass ein Film im Kopf abläuft." (Thomas Niehörster, kjl online) "Aus der Berglandschaft, in der die Geschichte spielt, bricht unvermittelt der Schrei von zerrissenen Seelen." (Rezension bei amazon)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 123

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Peter Horn wurde 1964 in Krems an der Donau in Niederösterreich geboren. Er studierte Geschichte und Anglistik an der Universität Wien. Neben seiner Arbeit als Lehrer und Schulbibliothekar schreibt er Bücher für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

Von Peter Horn sind mehr als dreißig Bücher schienen, darunter die Reiseerzählungen Licht zwischen Schatten (Literaturedition NÖ), die zwölfbändige Kinderbuchreihe Florian und die Geisterwelt (Bastei Verlag) und der Jugendroman Feuernebel (Fischer Schatzinsel). Seine Bilderbücher Weißt du, was ich werden will? und Wozu ist ein Papa da? (beide NordSüd Verlag) wurden in zwölf Sprachen übersetzt. Im Sommer 2024 erschien eine Auflage von Wozu ist ein Papa da? mit neuen Illustrationen im NordSüd Verlag, Zürich, und unter dem Titel The Best Daddy of All im Frühling 2025 bei NorthSouth Books, New York.

Folgende Bücher von Peter Horn sind als überarbeitete Neu auflagen erhältlich:

Die Seilbahn zum Mond (Kinderbuch zum Vorlesen und erstem Selberlesen)

Benedikt und die Schmetterlingsmenschen (Kinderbuch ab acht Jahren)

Das Alien unter der Kappe (Kinderbuch ab acht Jahren)

Feuernebel (Jugendroman ab 13 Jahren)

“For a moment we left our lives,

and kissing became something we could do.”

Michael Cunningham, “Ignorant Armies”

“Alle glücklichen Familien ähneln einander;

jede unglückliche aber

ist auf ihre eigene Art unglücklich.“

Leo Tolstoi, Anna Karenina

Inhalt

Das Feuer

Bilder

Seelenlos

Am Bach

Die Hütte

Der Seelenfänger

Ravioli

Sorgen in der Nacht

Im Nebel

Der traurige Junge

Zu dritt

Dreieck

Unsichtbar

Die anderen

Die Wolkeninsel

Die Flucht

Die Geschichte

Wie ein Liebesbrief

Nachmittag

Der Fremde

Geschlossene Lider

Das Windspiel

Das Spiegelbild

Sprachlos

Die Welt hinter den Spiegeln

Die Kuckucksuhr

Abend

Der Schulbus

Das erste Mal

Hände

Der stöhnende Himmel

Regenschleier

Das Spinnennetz

Beobachtung

Bambi

Der Diebstahl

Schläge

Die Schlüssel

Das schlafende Kind

Kurze Nähe

Die Fotogalerie

Der Traum

Auf dem Schulhof

Die Heugabel

Feuer

Das Feuer

Im Tal brennt der Hof. Bis hier herauf kann man das Lodern der Flammen sehen. Daniel bildet sich ein, die Hitze des Feuers auf den Wangen zu spüren. Das Prasseln zu hören, mit dem es das Gebälk frisst. Was beides natürlich nicht möglich ist.

Daniel und die anderen sitzen auf einem von zwei Granitfelsen. Wie gigantische Nasen bohren sich diese zwischen den Bäumen hervor aus dem Wald. Daniel ist, als würde der Wind den brandigen Geruch aus dem Tal bis zu ihnen treiben. Als würden die Nasenfelsen ihn aufsaugen. Daniel schaut zu, wie die Gebäude abbrennen. Er stiert in die Dunkelheit, aus der die roten Flammen brechen; er möchte nichts von dem verpassen, was sich im Tal abspielt. Dazu ist es zu bedeutsam.

Die Feuerwehr kommt viel zu spät. Nichts ist mehr auszurichten. Da wendet sich Daniel Markus zu. Die Wangen des Freundes sind nass und von Schmutz verschmiert. Markus weint stumm. Daniel sagt nichts. Er blickt wieder ins Tal. Der nächtliche Himmel über dem Hof lodert jetzt vor Flammen. Würde Daniel in der Nähe stehen, das Feuer würde sich sicherlich in seinen Augen spiegeln.

Aber sie sind weit entfernt von dem Brandort. Sie sind gleich losgelaufen, ohne Zeit zu vergeuden. Sie sind gelaufen, so schnell sie konnten. Erst oben im Wald haben sie Halt gemacht. Dann sind sie auf einen der Felsen geklettert, der guten Sicht wegen.

Dort sitzen sie die ganze Nacht. Erst am frühen Morgen brechen sie auf. Nebelschwaden kriechen unter den Felsen hervor. Als würden die steinernen Nasen erst jetzt den Brandgeruch wieder ausatmen.

Teresa steht als erste auf. Sie legt Daniel die Hände auf die Schultern. „Wir müssen los.“

Er schaut zu ihr hoch. „Ich weiß.“

„Vielleicht suchen sie nach uns“, sagt Markus leise.

Es dämmert bereits. Die Feuerwehrautos stehen herum, es wird noch gelöscht. Aber der Kampf gegen das Feuer ist längst verloren. Der Hof ist eine schwarze Ruine. Der Frühnebel deckt die letzten schwelenden Reste zu.

Auf dem Berghang über dem Tal rauscht der Wind in den Kronen der Bäume. Es ist, als wäre die Natur in Aufruhr. Daniel, Teresa und Markus gehen über den runden Rücken des Felsens. Kaum betreten sie den Wald, ist es wieder Nacht und fast ganz still; das Rauschen ist eine weit entfernte Meeresbrandung. Markus bleibt stehen. Teresa nimmt ihn an der Hand und zieht ihn mit sich. Daniel folgt ihnen in einigem Abstand.

Der Wald gibt ihnen Schutz. Aber Daniel hat das Gefühl, dass er oder das, was dahinter liegt, ihr Gefängnis werden könnte.

Bilder

Sie gehen den ganzen Tag. Sie folgen einem Bach, der durch den Wald fließt. So haben sie immer zu trinken. Sie folgen dem Bach flussaufwärts. Nur zweimal machen sie eine kurze Pause. Sie gehen, als hätten sie ein konkretes Ziel. Als wüssten sie, dass sie es gegen Abend erreichen würden. Doch als es finster wird, sind sie nirgendwo angekommen. Stattdessen suchen sie sich einen Schlafplatz. An einer moosweichen Stelle legen sie sich hin.

Daniel kann lang nicht einschlafen. Er hört Markus im Schlaf wimmern; einmal stöhnt er auf, schreit „Nein!“ Von Teresa hört Daniel nichts. Erst spät schläft er selbst ein. Er träumt nicht, sein Schlaf ist leblos und schwarz.

In der Früh weckt ihn die Kälte. Sein Pullover und die Jeans sind feucht. Ihm kommt vor, als wären seine Haare von einer hauchdünnen Eisschicht überzogen, und ihn friert bis auf die Knochen. Er springt auf und läuft herum, um sich warm zu machen. Dann stellt er sich zum Pinkeln an einen Baum. Markus stelzt heran, als könnte er die Beine nicht abbiegen. Er stellt sich neben ihn. Einen Moment schaut er Daniel an. Er öffnet den Mund, als wollte er etwas sagen. Doch dann lässt er es bleiben.

Daniel knöpft die Jeans wieder zu und wartet, bis Markus fertig ist. Teresa taucht hinter einem Busch auf.

Das Frühstück fällt aus; ihr Aufbruch war ja völlig planlos, sie haben nichts zu essen mitge nommen. Aber Daniel hat keinen Hunger. Wenn er nur ans Essen denkt, wird ihm übel. Es sind die Bilder aus der vergangenen Nacht, die er nicht aus dem Kopf kriegt. Solange diese Bilder sein Denken blockieren, wird Daniel nichts essen können. Er kann sich vorstellen, dass es den anderen genauso geht wie ihm. Doch er fragt sie nicht danach. Wortlos brechen sie auf, ohne auch nur eine Vorstellung zu haben, wohin.

Seelenlos

Der Junge spielte im Hof, als er Durst bekam. Er rannte ins Haus. In Gedanken war er noch ein Weltraumkrieger in geheimer Mission. Er wollte in die Küche. In seiner Vorstellung befand sie sich im Zentrum der Raumstation. Im Kopf des Jungen schallte der Rotalarm. Es hieß schnell sein, sich nicht von einem der Aliens überraschen lassen. Rasch rückte er einen Holzschemel zur Spüle. Er kletterte hinauf und drehte den Wasserhahn auf. Gierig trank er ein paar Schlucke. Er sprang vom Schemel, wischte sich mit dem Handrücken übers nasse Kinn. Dann lief er wieder aus der Küche. Der Rotalarm tönte immer noch. Er musste sich beeilen. Hatten ihn die Aliens erst einmal, würden sie kurzen Prozess mit ihm machen. Im Flur streifte er an der Garderobe, da fiel hinter ihm das Gewehr des Vaters zu Boden.

Atemlos hielt der Junge inne. Hoffentlich hatte der Vater nichts gehört. Er bückte sich und hob das Gewehr auf. Es wog schwer für ihn, er musste es mit beiden Händen halten. Er biss sich auf die Unterlippe, als er zu den Garderobenhaken hochsah. Wie um Himmels willen sollte er dieses Ding nur wieder dort hinaufbringen?

Da wurde ihm die Waffe aus den Händen gerissen. Der Bub fuhr herum, er wollte sich aus dem Staub machen. Doch eine große, dunkle Gestalt versperrte ihm den Weg.

„Hab ich dich erwischt!“, schrie ihn der Vater an.

Er packte den Jungen an den Schultern. Sein Griff war hart, er tat ihm weh. Er zwang den kleinen Körper in Richtung Stiegenhaus. Der Junge kam sich vor wie in einem Schraubstock. Der Vater hob ihn hoch, bis die beiden Gesichter fast aneinander stießen. Der Atem des Vaters hüllte den Kopf des Jungen ein wie eine Wolke.

„Pass nur auf“, flüsterte der Vater. „Sonst bist du bald deine Seele los! Sonst lebst du ohne Seele wie ein Toter auf Erden!“

Der Bub zitterte vor Angst. Er wusste, was der Vater damit meinte; er wusste es nur zu gut.

Am Bach

Das Rauschen der Baumwipfel hoch über ihnen. Das Rauschen des Wassers. Der Bach durchzieht den Waldboden wie ein Band aus Worten. Gegen Mittag rasten sie. Daniel taucht sein Gesicht ins Wasser. Es ist eiskalt. Daniels Wangen brennen wie der Hof in der vergangenen Nacht. Er trinkt, bis die Kälte seinen ganzen Körper ausfüllt. Trotzdem fühlt sich seine Haut weiterhin an, als hätte sie Feuer gefangen.

Abrupt dreht er sich zu den anderen um.

„Wir müssen was tun“, sagt er.

„Wir tun ja was“, sagt Teresa.

„Wir laufen weg“, sagt Markus.

Daniel antwortet nicht. Er weiß nicht, was er sagen soll. So, wie er nicht weiß, was er tun wollte. Er würde sich gern richtig verhalten. Überlegt und kühl kalkulierend; und kann in Wahrheit doch keinen rklaren Gedanken fassen.

So steht er auf und geht weiter. Er fühlt, dass ihm die anderen folgen. Wie schon seit dem Aufbruch am Morgen geht es bergauf. Daniel spürt sein Herz pochen, er hört sein Blut rauschen. Aber er geht nicht langsamer. Umfangen von dem Rauschen um ihn und in ihm, bleibt er in Bewegung, weil ihm nichts anderes einfällt.

Am frühen Nachmittag bleibt Daniel wieder stehen. Teresa und Markus sind nur ein paar Schritte hinter ihm. Sie haben den Waldrand erreicht. Vor ihnen tun sich Bergwiesen auf. Es regnet. Das haben sie im Wald gar nicht bemerkt. Es ist ein feiner Nieselregen. Er verwischt die Wolken zu grauen, schnell dahintreibenden Fetzen. Die Landschaft vor ihnen sieht aus, als würde Nebel über den grünen und braunen Tönen liegen.

„Schaut“, sagt Teresa und zeigt nach oben. „Dort sind Kühe.“

„Na und?“, sagt Daniel. „Muss ich jetzt in Begeisterungsrufe ausbrechen?“

„Du musst gar nichts“, sagt Teresa.

„Du kannst auch zurückgehen“, sagt Markus. „Wir brauchen dich nicht.“

„Ihr braucht mich nicht? Dass ich nicht lache! Natürlich braucht ihr mich! So wie ihr mich gebraucht habt, als ...“

Er bricht ab. Eine Zeitlang herrscht Stille zwischen ihnen. Neben ihnen fließt der Bach, er kommt aus den Bergen. Die Regentropfen fallen direkt ins Wasser. Die Wiesen schauen aus, als wären sie vollgesogen mit Wasser. So ähnlich, so völlig durchnässt, kommt sich Daniel auch vor.

Teresa legt ihm eine Hand auf die Schulter. „Jeder von uns braucht die anderen.“

Wieder sagt keiner etwas. Daniel streicht sich die nassen Haare aus der Stirn. Dann setzt er sich in Bewegung. Er geht am Ufer des Baches entlang auf den Bergrücken vor ihnen zu. Die Krater und Spitzen der Felskämme dahinter verlieren sich in den Regenwolken. Es ist, als würden sie ein Geheimnis hüten. Als würden sie Wissen in sich tragen, das sie vor der Außenwelt verborgen halten.

Daniel spürt, dass ihm die anderen folgen.

Die Hütte

Am späten Nachmittag entdeckt Markus die Hütte. Er hat Daniel überholt und ist seitdem immer ein Stück vor Teresa und ihm gewesen. Auf einmal bleibt er stehen. Er wartet, bis die beiden anderen ihn erreicht haben. Dann deutet er stumm zur Hütte.

Es liegt noch ein steiler Aufstieg vor ihnen. Ganz oben krallt sich die Hütte wie eine Burgruine in den spärlich bewachsenen Boden. Dahinter beginnt der weitere Anstieg ins Gebirge. Dort würde man nur noch kletternd weiterkommen, denkt Daniel. Und dass er dazu keine Lust hätte – dass er sich nicht vorstellen kann, weiter als bis zu der Hütte zu gehen. Ohne eine Ahnung davon zu haben, dass es sie überhaupt gibt, sind sie durch den Wald darauf zugesteuert. Jetzt sagt Daniel eine innere Stimme, dass dieser Ort der Endpunkt ihrer Flucht sein würde.

Gleich neben der Hütte fällt ein Felshang schroff ab. Auch das können Daniel, Teresa und Markus von ihrem Standpunkt aus sehen. Daniel kommt es vor, als würden die Mauern der Hütte direkt aus diesem Fels wachsen. Es sind Mauern aus großen, behauenen Steinen, dazwischen grobe Fugen. Das Dach ist mit Holzschindeln gedeckt. Trutzig zieht es sich bis über die halbe Mauerhöhe hinunter. Darüber ist der Himmel straff gespannt; wie zum Platzen gewölbte Bäuche hängen Wolkenballen daran wie auf unsichtbaren Fäden.

Diese Einzelheiten fallen Daniel beim Näherkommen auf. Sie nehmen den Weg über die Wiese; trotzdem ist es die letzten paar Meter fast ein Klettern. Im abendlichen Zwielicht stehen sie dann vor der Hütte. Sie warten ab, bis sich ihr Atem wieder beruhigt hat. Die Luft ist eiskalt. Sie fährt ihnen bei jedem Atemzug tief in die Lungen. Während sie abwarten, verständigen sie sich mit Blicken.

Schließlich geht Daniel zur Tür und probiert die Klinke.

„Verschlossen“, sagt er, obwohl es die anderen auch so gemerkt haben.

Er dreht sich um. Nur Teresa steht noch da. Wo Markus ist, weiß Daniel nicht. Er macht sich aber auch keine Gedanken darüber. Er schaut Teresa für einen Moment in die Augen. Der Nachhall seiner Worte liegt zwischen ihnen. Doch Teresa gibt ihm nicht zu verstehen, dass sie sie gehört hätte.

Daniel wendet sich wieder zum Haus. Er späht durch eines der Fenster. Drinnen ist es noch dunkler als im Freien. Außerdem ist die Scheibe sehr schmutzig. Daniel kann nur die Umrisse einiger Möbel erkennen, einen wuchtigen Schrank, einen Tisch und ein paar Sessel. Mehr nicht.

Plötzlich tut sich was im Haus. Bewegungen in den Schatten. Eine Flamme leuchtet auf. Eine Kerze kommt näher. Daniel blickt in das Gesicht von Markus hinter der Scheibe. Es verschwindet wieder. Dann hört Daniel, wie ein Schlüssel im Schloss umgedreht wird. Die Tür schwingt langsam auf. Entgegen Daniels Erwartungen knarrt sie nicht.

„Manche schauen nur“, sagt Markus, „andere tun was.“

„Hast du ein Fenster eingeschlagen?“, fragt Teresa.

„Das zur Vorratskammer.“ Markus grinst. „Massig Dosen und so Zeug stehen dort herum. Zu essen haben wir jedenfalls genug. Und den hab ich dort auch gefunden.“

Er zeigt auf den Schlüssel, der im Türschloss steckt. Dann tritt er einen Schritt zurück, sodass Daniel und Teresa eintreten können.

„Willkommen im Luxushotel!“, sagt Markus.

Der Seelenfänger

Der Junge wusste, dass es besser war, sich ganz still zu verhalten. Dann vergaß ihn der Vater. Wenn der Vater in seinem alten Lehnstuhl vor dem Fernseher saß: die Arme über die zerschlissenen Lehnen hängend, den halb geleerten Doppelliter in der Hand. Wenn er schon soviel getrunken hatte, dass ihn nicht mehr kümmerte, was sich auf dem Bildschirm abspielte; wenn er eingeschlafen war und leise vor sich hin schnarchte. Dann begann sich der Junge allmählich sicher zu fühlen.