Flashman in Afghanistan - George MacDonald Fraser - E-Book + Hörbuch

Flashman in Afghanistan E-Book

George MacDonald Fraser

4,6

Beschreibung

Der 17-jährige Harry Flashman wird in der Zeit des Viktorianischen Empire aus der Rugby School geworfen. Er startet eine erstaunliche Karriere beim Militär, die unverdient steil nach oben geht, denn er weiß: Bestimmte menschliche Fehler wie Dummheit, Arroganz und Engstirnigkeit sind militärische Vorzüge. Harry Flashman darf Elspeth, "das größte Flittchen, das je eine Matratze abgenutzt hat" heiraten (außerdem ist ihr Vater reich), doch wird er zu seinem Entsetzen nach Afghanistan versetzt. Beim Rückzug der Briten und verbündeten Inder aus Kabul überleben nur zwei - Harry ist einer davon. Harry macht sich natürlich aus dem Staub und schlägt sich selbst durch. Das endet in höchsten militärischen Auszeichnungen als "Held von Dschalalabad" und bei den Afghanen wird er als "Bloody Lance" geachtet (aufgrund eines weiteren Missverständnisses).

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George MacDonald Fraser

Flashman in Afghanistan

Band 1 der Flashman Manuskripte

Kuebler Verlag

Das Buch

Ein harter historischer Roman: Harry Flashman gelingt es durch Glück und Betrug, Ruhm und Ehre zu erlangen und mit jedem „halbwegs willigen Weibsstück“ ein Techtelmechtel zu beginnen. Während einer militärischen Niederlage bei Kabul macht er sich aus dem Staub, was in höchsten Auszeichnungen als „Held von Dschalalabad“ endet und ihm die Achtung der Afghanen als „Bloody Lance“ bringt. „Man verzeiht ihm seine Unarten, wenn er mit so überlegener Ironie militärische Dickschädel und spießbürgerliche Krämerseelen auf den Arm nimmt und nebenbei die Strategie des britischen Weltreichs in Indien und Afghanistan als blutigen Dilettantismus entlarvt …“ (Münchner Merkur)

Der Autor

George MacDonald Fraser wurde 1925 in Schottland geboren. Er studierte an der Glasgow Academy, wurde Soldat und verbrachte den Zweiten Weltkrieg in Burma. Danach arbeitete er als Journalist in Kanada und Großbritannien, bevor er als freier – und sehr erfolgreicher – Schriftsteller auf der Isle of Man lebte.

Flashman

Flashman in Afghanistan

1839 – 1842

Aus den nachgelassenen Papieren Harry Flashmans

1839 – 1842,

herausgegeben und bearbeitet von

George MacDonald Fraser

Ins Deutsche übertragen von Paul Baudisch

Band 1 der Reihe „Die Flashman Manuskripte“

Originaltitel: Flashman – From the Flashman Papers

1839-1842 von George MacDonald Fraser

© 1969 by George MacDonald Fraser. FLASHMAN

Deutsche Erstausgabe: Flashman – Karrieren eines Kavaliers, Hoffmann und Campe.

Deutsche Übersetzung von Paul Baudisch.

Copyright © der deutschen Übersetzung 1987 by Hoffmann und Campe Verlag GmbH

Neu durchgesehene, überarbeitete und ungekürzte Ausgabe:

Copyright © 2012 Kuebler Verlag GmbH, Lampertheim. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Einscannen oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Herausgegeben von Bernd Kübler

Umschlaggestaltung: Grafissimo! Daniela Hertel

ISBN 978-3-86346-101-0

Vorbemerkung

Der überwiegende Teil der als „Flashman Papers“ bezeichneten Manuskripte wurde 1965 anlässlich einer Hausratsversteigerung in Ashby, Leicestershire, entdeckt. Die Papiere wurden sodann von Mr. Paget Morrison in Durban, Südafrika, dem nächsten unter den noch lebenden Verwandten des Verfassers, als Eigentum beansprucht.

Von großem literarischem Interesse ist ein besonderer Aspekt der Papiere: Sie identifizieren eindeutig Flashman, den Schulrüpel aus Thomas Hughes „Tom Browns Schooldays“ mit dem gefeierten viktorianischen Soldaten gleichen Namens. De facto handelt es sich hier um Harry Flashmans Memoiren von dem Tage an, da er Ende der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts von der Rugby School relegiert wurde, bis zu den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts. Anscheinend hat er sie irgendwann zwischen 1900 und 1905 zu Papier gebracht, als er schon über achtzig gewesen sein muss. Möglicherweise hat er sie diktiert. Die Papiere, die offenbar fünfzig Jahre lang unberührt in einer Teekiste gelegen hatten, bevor sie im Auktionslokal zu Ashby gefunden wurden, waren sorgfältig in Wachsleinwand eingewickelt. Aus Briefen, die das erste Paket enthielt, geht deutlich hervor, dass ihre ursprüngliche Entdeckung durch die Angehörigen des großen Kriegsmanns nach seinem Tode 1925 einige Bestürzung auslöste. Einmütig scheinen die Herrschaften gegen eine Veröffentlichung der Selbstbiographie ihres Vetters gewesen zu sein - den Grund kann man wohl verstehen -, und es ist ein reines Wunder, dass das Manuskript nicht vernichtet wurde.

Zum Glück ist es erhalten geblieben und was hier folgt, ist der Inhalt des ersten Konvoluts, das Flashmans frühe Abenteuer umfasst. Ich sehe keinen Grund zu bezweifeln, dass dieser Bericht durchaus der Wahrheit entspricht. Wo Flashman sich auf historische Tatsachen bezieht, sind seine Angaben fast immer exakt. Der Leser mag beurteilen, ob man ihm auch in persönlicheren Angelegenheiten Glauben schenken dürfe oder nicht.

Mr. Paget Morrison, der mein Interesse an diesem und an ähnlichen Themen kennt, hat mich ersucht, die Papiere herauszugeben. Ich hatte aber weiter nichts zu tun, als einige geringfügige Schreibfehler zu korrigieren. Flashman war ein besserer Erzähler als ich, und ich habe mich darauf beschränkt, ein paar historische Anmerkungen hinzuzufügen.

Das Zitat aus „Tom Brown's Schooldays“ klebte auf der obersten Seite des ersten Konvoluts. Offensichtlich war es aus der Originalausgabe des Jahres 1856 herausgeschnitten worden.

G. M. Fraser

***

Kapitel 1

Eines schönen Sommerabends hatte Flashman sich in Brownsover an einem Gin-Punch gütlich getan und, nachdem er seine üblichen Grenzen überschritten, geräuschvoll den Heimweg angetreten. Er begegnete einigen Freunden, die vom Baden zurückkehrten, schlug ein Glas Bier vor; da warmes Wetter herrschte und sie, selber durstige Seelen, nicht wussten, was für ein Quantum geistiger Getränke Flashman bereits zu sich genommen hatte, willigten sie ein. Das Ergebnis war, dass Flashman sich fürchterlich betrank. Sie versuchten, ihn mitzuschleppen, brachten es aber nicht fertig. Da mieteten sie eine Sänfte und zwei Träger. Ein Lehrer kam ihnen in die Quere. Natürlich ergriffen sie schleunigst die Flucht. Dadurch wurde der Argwohn des Lehrers geweckt. Der Schutzengel aller geschundenen Pennäler veranlasste ihn, die Fracht zu untersuchen, und nachdem er sie untersucht hatte, geleitete er persönlich die Sänfte ins Schulgebäude hinauf. Der Doktor, der Flashman bereits im Auge gehabt hatte, verfügte für den nächsten Morgen seine Entlassung.

Thomas Hughes: “Tom Brown's Schooldays”

Hughes hat sich in einer wichtigen Einzelheit geirrt. Sie werden im „Tom Brown“ gelesen haben, wie ich wegen Trunkenheit aus der Rugby School davon gejagt wurde, was nur zu wahr ist. Wenn aber Hughes mir unterstellt, schuld daran sei gewesen, dass ich mir mit Vorbedacht nach dem Gin-Punch Bier hinter die Binde gegossen hätte, dann irrt er sich. Auch mit siebzehn Jahren war ich nicht mehr so dumm, die Getränke durcheinander zu mischen.

Dies erwähne ich, nicht um mich zu verteidigen, sondern im Interesse strenger Wahrheit. Was ich zu erzählen habe, wird durchaus wahrheitsgetreu sein; ich breche mit einer achtzigjährigen Gewohnheit. Warum auch nicht? Wenn ein Mensch so alt ist wie ich und sich durch und durch kennt, wie er war, wie er ist, dann macht er sich nichts mehr daraus. Sehen Sie, ich schäme mich nicht. Ich habe mich nie geschämt und darf, wenn wir uns nach den Maßstäben der sogenannten guten Gesellschaft richten, auf der Habenseite meines Kontos so manches verbuchen: die Ritterwürde, das Viktoria-Kreuz und das eine oder andere Ruhmesblatt. Deshalb kann ich heute das Bild über meinem Schreibtisch betrachten, den jungen Offizier in Cardigans Husarenregiment: hochgewachsen, herrisch und ein recht schöner Mann war ich zu jener Zeit (sogar Hughes gibt zu, ich sei stattlich und kräftig gewesen und hätte in hohem Maß die Gabe besessen, mich meinen Mitmenschen angenehm zu machen) – und seelenruhig sagen, ja, das ist das Porträt eines Lumpen, eines Lügners, eines Betrügers, eines Diebes, eines Feiglings und – ach freilich – eines servilen Speichelleckers. Das alles hat Hughes mehr oder weniger von mir behauptet und seine Beschreibung war nicht unzutreffend, abgesehen, wie schon erwähnt, von gewissen Einzelheiten. Aber ihm lag mehr daran, Moral zu predigen, als Tatsachen anzuführen.

Ich jedoch interessiere mich für die Tatsachen. Da viele von ihnen mich in ein schimpfliches Licht rücken, dürfen Sie versichert sein, dass sie zutreffen.

Auf jeden Fall irrt sich Hughes, wenn er meint,ichhätte das Bier vorgeschlagen. Speedicut hatte es bestellt, und ehe ich recht wusste, wie mir geschah, hatteich es auch schon intus (auf den vielen Gin-Punch davor). Das machte mich fertig. Ich war richtig besoffen –„viehisch betrunken“, wie Hughes sich ausdrückt, und er hat recht. Als sie mich aus der „Traube“ hinaus bugsierten, konnte ich kaum etwas sehen, geschweige denn gehen. Sie setzten mich in eine Sänfte. Da tauchte ein Pauker auf. Speedicut, unser Fixmichel, wurde seinem Namen gerecht und nahm Reißaus. Mich ließen sie hingelümmelt im Tragsessel hocken. Ran kommt der Herr Lehrer und erblickt mich. Es war der brave, alte Rufton, ein Hausaufseher.

„Grundgütiger Himmel!“ sagte er. „Es ist einer unserer Jungen – betrunken!“

Ich sehe ihn noch vor mir, wie er mich anglotzt mit seinen großen, matten Stachelbeeraugen und dem weißen Backenbart. Er versuchte, mich aufzurütteln – ebenso gut hätte er versuchen können, einen Leichnam von den Toten zu erwecken. Ich lag nur so da und kicherte vor mich hin. Schließlich riss ihm der Geduldsfaden; er schlug mit dem Rohrstock auf den Sessel und rief:

„Tragt ihn hinauf, ihr Träger! Bringt ihn zur Schule! Dafür wird er sich vor dem Doktor zu verantworten haben!“

Also marschierten sie los, der alte Rufton trapste hinterdrein und erging sich in zornigen Betrachtungen über widerwärtige Exzesse und den Lohn der Sünde. Der alte Thomas und die Sänftenträger beförderten mich, wie sich es gehörte, geradenwegs ins Hospital. Ich wurde auf ein Bett gelegt, um nüchtern zu werden. Ich kann Ihnen sagen, das hat gar nicht lange gedauert, sobald ich erst einmal im Kopf genug klar geworden war, um mir zu überlegen, was bei der Sache herausschauen werde. Wenn Sie Hughes gelesen haben, wissen Sie, was für ein Mensch unser Arnold war, und selbst in den besten Stunden hatte er für mich nicht viel übrig gehabt. Das mindeste, worauf ich gefasst sein musste, war eine Tracht Prügel vor Beginn des Unterrichts.

Das genügte, um mir bei dem bloßen Gedanken eine höllische Angst einzujagen. Eigentlich aber fürchtete ich mich vor Arnold selbst.

Man ließ mich etwa zwei Stunden im Hospital liegen. Dann erschien der alte Thomas, um mir mitzuteilen, der Doktor wünsche mit mir zu sprechen. Ich folgte ihm die Treppe hinunter und ins Schulhaus hinüber. Die kleinen Kalfaktoren guckten um die Ecken und flüsterten einander zu, jetzt habe es Flashman, den Rohling erwischt, und der alte Thomas klopfte an des Doktors Tür, und die Stimme, die „Herein!“ rief, klang mir wie der Donner des Jüngsten Gerichts.

Er stand vor dem Kamin, die Hände unter den hoch geschürzten Rockschößen, mit der Miene eines Türken bei einer Christentaufe. Er hatte Augen wie Säbelspitzen, sein Gesicht war bleich und trug jenen angewiderten Ausdruck, den er für derartige Anlässe bereit hielt. Obwohl ich noch immer ein bisschen unter dem Einfluss des Alkohols stand, fürchtete ich mich in diesem Augenblick wie nie in meinem späteren Leben – und wenn man wie ich bei Balaklawa gegen eine russische Batterie angeritten ist und fest gekettet in einem afghanischen Kerker auf die Folterknechte gewartet hat, dann weiß man, was Furcht ist. Noch heute ist mir unbehaglich zumute, wenn ich an ihn denke, dabei ister seit sechzig Jahren tot.

Damals aber war er quicklebendig. Eine Weile schwieg er, um mich ein wenig schmoren zu lassen. Dann sagte er:

„Flashman, im Leben eines Schulmannes gibt es viele Augenblicke, da er eine Entscheidung treffen muss und sich nachher fragt, ob er richtig oder falsch gehandelt habe. Ich habe eine Entscheidung getroffen, und ausnahmsweise einmal bezweifle ich nicht, dass sie richtig ist. Ich beobachte dich jetzt schon seit mehreren Jahren mit zunehmender Besorgnis. Du hast auf deine Umgebung einen schlechten Einfluss ausgeübt. Dass du ein Kameradenschinder bist, weiß ich. Dass du verlogen bist, habe ich seit langem vermutet. Dass du heimtückisch und gemein bist, habe ich befürchtet. Aber dass du so tief sinken würdest, ein Trunkenbold zu werden – dies zumindest habe ich mir nicht vorgestellt. Ich habe in der Vergangenheit nach Symptomen der Besserung Ausschau gehalten, nach einem Funken der Gnade, nach einem Hoffnungsschimmer, der mir sagen würde, dass meine Tätigkeit auch in deinem Fall nicht nutzlos gewesen sei. Ich habe umsonst gewartet, und jetzt ist das Maß der Schändlichkeit voll. Hast du etwas zu sagen?“

Inzwischen hatte ich zu flennen begonnen. Ich murmelte vor mich hin, dass ich es bereue.

„Wenn ich auch nur einen Augenblick lang“, sagte er, „glauben würde,dassdu es bereuest, dass du fähig seiest,echteReue zu empfinden, würde ich vielleicht vor dem Schritt zurückscheuen, den zu tun ich im Begriff bin. Aber ich kenne dich zu gut, Flashman. Morgen musst du Rugby verlassen.“

Hätte ich meine fünf Sinne beisammen gehabt, dann würde ich mir vielleicht überlegt haben, dass das ja gar keine schlimme Neuigkeit sei. Arnolds Donnerwetter hatte mich jedoch aus der Fassung gebracht.

„Aber – aber, Sir“, schluchzte ich, „das wird meiner Mutter das Herz brechen!“

Er wurde leichenblass, und ich wich zurück. Ich dachte,er würde mich ohrfeigen.

„Lästerlicher Wicht!“ rief er aus (mit solchen Phrasen wusste er wie der gerissenste Kanzelredner umzugehen) „deine Mutter ist seit vielen Jahren tot. Wagst du es, ihren Namen – einen Namen, der dir heilig sein sollte – zu missbrauchen, um deine Schandtaten zu verteidigen? Jetzt hast du jeden Rest von Mitgefühl getötet, der mir noch geblieben war.“

„Mein Vater –“

„Dein Vater“, sagte er, „wird wissen, wie er mit dir zu verfahren hat. Ich glaube kaum“, fügte er mit einem scharfen Blick hinzu, „dass esihmdas Herz brechen wird.“ Sehen Sie, er wusste etliches über meinen Herrn Vater und hielt uns wahrscheinlich für ein schönes Paar.

Eine Weile stand er da und trommelte mit den Fingern. Dann sagte er in verändertem Ton:

„Du bist ein trauriger Fall, Flashman. Ich konnte dirnicht helfen. Aber sogar dir muss ich sagen, dass das noch nicht das Ende ist. Hier kannst du nicht bleiben, doch du bist jung, Flashman, und noch hast du Zeit. Mögen auch deine Sünden rot sein wie Scharlach, so werden sie dennoch weiß sein wie Schnee. Du bist sehr tief gesunken, aber du kannst dich wieder erheben ...“ Ich habe kein gutes Gedächtnis für Predigten. Eine Weile fuhr er in dieser Tonart fort, der fromme, alte Heuchler. Meiner Meinung nach war er ein Heuchler, wie die meisten seiner Altersgenossen. Oder er war dümmer, als er aussah, weil sein Mitleid an mir völlig vergeudet war. Das merkte er aber nicht.

Jedenfalls hielt er mir eine schöne, gottselige Predigt, wie doch allemal ehrliche Reue mich retten könne. Übrigens glaubte ich ihm kein Wort. Ich habe in meinem Leben so manches bereut und allen Grund dazu gehabt, war aber nie ein so kompletter Esel, dass ich mir einbildete, damit wäre mir geholfen. Doch habe ich gelernt, wenn es sein muss, mit dem Strom zu schwimmen, deshalb ließ ich ihn salbadern, und als er fertig war verdrückte ich mich bedeutend fröhlicher, als ich gekommen war. Die Prügel waren mir erspart geblieben – das war die Hauptsache. Rugby verlassen zu müssen, war mir schnurzegal. Ich hatte mich dort nie sehr wohl gefühlt, und dass es angeblich eine Schande sei, davon gejagt zu werden, kam mir nicht einmal in den Sinn. (Vor ein paar Jahren haben sie mich geholt und mich gebeten, Preise zu verteilen.Dawar von meiner Vertreibung aus dem Paradies mit keinem Wort die Rede, woraus zu ersehen ist, dass sie heutzutage genauso arge Heuchler sind wie anno dazumal zu Arnolds Lebzeiten. Ich hielt außerdem eine Rede – und was das Schönste ist, über den Mannesmut.)

Am darauf folgenden Morgen machte ich mich im Gig1auf den Weg, die Kleiderkiste auf dem Wagendach. Ich nehme an, dass sie verdammt froh waren, mich verschwinden zu sehen. Die armen Kalfaktoren haben sich ganz bestimmt gefreut; ich hatte sie zu meiner Zeit recht ordentlich vermöbelt. Und wer stand am Tor (um, wie ich zuerst meinte, sich an meinem Missgeschick zu weiden, aber, wie sich herausstellte, in anderer Absicht), wenn nicht der tapfere Scud East! Er streckte mir sogar die Hand hin.

„Es tut mir leid, Flashman“, sagte er.

Ich fragte ihn, was ihm denn leid tue, und der Teufel hole seine Unverschämtheit.

„Dass man dich relegiert hat“, erwiderte er.

„Du lügst“, sagte ich. „Und auch deinen Kummer soll der Teufel holen.“

Er sah mich an, machte kehrt und ging weg. Heute aber weiß ich, dass ich ihn falsch beurteilt hatte; ich tat ihm wirklich leid – der Himmel mag wissen, warum. Er hatte keinen Grund, mich zu lieben. Ich an seiner Stelle hätte meine Mütze in die Luft geworfen und Hurra geschrien. Aber er war pflaumenweich: Natürlich zählte er zu Arnolds kernigen Dummköpfen, den mannhaften Bürschchen, den Tugendbolden, wie die Schulmeister sie inniglich lieben. Ja, er wardamalsein Dummkopf und war es zwanzig Jahre später, als er zu Cawnpore im Staube starb, mit dem Bajonett eines Sepoy im Rücken. Redlicher Scud East: Mehr hat ihm seine kühne Bravheit nicht eingebracht.

*** Anmerkungen zum Kapitel 1 ***

1Einachsiger offener Wagen, gezogen von einem Pferd

Kapitel 2

Auf dem Heimweg hielt ich mich nicht lange auf. Ich wusste, mein Vater sei in London, und wollte das peinliche Geschäft, ihm mitzuteilen, man habe mich aus Rugby hinausgeworfen, möglichst schnell hinter mich bringen. Deshalb beschloss ich, in die Stadt zu reiten und mein Gepäck nachkommen zu lassen, mietete demgemäß im „George“ ein Pferd. Ich bin einer, der früher reiten als gehen gelernt hat – ja, in der Tat, im Sattel zu Hause zu sein und die Fähigkeit, fremde Sprachen aufzuschnappen, waren die einzigen Gaben, von denen man sagen konnte, sie seien mir angeboren gewesen – und sie haben mir denn auch recht großen Nutzen gebracht.

Also ritt ich stadtwärts und überlegte mir, wie mein Vater die frohe Botschaft aufnehmen werde. Er war ein wunderlicher Kauz, der Herr Papa, und er und ich, wir hatten einander schon immer mit scheelen Augen betrachtet. Er war der Enkel eines Nabobs. Der alte Jack Flashman hatte sich in Amerika als Sklaven- und Rumhändler und wohl auch, es sollte mich nicht wundern, als Seeräuber ein Vermögen gemacht und das Anwesen in Leicestershire gekauft, in dem seine Nachkommen seither ansässig waren. Aber trotz all ihrer Geldsäcke waren die Flashmans niecomme il faut– „von einer Generation zur anderen machte sich die rohe Strähne bemerkbar wie der Dung unterm Rosenstrauch“, sagt Greville. Mit anderen Worten: Während so manche Nabobfamilie wenigstens versucht hat, sich vornehm zu geben, hat es die unsere gar nicht erst versucht, weil wir es nicht geschafft hätten. Mein Vater war der erste, der eine gute Partie machte, denn meine Mutter war mit den Pagets verwandt, die, wie jedermann weiß, zur Rechten Gottes thronen. Demzufolge hatte er ein wachsames Auge auf mich, um zu sehen, ob ich mich nobel gebärdete. Bevor meine Mutter starb, bekam ich ihn selten zu sehen – er war viel zu beschäftigt, in seinen Klubs, im Unterhaus oder auf der Jagd (zuweilen nach Füchsen, doch meistens nach Schürzen); nach ihrem Tode aber musste er sich notgedrungen auch um den Erben kümmern. Wir lernteneinander kennen, und das Misstrauen war gegenseitig.

Ich glaube, auf seine Art war er ein recht netter Kerl, ziemlich derb und verteufelt jähzornig, aber in seinen Kreisen nicht unbeliebt – bei den Krautjunkern, die genug Geld haben, um im West End akzeptabel zu sein. Er erfreute sich einer gewissen Berühmtheit, weil er in seiner Jugend etliche Runden gegen den Boxer Cribb durchgestanden hatte, obwohl ich der Meinung bin, Champion Tom habe ihn schonend angefasst, von wegen der Pinkepinke. Er lebte teils in der Stadt, teils auf dem Lande und führte einen aufwändigen Haushalt, hatte aber nichts mehr mit der Politik zu tun. Nach der Wahlrechtsreform war er auf dem Abstellplatz gelandet. Doch war er nach wie vor vollauf beschäftigt mit Schnaps und Spiel und der Jagd – auf beiderlei Freiwild.

Mir war recht unbehaglich zumute, als ich die Stufen hinauf rannte und gegen die Haustür hämmerte. Sowie Oswald, der Butler, mich sah, erhob er ein lautes Geschrei, weil das Semester sich noch längst nicht dem Ende näherte; dadurch wurde auch die übrige Dienerschaft herbeigelockt: zweifellos witterte sie einen Skandal.

„Ist mein Vater zu Hause?“ fragte ich, reichte Oswald meinen Mantel und zog das Halstuch zurecht.

„Ihr Herr Vater, ja, freilich, Mr. Harry“, sagte Oswaldmit einem breiten Lächeln. „Momentan befindet er sich im Salon.“ Er riss die Tür auf und rief: „Mr. Harry ist da, Sir!“

Mein Vater hatte sich auf einer Polsterbank gerekelt. Bei meinem Anblick sprang er auf. Er hielt ein Glas in der Hand, und sein Gesicht war gerötet; da jedoch beides üblich war, ließ sich schwer sagen, ob er betrunken war oder nicht. Er sah mich an. Dann begrüßte er den verlorenen Sohn mit den Worten:

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