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Der Roman beginnt scheinbar harmlos mit einem Cricket-Spiel, aber dann muss Harry Flashman nach Singapur und - auf der Suche nach seiner entführten Gemahlin Elspeth, die ihren Entführer gar nicht so übel findet - nach Borneo und Afrika. Im fremdenfeindlichen Madagaskar lernt Harry die gefährliche Königin Ranavalona I. und ihre Eigenarten beim Herrschen und im Bett kennen. Während des anglo-französischen Angriffes auf Fort Tamatave versucht er, mit Elspeth von der Insel zu fliehen.
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Seitenzahl: 692
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George MacDonald Fraser
Flashmans Lady
Band 6 der Flashman Manuskripte
Kuebler Verlag
Das Buch
Alles beginnt scheinbar harmlos mit Cricket-Spielen, aber dann muss Harry Flashman nach Singapur und – auf der Suche nach seiner entführten Gemahlin Elspeth, die ihren Entführer gar nicht so übel findet – zu den Piraten nach Borneo und nach Madagaskar. In diesem fremdenfeindlichen Land lernt Harry die gefährliche Königin Ranavalona und ihre Eigenarten beim Herrschen und im Bett kennen. Während des anglofranzösischen Angriffes auf die Festung von Tamatave versucht er, mit Elspeth von der Insel zu fliehen.
Der Autor
George MacDonald Fraser wurde vor allem berühmt durch die „Flashman Manuskripte“, einer Serie historischer Romane. Dabei handelt es sich um die fiktiven Memoiren von Sir Harry Flashman, einem hoch dekorierten britischen Offizier im Ruhestand, der auf seine Abenteuer zwischen 1840 und 1890 zurückblickt, die ihn unter anderem mit Bismarck, Abraham Lincoln, Crazy Horse, General Custer, Lola Montez und vielen anderen zusammengeführt hatte. Geboren wurde Fraser 1925, wurde Soldat und kämpfte in Burma. Er wurde Journalist, Schriftsteller und Drehbuchautor (unter anderen „Die drei Musketiere“ und den James-Bond-Film „Octopussy“). Er starb 2008.
Flashmans Lady
Flashman in Singapur,
Borneo und Madagaskar
1842 – 1845
Aus den nachgelassenen Papieren Harry Flashmans
1842 – 1845,
herausgegeben und bearbeitet von
George MacDonald Fraser
Ins Deutsche übertragen von Wolfgang Proll
Band 6 der Reihe „Die Flashman Manuskripte“
Copyright © 1975 by George MacDonald Fraser,
FLASHMAN'S LADY
© der deutschen Übersetzung 1986 by Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/M – Berlin
Erschienen im Ullstein Taschenbuch Verlag.
Deutsche Übersetzung von Wolfgang Proll.
Neu durchgesehene, überarbeitete und ungekürzte Ausgabe:
Copyright © 2012 Kuebler Verlag GmbH, Lampertheim. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Einscannen oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Herausgegeben von Bernd Kübler
Umschlaggestaltung: Grafissimo! Daniela Hertel
ISBN E-Book Epub 978-3-86346-111-9
Vorbemerkung
Seit die Memoiren Flashmans, des berüchtigten Raufbolds der Schule von Rugby und viktorianischen Kriegshelden, vor zehn Jahren ans Tageslicht kamen und die einzelnen Pakete mit Manuskripten geöffnet, redigiert und der Öffentlichkeit vorgelegt wurden, hat sich eine Frage erhoben, die viele Leser verwirrt. Die bis dato erschienenen fünf Bände umfassen in chronologischer Reihenfolge die Zeitspanne von 1839, als Flashman von der Schule relegiert wird, bis 1858, als er den Aufstand in Indien übersteht. In diesen fünf Bänden werden jedoch nicht alle dazwischen liegenden Jahre behandelt. So findet sich eine Lücke zwischen seiner ersten Begegnung mit Bismarck und Lola Montez (1842-1843) und seiner Verwicklung in die Schleswig-Holstein-Frage (1848). Und eine weitere zwischen 1849, als er zuletzt im Hafen von New Orleans in Begleitung des wohlbekannten Oxford-Lehrers und Sklavenhändlers Captain Dr. phil. Spring gesehen wird, und 1854, als ihn die Pflicht auf die Krim ruft. Es ergibt sich die Frage, was in den „fehlenden“ Jahren geschah.
Das sechste Paket der „Flashman-Manuskripte“ liefert die Antwort auf einen Teil dieser Frage, denn es befasst sich mit den erstaunlichen Erlebnissen des Autors in der Zeit von 1842 bis 1845. Aus dem Manuskript geht hervor, dass ein zufällig im Sportteil einer Zeitung gelesener Artikel ihn dazu veranlasste, seine gewohnte chronologische Schilderung der Ereignisse zu unterbrechen und diese Lücke in der Beschreibung früherer Jahre zu schließen. Der noch vorhandene große Stapel von Manuskripten lässt vermuten, dass seine Erinnerungen an die Rebellion von Taiping, den amerikanischen Bürgerkrieg und an die Aufstände der Sioux und Zulu folgen werden. (In der Tat hat mir ein Offizier der US-Marineinfanterie mitgeteilt, dass das Archiv seiner Einheit eindeutige Bildbeweise für Flashmans Beteiligung am Boxeraufstand des Jahres 1900 enthält, so dass noch nicht abzusehen ist, wo die Geschichte endet.)
Der vorliegende Abschnitt ist wohl in dreifacher Hinsicht historisch bedeutungsvoll: Als authentische Darstellung der frühviktorianischen Sportszene (in der Flashman sich als bemerkenswerter, wenn auch unrühmlicher Mitspieler hervortut) ist er sicherlich einmalig. Andererseits liefert er auch einen Augenzeugenbericht von jenem unglaublichen, in Vergessenheit geratenen Privatkrieg, in dem eine Handvoll verwegener Gentleman-Abenteurer die Grenzen des britischen Weltreichs nach Osten verschob. Und letztlich wirft er ein neues Licht auf die Charaktere zweier bedeutender Gestalten jener Zeit – eines legendären Mitbegründers des Empire und einer afrikanischen Königin, die zu ihrem Nachteil mit Nero und Caligula verglichen worden ist.
Ein Punkt am Rand, der für die Leser der früheren Memoiren Flashmans, von Interesse sein könnte: Es sind Anzeichen dafür vorhanden, dass dieses Manuskript – wie auch schon ein vorheriger Band – vermutlich kurz nach Flashmans Tod im Jahre 1915 von seiner Schwägerin, Grizel de Rothschild, überarbeitet worden ist. Sie hat seine Blasphemien gemildert, ansonsten jedoch die Ausdrucksweise des alten Soldaten nicht verfälscht. Hier und da hat sie den Bericht um Auszüge aus dem Tagebuch ihrer Schwester Elspeth, Flashmans Frau, sowie um ihre eigenen bissigen Randbemerkungen bereichert. Angesichts dieser hervorragenden Bearbeitung habe ich mich darauf beschränkt, Fußnoten und erläuternde Anmerkungen beizusteuern und mich davon zu überzeugen, dass Flashmans Darstellung historischer Ereignisse den Tatsachen entspricht, soweit diese nachprüfbar sind.
G. M. Fraser
Und noch eine Vorbemerkung
Lesern, die nicht mit einem Cricket-Schlagholz ins Bett zu gehen pflegen, sei vor der Lektüre der ersten Kapitel, die von mir als Übersetzer beigesteuerte Anmerkung über Cricketregeln am Ende des Buches empfohlen, die – so hoffe ich – dazu beiträgt, Flashmans Leistungen in diesem doch in Deutschland nur wenig verbreiteten Spiel zu würdigen.
Der Übersetzer
***
Kapitel 1
Es ist also wieder die Rede davon, die Regel über das Bein vor dem Tor zu ändern. Ich weiß nicht, warum man sich die Mühe macht, denn es wird nie etwas Richtiges dabei herauskommen, solange man nicht auf die alte Regel zurückgreift, in der es hieß, wer sein Bein absichtlich vor den Ball stellt, um zu verhindern, dass er die Torstäbe trifft, ist aus dem Spiel und kann verdammt froh sein, dass er es hinter sich hat. Das war recht einfach, sollte man denken, aber nein; diese Hornochsen im Marylebone-Club müssen sich alle paar Jahre erneut die Köpfe darüber zerbrechen und tagelang über Wurflinien, Aufschlagpunkte und weiß Gott welchen Blödsinn sonst noch faseln. Zu guter Letzt streichen sie ein Wort und fügen ein anderes ein, und die ganze Sache ist genauso unverständlich wie zuvor. Ein Haufen alter Klatschweiber.1
Schuld an allem sind diese Beinschützer, die die Schlagmänner heutzutage tragen. Als ich Cricket spielte, hatten wir nur unsere Hosen, um unsere kostbaren Schienbeine zu schützen, und wenn man dumm genug war, mit seinem Knöchel einem von Alfie Mynns flachen Würfen in den Weg zu kommen, nun, dann spielte es keine Rolle, ob man vor dem Tor stand oder im Mannschaftsgebäude auf dem Klo saß – dann war man reif für ein Gipsbein, da gab es kein Vertun. Aber heute latschen die Spieler über die Schlagmal-Linie wie Bauernlümmel mit Wickelgamaschen, und dieser Hammel Grace blökt wie ein verprügelter Chorknabe, wenn ein schneller Ball auch nur in seine Nähe kommt. Den hätte ich gerne mal nach einem trockenen Sommer auf dem alten Spielfeld von Lord's gesehen, bei steinhartem Boden, wenn Mynn von der einen Seite seine Bälle mit Effet schmetterte und ich auf der anderen losstürmte – da hätte ihn niemand „Champion“ genannt, das kann ich Ihnen sagen; der alte Schweinehund hätte nach zwei Durchgängen einen schneeweißen Bart gehabt. Und das gleiche gilt auch für diesen fetten schwarzen Geldsack und das Bürschchen Fry.
Sie merken wohl schon, dass ich selber Werfer war, kein Schlagmann, und wenn ich behaupte, ein verdammt guter dazu, nun, die Spielprotokolle von damals geben mir recht. Sieben Wickets bei zweiunddreißig Läufen gegen die Gentleman of Kent, fünf Wickets bei zwölf Läufen gegen die englische Elf, und eine stattliche Anzahl von Läufen als letzter Schlagmann obendrein. Nicht, dass ich mir etwas auf meine Künste als Schlagmann einbildete; wie ich schon sagte, konnte das in früheren Zeiten, als die Spielfelder uneben und holprig waren, eine gefährliche Sache sein, wenn man es mit schnellen Werfern zu tun hatte, und im Vertrauen gesagt: Ich achtete darauf, nie einem wirklich gefährlichen Werfer gegenüberzutreten, ohne mir unter den Flanellhosen Wollschals um die Beine zu wickeln und mein bestes Stück mit einer alten Suppenschüssel aus Blech zu schützen. Sport ist ja schön und gut, aber er darf einen nicht zum männlichsten aller Spiele unfähig machen. Nein, ich ging lieber als achter oder neunter auf den Platz, wenn die langsameren Werfer ihre Tricks mit steil geworfenen oder angeschnittenen Bällen versuchten, die ich gefahrlos abschlagen konnte. Und wenn dann die andere Mannschaft an der Reihe war – her mit dem Ball, dreißig Schritte Anlauf, und Sie hätten mal sehen sollen, wie ich sie tanzen ließ.
Wie Sie vielleicht gemerkt haben, entsprach die Einstellung des guten Flashy zu unserem beliebten Rasenspiel nicht ganz der eines naiver und mannhaften Schulbuchhelden, der selbstlos für die Ehre seiner Mannschaft und aus Liebe zu ihrem wackeren Kapitän spielt, sich am fröhlichen Wettstreit mit Schlagholz und Ball ergötzt und sein unbekümmertes Gelächter über den grünen Rasen erschallen lässt. Nein, ganz so war es nicht. Persönlicher Ruhm, leicht erzielte Wickets, wo immer sie zu holen waren, und zum Teufel mit der Ehre der Mannschaft, das war mein Stil. Dazu durch Wetten ein paar Pfund nebenbei einstreichen und anschließend ausgiebig Jagd auf die Röcke der sportbegeisterten Damen machen, die uns tapfere Recken bei der Canterbury Week über ihre Sonnenschirme hinweg beäugten. Das ist der Geist, mit dem man Spiele gewinnt, glauben Sie mir, und wenn Sie schon dabei sind, denken Sie doch mal über unsere kürzliche katastrophale Niederlage gegen die Australier nach.2
Natürlich spreche ich als jemand, der Cricket in der guten alten Zeit gelernt hat, als junger Fuchs in Rugby, der sich an der Schule seinen Weg nach oben erkämpfen und versuchen musste, mit heiler Haut diesem höllischen Dschungel zu entkommen. Man hatte die Wahl, als körperliches oder seelisches Wrack daraus hervorzugehen, und ich bin froh, sagen zu können, dass mir diese Wahl nie schwergefallen ist. Das hat mich zu dem Mann gemacht, der ich heute bin – oder einmal war, denn viel ist nicht von mir übrig. Als kleiner Junge habe ich mich mit Heuchelei und Bestechung durchgeschlagen, als Erwachsener mit Ellbogen und Fäusten, und ich verstehe einfach nicht, wieso ich noch nicht im House of Lords sitze. Doch das nur nebenbei. Entscheidend ist, dass ich in Rugby nur zwei Dinge wirklich gut gelernt habe: Überleben und Cricket. Denn schon im zarten Alter von elf Jahren erkannte ich, dass Bestechung, Schmeichelei und Betrug zwar ersteres sicherstellen mögen, doch dass sie nicht ausreichen, um Ansehen und Beliebtheit zu erlangen. Und das ist eine äußerst wichtige Sache. Dazu musste man bei Spielen glänzen, und Cricket war das einzige, das für mich in Frage kam.
Nicht dass ich mich anfangs besonders dafür interessiert hätte, aber der andere beliebte Sport war Fußball, und der war ausgesprochen gefährlich. Ich mogelte mich dabei nur durch, indem ich bei Rangeleien um den Ball verspätet angehumpelt kam und schrie: „Feste drauf, Jungs! Aua, mein verfluchtes Bein!“ Und indem ich die Kunst entwickelte, größere Männer beim Angriff um Haaresbreite zu verfehlen und mit heldenhaftem Keuchen und Stöhnen auf den Rasen zu sinken.3Cricket war im Vergleich dazu ruhig und friedlich und ohne Gefahr, Tritte vor das Schienbein zu bekommen – und ich erwies mich darin als ungewöhnlich gut.
Ich sage dies in aller Bescheidenheit. Wie Sie vielleicht wissen, habe ich noch drei andere hervorragende Begabungen – Reiten, Fremdsprachen und Hurerei –, doch die sind mir alle von Gott gegeben, und ich kann sie mir nicht als Verdienst anrechnen. Ein guter Cricketspieler zu werden, hat mich jedoch viel Mühe gekostet, verdammt viel Mühe. Das ist vermutlich der Grund, warum ich heute, im Rückblick auf die Errungenschaften und Trophäen eines ereignisreichen Lebens – die Orden, den Adelstitel, das angehäufte Geld, den militärischen Ruhm und die befriedigt ermatteten Weiber – im Großen und Ganzen nicht vieles sehe, worauf ich stolzer bin als auf jene fünf Wickets bei zwölf Läufen gegen die Asse unter Englands Schlagmännern oder jenes glorreiche Spiel anno Zweiundvierzig, drüben auf dem Cricketplatz von Lord's – aber darauf komme ich gleich, denn das ist der eigentliche Anfang dieser Geschichte.
Ich nehme an, wenn Fuller Pilch sein Schlagholz nur den Bruchteil einer Sekunde früher gesenkt hätte, wäre alles anders gekommen. Das Nest der Skrang-Piraten wäre nicht ausgeräuchert worden, die schwarze Königin von Madagaskar hätte einen Liebhaber weniger gehabt (obwohl ich zu behaupten wage, dass es bei diesem unersättlichen Luder nicht auf einen mehr oder weniger ankam), die Franzosen und Engländer hätten Tamatave nicht beschossen, und mir wären Entführung, Sklaverei, Todesgefahr und Folter an den unvorstellbarsten Orten erspart geblieben. Jaja, der gute alte Fuller, Gott hab' ihn selig, ist für vieles verantwortlich. Doch ich möchte nicht vorgreifen – ich war dabei, Ihnen zu erzählen, wie ich in Rugby zu einem schnellen Werfer wurde, dann das zu wissen, ist eine wichtige Voraussetzung.
Es war in den dreißiger Jahren, dass Würfe aus dem Schultergelenk aufkamen, und Burschen wie Mynn holten dabei bis auf Schulterhöhe mit dem Arm aus. Nichts seither hat das Spiel so verändert, denn da erkannten wir, was schnelles Werfen bedeutet – und schnell war es. Man redet viel über Spofforth und Brown, aber keiner von ihnen hat so viel Staub aufgewirbelt wie diese alten Kämpen. Ich habe gesehen, wie Mynn den Ball fünf Eckmännern und drei Hintermännern zuwarf, und seine Pässe gingen an allen vorbei und schlugen erst unmittelbar vor dem Eingangstor von Lord's auf. Das ist das richtige für mich, dachte ich, und übernahm diesen neuen Wurfstil. Zunächst war es ein Riesenspaß, den Ball Angsthasen und Stümpern, die ihn nicht Zurückschlagen konnten, um die Ohren sausen zu lassen. Doch bald merkte ich, dass dies gegen ernstzunehmende Schlagmänner nichts half – die schlugen den Ball flach zurück und jagten mich über den ganzen Platz. Also verbesserte ich meine Technik, bis ich mit meinen schnellsten Bällen bei vier von fünf Würfen eine Geldmünze treffen konnte. Und als ich heranwuchs, wurde ich noch schneller und war auf dem besten Weg, das As der Mannschaft zu werden – bis zu jenem denkwürdigen Nachmittag, an dem dieser puritanische Spinner Arnold Anstoß daran nahm, dass man mich sturzbesoffen nach Hause tragen musste und mich von der Schule verwies. Zwei Wochen vor dem Spiel gegen Marylebone, man stelle sich nur vor! – Nun ja, sie verloren ohne mich, was beweist, dass Gottesfurcht und Abstinenz zwar zum ewigen Leben verhelfen mögen, dass sie aber nicht dazu ausreichen, den Marylebone-Cricket-Club zu schlagen.
Damit war jedoch für mich das Cricketspiel für einige Sommer vorbei, denn man steckte mich in die Armee und verfrachtete mich nach Afghanistan, wo ich angstschlotternd den Rückzug bei Kabul überstand und unverdienten, aber unsterblichen Ruhm bei der Belagerung von Dschalalabad errang. Doch hier mag es genügen, wenn ich erwähne, dass ich während dieses gesamten grässlichen Feldzugs je nach Erfordernis der Lage log und betrog, um mein Leben rannte und um Gnade flehte, und mit vier Orden, dem Dank des Parlaments, einer Audienz bei unserer Königin und einem Händedruck des Herzogs von Wellington daraus hervorging. Es ist erstaunlich, was man aus einer verfahrenen Sache machen kann, wenn man seine Karten geschickt ausspielt und im richtigen Moment eine würdige Miene aufsetzt.
Jedenfalls kehrte ich im Spätsommer Zweiundvierzig als berühmter Held heim und wurde von der Öffentlichkeit und von Elspeth, meiner schönen, aber dämlichen Frau, mit stürmischer Begeisterung empfangen. Durch all die Feierlichkeiten und Feste zu meinen Ehren und die übertriebene Sauferei und Hurerei, mit der ich Versäumtes nachholte, blieb mir in den ersten Monaten nicht viel Zeit für harmlosere Zerstreuungen. Doch der Zufall wollte es, dass ich eines Nachmittags, stockschwenkend und den Hut unternehmungslustig ins Genick geschoben, die Regent Street hinunter schlenderte und Ausschau hielt, was ich mir zu Gemüte führen könnte, als ich mich plötzlich vor der Schänke „Zum Grünen Mann“ wiederfand. Ich blieb einen Moment stehen – und dieses kurze Zögern war der Auslöser für das womöglich merkwürdigste Abenteuer meines Lebens.
Es ist jetzt lange her, doch in jenen Tagen war der „Grüne Mann“ ein bekannter Treffpunkt für Cricketspieler, und der Anblick von Schlaghölzern, Torstäben und anderem Sportzubehör im Fenster brachte Erinnerungen zurück und weckte ein seltsames Verlangen in mir. Nein, nicht zu spielen, verstehen Sie mich nicht falsch, sondern nur wieder einmal die Atmosphäre zu schnuppern und den Gesprächen von Schlagmännern und Werfern zu lauschen, ihrer Fachsimpelei und ihrem Klatsch. Also ging ich hinein, bestellte einen Teller Kutteln und einen anständigen Humpen Bier, wechselte ein paar Worte mit den vergnügten Pfeifenrauchern in der Schankstube und kam bald durch das deftige Essen, das fröhliche Geschwätz und Gelächter und die saubere, herzliche Atmosphäre des Lokals so in Fahrt, dass ich wünschte, ich wäre zum Haymarket weitergegangen und hätte mir statt dessen eine Portion scharf gewürztes Weiberfleisch gegönnt. Doch dazu war vor dem Abendessen immer noch Zeit. Ich rief gerade nach dem Kellner, um zu zahlen, als ich einen Burschen bemerkte, der mich quer durch den Raum anstarrte. Unsere Blicke kreuzten sich, er schob seinen Stuhl zurück und kam zu mir herüber.
„Sagen Sie mal“, fragte er, „sind Sie nicht Flashman?“ Er klang fast argwöhnisch, als wolle er es nicht recht glauben. Ich war derlei inzwischen gewohnt, seit alle Welt den Helden von Dschalalabad umschmeichelte und bewunderte, doch dieser Bursche hier sah nicht aus wie ein Speichellecker. Er war so groß wie ich, mit braunem Gesicht und eckigem Kinn, und hatte etwas Schneidiges an sich, als sei er versessen auf kalte Bäder und Zehn- Meilen-Märsche. Bestimmt ein guter Christ, dachte ich, einer von diesen Kerlen, die am Tag vor einem Match nicht rauchen.
Also sagte ich ziemlich kühl, ja, ich sei Flashman, und was ihn das angehe.
„Du hast dich kaum verändert“, sagte er grinsend. „Aber du wirst dich wohl nicht an mich erinnern, oder?“
„Gibt es einen guten Grund, warum ich es versuchen sollte?“ fragte ich. „Heda, Kellner!“
„Nein, danke“, meinte dieser Kerl. „Ich habe mein Quantum für heute schon gehabt. Mehr trinke ich während der Saison grundsätzlich nicht.“ Und er setzte sich in aller Gemütsruhe an meinen Tisch.
„Na, da bin ich aber froh“, sagte ich und erhob mich. „Sie werden verzeihen, aber –“
„Nun warte doch“, rief er lachend. „Ich bin doch Tom Brown. Brown – aus Rugby. Sag bloß nicht, du hast mich vergessen!“
Nun, das hatte ich in der Tat. Heute ist sein Name in mein Gedächtnis eingeprägt, und das ist so, seit Hughes in den fünfziger Jahren sein infernalisches Buch veröffentlicht hat, doch das lag damals noch in der Zukunft, und ich konnte mich ums Verrecken nicht an ihn erinnern. Mir lag auch nichts daran. Er hatte diesen männlichen Geruch nach Leben unter freiem Himmel an sich, den ich nicht ausstehen kann, und außerdem trug er eine Jacke aus Tweed (ich wette, er hatte sein Pferd damit abgerieben) und eine Sportmütze; ganz und gar nicht mein Stil.
„Du hast mich einmal wegen des Kaminfeuers im Gemeinschaftsraum zur Schnecke gemacht“, sagte er freundlich. Da erkannte ich ihn plötzlich und schätzte die Entfernung zur Tür ab. Das ist der Ärger mit diesen vorwitzigen kleinen Schnüfflern, die man in der Schule vertrimmt: Sie wachsen zu riesigen Burschen heran, die boxen können und immer in bester Form sind. Zu meinem Glück schien dieser hier ebenso christlich gesinnt wie muskelbepackt zu sein und Arnolds wahnwitzige Doktrin angenommen zu haben, dass man seine Feinde lieben soll. Denn als ich hastig murmelte, ich hoffe, er habe dadurch keinen bleibenden Schaden davongetragen, lachte er herzlich und klopfte mir auf die Schulter.
„Was soll's, das ist längst vergessen und vergeben“, rief er. „Jungs bleiben halt Jungs, nicht wahr? Übrigens, weißt du was? Ich habe fast das Gefühl, ich muss mich bei dir entschuldigen. Ja.“ Er kratzte sich am Kopf und schaute mich dümmlich an. „Um die Wahrheit zu sagen“, ging dieses seltsame Gefasel weiter, „als wir jung waren, mochte ich dich nicht besonders, Flashman. Naja, du hast uns Füchse ziemlich grob behandelt, weißt du? Ich nehme selbstverständlich an, dass das nur Gedankenlosigkeit war, aber na ja, wir hielten dich für einen ausgemachten Schuft und – und außerdem ... für einen Feigling.“ Er rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, und ich fragte mich, ob er einen Furz lassen wollte. „Aber da hast du uns ganz schön an der Nase herumgeführt, nicht wahr?“ sagte er und schaute mir wieder in die Augen. „Ich meine diese ganze Geschichte in Afghanistan ... die Art und Weise, wie du unsere Fahne verteidigt hast und so ... bei Gott“, und er hatte doch tatsächlich Tränen in den Augen, „das war einfach großartig ... und wenn man bedenkt, dass du ... also, ich habe nie in meinem Leben etwas Heldenhafteres gehört und ich wollte mich nur bei dir entschuldigen, alter Knabe, dass ich schlecht von dir gedacht habe – denn ich gebe zu, das habe ich damals – und ich möchte dich fragen, ob ich dir die Hand schütteln darf, wenn du gestattest.“
Er saß mit edler, aber leicht verschwommener Miene da, streckte seine große Pfote aus und triefte geradezu vor Tugend, während ich ihn verwundert anstarrte. Das Merkwürdige ist, dass sein treuer Busenfreund mir fast das gleiche sagte, als wir uns Jahre später als Gefangene in Russland trafen. Er gestand mir, wie sehr er mich verabscheut hatte, aber dass mein heldenhaftes Verhalten alle alten Rechnungen beglichen habe und so weiter. Ich frage mich heute noch, ob sie das selber glaubten, ob sie der Form halber heuchelten oder ob sie sich tatsächlich schuldig fühlten, weil sie einstmals böse Gedanken gegen mich gehegt hatten. Ich weiß es beim besten Willen nicht, denn viktorianische Moralbegriffe sind mir Gott sei Dank zu hoch. Ich weiß nur, dass ich jeden weiter hassen würde, der mir einen üblen Streich gespielt hat, auch wenn er sich später als der Erzengel Gabriel erweisen sollte. Aber ich bin ja auch nur ein Schurke ohne Gefühl für Anstand. Jedenfalls war ich so erleichtert, diesen hünenhaften Burschen bereit zu sehen, die Vergangenheit ruhen zu lassen, so dass ich all meinen Charme aufbot, ihm kräftig die Flosse schüttelte und darauf bestand, dass er einmal eine Ausnahme von seiner Regel machte und ein Glas mit mir trank.
„Also schön, danke“, sagte er, und als das Bier gekommen war und wir auf das Wohl der guten alten Schule von Rugby getrunken hatten (seinerseits zweifellos ehrlich gemeint), setzte er seinen Krug ab und meinte:
„Das ist noch etwas – eigentlich war das der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, als ich dich vorhin sah. Aber ich weiß nicht, wie du es aufnehmen wirst – ich meine, möglicherweise sind ja deine Wunden noch nicht ganz verheilt?“ Er zögerte.
„Schieß los“, sagte ich und dachte, vielleicht will er dich mit seiner Schwester bekannt machen.
„Naja, du hast wohl nichts davon gehört, aber während meines letzten Halbjahrs auf der Schule, als ich Mannschaftskapitän war, haben wir ein sagenhaftes Spiel gegen die Leute von Marylebone ausgetragen. Den ersten Durchgang haben wir verloren, aber nur um neun Läufe, und wenn nur ein weiterer Werfer zum Zug gekommen wäre, hätten wir sie geschlagen. Jedenfalls war der alte Aislabie – erinnerst du dich an ihn? – so begeistert von unserem Spiel, dass er mich gefragt hat, ob ich nicht aus früheren und heutigen Spielern aus Rugby eine Mannschaft für ein Match gegen Kent aufstellen möchte. Also, ein paar gute Leute habe ich schon – du kennst ja den jungen Brooke und Raggles –, und da fiel mir ein, dass du doch ein sagenhafter Werfer warst, deshalb ... was hältst du davon, für uns aufzutreten – natürlich nur, wenn du in Form bist?“
Ich war völlig verblüfft, und da ich meine Zunge nun mal nicht im Zaum halten kann, sagte ich: „Glaubt ihr etwa, ihr werdet ein größeres Publikum anziehen, wenn der Held von Afghanistan mitspielt?“
„Hä? Großer Gott, nein!“ Er lief rot an und lachte dann. „Was bist du doch für ein Zyniker, Flashy! Weißt du was?“ sagte er mit wissender Miene. „Ich glaube, ich beginne dich zu verstehen. Schon in der Schule hast du immer diese schlagfertigen und spitzen Bemerkungen gemacht, die den Leuten unter die Haut gingen – fast als hättest du es darauf angelegt, dass sie dich nicht mögen. Das ist ein Widerspruch – es passt so gar nicht zu deiner wahren Natur, stimmt's? O ja“, meinte er und lächelte weise, „das hat sich in Afghanistan deutlich gezeigt. Die deutschen Gelehrten beschäftigen sich sehr eingehend damit – mit der Widersprüchlichkeit der menschlichen Natur, der Neigung hervorragender Leute, sich selbst zu zerstören, und mit der heldischen Seele, die Angst vor ihrem eigenen Untergang hat und versucht, diesen zu beschleunigen. Interessant.“ Er schüttelte feierlich sein feistes Haupt. „Ich gedenke, dieses Semester in Oxford Philosophie zu studieren, weißt du? Aber ich will nicht abschweifen. Wie ist es, alter Knabe?“ Und er patschte mir verdammt plump-vertraulich aufs Knie. „Spielst du für uns als Werfer – auf dem Platz von Lord's?“
Ich war kurz davor, ihm zu sagen, er solle sein Angebot zusammen mit seinem hochtrabenden ausländischen Geschwätz in den größten Teich im Hydepark werfen, aber seine letzte Bemerkung hielt mich davon ab. Lord's – ich hatte niemals dort gespielt, doch welcher Cricketspieler auf Erden würde sich diese Chance entgehen lassen? Sie halten das vielleicht für eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Spielen anderer Art, die ich in letzter Zeit getrieben hatte, aber ich gestehe, dass ich Herzklopfen bekam. Ich war damals noch jung und leicht zu beeindrucken und riss ihm fast die Hand ab, als ich einschlug. Er bedachte mich mit einem weiteren gewaltigen Schlag auf meine Schulter (diese kernigen jungen Sportler meiner Jugendzeit hatten eine grässliche Art, einander zu begrabschen) und sagte, großartig, das sei also abgemacht.
„Du wirst sicher etwas trainieren wollen“, fuhr er fort und hielt mir prompt einen Vortrag darüber, wie er sich selbst mit Laufen, Turnübungen und Verzicht auf gutes Essen in Form hielt, genau wie er es auf der Schule getan hatte. Dann kam er auf alte Zeiten zu sprechen und erzählte mir, dass er im vergangenen Monat zu Arnolds Grab gepilgert sei, um dort zu weinen und zu beten (unser verehrter Mentor war Anfang des Jahres abgekratzt, meiner Meinung nach keinen Moment zu früh). Bis er damit zu Ende war, hatte ich mir in meiner Begeisterung über die Aussicht, auf dem Platz von Lord's zu spielen, den Bauch mit Starkbier vollgeschlagen, und als wir uns in der Regent Street voneinander verabschiedeten, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, seine verdammte Aufgeblasenheit zum Platzen zu bringen.
„Ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass ich dich wiedergesehen habe, alter Knabe“, sagte er, als wir uns die Hände schüttelten. „Natürlich freue ich mich darüber, dass du für uns spielen willst, aber weißt du, das Beste an der Sache war, den neuen Flashman kennenzulernen, wenn du verstehst, was ich meine. Es ist merkwürdig“, er klemmte die Daumen in den Gürtel und blinzelte mich weise an wie eine Eule, die Wehen hat, „aber das erinnert mich daran, was der Doktor immer im Konfirmationsunterricht über die Wiedergeburt des Menschen gesagt hat. Es ist zwar dir passiert, aber ich profitiere davon, verstehst du? Jedenfalls habe ich das Gefühl, ein besserer Mensch zu sein als vor einer Stunde. Gott segne dich, alter Knabe“, sagte er, und ich entzog ihm rasch meine Hand, bevor er mich zu einem kurzen Gebet und zum Absingen von „Gib uns ein fröhliches Gemüt“ auf die Knie ziehen konnte. Er fragte, in welche Richtung ich ginge.
„Ach, runter zum Haymarket“, sagte ich. „Ich denke, ich werde mich ein bisschen in Form bringen.“
„Großartig“, sagte er. „Nichts geht über einen schönen Spaziergang.“
„Nun ja ... ich dachte eigentlich mehr an Reiten, weißt du?“
„Am Haymarket?“ Er runzelte die Stirn. „In der Gegend sind doch keine Reitställe, oder?“
„Die besten in der ganzen Stadt“, sagte ich. „Mit ein paar englischen Stuten, aber hauptsächlich mit französischen Füllen. Im Reitzeug aus schwarzer und scharlachroter Seide. Ein herrliches Training, aber verdammt ermüdend. Möchtest du es nicht auch mal versuchen?“
Einen Moment lang war er ganz verwirrt, doch als ihm dann dämmerte, was ich meinte, wurde er abwechselnd rot und blass, bis ich fürchtete, er würde in Ohnmacht fallen. „Mein Gott“, flüsterte er heiser. Ich tippte ihm ganz vertraulich mit dem Spazierstock gegen die Weste.
„Erinnerst du dich an Stumps Harrowell, den Schuhmacher in Rugby mit den ungeheuer dicken Waden?“ Ich zwinkerte, während er mich fassungslos anstarrte. „Nun, da unten gibt es ein deutsches Weibsbild, das hat noch dickere Stampfer und wiegt etwa so viel wie du. Das würde dir bestimmt guttun.“
Er gab gurgelnde Laute von sich, während ich ihn höchst amüsiert betrachtete.
„So viel zu dem neuen Flashman, hm?“ sagte ich. „Wünschst du dir jetzt, du hättest mich nicht aufgefordert, mit deinen unschuldsvollen kleinen Freunden zu spielen? Nun, dazu ist es zu spät, lieber Tom; du hast mir die Hand darauf gegeben, oder?“
Er nahm sich zusammen und holte tief Luft. „Wenn du willst, kannst du spielen“, sagte er. „Ich war so dumm, dich zu fragen. Aber wenn du der Mann wärst, für den ich dich gehalten habe, würdest du –“
„– so nett sein, darauf zu verzichten und dich vor dem entweihendem Umgang mit mir zu verschonen? Nein, nein, mein Junge – ich werde dort sein; und genauso gut in Form wie du. Aber ich wette, ich werde mehr Spaß beim Training haben.“
„Flashman“, rief er, als ich mich ab wandte, „geh nicht in – in dieses Lokal, ich flehe dich an. Das bringt doch nichts ein.“
„Wie willst du das wissen?“ sagte ich. „Wir sehen uns dann auf dem Spielfeld von Lord's.“ Und ich überließ ihn der Pein, die ein Christ beim Anblick eines verstockten Sünders empfindet, der zur Hölle fährt. Das Schönste daran war, dass er vermutlich bei dem Gedanken an mein verwerfliches Treiben ähnliche fromme Qualen litt, als hätte er selber einen Galopp mit dieser deutschen Dirne eingelegt. Das nenne ich wahre Selbstlosigkeit. Aber für ihn wäre sie ohnehin zu schade gewesen.
*** Anmerkungen zum Kapitel 1 ***
1Siehe dazuAnhang 1: Cricket-Regeln undAnhang 2: Cricket um 1840
2Da die meisten Flashman-Papiere zwischen 1900 und 1905 geschrieben wurden, liegt es nahe, dass Flashman sich hier auf die Serie von Freundschaftsspielen in den Jahren 1901-02 bezieht, die Australien mit vier Spielen gegen eins gewann. Möglicherweise auch auf die Spiele im Sommer 1902, als die Australier ihren Sieg mit 2:1 bestätigten. In diesem Jahr scheiterte auch der Versuch, die ständig umstrittene Regel über das Bein vor dem Tor abzuändern.
3Flashmans Verhalten auf dem Spielfeld wird auf denkwürdige Weise in „Tom Brown‘s Schooldays“ beschrieben, wo Thomas Huges sein verspätetes Eingreifen bei Rangeleien um den Ball „mit Geschrei und großem Getue“ erwähnt.
Kapitel 2
Aber denken Sie nicht, dass ich mein Training leichtnahm, nur weil ich die Tagträume dieses heiligen Thomas hatte platzen lassen. Noch während die deutsche Dirne nach dem Ritt um Luft rang und nach Erfrischungen läutete, machte ich bereits Lockerungsübungen auf dem Bettvorleger und probte meinen alten Armschwung; um das Fangen zu üben, holte ich sogar ein paar von ihren Mitschwestern ins Zimmer, die mir Orangen zuwerfen mussten, und Sie haben nie etwas Lustigeres gesehen als diese angemalten Flittchen, die in ihren Korsetts herumhüpften und mit Obst warfen. Wir machten einen solchen Lärm, dass die anderen Kunden ihre Köpfe aus den Türen steckten, und das Ganze entwickelte sich zu einem improvisierten Spiel auf dem Flur zwischen Huren und Kundschaft (ich muss eines Tages die Regeln für Bordell-Cricket schriftlich festhalten, falls ich mich noch an sie erinnere; der Begriff „Manndeckung“ nahm dabei eine Bedeutung an, die Sie meines Wissens in keinem Handbuch finden). Die Schlacht geriet natürlich außer Kontrolle, Möbel gingen zu Bruch, die Huren kreischten und flennten, und die Rausschmeißer der Madame setzten mich vor die Tür, weil ich ihr verrufenes Haus noch mehr in Verruf bringen könnte, was mir nur schwer möglich schien.
Am nächsten Tag jedoch machte ich mich ernsthaft im Garten und mit einem Ball ans Werk. Zu meiner Freude schien ich nichts von meinen alten Fähigkeiten verloren zu haben. Das Bein, das ich mir in Afghanistan gebrochen hatte, schmerzte kein bisschen, und zur Krönung meines Trainings warf ich das Fenster des Frühstückzimmers ein, wo mein Schwiegervater gerade sein Mahl beendete. Anscheinend hatte er beim Porridge über den Rebecca-Aufstand1gelesen; und da er sein erbärmliches Leben damit verbracht hatte, seine Fabrikarbeiter zu schinden und auszubeuten und ein dementsprechend schlechtes Gewissen hatte, war sein erster Gedanke beim Klirren der Scherben, der hungernde Pöbel habe sich erhoben und komme, um ihm seine gerechte Strafe zu erteilen.
„Du verdammter Vandale!“ schrie er und klaubte sich die Splitter aus dem Backenbart. „Dir ist es wohl gleich, wen du zum Krüppel machst oder umbringst? Das hätte mein Tod sein können! Hast du nichts Vernünftiges zu tun?!“ Und er schimpfte weiter über übel gesinnte Nichtstuer, die ihre Zeit und sein Geld mit selbstsüchtigen Vergnügungen verplemperten, während ich Elspeth über ihr Kaffeegedeck hinweg einen Guten-Morgen-Kuss gab. Ich betrachtete ihr schimmerndes Blondhaar und ihre Pfirsichhaut und fragte mich, wieso ich am Abend zuvor meine Kraft an jene fette Schlampe verschwendet hatte, während zu Hause zwischen den Laken das hier auf mich wartete.
„In eine feine Familie hast du da eingeheiratet“, sagte ihr charmanter Vater. „Der Sohn treibt sich herum und verwüstet das Haus, während der Vater vom Schnaps betäubt oben im Bett liegt. Ist kein Toast mehr da?“
„Nun, es ist unser Haus und unser Schnaps“, sagte ich und bediente mich mit einer Portion Nieren. „Und auch unser Toast, wenn du es so nimmst.“
„Ach, was du nicht sagst“, meinte er und wirkte dabei mehr denn je wie ein boshafter Kobold. „Und wer bezahlt das alles? Weder du noch dein Tunichtgut von Vater. Jawohl. Und du, meine Liebe, kannst dein beleidigtes Naserümpfen für dich behalten“, fuhr er an Elspeth gerichtet fort. „Das muss einmal ganz klipp und klar gesagt werden. Es ist John Morrison, der die Rechnungen für deinen feinen Gatten, dieses Haus und den Unterhalt der Familie bezahlt, mit gutem, schwer verdientem schottischen Silber; vergiss das nicht.“ Er knüllte seine Zeitung zusammen, die mit verschüttetem Kaffee getränkt war. „Pah! Mir ist das ganze Frühstück vergangen. ‚Unser Haus‘ und ‚unser Schnaps‘ sagst du? Viel Wind und nichts dahinter!“ Wutschnaubend marschierte er hinaus, um einen Augenblick später wieder zurückzukommen. „Und da du angeblich diesen Haushalt führst, mein Fräulein, sorge gefälligst dafür, dass es von jetzt an Marmelade gibt und nicht dieses verdammte französische Mus! Kon-fi-tüüüre! Ha! Klebriger Mist!“ Und er knallte die Tür hinter sich zu.
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