Fluktuationsmanagement - Alexander Häfner - E-Book

Fluktuationsmanagement E-Book

Alexander Häfner

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Beschreibung

Die langfristige Bindung von Leistungsträgern hat für Unternehmen eine hohe betriebswirtschaftliche Relevanz. Ungewollte Fluktuationen erzeugen in Unternehmen hohe Kosten und gehen häufig auch mit Einbußen hinsichtlich Qualität, Kundenzufriedenheit und Produktivität einher. Zudem wird es immer schwieriger, gute Fach- und Führungskräfte am Arbeitsmarkt zu gewinnen. Dieses Buch beschreibt auf der Grundlage des aktuellen Forschungsstands Leitlinien für die systematische Analyse von Fluktuationsgründen und gibt praxisnahe Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Interventionen zur Bindung von Leistungsträgern (z. B. Führen von Bindungsgesprächen, Gestaltung attraktiver Entwicklungswege). Dabei wird auch erläutert, wie klassische Instrumente der Personalarbeit, wie Mitarbeiterbefragungen oder Teambesprechungen, einen Beitrag zur Vermeidung ungewollter Fluktuation leisten können. Die dargestellten Themen reichen von der Einarbeitung, über Gespräche zur Erwartungsklärung bis hin zu Austrittsgesprächen und typischen Problemen bei der Umsetzung von Fluktuationsmanagement. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt auf der Frage, was sowohl die direkten Führungskräfte (z. B. Teamleiter) als auch Verantwortliche im Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung sowie die Geschäftsleitung zur Vermeidung ungewollter Fluktuationen beitragen können. Fallbeispiele aus verschiedenen Branchen (z. B. Produktion, Handel, Pflege) runden den Band ab.

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Alexander Häfner

Christina Truschel

Fluktuationsmanagement

Ungewollte Kündigungen vermeiden

Praxis der Personalpsychologie

Human Resource Management kompakt

Band 40

Fluktuationsmanagement

Dr. Alexander Häfner, Dipl.-Psych. Christina Truschel

Herausgeber der Reihe:

Prof. Dr. Jörg Felfe, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Heinz Schuler

Begründer der Reihe:

Prof. Dr. Heinz Schuler, Dr. Rüdiger Hossiep, Prof. Dr. Martin Kleinmann, Prof. Dr. Werner Sarges

Dr. Alexander Häfner, geb. 1979. 2000 – 2006 Studium der Psychologie in Würzburg. 2006 – 2012 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Julius-Maximilians Universität Würzburg. 2012 Promotion. Weiterbildungen als Trainer und Coach. Seit 2012 Leiter Personalentwicklung bei der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG. Seit 2014 Mitglied im Vorstand der Sektion Wirtschaftspsychologie des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Arbeitsschwerpunkte: Führungskräfteausbildung, Mitarbeiterbindung, Organisationsentwicklung.

Dipl.-Psych. Christina Truschel, geb. 1984. 2003 – 2008 Studium der Psychologie in Würzburg. 2008 – 2012 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Julius-Maximilians Universität Würzburg. Weiterbildungen zum systemischen Coach und Wissensmanager. Seit 2012 Mitarbeiterin der Personalentwicklung bei der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG, unter anderem als Teamleiterin Wissensmanagement sowie als Expertin für Wissensmanagement und Digitalisierung. Seit 2020 zudem freiberufliche Tätigkeit als Trainerin und Coach. Arbeitsschwerpunkte: Mitarbeiterentwicklung, Wissensmanagement, Projekt- und Change-Management.

Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autor:innen bzw. den Herausgeber:innen große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abgedruckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autor:innen bzw. Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.

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Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / Andrey Popov

Satz: Sina-Franziska Mollenhauer, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

Format: EPUB

1. Auflage 2022

© 2022 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen

(E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2667-9; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2667-0)

ISBN 978-3-8017-2667-6

https://doi.org/10.1026/02667-000

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Diese Bestimmungen gelten gegebenenfalls auch für zum E-Book gehörende Download-Materialien.

Zitierfähigkeit: Dieses EPUB beinhaltet Seitenzahlen zwischen senkrechten Strichen (Beispiel: |1|), die den Seitenzahlen der gedruckten Ausgabe und des E-Books im PDF-Format entsprechen.

Inhaltsverzeichnis

1 Ungewollte Mitarbeiterfluktuation vermeiden

1.1 Einordnung des Gegenstandsbereichs

1.2 Definitionen

1.3 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

1.4 Bedeutung für das Personalmanagement

1.5 Betrieblicher Nutzen

1.6 Weitere Ziele

2 Modelle

2.1 Ein Rahmenmodell zu Fluktuation

2.1.1 Einflussfaktoren auf Fluktuationsabsicht und Fluktuation

2.1.2 Zentrale Mediatoren im Rahmenmodell: Arbeitszufriedenheit, Commitment und Eingebundenheit

2.1.3 Konsequenzen im Rahmenmodell: Unterscheidung von Fluktuationsabsichten und tatsächlicher Fluktuation

2.1.4 Praktische Relevanz des Rahmenmodells

2.2 Das Modell der besonderen Ereignisse und der verschiedenen Entscheidungswege

2.3 Weitere Forschungsansätze

3 Analyse und Handlungsempfehlungen

3.1 Einschätzung des Handlungsbedarfs und Ursachenanalyse: Fluktuationen ernst nehmen

3.2 Auswahl von Interventionen und Festlegung von Evaluationskriterien

3.3 Leitlinien für Analyse, Intervention und Evaluation

3.4 Analyse- und Evaluationsinstrumente im Überblick

3.5 Interventionsansätze im Überblick

4 Vorgehen

4.1 Darstellung der Interventionsmethoden

4.1.1 Einarbeitung

4.1.2 Teambesprechungen

4.1.3 Gespräche zur Erwartungsklärung

4.1.4 Mitarbeiterbefragung

4.1.5 Entwicklungswege gestalten und nutzen

4.1.6 Bindungsgespräche

4.1.7 Austrittsgespräche

4.2 Probleme bei der Umsetzung von Fluktuationsmanagement

5 Fallbeispiele aus der Unternehmenspraxis

5.1 Fallbeispiel: Einarbeitungskonzept

5.2 Fallbeispiel: Teambesprechungen

5.3 Fallbeispiel: Erwartungsklärung und Entwicklungsgespräche

5.4 Fallbeispiel: Mitarbeiterbefragung

5.5 Fallbeispiel: Führungskräftetraining mit den Schwerpunkten Bindungsgespräche und Fluktuationsprävention

5.6 Fallbeispiel: Austrittsgespräche

5.7 Fallbeispiel: Mitarbeiterbindung in der Pflege

5.8 Fallbeispiel: Coaching

6 Literaturempfehlungen

7 Literatur

8 Anhang

Anhang 1: Anregungen zur Erhebung quantitativer Daten für die Analyse von Fluktuationsgründen

Anhang 2: Leitfaden zur Durchführung eines Entwicklungsgesprächs von Great Place to Work® Deutschland

Anhang 3: Leitfaden für die Ergebnisbesprechung einer Mitarbeiterbefragung von WAREMA (in Auszügen)

Anhang 4: Das Teamnest der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG (weiterführende Fragen)

Anhang 5: Austrittsgesprächsbogen der Würth Industrie Service GmbH & Co. KG

9 Sachregister

Karten

Neue Mitarbeiter gut integrieren – Frühe Fluktuationen vermeiden

Mittel- und langfristige Entwicklungswege erarbeiten

Bindungsgespräche führen

Austrittsgespräche führen

|1|1 Ungewollte Mitarbeiterfluktuation vermeiden

Wie lange planen Sie, noch weiter bei Ihrem aktuellen Arbeitgeber zu arbeiten? Was hat Sie bislang zu Arbeitgeberwechseln motiviert? Was erzählen Freundinnen und Freunde? Wer sich im Freundeskreis umhört, wird verschiedene Wechselgründe hören:

eine schlechte Führungskraft, die nicht mehr zu ertragen war,

die Suche nach einer Stelle mit neuen spannenden Aufgaben,

die Hoffnung, ungenutzte Kompetenzen an einem neuen Arbeitsplatz einsetzen zu können,

der Wunsch nach einem Karriereschritt mit mehr Verantwortung,

ein finanziell attraktives Angebot,

die Entscheidung, dem Partner oder der Partnerin in eine andere Stadt folgen zu wollen,

die Sorge, dass es mit dem aktuellen Arbeitgeber wirtschaftlich bergab geht.

Welche Gründe begegnen Ihnen in Gesprächen? Sicher könnten wir zusammen die Liste aus persönlichen Erfahrungen noch weiter ergänzen. Wechselgründe können offensichtlich sehr vielfältig sein. Doch welche Gründe sind besonders relevant? Und vor allem: Was kann in Unternehmen getan werden, um ungewollte Fluktuationen zu vermeiden? Was kann die Geschäftsleitung tun? Und welche Maßnahmen können die direkten Führungskräfte ergreifen?

Wenn Sie als Führungskraft Leistungsträger langfristig in Ihrem Team binden möchten oder sich im Personalbereich oder in der Geschäftsleitung um Mitarbeiterbindung kümmern, dann freuen wir uns, wenn Sie in diesem Buch hilfreiche Anregungen für Ihre Arbeit finden.

1.1 Einordnung des Gegenstandsbereichs

In einem Rahmenmodell, das im Abschnitt 2.1 vorgestellt wird, gruppieren wir die verschiedenen Fluktuationsgründe in sieben Kategorien: (1) Merkmale des Mitarbeiters1, (2) Merkmale der Arbeitsstelle, (3) Merkmale der Organisation, (4) Soziale Interaktionen bei der Arbeit, (5) Führung, (6) Wechselwirkungen mit anderen Lebensbereichen und (7) Lage am Arbeitsmarkt. Allein die Auflistung der sieben |2|Kategorien zeigt, dass das Thema Fluktuation eine Vielzahl personalpsychologischer Arbeitsfelder betrifft.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die direkten Führungskräfte, da das Führungsverhalten ein relevanter Einflussfaktor ist und die Führungskräfte auch organisationale Rahmenbedingungen beeinflussen können. Führungskräfte können damit direkt und indirekt auf Fluktuationsabsichten und tatsächliche Fluktuation einwirken. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Faktoren, die völlig oder teilweise unabhängig vom Verhalten der Führungskräfte sind (z. B. Merkmale des Mitarbeiters oder die Lage am Arbeitsmarkt).

Es geht uns in diesem Band um die gesamte Bandbreite möglicher Fluktuationsursachen und damit verbundener Ansatzpunkte zur Fluktuationsvermeidung, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Frage liegt, was Führungskräfte zur Vermeidung ungewollter Fluktuationen beitragen können. Dabei haben wir die direkten Führungskräfte (z. B. Teamleiter), aber auch höhere Führungsebenen (z. B. Geschäftsleitung) im Blick.

Maßnahmen zur Vermeidung ungewollter Mitarbeiterfluktuation können sich unter anderem auf die Ausbildung und Beratung von Führungskräften beziehen, auf Führungsinstrumente, auf die Gestaltung von Arbeitsbedingungen, auf den Bereich der Personalauswahl oder auf die Gestaltung von Entwicklungswegen. Damit hängt die Arbeit am Thema Fluktuation mit vielen Aufgabenbereichen der Personalpsychologie zusammen, insbesondere mit Maßnahmen aus dem Bereich der Personal- und Organisationsentwicklung.

1.2 Definitionen

Unter Fluktuationsmanagement verstehen wir die Analyse von Fluktuationsgründen, die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung ungewollter Fluktuation sowie die Evaluation der Wirksamkeit der Interventionen.

Zu unterscheiden sind außerdem Fluktuationsabsichten und tatsächliche Fluktuation sowie ungewollte und gewollte Fluktuation in Abgrenzung von der unvermeidbaren Fluktuation:

Unter Fluktuationsabsichten wird der Wunsch eines Mitarbeiters verstanden, seinen Arbeitgeber zu wechseln (Baillod & Semmer, 1994). Es besteht die Intention zu kündigen, die jedoch nicht zwangsläufig in eine tatsächliche Kündigung umgesetzt wird. Fluktuationsabsichten und tatsächliche Fluktuation sind zwar deutlich miteinander korreliert (r = .50), aber keinesfalls identisch (Rubenstein, Eberly, Lee & Mitchell, 2018).

|3|Unter ungewollter Fluktuation verstehen wir in Anlehnung an Baillod und Semmer (1994) das freiwillige Verlassen einer Organisation durch einen Mitarbeiter, den verantwortliche Akteure der Organisation (z. B. die direkte Führungskraft, der zuständige Personalreferent) gerne weiter in der Organisation gehalten hätten. Interne Wechsel innerhalb einer Organisation, Ausscheiden aufgrund von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, Verrentung, Tod sowie arbeitgeberseitige Kündigungen (betriebs-, verhaltens- oder personenbedingt) fallen damit nicht unter die hier gewählte Definition von ungewollter Fluktuation.

Unter gewollter Fluktuation verstehen wir in Anlehnung an Baillod und Semmer (1994), dass die verantwortlichen Akteure einer Organisation sich vom ausscheidenden Mitarbeiter trennen wollten. Gründe hierfür können beispielsweise schlechte Arbeitsleistung oder Fehlverhalten (z. B. sexuelle Belästigung) sein. Das heißt jedoch nicht, dass bei jeder gewollten Fluktuation die Kündigung durch den Arbeitgeber erfolgt. Beschäftigte können einer drohenden Kündigung durch den Arbeitgeber (z. B. aufgrund von Fehlverhalten) durch eine arbeitnehmerseitige Kündigung zuvorkommen oder es wird ein Aufhebungsvertrag geschlossen. Weiterhin kann es in bestimmten Bereichen gewünscht sein, dass Mitarbeiter nach einiger Zeit auf eine neue Stelle wechseln, zum Beispiel im wissenschaftlichen Kontext, um Forschungserfahrung in anderen Laboren und Arbeitsgruppen sammeln zu können.

Unterscheidung von gewollter und ungewollter Fluktuation

Die Unterscheidung von gewollter und ungewollter Fluktuation wurde in der Forschung früh thematisiert (Baillod & Semmer, 1994) und ist nicht trivial. Fehlklassifikationen sind wahrscheinlich, allein schon durch das retrospektive Vorgehen bei der Klassifikation (Hom, Mitchell, Lee & Griffeth, 2012). Gerade wenn Aufhebungsverträge geschlossen werden, kann eine klare Unterscheidung in gewollte und ungewollte Fluktuationen in der Rückschau sehr schwierig sein. Die Frage, wer sich eigentlich trennen wollte, mag dann von Mitarbeiter und Führungskraft unterschiedlich bewertet werden.

Darüber hinaus legen Arbeitgeber auch Mitarbeitern, von denen sie sich trennen wollen, nahe, am Arbeitsmarkt nach Alternativen zu suchen und dann selbst zu kündigen. Dies wäre dann eine gewollte Fluktuation, die aber womöglich als ungewollte Fluktuation klassifiziert werden würde, wenn bei der Klassifikation nur darauf geschaut wird, wer gekündigt hat. Auch verschiedene Akteure in einer Organisation, z. B. die direkte Führungskraft, die nächsthöhere Führungskraft, Personalreferent oder Betriebsrat, können eine Kündigung unterschiedlich bewerten.

Weiterhin gibt es Gründe für das Ausscheiden von Beschäftigten aus einer Organisation, die sich weder als gewollte noch als ungewollte Fluktuation klassifizieren lassen: Ausscheiden aufgrund von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, |4|Verrentung, Tod. In solchen Fällen wird auch von unvermeidbarer Fluktuation gesprochen (Baillod & Semmer, 1994; Hom et al., 2012). Dabei ist anzumerken, dass Unternehmen sich teilweise darum bemühen, Mitarbeiter über das Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze hinaus weiter zu beschäftigen. Darüber hinaus können noch weitere Arten von unvermeidbarer Fluktuation auftreten: Wenn sich beispielsweise ein kaufmännischer Angestellter in einem Stahlwerk dazu entschließt, seinen aktuellen Beruf aufzugeben, weil er in die Altenpflege wechseln möchte, dann wäre seine Kündigung als unvermeidbare Fluktuation zu klassifizieren, da die Organisation keine Stelle im Bereich der Altenpflege anbieten kann.

1.3 Abgrenzung zu ähnlichen Begriffen

Der in diesem Band behandelte Gegenstandsbereich des Fluktuationsmanagements ist insbesondere von den Konzepten der inneren Kündigung und des Outplacements abzugrenzen:

Wir beschäftigen uns in diesem Band nur ganz am Rande mit motivationsbedingten Fehlzeiten, Unpünktlichkeit oder Leistungsvermeidung (siehe Abschnitt 2.3), wenngleich diese Konzepte in der Fluktuationsforschung durchaus als verwandte Konzepte Beachtung finden (Blau, 1994; Morrow, McElroy, Laczniak & Fenton, 1999). Sie werden auch als eine Art Vorstufe zu tatsächlicher Fluktuation beschrieben. Zusammenfassend wird auch von innerer Kündigung gesprochen. Bei innerer Kündigung handelt es sich also um eine Art motivationsbedingten Rückzug durch den Mitarbeiter, verbunden mit weniger Engagement und in der Folge auch mit einem Leistungsrückgang.

Unter Fluktuationsmanagement könnte man auch Aktivitäten des Arbeitgebers zur Gestaltung gewollter Fluktuationen verstehen. Hierfür hat sich in der Praxis das Schlagwort Outplacement etabliert, unter dem verschiedene Instrumente, wie Bewerbungstraining, individuelles Coaching, Beauftragung von Personalvermittlungsagenturen etc. zusammengefasst werden (Lohaus, 2010). Wir haben unsere Definition von Fluktuationsmanagement enger gefasst und fokussieren auf die Vermeidung ungewollter Fluktuationen.

1.4 Bedeutung für das Personalmanagement

In diesem Abschnitt wollen wir anhand eines Fallbeispiels aufzeigen, welche Bereiche des Personalmanagements betroffen sind und welche Kosten durch ungewollte Fluktuationen entstehen können.

|5|Nehmen wir an, dass in einem Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten im Laufe eines Jahres 100 Mitarbeiter die Organisation aufgrund ungewollter Fluktuation verlassen und ersetzt werden müssen. Für das Personalmanagement eines Unternehmens stellt die Nachbesetzung von 100 Stellen eine beachtliche Aufgabe dar (siehe Tabelle 1), wobei bei einzelnen Schritten auch großer Aufwand für die Fachabteilungen entsteht und die Aufgabenverteilung zwischen Personalmanagement und Fachabteilungen je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen kann.

Tabelle 1: Anforderungen an das Personalmanagement durch ungewollte Fluktuationen

Anforderungen

Betroffener Bereich des Personalmanagements

Kündigung administrativ umsetzen (z. B. Kündigung bestätigen, Firmeneigentum zurückfordern, Arbeitszeugnis erstellen, IT-Abmeldungen anstoßen, verbleibenden Urlaubsanspruch klären)

Personalbetreuung

Maßnahmen zur Sicherung des Wissens des ausscheidenden Mitarbeiters anstoßen (z. B. Dokumentationen erstellen lassen, Übergaben an Kollegen veranlassen)

Personalentwicklung

Aktivitäten zur Mitarbeitergewinnung umsetzen (z. B. Stellenausschreibung auf verschiedenen Kanälen, aktive Ansprache interessanter Personen über soziale Netzwerke)

Personalrekrutierung

Eignungsdiagnostik vornehmen (z. B. Vorstellungsgespräch, Arbeitsproben, Assessment Center)

Personalrekrutierung

Neueinstellung administrativ umsetzen (z. B. Arbeitsvertrag erstellen, Stammdatenpflege vornehmen, Meldungen an Behörden/Krankenkasse)

Personalbetreuung

Onboarding/Einarbeitung unterstützen (z. B. durch „Welcome“-Veranstaltungen und Trainingsangebote)

Personalentwicklung

Würde unser Beispielunternehmen eine externe Agentur mit der Gewinnung von 100 Mitarbeitern beauftragen, so wäre es durchaus marktüblich, dass bei erfolgreicher Stellenbesetzung mit Kosten von ca. 25 % des Jahresgehalts zu rechnen ist. Wenn wir für unser Beispiel ein durchschnittliches Monatsgehalt von 3.500 Euro (Brutto-Jahresgehalt: 42.000 Euro) unterstellen, dann würde allein das Recruiting über eine externe Agentur bei 100 Stellen zu Kosten von 1.050.000 Euro im Jahr führen. Nehmen wir weiterhin an, dass ein neuer Mitarbeiter in seinem ersten Jahr im neuen Unternehmen an 15 Tagen Präsenztraining für seine Einarbeitung teilnimmt und veranschlagen wir hierfür 300 Euro pro Tag (Trainerkosten, Raumkosten, Catering), dann würden hierfür weitere Kosten von 450.000 Euro entstehen.

|6|Allein diese Beispielrechnung zeigt deutlich, dass die Vermeidung von ungewollten Fluktuationen für das Personalmanagement hohe Relevanz hat, wobei wir nur einen Teil der Schritte aus Tabelle 1, die sich relativ gut abschätzen lassen, finanziell bewertet haben.

Kümmert sich eine Personalabteilung in erster Linie selbst um die Gewinnung neuer Mitarbeiter, so bedeutet eine hohe Fluktuationsquote einen hohen internen Personalaufwand. Die Kosten für externe Rekrutierungspartner fallen dann geringer aus, gleichzeitig werden aber mehr interne Kapazitäten im Personalmanagement und den Fachabteilungen gebunden. Die Kosten im Bereich des Personalmanagements sind jedoch nur ein Teil der Gesamtkosten. Wir gehen auf weitere Kostenblöcke im nachfolgenden Abschnitt ein.

1.5 Betrieblicher Nutzen

Unternehmen mit einer hohen Quote an ungewollter Fluktuation müssen viel Geld in die Einarbeitung der neuen Kollegen investieren; nicht nur in Form von „Welcome“-Veranstaltungen und fachlichen Trainings. Die Phase der Einarbeitung ist in der Regel eine Phase geringerer Produktivität des neuen Mitarbeiters und bedeutet gleichzeitig auch Aufwand für Führungskräfte, Ausbilder und weitere Kollegen in der Fachabteilung.

Wenn wir annehmen, dass ein Mitarbeiter im ersten Jahr nur 50 % seiner Arbeitszeit produktiv für sein Unternehmen arbeiten kann, also quasi die Hälfte seines Gehalts in die Einarbeitung fließt, dann müssen wir bezogen auf unser Beispiel mit 100 neuen Mitarbeitern (aus Abschnitt 1.4) 2.520.000 Euro als Einarbeitungskosten durch geringe Produktivität der Mitarbeiter noch addieren. Vereinfacht rechnen wir dabei mit Lohnnebenkosten von 20 %, die wir zum Jahresbruttolohn von 42.000 Euro noch addieren, um uns an die tatsächlichen Kosten aus der Arbeitgeberperspektive anzunähern. Wir gehen in unserem Beispiel weiterhin davon aus, dass die neu eingestellten Kolleginnen und Kollegen nach einem Jahr ihre volle Produktivität für ihr Unternehmen erreichen. Diese Betrachtung ist sehr vereinfacht, da der Zeitraum je nach Aufgabengebiet, Vorwissen, Intelligenz, Effektivität und Effizienz der Einarbeitung etc. kürzer oder länger ausfallen kann.

Nehmen wir weiterhin an, dass ein Mitarbeiter im ersten Jahr zusätzlich 20 % an Arbeitszeit von anderen Personen der Organisation in Anspruch nimmt, so kommen weitere 1.008.000 Euro hinzu, wobei wir vereinfacht ebenfalls mit einem Gehalt von 42.000 Euro (zzgl. 20 % Lohnnebenkosten) rechnen. Es resultiert somit eine Gesamtsumme von 5.028.000 Euro, wenn wir die in Abschnitt 1.4 bezifferten Kosten hinzu addieren. Enthalten sind die wichtigsten, direkten Kosten im Bereich des Personalmanagements sowie die Kosten, die im Rahmen der Einarbeitungsphase veranschlagt werden müssen. Damit kommen wir auf Kosten von |7|etwas mehr als 50.000 Euro für jeden zu ersetzenden Mitarbeiter – deutlich mehr als sein Jahresgehalt.

Unsere Beispielrechnung ist eher als vereinfachte, konservative Kostenschätzung zu bewerten. Die Kosten hängen von vielen Faktoren ab, die sich im Einzelfall stark unterscheiden können. Unter anderem:

Wie aufwendig ist die Einarbeitung für diese spezifische Tätigkeit/Position?

Wie viel Wissen, Fertigkeiten, Kompetenzen gehen durch die Fluktuation verloren?

Wie aufwendig ist die Stellenbesetzung?

Zwischen sehr einfachen und sehr komplexen Stellen können die Kosten stark variieren. In der Forschungsliteratur werden die Kosten durch ungewollte Fluktuationen eher höher eingeschätzt als in unserem Fallbeispiel (z. B. Ballinger, Craig, Cross & Gray, 2011).

Wenn das Unternehmen aus unserem Fallbeispiel einen Jahresumsatz von 500 Millionen Euro erzielt und ein Betriebsergebnis von 25 Millionen Euro, dann wird die hohe betriebswirtschaftliche Relevanz des Themas sehr schnell deutlich. Durch eine Halbierung der ungewollten Fluktuation ließen sich ca. 2.5 Millionen Euro an Kosten einsparen, was einem Zuwachs im Betriebsergebnis von 10 % entspräche.

Neben den direkten Kosten durch Fluktuationen im Bereich des Personalmanagements und durch die Einarbeitung, die sich relativ gut abschätzen lassen, gibt es eine Reihe an indirekten Effekten, die ebenfalls bedeutsam sind:

Weitere negative Auswirkungen einer hohen Fluktuationsquote

Durch Fluktuationen geht in der Regel spezifisches Wissen verloren, das der ausscheidende Mitarbeiter mitnimmt und welches nicht gänzlich für die Organisation gesichert werden kann.

Durch Fluktuationen fallen Ansprechpartner weg: Kunden und Lieferanten müssen sich an neue Ansprechpartner gewöhnen, interne Schnittstellenprobleme können auftreten.

Studien zeigen negative Effekte von Fluktuationen auf Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Fehlerquote, Qualität der Produkte/Dienstleistungen und Produktivität (z. B. Heavey, Holwerda & Hausknecht, 2013; Knaese & Probst, 2001; Park & Shaw, 2013).

Hinzu kommen Übertragungseffekte in der Form, dass Fluktuationen weitere Fluktuationen nach sich ziehen und so eine negative Spirale einer steigenden Fluktuationsquote in Gang bringen können (Felps, Mitchell, Hekman, Lee, Holtom & Harman, 2009).

Um die betriebliche Relevanz des Themas noch besser bewerten zu können, müssen wir uns ergänzend vor allem zwei Langzeittrends am deutschen Arbeitsmarkt |8|vor Augen führen. Erstens nimmt die Zahl offener Stellen seit Jahren zu und zweitens geht die Zahl der Arbeitssuchenden seit Jahren zurück (siehe Abbildungen 1 und 2; das Jahr 2020 fällt aufgrund der Corona-Krise aus dem allgemeinen Trend heraus: hier hat es einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen und einen Rückgang der Zahl der offenen Stellen gegeben). Die Abbildungen zeigen, dass sich die Zahl der Arbeitssuchenden zwischen 2008 und 2019 deutlich reduziert und gleichzeitig die Zahl der offenen Stellen deutlich zugenommen hat. Im Jahr 2005 lag die Zahl der Arbeitslosen sogar noch bei 4.9 Millionen.

Auch wenn Phasen rückläufiger Konjunktur (z. B. in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 oder in der Corona-Krise 2020/2021) dazu führen, dass die Zahl der Arbeitssuchenden in solchen Phasen steigt und gleichzeitig offene Stellen von Unternehmen nicht besetzt oder auch bestehende Stellen gestrichen werden, so scheint der langfristige Trend am deutschen Arbeitsmarkt von starkem Wettbewerb um Fachkräfte geprägt zu bleiben.

Vor diesem Hintergrund sollte sich jede Geschäftsleitung fragen:

Wer in unserer Personalabteilung beschäftigt sich mit Fluktuationsmanagement?

Wie intensiv beschäftigen wir uns als Geschäftsleitung damit?

Wie gut sind wir in der Analyse der Fluktuationsgründe?

Welche Maßnahmen haben wir bislang abgeleitet und umgesetzt?

Wie bewerten wir den Erfolg der Maßnahmen?

Welche Rolle spielen die direkten Vorgesetzten in unserem Fluktuationsmanagement?

1.6 Weitere Ziele

Es ist anzunehmen, dass abwandernde Mitarbeiter, die beispielsweise mit Teamklima und Führungsverhalten unzufrieden waren und ihre Erfahrungen auf Bewertungsplattformen (z. B. https://www.kununu.com) und im Bekanntenkreis teilen, die Arbeitgebermarke beschädigen können. In der Folge gelingt es der Organisation möglicherweise immer weniger, Mitarbeiter für sich zu interessieren und zu gewinnen. Ein weiteres Ziel von Fluktuationsmanagement können somit Beiträge zur Pflege der Arbeitgebermarke sein.

Ergänzend sei erwähnt, dass für viele Unternehmen Empfehlungen durch Beschäftigte im Bekanntenkreis zu den wichtigen Rekrutierungswegen zählen. Wer einen hohen Anteil an Mitarbeitern mit Fluktuationsabsichten hat, kann kaum erwarten, dass diese in ihrem Bekanntenkreis neue Kollegen gewinnen werden. Wenn es gelingt Fluktuationsabsichten zu reduzieren, so trägt dies bestenfalls zu einer größeren Anzahl an Bewerbungen aus den Freundes- und Bekanntenkreisen der Beschäftigten bei.

|9|

Abbildung 1: Arbeitslosenzahlen in Deutschland (in Millionen; Bundesagentur für Arbeit, 2021)

Abbildung 2: Anzahl offener Stellen in Deutschland (in Tausend; Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2021. Für die Grafik wurden die Werte des 4. Quartals eines jeden Jahres genutzt.)

1

Zugunsten einer besseren Lesbarkeit verwenden wir im Text in der Regel das generische Maskulinum. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Geschlechter (m/w/d). Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. Wenn möglich, wurde eine geschlechtsneutrale Formulierung gewählt.

|10|2 Modelle

In diesem Kapitel skizzieren wir in Abschnitt 2.1 zunächst ein Rahmenmodell, das verschiedene Modelle auf der Grundlage von Forschungsergebnissen aus den letzten Jahrzehnten integriert. Das Rahmenmodell veranschaulicht einen Prozessablauf, beginnend bei Einflussfaktoren (z. B. wertschätzendes Führungsverhalten), über Mediatoren (z. B. Arbeitszufriedenheit) hin zur Fluktuationsabsicht und zur tatsächlichen Fluktuation. Es wurde vielfach bestätigt, dass solche Prozessmodelle einen wichtigen Beitrag zur Erklärung von Fluktuation leisten können (z. B. Kumar, Jauhari, Rastogi & Sivakumar, 2018; Podsakoff, LePine & LePine, 2007; Semmer, Baillod, Stadler & Gail, 1996; Zimmerman & Darnold, 2009).

Als zweites Modell beschreiben wir in Abschnitt 2.2 das Phänomen von besonderen Ereignissen als Ursache von Fluktuationen und die damit verbundenen Entscheidungswege. Dabei handelt es sich um einen Ansatz, der klassische Fluktuationsmodelle deutlich ergänzt und einen zusätzlichen Erklärungsbeitrag zu den Ursachen von Fluktuationen leisten kann. Anschließend gehen wir in Abschnitt 2.3 auf weniger stark beforschte Ansätze ein, die noch weitere, nützliche Blickwinkel auf Fluktuationen ermöglichen.

2.1 Ein Rahmenmodell zu Fluktuation

In den letzten Jahren wurden in Metaanalysen mehr als 50 verschiedene Einflussfaktoren (z. B. wertschätzendes Führungsverhalten, Alter, Entwicklungsmöglichkeiten) auf Fluktuationsabsichten und tatsächliche Fluktuation herausgearbeitet sowie ca. 10 Mediatoren (z. B. Arbeitszufriedenheit) identifiziert, über die die Einflussfaktoren auf Fluktuationsabsichten und Fluktuationen wirken. Abbildung 3 veranschaulicht den angenommenen Prozessablauf. Dargestellt sind sieben Einflusskategorien, die drei relevantesten Mediatoren sowie Fluktuationsabsichten und tatsächliche Fluktuation als Konsequenzen.

In Abbildung 4 haben wir die sieben Einflusskategorien genauer ausdifferenziert, indem wir die in der Forschung identifizierten Einflussfaktoren (z. B. Entwicklungsmöglichkeiten) den sieben Einflusskategorien zugeordnet haben. Entsprechend diesem Modell wird beispielsweise angenommen, dass das Betriebsklima in einem Unternehmen (Einflussfaktor aus dem Bereich Merkmale der Organisation) Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit (Mediator) hat, die wiederum selbst auf Fluktuationsabsichten wirkt, welche wiederum mit tatsächlichen Fluktuationen assoziiert sind. Dieser grundlegende Prozessablauf findet sich in verschiedenen Fluktuationsmodellen (z. B. Hom et al., 2012).

Die ermittelten Mediatoren umfassen emotionale Reaktionen wie Freude oder Wut und Bewertungen wie Arbeitszufriedenheit (z. B. Heavey et al., 2013; |11|Miller, Rutherford & Kolodinsky, 2008; Van Iddekinge, Roth, Putka & Lanivich, 2011; Zimmerman & Darnold, 2009; Zimmerman, 2008) sowie das Erleben von Eingebundenheit und Commitment (siehe Abbildung 3). Wahrscheinlich beeinflussen unmittelbare emotionale Reaktionen, die auf Ereignisse bei der Arbeit folgen, die Ausprägung der Einstellungsvariablen (z. B. Zhao, Wayne, Glibkowski & Bravo, 2007). Wenn beispielsweise ein Mitarbeiter bei einer Teambesprechung von seinem Vorgesetzten öffentlich kritisiert wird, führt dies beim Mitarbeiter zu Wut und Scham und wirkt sich in der Folge negativ auf die Arbeitszufriedenheit aus.

Abbildung 3: Rahmenmodell der Fluktuation

Wir beziehen in unser Rahmenmodell Einflussfaktoren ein, für die in Studien Korrelationen zu Fluktuationsabsichten oder tatsächlicher Fluktuation > .10 gefunden wurden, um uns auf die relevantesten Faktoren zu beschränken. Nachfolgend stellen wir zunächst die sieben Einflusskategorien genauer dar, bevor wir auf weitere Aspekte des Rahmenmodells eingehen. Die Gliederung der zahlreichen Einflussfaktoren in sieben Kategorien soll einen strukturierten Überblick über das sehr umfangreiche Forschungsfeld erleichtern. Wir gehen auf ausgewählte Forschungsbefunde konkreter ein, die uns für die Praxis besonders nützlich erscheinen.

2.1.1 Einflussfaktoren auf Fluktuationsabsicht und Fluktuation

Merkmale des Mitarbeiters

Fluktuationsreduzierend wirken sich vor allem aus (z. B. Allen & Griffeth, 1999; Costanza, Badger, Fraser, Severt & Gade, 2012; Harari, Manapragada & Viswesvaran, 2017; Price & Mueller, 1981; Rubenstein et al., 2018; Rudolph, Lavigne, Katz & Zacher, 2017; Steers & Mowday, 1981):

Abbildung 4: Einflusskategorien auf Fluktuationsabsicht und Fluktuation|12|

Anmerkungen: Alle dargestellten Einflussfaktoren haben einen signifikanten Zusammenhang (Korrelation) mit Fluktuation/Fluktuationsabsicht > .10. Die fett hervorgehobenen Einflussfaktoren haben einen signifikanten Zusammenhang (Korrelation) mit Fluktuation ≥ .25. + steht für positiver Zusammenhang zwischen Einflussfaktor und Fluktuationsabsicht/Fluktuation. − steht für negativer Zusammenhang zwischen Einflussfaktor und Fluktuationsabsicht/Fluktuation.

|13|eine hohe Ausprägung des Persönlichkeitsmerkmals Gewissenhaftigkeit,

eine geringe Ausprägung der Merkmale Neurotizismus und Offenheit für Erfahrungen,

höheres Lebensalter, Kinder und längere Betriebszugehörigkeit,

Coping-Strategien für die Herausforderungen im Arbeitsalltag,

ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit an Veränderungen,

eine gute Passung der Stelle mit den persönlichen, berufsbezogenen Interessen,

eine gute Passung mit Blick auf die Qualifikationen (vor allem Vermeidung von Überqualifikation),

eine gute Passung zur Organisation,

hohe Verbundenheit mit bzw. Commitment gegenüber dem eigenen Beruf und der eigenen beruflichen Karriere,

hohe Zufriedenheit mit der eigenen Karriere,

eine lange Verweildauer auf der vorherigen Stelle,

Mitarbeiter mit besserer Leistung neigen weniger stark zu Fluktuation.

Merkmale der Arbeitsstelle

Auch mit Blick auf die Gestaltung von Arbeitsstellen finden sich eine Reihe von Einflussfaktoren (z. B. Apostel, Syrek & Antoni, 2018; Podsakoff et al., 2007; Rubenstein et al., 2018; Schaubroeck, Cotton & Jennings, 1989):

Die Vermeidung von Rollenunklarheit und Rollenkonflikten sind wichtig. Wenn beispielsweise klar ist, welche Aufgaben und Entscheidungsmöglichkeiten etc. mit einer Funktion verknüpft sind, und wenn einzelne Ziele für die Beschäftigten nicht in Widerspruch zueinanderstehen, wirkt sich dies fluktuationsreduzierend aus.

Vermeidung weiterer hinderlicher Stressfaktoren wie unrealistische Zeitvorgaben, Wegfall von Pausen und unerwünschte Unterbrechungen bei der Arbeit,

größere Aufgabenvielfalt, mehr Autonomie, Ganzheitlichkeit der Aufgaben und Übertragung als wichtig erlebter Aufgaben,

Angemessenheit und Nachvollziehbarkeit von Aufgaben,

Verfügbarkeit von qualifiziertem Feedback.

Merkmale der Organisation

Auf organisationaler Ebene gehen insbesondere die folgenden Aspekte mit geringerer Fluktuation einher (z. B. Chang, Rosen & Levy, 2009; Dhanani, Beus & Joseph, 2018; Holtom, Mitchell, Lee & Eberly, 2008; Kim, Tam, Kim & Rhee, 2017; Kumar et al., 2018, Moon, 2017; Rubenstein et al., 2018; Yang, Niven & Johnson, 2019):

|14|ein höheres Gehaltsniveau sowie ergänzende finanziell bewertbare Angebote (z. B. betriebliche Altersvorsorge),

verschiedene Arten von Anerkennungsformen über das Gehalt hinaus (z. B. Karriereschritte),

hohe Sicherheit des Arbeitsplatzes,

ein gutes Betriebsklima,

organisationale Unterstützung (z. B. Weiterbildungsangebote),

gute Kommunikationsprozesse innerhalb der Organisation,

Fairness innerhalb der Organisation,

gute Entwicklungsmöglichkeiten,

ausgeprägte Partizipationsmöglichkeiten,

die Einhaltung expliziter und impliziter Vereinbarungen (sogenannter psychologischer Vertrag), zum Beispiel das implizite Versprechen, dass überdurchschnittliche Leistungen mit überdurchschnittlichen Gehaltssteigerungen belohnt werden,

die Vermeidung politischer Spiele in einer Organisation,

ausgeprägte Unternehmensethik (z. B. positiver Umgang mit Diversität) und Corporate Social Responsibility.

Beim Thema Gehalt geht es nicht nur um die absolute Höhe der Vergütung, sondern auch um die Frage, ob die Vergütung im Vergleich zu Kollegen als fair erlebt wird. Eine Mitarbeiterin, die im Marktvergleich gut bezahlt wird, wird mit ihrem Gehalt eher unzufrieden sein, wenn ihre unmittelbare Kollegin im Team bei gleicher Tätigkeit und Leistung deutlich mehr verdient als sie selbst. Für höhere Führungskräfte gibt es Befunde, dass höhere horizontale (auf gleicher Führungsebene) und vertikale Gehaltsunterschiede (zwischen Führungsebenen) mit höherer Fluktuation bei den Führungskräften und auch schlechteren betriebswirtschaftlichen Ergebnissen auf Firmenebene einhergehen (Pissaris, Heavey & Golden, 2017).