Folter inklusive! - Heike Rau - E-Book

Folter inklusive! E-Book

Heike Rau

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Beschreibung

Das Geld ist knapp. Trotzdem möchte auch Familie Stieglitz mit ihren zwei Kindern in den Urlaub fahren. Ein Angebot aus dem Internet, das Tochter Annika findet, ist überaus interessant. Ferien auf einem Gruselschloss. Und das völlig umsonst! Allerdings nur für diejenigen, die drei Wochen durchhalten. Eine vorzeitige Abreise würde mit 10.000 Euro zu Buche schlagen. Familie Stieglitz fühlt sich der Herausforderung gewachsen. Selbst die kleine Josefine weiß schon, dass es Gespenster gar nicht gibt. Das Schloss erweist sich als uralter Kasten, erbaut auf einer Insel, die auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Es gibt keinerlei Komfort. Keinen Fernseher, kein Internet, kein warmes Wasser und keinen Handyempfang. Auch die Schlossbesitzer scheinen aus einem anderen Jahrhundert zu sein. Es wird tatsächlich richtig gruselig, auch wenn weit und breit kein Gespenst zu sehen ist. Als der erste unnatürliche Todesfall zu beklagen ist und eine Leiche aus dem nahen Fischteich gezogen wird, erkennt die Familie die Gefahr, in der sie steckt. Auch wenn die Spannung ins Unermessliche steigt und sich immer wieder ein starkes Gänsehautgefühl beim Lesen einstellen dürfte, ist die Geschichte doch mit sehr viel Humor, Ironie und Wortwitz geschrieben. Sehr seltsame Szenen spielen sich hier ab. Zugegeben, die Geschichte ist grotesk, vielleicht sogar erstunken und erlogen. Aber bitte bilden Sie sich selbst ein Urteil!

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Heike Rau

Folter inklusive!

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Klappentext

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

Impressum neobooks

Klappentext

Das Geld ist knapp. Trotzdem möchte auch Familie Stieglitz mit ihren zwei Kindern in den Urlaub fahren. Ein Angebot aus dem Internet, das Tochter Annika findet, ist überaus interessant. Ferien auf einem Gruselschloss. Und das völlig umsonst! Allerdings nur für diejenigen, die drei Wochen durchhalten. Eine vorzeitige Abreise würde mit 10.000 Euro zu Buche schlagen. Familie Stieglitz fühlt sich der Herausforderung gewachsen. Selbst die kleine Josefine weiß schon, dass es Gespenster gar nicht gibt.

Das Schloss erweist sich als uralter Kasten, erbaut auf einer Insel, die auf keiner Landkarte verzeichnet ist. Es gibt keinerlei Komfort. Keinen Fernseher, kein Internet, kein warmes Wasser und keinen Handyempfang. Auch die Schlossbesitzer scheinen aus einem anderen Jahrhundert zu sein. Es wird tatsächlich richtig gruselig, auch wenn weit und breit kein Gespenst zu sehen ist. Als der erste unnatürliche Todesfall zu beklagen ist und eine Leiche aus dem nahen Fischteich gezogen wird, erkennt die Familie die Gefahr, in der sie steckt.

Auch wenn die Spannung ins Unermessliche steigt und sich immer wieder ein starkes Gänsehautgefühl beim Lesen einstellen dürfte, ist die Geschichte doch mit sehr viel Humor, Ironie und Wortwitz geschrieben. Sehr seltsame Szenen spielen sich hier ab. Zugegeben, die Geschichte ist grotesk, vielleicht sogar erstunken und erlogen. Aber bitte bilden Sie sich selbst ein Urteil!

1. Kapitel

Gelangweilt saß ich mit einem öden Buch in der Sesselecke. Und wer war schuld daran? Mein Ehemann Stefan. Er hatte das Auto zu Schrott gefahren und mit dem Urlaubsgeld und unseren Ersparnissen ein neues gekauft. Die geplante Last-Minute-Reise ins Blaue war damit hin.

Dabei hatte ich erst vorige Woche meine Nachbarin davon unterrichtet, dass wir in ein paar Tagen wegfahren wollen.

„Wo fahrt ihr denn hin?“, hatte sie neugierig gefragt.

„Nach irgendwo.“

„So, hm, ist das eine Insel?“

Na, kann man ihr nicht übel nehmen. Die gute Frau macht immer nur in ihrem Schrebergarten Urlaub. Wenn sie Fernweh hat, guckt sie mit dem Fernglas über den Gartenzaun.

Stefan hatte auf das neue Auto bestanden. Denn ohne geht gar nichts. Eine Familie mit zwei Kindern braucht ein Auto dringender als Urlaub. Ist schon klar! Den Einkauf will niemand schleppen und Stefan muss auch irgendwie zur Arbeit kommen. Ein Mann, der was auf sich hält, fährt schließlich nicht mit Bus oder Bahn. Das ist unter seiner Würde. Was sollen die Arbeitskollegen denn denken?

Die Mädchen hatten ihren Freunden auch schon von der geplanten Reise erzählt und schmollten nun in ihren Zimmern. Josefine spielte mit ihrem Bauernhof und hielt dabei laut Selbstgespräche, wie Siebenjährige das nun mal tun. Annika saß am Computer, surfte und klagte ihren Chatfreunden ihr Leid, wie Vierzehnjährige das nun mal tun. Stefan lag in der Garage unter dem neuen Auto und bastelte, als ob es an einem neuen Auto etwas zu basteln gäbe.

Ich dagegen war nah dran, ins Koma zu fallen vor Langeweile.

*

Annika riss mich aus meinen Gedanken, sie rief. Wahrscheinlich war der Computer abgestürzt oder sie wurde von ihrer Schwester genervt.

„Sieh dir das an Mama!“ Sie war ganz aufgeregt. Ich scheuchte sie mit einer Handbewegung vom Stuhl und setzte mich. Sie hatte im Internet eine Seite geladen, die Werbung für einen Aufenthalt in einem Gruselschloss machte.

„Annika, unser Urlaub steht in der Garage und hat vier bis zum Boden reichende Räder.“

„Schau erst mal weiter!“ Sie hüpfte von einem Bein auf das andere.

Was ist denn das für ein Quatsch, dachte ich. Der Urlaub soll kostenlos sein. Aber nur, wenn man drei Wochen durchhält.

„Zehntausend Euro, wenn man nicht durchhält, das ist happig!“, stellte ich erschrocken fest.

„Wir werden doch wohl durchhalten. Wir haben schon so viele Gruselfilme gesehen.“ Annika war Feuer und Flamme.

„Aber bei Frankenstein hast du fast in die Hosen gemacht“, erinnerte ich sie vorsichtig.

„Ach, das ist doch ewig her. Noch mal würde ich da keine Angst kriegen. Die Filme mit den Außerirdischen habe ich auch durchgehalten.“

„Meinst du, die haben Außerirdische angeheuert?“

„Nein, ich meine nur, gruselig war das schon.“

Ich ging noch ein Stück weiter runter auf der Seite. „Ach, jetzt sehe ich, wo der Hase im Pfeffer begraben liegt. Hier steht, dass noch keiner drei Wochen durchgehalten hat.“ Wäre ja auch zu schön gewesen.

Annika schob ihre Brille hoch. „Scheinbar waren bis jetzt nur Idioten und Schwachköpfe dort.“

Wenn da mal nicht eine Herausforderung auf uns lauerte.

„Josefine!“, riefen wir beide gleichzeitig und mussten lachen. Die Kleine kam wiehernd um die Ecke.

„Sag mal, Josefine, würdest du gern Urlaub in einem Gruselschloss machen?“, fragte ich.

„Kann ich da meine Pferde mitnehmen?“ Sie ließ sich auf ihre vier Buchstaben fallen, rollte herum und buckelte.

„Siehst du, die hat keine Angst.“ Annika machte eine zufriedene Miene.

Ich versuchte es noch mal. „Da könnte es Gespenster geben!!“

„Gespenster sind Menschen, die sich mit einem Bettlaken verkleidet haben.“ Sie stand auf und schaute sich die Website an.

Viel mehr, als irgendein Gebäude im Nebel, konnte man nicht erkennen. Der Mauszeiger hatte sich allerdings in eine flatternde Fledermaus verwandelt. Hier und da tauchte unvermutet ein Gerippe auf, tat ein paar klapprige Schritte und verschwand. Aus dem Lautsprecher war ein leises „Huhu“ zu hören, untersetzt von einem blechernen Lachen.

Wir zweifelten keinen Moment mehr an unserem Durchhaltevermögen.

Stefan kam aus der Garage herein. Annika lotste ihn gleich an den Computer. Er las und lachte und fuchtelte mit seinen ölverschmierten Händen vor unseren Gesichtern rum. „Huhu!!“, rief er. Er konnte sich nur schwer beruhigen.

„Fahren wir da jetzt hin oder nicht?“, fragte ich.

„Da fahr ich nicht hin.“ Papa winkte ab.

„Du könntest dein neues Auto ausprobieren“, sagte ich beiläufig.

Stefan stellte die Ohren auf. „Du hast noch Geld fürs Benzin?“

„Die Kinder haben doch Sparbüchsen!“

Sofort brach ein Tumult los. Die beiden sahen ihr hart erspartes Taschengeld in Gefahr und probten den Aufstand.

„Nein, lasst mal, ein paar Euro habe ich noch“, stellte ich klar. „Außerdem sparen wir ja für drei Wochen das Haushaltsgeld. Ist nämlich mit Vollpension. Da steht es.“ Ich zeigte mit dem Finger auf den entsprechenden Eintrag.

„Da machen wir ja ein Schnäppchen“, freute sich Annika.

Stefan hatte mittlerweile die ganze Seite durchgelesen. Er glaubte nicht so recht an ein Schnäppchen. Ihm war sofort klar gewesen, dass die Schlossgeister einiges tun würden, um an ihre zehntausend Euro zu kommen. Er warnte uns.

„Ach was“, widersprach ich. „Wenn die Geister aufzucken, gibt es was auf die Mütze.“ Ich imitierte einen berühmten Boxer und teilte ein paar kräftige Schläge aus.

„Das haut keine Mücke um“, grinste Stefan. Aber er wollte kein Spielverderber sein. Und das Auto musste wirklich eingehend getestet werden.

Also gab er seine Zustimmung und ich durfte buchen. Ich klickte auf den entsprechenden Link und bestellte zwei aneinander liegende Doppelzimmer auf Schloss Lossenbrink. Mit einem flauen Gefühl im Magen erklärte ich mich mit der Zahlung von zehntausend Euro bei vorzeitiger Abreise einverstanden.

*

Ein paar Tage für Reisevorbereitungen, das war nicht viel. Was braucht man eigentlich alles? Alles Mögliche und Unmögliche ging mir durch den Kopf. Taschenlampen und Batterien dazu. Müsliriegel und Isodrinks für die Kondition. Ein Lexikon zur Erklärung des Unerklärlichen. Kerzen? Streichhölzer? Kann man mit Bonbons Gespenster bestechen? Oder sollte man sie verjagen? Mit Mäusefallen, Elektroschockern oder Pfefferspray? Oder ist das übertrieben? Ob ich noch mal ins Fitnessstudio gehe? Ein Schnellkurs in Selbstverteidigung ist bestimmt zu teuer, aber vielleicht reicht etwas Krafttraining. Ob man mit Psychologie etwas gegen Spuk ausrichten kann? Ich nahm mir vor, noch ein Buch zu dem Thema besorgen. Nicht dass noch einer von uns vor lauter Angst Wahnvorstellungen bekommt oder Stimmen hört. Kann man vor Angst eigentlich einen Herzanfall kriegen? Das brachte mich drauf: Erste-Hilfe-Zeug musste mit und Beruhigungsmittel.

Bekommt man so eine Knarre mit Gummigeschossen auch ohne Waffenschein? Gibt es heute noch Riechsalz gegen Ohnmachtsanfälle? Soll ich eine Lebensversicherung abschließen? War es überzogen, ein Testament beim Notar zu hinterlassen? Fragen über Fragen.

Ich beschloss, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es braucht ja auch keiner wissen, was ich in meine Tasche packte. Außerdem wollten die unser Geld, nicht unser Leben!!

2. Kapitel

Endlich saßen wir im Auto. Die Spannung stieg. Stefan hatte gute Laune, seine Kutsche fuhr ohne Probleme in die große weite Welt hinaus, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Ich war in Gedanken versunken. Annika kämpfte gegen ihre Reisekrankheit. Josefine dagegen kämpfte mit ihrem Plüschpferd gegen unsichtbare Geister. Ich hatte ihr natürlich erzählt, dass es in Wirklichkeit keine Gespenster gibt und jeder Spuk erklärbar ist. Aber das wusste sie schon. Selbst der Weihnachtsmann ist in Wirklichkeit ein Mensch, hatte sie mir altklug erklärt. Und der Osterhase, der Yeti und das Ungeheuer von Loch Ness ... Nun, lassen wir das.

„Nimm dir doch mal die Landkarte“, bat mich Stefan nach einigen Stunden, als wir dem Ziel schon nah sein mussten.

„Was ist denn?“

„Seit Ewigkeiten habe ich kein Haus mehr gesehen. Wann kommt denn hier das nächste Nest?“

Im Kartenlesen war ich noch nie gut gewesen. Aber ich war doch in der Lage festzustellen, dass zwischen dem letzten Dorf und dem, das jetzt kommen sollte, etwa fünf Kilometer lagen.

„Ich fahre aber schon eine Stunde und nichts passiert.“

„Na, solange noch eine Straße da ist, kann es ja nicht ganz so falsch sein“, stöhnte Annika von den hinteren Plätzen und drückte dabei einen Brechreiz runter.

„Wann sind wir endlich da?“, quakte nun auch Josefine.

„Weit kann es nicht mehr sein.“ Ich schaute angestrengt in die Gegend, sah aber nur Bäume und fühlte irgendetwas, das mich beunruhigte.

„Fahr bloß langsam!“, warnte ich – da wurden wir auch schon in die Gurte gedrückt. Stefan war voll auf die Bremsen gestiegen. „Heiliger Bimbam!“, rief er. „Die Bremsen funktionieren jedenfalls.“

Vor uns, wie aus dem Nichts, war Wasser aufgetaucht. Richtiges echtes Wasser. Und kein Warnschild und kein winkender Polizist, nicht mal eine Schranke waren zu sehen. Die Vorderräder standen schon im Wasser und Stefan setzte eilig ein paar Meter zurück.

„Jetzt ist mir gar nicht mehr schlecht“, stellte Annika fest.

„Du stehst unter Schock, das wird schon wieder“, sagte Stefan.

„Ob das hier Hochwasser ist?“, fragte ich. „Das ist doch kein Fluss!“

Stefan verdrehte die Augen. „Dich kann man nicht die Landkarte lesen lassen. Du hast sie wieder verkehrt herum gehalten. Oder du bist in einem anderen Land oder was weiß ich!“ Er war aufgebracht.

„Schrei mich nicht an!“ Ich knallte ihm die Landkarte auf die Beine. Er schaute eine Minute ... zwei ... drei ...

„Nein, hier ist kein Fluss.“

„Kannst selber keine Karte lesen.“ Ich nickte zufrieden.

Wir stiegen aus, gingen ans Wasser und schüttelten die Köpfe.

„Ich geh erst mal in den Busch.“ Stefan verschwand und Annika holte ihr Fernglas aus dem Auto.

Ich glotzte auf das Wasser und verfluchte die Landkartenmacher. Die müsste man verklagen.

Stefan kam hinter den Büschen hervor, wedelte eine Zigarettenrauchwolke weg und winkte. Ich lief mit Josefine hin, um nachzusehen, was es da gibt.

„Hier stehen Autos“, erklärte Stefan.

„Pilzsucher“, vermutete ich und betrachtete die drei Autos. „Oder die Überbleibsel von abgesoffenen Schlossbesuchern.“

„Klar“, meinte Stefan. „Die haben ihr Auto hier abgestellt und sind dann ins Wasser gesprungen.“

Josefine schaute ungläubig. „Ist unser Geisterschloss da im Wasser?“

Ich stand da und wusste nicht weiter. Von Hochwasser hätten wir doch in den Nachrichten gehört. Wo kam das Wasser bloß her?

„Mama komm schnell!“, rief Annika. Wir rannten zurück zur Straße. Annika stand da mit dem Fernglas und zeigte aufs Wasser. „Ein Boot, da kommt ein Boot!“

Stefan riss ihr das Fernglas aus der Hand. „Tatsächlich. Das kommt sogar auf uns zu.“

„Das gehört zum Programm, das Wasser ist eine optische Täuschung“, rätselte ich und tauchte einen Finger hinein. „Nein, doch nicht. Das ist Wasser.“

Josefine beugte sich vor, um ebenfalls das Wasser zu prüfen.

„Josefine, fass bloß nicht rein, am Ende gibt es da Piranhas!“, ermahnte ich sie.

„Was sind Piranhas?“, fragte sie interessiert.

„Nun, das sind so kleine Fische, die fressen alles, was sie erwischen können. Besonders gern fressen sie die Finger kleiner Kinder.“

„Echt?“

„Ja, die lassen nur die Knochen übrig.“

„Echt??“

Annika konnte nicht mehr mit ansehen, wie ihre Schwester litt. „Sie erzählt wieder Schauergeschichten!“, flüsterte sie und zwinkerte der Kleinen zu.

„Also gibt es gar keine Piranhas?“

„Doch, doch“, bestätigte Papa.

Annika verdrehte die Augen. „Aber nicht hier bei uns! Hier sind höchstens Forellen drin oder Karpfen, die tun nichts!“

Das Brummen des Bootsmotors war nun deutlich zu hören. Die Nussschale hielt weiter auf uns zu und legte schließlich an.

„Was ist!“, fuhr uns der Mann, der es steuerte an. „Koffer her und los geht es!“

„Was jetzt?“ Papa war total durcheinander.

„Ihr seid doch die Familie, die zum Schloss will!“

„Ja, schon, aber ...“, wollte ich erklären, aber er fuhr dazwischen.

„Da steht es!“ Er zeigte auf ein Schild, das an einen Baum genagelt war und das wir offensichtlich übersehen hatten.

„Schloss Lossenbrink“. Tatsächlich. Der rote Pfeil zeigte auf das Wasser.

„Na, los jetzt, ich bring Sie hin!“ Der Mann schien ungeduldig zu werden.

Stefan kam jetzt echt ins Trudeln. „Und mein Auto, was wird denn damit? Das gibt es doch gar nicht. Was ist denn das hier für ein Mist?“

„Na, auf den Parkplatz damit und jetzt schnell!“

„Mein Auto lass ich nicht hier, das ist nagelneu. Einsteigen! Wir hauen wieder ab.“

Der fremde Mann grinste. „Wir schicken dann die Rechnung.“

Jetzt sah ich meine Felle davon schwimmen. „Ach komm“, flüsterte ich Stefan zu. „Das Auto ist doch versichert und wirklich neu ist es auch nicht. Wir haben keine Wahl.“

„Von Wasser stand da nichts auf der blöden Website!“

„Aber auch nichts von keinem Wasser, also los jetzt!“

„Wenn an meinem Auto auch nur ein Kratzer ist, wenn wir wiederkommen, dann ...“

„Dann melden wir es der Versicherung, nun komm schon!“

Er lenkte ein, ich hatte es geschafft. Er machte den Kofferraum auf, knallte unsere Sachen auf die Straße und fuhr sein geliebtes Auto zu den anderen. Dann hoben wir unser Gepäck in das Boot. Die nun anstehende Überfahrt machte mir etwas Sorgen. Josefine konnte noch nicht schwimmen. Aber ich suchte ihren Schwimmring, was nicht einfach war, und half ihr hinein. Wird schon schief gehen! Hinauslehnen wird sie sich jedenfalls nicht wegen der Piranhas. Und hoffentlich wird es Annika nicht wieder schlecht, dachte ich. Der Motor war ziemlich laut und das Boot schwankte verdächtig.

„Was ist das eigentlich für ein Fluss hier“, schrie Papa.

“Ist kein Fluss, ist ein See“, schrie unser Kapitän zurück.

„Was!“

„Schloss Lossenbrink liegt auf einer Insel.“ Er grinste unverschämt. Nun war es raus, na prima. Wir sollten drei Wochen, abgeschnitten von der Welt, zusammen mit jeder Menge Gespenstern Urlaub machen. Urlaub? Katastrophenurlaub!

„Wir könnten den Bootsmann umbringen und behaupten, es wäre keiner gekommen, um uns abzuholen“, flüsterte ich Stefan zu. Er schüttelte mit dem Kopf. „Das kannst du nie wieder gut machen, nie wieder. Nicht mit Geld und guten Worten!“

Ich zuckte mit den Schultern. Wenn man Männern ihr Lieblingsspielzeug wegnimmt ...

Schweigend fuhren wir ans Ufer. Die Straße ging hier einfach weiter. Wir zerrten unser Gepäck an Land und starrten hinauf. So etwa einige hundert Meter hin konnten wir ein Eisentor ausmachen, und oben auf dem Hügel über den Baumwipfeln waren so etwas wie Turmspitzen im Nebel zu erkennen. Ich wollte etwas zu unserem Kapitän sagen und drehte mich um. „Jetzt ist er weg!“ Ich konnte es nicht glauben. „Der ist weg, wo ist er denn hin?“ Immerhin war das Boot noch da.

„Kann es sein, dass wir hier mitten in der Wüste mutterseelenallein festsitzen und kein Schwein trägt und die Koffer da rauf?“, wollte Stefan wissen und stemmte die Hände erbost in die Hüften.

Ich setzte mich auf ein Gepäckstück. Die Kinder hatten Hunger und Durst und keine Lust mehr auf gar nichts. Aber ich hatte ja jede Menge kleine Seitentaschen mit Müsliriegeln und Getränkedosen vollgestopft, so konnten wir uns erst einmal stärken. Ich nahm mein Handy raus, um ein Taxi zu rufen. „Och, kein Netz, so ein Mist!“

Stefan fing wieder an, zu fluchen. Er kramte sein eigenes Handy heraus. Ein viel besseres als meins. Mit besserem Akku und besserem Empfang, wie er meinte. Aber er bekam auch kein Netz. Meine Schadenfreude war unbeschreiblich.

„Also, Koffer fassen, jetzt!“, befahl er. „Zweimal gehen wir nicht.“

Wir weiblichen Touristen krochen fast den Berg hinauf, weil uns das Gewicht der Rucksäcke und Koffer buchstäblich nach unten drückte. „Typisch Weiber, jeden Schrott habt ihr wieder eingepackt und Tonnen von Klamotten. Vielleicht sogar noch Bücher!“, motzte mein geliebter Ehegatte. Ich musste sofort an mein Lexikon und an den Psychoratgeber denken.

„Und Hunderte von Parfümflaschen und tonnenschwere Halsketten und was weiß ich noch alles.“

Hoffentlich gibt es was Ordentliches zum Abendessen, dachte ich, sonst wird das noch eine handfeste Depression.

Endlich am Tor, Pause. Die Kinder stöhnten, Stefan fluchte weiter. Ich stöhnte und fluchte.

Stefan wollte das Tor öffnen. Es knarrte, quietschte, knarrte noch mal und ... fiel um. Ich war einem Schreikrampf nahe. Was war das überhaupt für ein Tor. Zu einem Tor gehört doch ein Zaun oder eine Mauer oder wenigstens eine Hecke. Hier war aber nichts. Wir hätten das Tor zulassen sollen und einfach außen herum gehen können. Sah doch jeder, dass dieses verrostete Ding schon Jahrhunderte lang nicht aufgemacht worden war. Aber zur Strafe trampelten wir jetzt darüber, und zwar kräftig.

Endlich lichteten sich die Bäume, wir kamen auf den mit Kopfstein gepflasterten Hof und erblickten das Schloss in seiner ganzen Schönheit. So hatte ich es mir jedenfalls vorgestellt. Aber der Nebel auf der Website hätte mir eine Warnung sein müssen.

Es war unbeschreiblich. Vor uns stand ein wuchtiges düsteres Gebäude. Seitenflügel erstreckten sich nach links und rechts. Dieser Kasten war ein Albtraum mit Türmchen und verwitterten Grausteintreppen, die zur schweren doppelten Holztür hinaufführten. Diese öffnete sich nun mit schrecklichem Knarren.

Das Gruselschlossbesitzerehepaar Lossenbrink trat uns zur Begrüßung entgegen. Sie sah aus wie die Hexe aus Hänsel und Gretel. Er sah erstaunlich normal aus. Das Schloss muss also schon im Besitz ihrer Vorfahren gewesen sein und er war nur angeheiratet. Wie hatte sie ihn nur rumgekriegt? Oder war er blind? Nein, denn er fand unser Gepäck und half tragen.

Nun standen wir in der Halle an der Rezeption und hörten, wie Frau Lossenbrink uns erklärte, dass wir das Abendessen verpassen würden, wenn wir nicht gleich im Speisesaal auftauchen würden. Ihr Ton verbat jeden Widerspruch. Und so blieb mir im Halse stecken, was ich auf dem Herzen hatte. Ich hatte nämlich richtige Wut, wegen der lebensgefährlichen Überfahrt und wegen der Kofferschlepperei, ganz zu schweigen von dem blöden alten Tor.

„Ich bringe dann Ihr Gepäck aufs Zimmer“, sagte Herr Lossenbrink und seine liebe Frau hielt uns die Zimmerschlüssel mit spitzen Fingern hin und wies auf die Tür zum Speisesaal.

„Jetzt haben wir endlich mal Glück.“ Ich hielt Stefan den Zimmerschlüssel hin. Auf kleinen Messinganhänger waren die Nummern 13x und 13y eingraviert.

3. Kapitel

Der Speisesaal war sehr altmodisch gestaltet. Wir hatten nichts anderes erwartet. Stefan bestaunte die wunderschöne Holzvertäfelung der Wände. Etwas zu dunkel für meinen Geschmack. Eine kleine nette Gesellschaft hatte an den Tischen Platz genommen und aß bereits. Der Kellner, ein furchtbar dürrer junger Mann mit einer Adlernase, nickte uns im Vorbeilaufen kurz zu. Wir folgten ihm. Ich beugte mich zu Josefine hinunter, um an ihr Ohr zu kommen. „Pass mal auf, der spielt hier bestimmt das Knochengerippe“, flüsterte ich. Sie lächelte. Die Adlernase führte uns in die dunkelste Ecke hinten rechts und wir setzten uns. Da ich gerne Leute beobachte, setzte ich mich so, dass ich alles gut im Blick hatte. Der Kellner stand immer noch an unserem Tisch. Stefan verlangte die Karte, aber die Adlernase rührte sich nicht.

„Viermal das Tagesgericht“, sagte ich, um zu überprüfen, ob er überhaupt etwas hören konnte, aber er warf mir nur einen kurzen Blick zu und zog ab.

Annika starrte ihm nach. „Was bringt der uns denn jetzt? Ob er uns überhaupt was bringt?“

„Wenn er mit Sülze und Sauerkraut kommt, ziehe ich ihm seine Nase lang und ...“

„Stefan! Meine Güte, er wird schon etwas Vernünftiges bringen!“

Josefine sah schon ganz müde aus. „Ob mal jemand Licht machen kann? Ich sehe bald nichts mehr“, sagte sie.