Franccis & Mia - Stefanie Kempe - E-Book

Franccis & Mia E-Book

Stefanie Kempe

0,0

Beschreibung

Ein im 17. Jahrhundert entstandenes Karma will engültig aufgelöst werden. Sie, die von einem Schatten der Vergangenheit verfolgt wird trifft auf ihn, der ein sich selbst gegebenes Versprechen gebrochen hat. Durch ihre Begegnung werden sie beide erinnert. Können sie sich durch ihre schicksalhafte Zusammenkunft gegenseitig heilen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 137

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



In der Energetik ist es ganz einfach.

Etwas, dass dir im Außen begegnet, ist bereits in dir angelegt.

Entweder als Vorausschau deiner Zukunft, einem gegenwärtigen Entwicklungsprozess oder als Erinnerung der Vergangenheit.

Und wenn das bedeutet, dass ich dir nur begegnen konnte, weil etwas von deiner Energie und deinem Wesen sich in mir in der vergangenen Zeit ausgeprägt hat, bin ich unbeschreiblich dankbar, dass durch dich erfahren haben zu dürfen.

Selbst, wenn wir uns vielleicht niemals wiedersehen.

Mia an Franccis

Verführe meinen Verstand Und du bekommst meinen Körper...

Finde meinen Seele Und ich bin auf ewig dein

-unbekannt

Weißt du, Menschen geben der physikalischen Zeit eine zu große Bedeutung.

Unserer Seele ist es vollkommen egal, wie lange wir uns kennen.

Sie kann nach 3 Tagen feststellen, dass wir zusammenbleiben wollen. Vielleicht müssen, weil es unserem früher vereinbarten Seelenvertrag entspricht.

So etwas nennen die Menschen dann Schicksal. Die zwei fühlenden Menschen können es sich nicht erklären.

Genauso gut kann sie nach 30 Jahren feststellen, dass es an der Zeit ist, getrennte Wege zu gehen.

Wichtig ist, dass wir bei diesen Entscheidungen unseren Verstand ausschalten und uns dem Prozess hingeben. Für alles weitere, die vom Leben kreierten Konstrukte wie Kinder, Partner oder Wohnorte gibt es immer eine Lösung. Du musst nur dem Ruf deiner Seele folgen wollen.

Mia

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SECHS

SIEBEN

ACHT

EPILOG

IRGENDWANN

Impressum

PROLOG

Mireille, März 1645

Es ist kalt in Paris. Der Winter scheint sich noch nicht verabschieden zu wollen und das Frühjahr lässt sich offensichtlich nicht dazu bewegen, durch erste zarte Sonnenstrahlen die schweren Gemüter der grimmig dreinblickenden Menschen wach zu küssen. Mit äußerster Vorsicht lasse ich meinen Blick über die Straße schweifen, während ich hinter der Ecke einer heruntergekommenen Gastwirtschaft lauere. Ich vertraue auch dieses Mal darauf, dass der Wirt wie jeden Abend, kurz nachdem die Glocken der Kathedrale Neun geschlagen haben, die Hintertür seiner schäbigen Unterkunft öffnen und die Reste der heutigen Mittagsmahlzeit auf dem Boden abstellen wird. Ich mach das hier nicht zum ersten Mal, deshalb weiß ich, dass er eine Vermutung hat, wer sich an den übriggebliebenen Essensresten vergreift. Ich erinnere mich noch gut an den Moment, der mich vor nicht allzu langer Zeit beinahe die einzige warme Mahlzeit am Tag hätte kosten können. Eines Abends habe ich mich ein wenig verspätet und den Blick gesehen, der sich auf seinem speckigen Gesicht abgezeichnet hat, als er nach Ladenschluss seinen Müll beiseite räumen will und erkennen muss, dass dieser nicht mehr dort steht, wo er ihn hinterlassen hat.

Wo er sich anfangs sicher war, die Köter von der Straße würden sich an seinem Müll bedienen, musste er sich an diesem Abend noch einmal in den Hinterhof verirrt haben, als ich soeben dabei war, eben jene Essensreste unter meinem schweren, grauen Fleece Mantel zu verstecken. Einen Moment zu spät jedoch huschte ich wieder zurück um die Ecke der Gastwirtschaft und vernahm plötzlich ein wütendes Grunzen, welches mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Doch trotz dieser Reaktion finde ich die Reste seither nicht mehr unachtsam auf dem Boden verteilt, sondern fast liebevoll angehäuft in einer Schale vor. Da ich von meinen Eltern Anstand gelehrt bekommen habe, stelle ich diese Schale jeden Tag, noch bevor der Morgen dämmert und ich dabei erwischt werden kann, wieder an die gleiche Stelle, wo ich sie am Abend vorgefunden habe, zurück. Ich bin dem alten Wirt sehr dankbar dafür, dass er seither nicht erneut versucht hat, einen Blick aus der Tür zu werfen, wenn ich gerade dabei bin, eine Art Diebstahl zu begehen.

Doch was bleibt mir auch anderes übrig? Mit dem bisschen Geld, das ich mir durch Gefälligkeiten der Aristokraten zusammenpicke, komme ich nicht über den Monat hinaus. Auch an diesem Abend verstecke ich mein Erbeutetes wieder tief unter den vielen Schichten meines Mantels und husche so schnell und unauffällig wie möglich um die Ecke. Es dauert keine 15 Minuten, bis ich mich in einer von Matsch übersäten Gasse wiederfinde, in der ich mich die meiste Zeit meines Lebens aufgehalten habe, seitdem Mutter und Vater ums Leben gekommen sind. Nur wenige Schritte den knöcheltiefen Matsch entlang wende ich mich nach rechts, um die Tür einer kleinen Holznische zu öffnen, die in „mein Haus“ führt.

Ein spärlich ausgestattetes Zimmer begrüßt mich in der Stille der Nacht. Bevor ich den Mantel ablegen kann, klaube ich die Essensreste darunter hervor und wandere schließlich mit der heute prall gefüllten Schale zu dem quadratischen Holztisch in der Mitte des Raumes, um, nachdem ich die Schale mit einem dankbaren Lächeln auf dem Gesicht auf dem Tisch drapiert habe, die Kerze, meine einzige Lichtquelle, anzuzünden. Beim Anblick der noch übrig gebliebenen Hölzer in der Streichholzschachtel muss ich schlucken.

„Schon wieder gehen sie mir zu neige“, denke ich im Stillen und versuche, den unangenehmen Druck in der Magengegend zu ignorieren, der mich daran erinnert, welche Dienste ich in der kommenden Zeit wieder erweisen muss, um mir mein Überleben zu sichern.

Doch in diesem Moment straffe ich meine Schultern, ziehe eines der noch übriggebliebenen Streichhölzer über die Zündseite, bringe die Kerze zum Leuchten und damit ein anfängliches Gefühl von Wärme in die vier Wände, die mich umgeben. Nachdem ich die Schachtel mit dem abgebrannten Holzstäbchen wieder auf dem Tisch abgelegt habe, streiche ich mir meine am unteren Saum vom Matsch beschmutzen Röcke glatt und schaue mich um.

Der Raum umfasst ungefähr sechs Schritte in die Länge und vier in die Breite. An der langen Seite zu meiner Linken befindet sich eine spartanisch eingerichtete Küche, die nur aus einer Spülecke und einem alten Ofen besteht. Vor Kopf erkenne ich im Flackern des Kerzenscheins das Regal mit meinen Vorräten und abschließend zu meiner Rechten ein aus Holzbalken zusammengeschustertes Bett, welches ich mit Stroh gefüllten Stoffen ausgekleidet habe, um eine einigermaßen weiche Nachtruhe genießen zu können. In der Decke sehe ich die großen Löcher wie kleine Teufel in meine Richtung gaffen und wende schnell den Blick ab, um mich endlich meiner Abendmahlzeit zu widmen.

Merklich erschöpft lasse ich mich auf den einzigen Stuhl im Raum sinken, greife zu der silbernen Gabel, die ich mir aus der Zeit, in der es mein Elternhaus noch gab, habe aufbewahren können und genieße im stillen Licht des nervös flackernden Kerzenscheins mein Abendessen. Bei dem Gedanken an den morgigen Tag wird mir wieder einmal bewusst, wie wichtig diese Stärkung für meinen ausgemergelten Körper ist und schicke ein Stoßgebet an den Wirt in Richtung Himmel. Nachdem ich schließlich die Schale geleert und auf dem Ofen abgestellt habe, tragen mich meine müden Beine tapfer die letzten Schritte des Tages in Richtung Bett, wo ich schnell meine Kleider vom Leib streife und mich in meinem Unterrock mit der durch Löcher zerfressenen Decke einhülle.

Der nächste Morgen lässt nicht lange auf sich warten. Das Knattern der Karren im Matsch und die schwer auf den Boden polternden Hufe der Pferde wecken mich aus einem traumlosen Schlaf auf. Ich spüre die Kälte in meinen Knochen wie eine altbekannte Freundin, die mich jeden Morgen aufs Neue aus dem Schlaf kitzelt und ziehe die löchrige Decke nur noch für einen kurzen Moment ein wenig fester um meinen Körper, bis ich sie schließlich zur Seite werfe und die Füße auf den steinigen Boden stelle.

An diesem Tag lasse ich die Tageskleidung jedoch unbeachtet auf dem Stuhl liegen und wende mich dem Regal zu, welches von dem durch das Küchenfenster einfallenden Licht der aufgehenden Sonne sanft wachgeküsst wird. Auf der Rückseite des Regals habe ich eine kleine Nische gefunden. In dieser Nische bewahre ich, neben der Gabel meiner Eltern, das mir teuerste Gut auf: mein Kleid. Auch wenn mich dieses Kleid auf der einen Seite an die unangenehmsten Momente meines Tages erinnert, lässt es mich dennoch immer wieder in den Gedanken an eine fast vergessene Zeit schwelgen und das Gefühl in mir hervorrufen, dass es für mich trotz der aktuellen Umstände eine Hoffnung auf Glück und Wohlstand im Leben gibt. Eine kleine, aber tief in mir lodernde Flamme der Hoffnung, dass dies hier nicht das Ende meiner Geschichte sein muss. In dieser Holznische, in dieser Kälte und in dieser Einsamkeit. Langsam bewege ich mich auf die Rückseite des Regals zu, greife den weichen, samtenen Stoff und ziehe es hervor. Manchmal spüre ich den Impuls, die Augen zusammenkneifen zu müssen, wenn ich es längere Zeit nicht mehr hervorgeholt habe, denn in seiner eisblauen Farbe scheint es den gesamten Raum zu erhellen. Der vorne leicht gekürzte Schnitt mit den vielen langen Lagen hochwertigem Baumwollstoff an der Rückseite macht es für mich zu einem absoluten Juwel.

Kaum eine Frau habe ich mit so einem modernen Kleiderschnitt bisher durch die Straßen laufen sehen. Selbst im Herrenhaus begegnen mir die dort anwesenden Damen mit Blicken der Bewunderung, sobald meine zierliche Gestalt an der Seite eines angesehenen Mannes in diesem atemberaubenden Kleid erscheint. Und ausschließlich dort gibt es die ein oder andere Frau, die sich solch ein besonderes Kleid hat nähen lassen, doch selbst diese sind an einer Hand abzuzählen.

Langsam winde ich mich aus meinen feuchten und kühlen Unterröcken, lege das Kleid vorsichtig auf dem Weg zum Spülbecken auf dem Tisch ab und beginne, Wasser aus dem Eimer neben dem Ofen in das Spülbecken zu füllen. Da auch das Holz knapp geworden ist, nutze ich das kalte Wasser, um mich vor meinem heutigen Besuch zu erfrischen, auch wenn der Blick auf den verschmutzten Lappen zur rechten des Spülbeckens den Gedanken zulässt, dass es sich bei dem Versuch um eine angemessene Hygiene in diesem Umfeld um bloße Zeitverschwendung handelt.

Als ich mich einigermaßen erfrischt fühle, wende ich mich zum Tisch und beginne nach und nach die frischen Unterröcke über meine blasse Haut zu streifen. Als ich nach dem seidenen, eisblauen Stoff greife, hineinsteige und meine Haut langsam durch die geöffnete Korsage den kühlen Stoff berührt habe ich das Gefühl, eine Zeitreisende zu sein. Mittlerweile geübt darin, ziehe ich mir die Ärmel zunächst vorsichtig über die linke, anschließend über die rechte Schulter und schnüre die Korsage sowohl unter genießerischer Konzentration aber schließlich einer nicht ausbleibenden leichten Anstrengung so fest wie möglich um meine eh schon schmale Taille.

Ich besitze keinen Spiegel, daher muss ich mich auf mein Gefühl verlassen, was das Aussehen meiner Haare und meiner Gesichtszüge betrifft. Mit den, zu einem seitlichen Zopf zusammengebundenem, dunkelblonden Haar falle ich zunächst nicht auf, wenn ich mich auf den Weg in Richtung Herrenhaus mache. Erst kurz vor meiner Ankunft werde ich es öffnen, mir ein paar Mal in die Wangen kneifen, um einen frischen Teint zu zaubern und schließlich die Hallen betreten.

Ich schaue mich noch ein letztes Mal in meiner mittlerweile vom Sonnenlicht erhellten Kammer um, ignoriere trotz der immer wieder in mir aufsteigenden Sorge den dreckigen Boden und die löchrigen Holzwände, greife anschließend ein weiteres Mal hinter das Regal, um mir das letzte noch vorhandene Kleidungsstück, einen lumpenartigen grauen Mantel zu greifen und so über die Schultern zu werfen, dass nichts mehr von dem wunderschönen Stoff zu sehen ist. Niemand muss erkennen, dass nicht mehr das unscheinbare Mädchen von gestern Abend diese Kammer verlässt.

Ohne hastig zu wirken, stapfe ich schnellen Schrittes durch die matschige Gasse, hinaus auf die lebendigen Straßen der Pariser Innenstadt. Vor der Kathedrale halte ich einen Moment inne, um zu kontrollieren, ob ich vorsichtig genug mit meinem Kleid umgegangen bin. Hat es sich im Schmutz des unwegsamen Bodens einen Fleck am Saum zugezogen? Nur wenige Wochen zuvor war ich in Eile und dadurch im Eifer des Gefechts nicht sorgsam genug gewesen, musste umkehren, den Fleck aus dem Kleid waschen und mir anschließend am Herrenhaus eine Rüge einfangen. In Gedanken versunken an die vergangenen Erlebnisse und nach eindringlicher Inspektion des eisblauen Saumes merke ich, dass ich den Atem angehalten haben muss. Ich lasse sowohl mein Kleid als auch die Luft in meinen Lungen los und den grauen Mantel schnell wieder über den Saum des Kleides fallen, um nicht für Aufsehen zu sorgen.

Zielstrebig gehe ich geradewegs auf die Kathedrale zu, um kurz vorher in die Dunkelheit einer Straße zu ihrer linken einzutauchen. Diese Straße bereitet mir seit jeher ein unangenehmes Bauchgefühl und ich versuche sie so schnell und unentdeckt wie nur möglich zu passieren. In den Schatten der Hintereingänge kann ich den schweren Atem verzweifelter und hungriger Menschen wahrnehmen, die nur zu gerne ein hübsches und junges Mädchen wie mich ihr Eigentum nennen würden. Daher hüte ich das Wissen um mein einsames Dasein wie ein kostbares Juwel. Würden die Menschen in diesem Viertel der Stadt erfahren, dass ich ohne jeglichen Beistand ein einsames Dasein in der Holzhütte friste, wäre die Jagd auf mich eröffnet.

Doch in dem Moment, als die Dunkelheit des Weges sich dem weiten Land öffnet spüre ich, wie sich eine befreiende Weite in meinem Brustkorb ausbreitet. Ich lasse für einen Moment meinen Blick über die goldenen Felder und grünen Wiesen schweifen. Auch wenn mich der Weg fast eine halbe Stunde Fußmarsch kostet, halte ich jedes Mal für einen kurzen Moment inne und lege etwas von dem Frieden und der Schönheit der Natur in meinem Herzen ab. Ich setze meinen Weg fort. Vorbei an immer prächtiger wirkenden Bäumen, die alleeförmig den Weg zu beiden Seiten des Weges schmücken, sehe ich nur eine Weggabelung später die Giebel und Türme des Herrenhauses in der Ferne vor mir in den Himmel emporragen. Ohne es als ein schlechtes Omen deuten zu wollen beobachte ich auf den letzten Schritten in Richtung Herrenhaus, wie sich der Himmel fast schlagartig verdunkelt. Dunkle Wolken ziehen auf und umkreisen das Gebäude wie die Krähen auf der Suche nach ihrer Beute.

Ohne lange zu zögern beschleunige ich meinen Schritt. Sollte auch nur ein Tropfen Feuchtigkeit mein Kleid berühren dürfte ich mich erneut der Rüge stellen, die mir allein beim Gedanken daran einen kalten Schauer über den Rücken rieseln lässt. Ich ziehe meine Kapuze über mein Haar und bewege mich im Laufschritt auf das Herrenhaus zu.

Als ich meinen Blick das nächste Mal anhebe habe ich die Eingangstür erreicht. Ein majestätisch wirkendes Portal aus schwerem Ahorn ragt vor mir empor. Die schmuckvollen Verzierungen scheinen sich endlos über das gesamte Holz zu verlieren und laden dazu ein, sich in die Geschichten einer Vielzahl darauf abgebildeten Tiere, Pflanzen, Fabelwesen aber auch Menschen und Zeichen fallen zu lassen und die Zeit zu vergessen.

Noch bevor ich meine Gedanken jedoch schweifen lassen geschweige denn die Hand an den Türklopfer legen kann, bewegt ich die schwere Tür unter beinahe wehklagendem Ächzen und ich werde von dem Dienstmädchen eingelassen. Schweigsam wie immer bedeutet sie mir, ihr meinen Mantel zu überreichen. Langsam schäle ich mich aus dem grauen Lumpen und spüre, wie mich eine Welle der Scham überrollt.

„Egal wie oft ich dieses Haus auch betreten werde, es wird sich nie wieder anfühlen wie früher“, denke ich im Stillen während ich versuche dem fixierenden Blick des Dienstmädchens auszuweichen. Niemand in diesem Haus weiß, dass dieses Grundstück einst im Besitz meiner Familie lag. Wie auf Knopfdruck fliegen meine Gedanken für einen kurzen Moment hinfort zu lauen Sommerabenden auf der Terrasse und dem Lachen meiner Eltern im angrenzenden Salon als ich aus dem Augenwinkel eine Hand wahrnehme, die grob und ungeduldig nach meinem Mantel greift. Erschrocken reiße ich den Kopf nach oben und erblicke zwei eiskalte, mich fixierende Augen.

„Ich bitte um Verzeihung“, murmle ich, während ich einen leichten Knicks andeute. Die Kälte in dem mir entgegenschießenden Blick hat augenblicklich jedwede wärmende Erinnerung an meine Kindheit vertrieben. Da ich nicht das erste Mal an diesen Ort geladen wurde wende ich mich in Richtung des, mir aus meiner Vergangenheit so wohl bekannten, Salons. Hier werde ich auf Francois warten. Doch just in dem Moment meiner Bewegung spüre ich die kalte Hand des Dienstmädchens auf meiner Schulter. Als könne kein Sturm der Welt sie von der Stelle forttreiben stellt sie sich mit breitem Stand vor die noch verschlossene Salontür. Ihre Arme wie Stein vor der Brust verschränkt schaut sie mir mit regungsloser Mine entgegen.