Frederick - Gerhard Ochsenfeld - E-Book

Frederick E-Book

Gerhard Ochsenfeld

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Beschreibung

Viele kurze Kapitel – mit denen die Geschichte in gut verdauliche Häppchen aufgeteilt ist – lassen es gern zu, nicht alles auf einmal zu lesen. Ganz locker verpackt der Autor in zwei Teile und anderthalb Jahre ganze Lebensgeschichten, bleibt kurz und bündig – und lässt doch nichts Wesentliches aus. Ohne wirre Action, ohne gruselige Gespenster, ohne übermenschliche Helden baut der Autor Spannungsbögen auf, die zum Weiterlesen anspornen, die nach mehr Zuhören und dem nächsten Kapitel dürsten lassen. Und wer vorliest, wer sich also selbst zuhört, ist nicht weniger gespannt, wie es weitergeht. Da ist Frederick, ein etwas schüchterner Junge von anfangs sieben Jahren, der auch seinen Namen für das Buch hergegeben hat. Da ist das erwähnte Meer: Die Westsee – wie sie in Dänemark heißt. Ganz wichtig ist Linda, eine Mitschülerin von Frederick. Nicht weniger wichtig ist Fredericks Papa. Und… die Mama von Frederick. Ohne die gibt’s den ersten Teil der Geschichte nicht. Und ohne den ersten Teil auch nicht den zweiten…

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Seitenzahl: 81

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Inhaltsverzeichnis

Erster Teil – Freundschaft

Prolog

Ich hab mal eine Frage“

Lass uns mal forschen!“

Eine fast zufällige Begegnung

Ein Sonntagsausflug

Das Grab

Sein Blick aufs Meer

Fredericks Geheimnis

Freundschaft

Die Kraft der Wahrheit

Die Reise bis hinter den Horizont beginnt

Intermezzo

Zweiter Teil – Träume

Ein Wintertag

Von der Kunst zu rechnen

Verschiedene Formen des Träumens

wie Tante Frieda

Stolz und Staunen

Lieblingsessen

Zwischen Missverständnis und Unverständnis

Eine drängende Frage

Langes Warten

Eine Brücke zwischen den Zeiten

Fredericks Papa erinnert sich

Was wirklich wichtig ist

Ein Auge für moderne Kunst

Epilog

einige Hinweise zur dänischen Aussprache:

Erster Teil

Freundschaft

Prolog

Das da, eines von mehreren Kindern, die da gerade in der Pause auf dem Schulhof spielen, rennen und toben… Husch – nun kannst Du sie nicht mehr sehen. Und da, da ist sie wieder. Hell lachend, mit offenem Strahlen im Gesicht und roten Wangen vom Laufen und Tollen. Ihr Haar fliegt dabei offen im Wind.

Linda ist gerade in die zweite Schulklasse gekommen.

Sie ist noch recht klein. Aber das liegt wohl daran, dass sie noch sehr jung ist. Linda hat immer erst in den Sommerferien Geburtstag. Und deshalb sollte sie auch eigentlich erst mit diesem Jahr eingeschult werden. Aber sie wollte unbedingt schon zur Schule gehen – so, wie ihre ältere Schwester. Und weil sie so heftig geweint und so wild protestiert und schließlich so überzeugend jede Teilnahme in der Vorschule boykottiert hatte, als sie erfuhr, dass sie noch ein ganzes Jahr würde warten müssen, ehe sie in die Schule dürfe, da ließ man sich am Ende auf eine Ausnahme ein: „Na gut. Wir versuchen das mal. Vielleicht schafft sie das ja schon“, hatte sich die Schulleiterin der Grundschule schließlich erweichen lassen.

Für Linda war das eigentlich selbstverständlich:

„Aber wenn die Schule beginnt, dann bin ich doch schon alt genug! Wieso darf ich denn dann noch nicht in die Schule?“ So hatte Linda immer wieder und wieder gefragt und so hatte Linda immer wieder und wieder darauf bestanden, dass sie eigentlich gar nicht mehr in die Vorschule gehöre.

Mitten aus dem Spiel heraus bleibt Linda plötzlich stehen, verharrt und schaut schräg über den Schulhof zu dem Jungen hinüber, der da am Hofrand auf der kleinen Mauer sitzt. Der sitzt immer dort auf der Mauer und schaut nur zu, während die anderen Kinder in den Pausen herumtollen.

Das ist Frederick, nur ein paar Monate älter als Linda. Er ist auch in ihrer Klasse. Aber weil er immer so zurückgezogen ist, deshalb weiß Linda gar nichts über ihn. Das blonde Haar leicht gelockt, nicht ungepflegt, aber vom Wind wüst zerzaust. Hellblaue Augen, blitzend wie Eis unter dem gleißenden Sonnenlicht. Die Unterlippe ein wenig schmollend vorgeschoben. Der hagere Körper zusammengesunken, beinahe gebeugt.

Manchmal, wenn Linda ihn so dasitzen sieht, dann fragt sie sich, ob er denn wirklich den anderen Kindern beim Spielen zusieht – oder ob er nicht eigentlich, in seinen Gedanken versunken, gar nichts mitbekommt von dem Toben und Schreien, dem Hetzen und Rennen der anderen Kinder.

Als Linda so dasteht und schaut, bläst kühler Seewind ihr ins Gesicht. Die Sonne steht grell am blauen Morgenhimmel und lässt alle Farben der Erde in einer beglückenden Klarheit und Frische erstrahlen.

Dieser stille, einsame Junge, der da traurig am Rande des Geschehens hockt, passt so gar nicht in diesen heiteren Morgen – denkt Linda bei sich, wendet sich wieder den anderen Kindern zu und spielt ausgelassen weiter.

Derweil dieses schöne Land in ruhiger Idylle liegt, rauft die Sonne sich ein wenig mit dem Wind: Während der Wind versucht, die Kinder auf dem Schulhof frieren zu machen, stemmt die Sonne sich mit ihren wärmenden Strahlen dagegen und schenkt diesem Vormittag eine angenehme Temperatur.

Die Kinder spielen unbedarft weiter. Und dieses Ringen und Raufen, das die Sonne mit dem Wind und der Wind gegen die Sonne kämpfen, geht unbemerkt vonstatten – hier irgendwo unter dänischem Himmel, hier irgendwo in einer dänischen Kleinstadt.

Dort irgendwo, ganz in der Nähe des Meeres.

„Ich hab mal eine Frage…“

„Mama!?“ fragte Linda ihre Mutter, „weißt Du, warum der Frederick immer so viel schweigt?“

„Hm? Nein. Weiß ich nicht. – Erzählst Du es mir?“ sagte die Mutter. Denn fast immer, wenn Linda in dieser Weise eine Frage an ihre Mutter richtete, dann wollte sie nur die Neugier ihrer Mutter wecken und ihr etwas erzählen, das ihr selbst ganz furchtbar unter den Nägeln brannte.

Und weil ihre Mutter für sie wie eine Freundin war, der sie alles erzählen konnte und die sie alles fragen konnte und bei der sie alle Probleme abladen konnte, deshalb erzählte sie auch gerade ihrer Mutter besonders gern alles Neue, das sie beschäftigte.

„Ich weiß es ja nicht, Mama“, sagte Linda und hatte dabei ihre Stirn in Sorgenfalten aufgeworfen, wie ein frisch gepflügtes Feld. „Deshalb frag ich Dich doch.“ Und dann schob sie mit aufgeworfenem Schmollmund und dem Unterton des Vorwurfs hinterher: „Mama! Sonst muss ich doch nicht fragen!“

Ihre Mutter lachte.

„Warum lachst Du?“ Linda fand es nicht fair, dass ihre Mutter darüber jetzt lachte.

Und ihre Mutter ging auf Linda zu, hockte sich vor Linda hinunter und griff nach ihren Händen. Sie schaute Linda tief in die Augen, dass Linda den Blick ihrer Mutter beinahe als unangenehm bohrend empfand. Aber nur beinahe. Denn weil ihre Mutter auch ihre Freundin war, und weil sie ihr vertraute, deshalb schaute sie mit ihren wachen Augen offen in die Augen ihrer Mutter. „Linda“, sagte die Mutter, „entschuldige. Weil Du so oft mit einer Frage beginnst, wenn Du mir etwas Wichtiges zu erzählen hast, deshalb wusste ich nicht, dass Du nun wirklich eine Frage auf dem Herzen hast.

– Komm mal, Linda“, sagte die Mutter.

Und Linda dachte nur bei sich: ‚Ich bin doch schon hier!‘ Ihre Mutter öffnete weit ihre Arme, Linda ließ sich gegen die Brust ihrer Mutter fallen, und ihre Mutter umschloss sie ganz sanft, aber eng mit ihren Armen und Händen.

„Linda, ich weiß nicht, warum Frederick so schweigsam ist. Das hat mich auch schon gewundert. Aber ich möchte den Jungen nicht bedrängen, zumal ich ihn ja auch erst zweimal kurz gesehen habe. Irgendwie tut der Junge mir Leid, Linda. Aber ich kann Dir gar nicht sagen, weshalb. Ich weiß doch gar nichts über ihn.“

Linda sagte nichts.

„Magst Du Frederick?“ fragte ihre Mutter, während sie Linda an der Brust umfasste, sie ein Stückchen von sich fort hielt und Linda dann tief in die Augen schaute. Linda sagte nichts. „Du magst ihn, nicht wahr?“

„Ja, glaub schon. Aber der sagt fast nie etwas. Das ist irgendwie komisch. Jeder sagt, dass der immer schweigt. Das ist wohl normal bei ihm. Der ist wohl einfach so.“

„Muss man denn immer viel reden, wenn man Freund mit jemandem ist? Ihr versteht Euch doch, oder?“ fragte ihre Mutter.

„Hm, weiß nicht. Wir sprechen ja gar nicht miteinander. Weil der nur immer schweigt“, meinte Linda leise und mit großer Enttäuschung in der Stimme. „Weiß nicht, Mama. Irgendwie ist das unheimlich, dass der so wenig spricht. Der sieht immer so unglücklich aus. Und wenn ich mit ihm spielen will und ihn frage, ob er unglücklich ist, dann sagt er: Nein, er freut sich, wenn er mit mir zusammen ist.“

„Linda, das bedrückt Dich sehr, nicht wahr?“ fragte ihre Mutter und nahm sie wieder ganz warm und eng in die Arme und an ihre Brust.

„Hm-hm“, summte Linda leise. Und ihre Mutter spürte, wie Lindas Kopf auf ihrer Schulter leicht nickte.

„Weißt Du was, Linda? Wenn Dich das so sehr beschäftigt, dann müssen wir eben herausfinden, warum der Frederick so still ist.“

Nach einer kurzen Pause des betretenen Schweigens sagte Linda: „Ja! Aber bloß: Wie denn?“

„Lass uns mal forschen!“

Lindas Mutter setzte sich auf den Boden der Küche, lehnte sich gegen den Schrank mit den Töpfen und Pfannen darin, winkelte ihre Beine schräg an und forderte Linda auf, sich auf ihren Schoß zu setzen. So konnte Linda sich auf den weichen Schoß der Mama setzen und dabei so gemütlich anlehnen wie in einem Sommerstuhl, den man auf der Terasse benutzt, wenn das Wetter schön ist.

„Tja, Linda, ich glaube, erst einmal müssen wir zusammentragen, was Du über den Jungen weißt. Und vielleicht erhalten wir dann Anhaltspunkte, wo wir forschen und nachfragen können.“

„Aber könnte ich denn Frederick nicht einfach mal fragen?“

„Ja“, sagte ihre Mutter nüchtern, „sicher. Du kannst ihn einfach fragen. Aber vielleicht schweigt er dann immer noch. Und: Hast Du ihn denn schon einmal gefragt?“

„Nein, hab ich nicht“, sagte Linda. „Ich glaub, ich trau mich nicht so recht.“

„Ja, Linda, das verstehe ich. Und weißt Du, warum das so ist?“

Linda schüttelte mit dem Kopf. „Weißt Du denn, warum ich mich nicht traue?“ fragte sie ihre Mama, die sie immer alles fragen konnte – und die auch immer eine Antwort wusste.