Frühlingswege in Arrowwood - Natascha Birovljev - E-Book
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Frühlingswege in Arrowwood E-Book

Natascha Birovljev

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Beschreibung

Was würdest du tun, wenn dir genommen werden soll, was du am meisten liebst? Silberschmiedin Emily findet nach einem bitteren Streit mit ihrer Schwester Zuflucht bei Nicky auf der Sleeping Lake Ranch. Doch Nickys Zuhause ist in Gefahr: Das Nakoda Pine Reservat erhebt Anspruch auf das Land. Plötzlich muss Nicky für sich und ihre geliebte Granny um die Ranch kämpfen. Und Emily riskiert beim Versuch, ihren Wolfhund Grizz zu schützen, nicht nur die Beziehung zu ihrer Schwester, sondern auch ihre erste große Liebe. Ein spannend-romantischer Roman über Mut, Verantwortung und die Macht der Liebe inmitten der kanadischen Rocky Mountains.

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Inhalt

Cover

Titelei

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Dank

Autorin

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Bibliographische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

© 2023 Natascha Birovljev · natascha-birovljev.com · Caroline, Alberta, Kanada

Covergestaltung: Kristin Pang · kristinpang.com

Lektorat: Büchermacherei · Ursula Hahnenberg · buechermacherei.de

Korrektorat: Dorrit Bartel · dorritbartel.eu

Layout und Satz: Büchermacherei · Gabi Schmid · buechermacherei.de

Bildquellen: #1329306326| Shutterstock; #46631645, #56352217, #194977560, #469962396, #407420433, #585838224, #602404596, #260089724, #119520471, #502781809, #34280068 | AdobeStock

Druck: booksfactory.de, ein Service der Print Group Sp. z o.o., ul. Cukrowa 22, PL–71–004 Szczecin, Polen

Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Raiffeisenstraße 4, 83339 Vachendorf, Deutschland

 

Print: 978-3-98595-984-6

EBook: Veröffentlicht über tolino media, ISBN:978-3-949489-04-4

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte liegen bei der Autorin. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Kapitel 1

»Verdammt, Em, wo steckst du?«

Emily hob den Kopf und legte den Zeichenblock beiseite. »Ich bin in der Werkstatt«, rief sie, erhob sich und sah aus dem Fenster auf den Hof. Dort stand ihre Schwester, neben ihr Grizz mit einem toten Huhn zwischen den Zähnen.

»Verflucht.« Emily eilte nach draußen.

Lynda schüttelte missbilligend den Kopf und drückte ihr das Seil, das sie als Leine um das Halsband des Wolfhunds geschlungen hatte, in die Hand. »So geht das nicht weiter. Mr. Diddle wird nicht mehr lange an die Geschichte des hungrigen Fuchses glauben.«

Em strich Grizz über den Kopf und versuchte gar nicht erst, ihm das Huhn wegzunehmen. »Die letzten beiden Male habe ich die Hennen ersetzt, bevor unser lieber Nachbar überhaupt bemerkt hat, dass sie weg waren.«

Lynda seufzte. »Das ist nicht die Lösung des Problems und …«

»Ich habe ein neues Muster für eine Gürtelschnalle entworfen, willst du es dir ansehen?« Einen Moment befürchtete Emily, ihre Schwester würde nicht auf den Themenwechsel eingehen. Ja, sie hatte Lynda versprochen, Grizz nicht mehr herumstromern zu lassen, seit er im letzten Monat dreimal weggeschlichen und mit Beute zurückgekehrt war. Aber Em hasste es, ihn ständig in seinem Freiraum zu beschränken und hoffte, diese Phase würde vorbeigehen. Sie musterte ihre Schwester, deren gefurchte Stirn eine weitere Rüge anzukündigen schien. Zu Emilys Erleichterung zuckte sie mit den Achseln und nickte.

»Okay. Vorher sperrst du Grizz in seinen Auslauf und er kann dort seine Beute fressen.«

Zehn Minuten später betrat Em die kleine Werkstatt, in der seit fast einhundert Jahren Silber geschmiedet wurde. Sie ging zu Lynda, die an der Werkbank saß; vor ihr lagen ihre Gravurwerkzeuge und ein angebissener Müsliriegel. Durch das trübe Fenster drang nur fahles Tageslicht. Langsam half das Putzen mit Essigessenz und Zeitungspapier nichts mehr, sie sollten neues Fensterglas kaufen, dachte Em und zeigte Lynda eine Skizze einer verzierten Gürtelschnalle. Es war ein kinderhandgroßer Buckle, auf dem zwei Pferde auf einer Koppel miteinander spielten. Schon durch ihre Größe wäre die Schnalle am Gürtel ein Hingucker gewesen, aber das Motiv unterschied sich von den üblichen Gravuren der Malloy-Silberschmiede. Emily kräuselte nervös ihre Nase und deutete auf den fein herausgearbeiteten Stacheldraht, der den Buckle umfasste. »Und, was sagst du?«

»Eine gute Arbeit, aber der Schmuckrand macht die Schnalle zu fragil. Ein dickerer Rand, der an ein Lasso erinnert, wäre besser gewesen. Und die tobenden Pferde in der Mitte sind nicht unser Stil.«

Dein Stil, meinst du wohl. Emily behielt den Einwand für sich. In ihrer Familie war das Silberschmieden Tradition und schon ihre Mutter und Großmutter hatten sich auf die Herstellung von Gürtelschnallen und Schmuckschnallen für Westerntrensen spezialisiert. Und Lynda und sie als Malloy-Schwestern führten die Tradition nach dem Tod der Mutter weiter. Zu blöd, dass sie selbst mit Silber nicht viel anfangen konnte. Das leblose Material fühlte sich immer kalt und störrisch in ihren Händen an. Daher beschränkte sie sich darauf, Lynda als Silberschmiedin zuzuarbeiten, Skizzen zu zeichnen, Schnallen zu polieren und die Werkstatt sauber zu halten.

Emily nahm das Papier aus Lyndas Hand. »Hast recht.« Auf Holz hatte das Motiv lebendig gewirkt, aber das würde für Lynda keine Rolle spielen. Sie schluckte gegen die Enttäuschung an, die wie Stahlwolle in ihrer Kehle kratzte.

»Wenn du dich mehr mit dem eigentlichen Silberschmieden beschäftigen würdest, hättest du …«

»Du bist die Künstlerin«, unterbrach Em ihre Schwester, »und ich halte dir den Rücken frei. Das macht uns zu einem guten Team.« Sie zerknüllte die Skizze und warf sie in einen Metalleimer. »Die Zeichnung war wirklich daneben. Ich muss los, zwei Stühle für den alten Mr. Stoop fertigmachen. Wer ist dran mit Abendessen kochen?«

Lynda sah kurz in den Eimer und stand auf. »Ich übernehme das. Alan kommt doch heute wieder.«

Emily holte Grizz aus seinem Auslauf und spazierte mit ihm eine Runde durch den Birkenwald, der direkt hinter dem kleinen Hof lag. Vom nahe gelegenen Queen Elizabeth Highway drang das Brummen des regen Verkehrs zu ihr und sie versuchte, sich auf die Bewegungen ihres Gefährten zu konzentrieren, der mit geschmeidigen Schritten den schneegefleckten Trampelpfad entlangtrabte. Wie lange es wohl dauerte, bis jemand auf die Idee kam, dieses kleine Wäldchen zu Bauland zu machen? Der Wolfhund blieb dicht an ihrer Seite, wie immer, wenn sie ihm ihre volle Aufmerksamkeit schenkte. Zwischen den kahlen Bäumen lag noch reichlich Schnee, Ende Februar keine Seltenheit. Eine Krähe saß in einem Geäst wenige Meter vor ihr und beäugte sie mit geneigtem Kopf. Sie stieß einige kehlige Krächzer aus.

»Du gehörst zwar zu den Singvögeln, Mr. Crow, aber es ist schwer zu glauben.« Em nickte dem schwarzen Vogel zu. In einigen Wochen würden die Wildgänse zurückkehren, und ihre Rufe die Gegend erfüllen. Wie sehr sie sich nach den ersten Frühlingsboten sehnte!

Grizz blieb stehen und reckte seine Nase in die Luft.

»Was riechst du? Erzählt dir der Wind Geschichten?« Sie kniete sich neben ihn. Vor zwei Jahren hatte die Malamutehündin, die ihrem Vater gehört hatte, Grizz als einzigen Welpen zur Welt gebracht und war kurz danach gestorben. Ein weiterer Verlust. Emilys Finger gruben sich tiefer in das dichte Nackenfell. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits ihre Eltern verloren und für Emily war Grizz die letzte lebendige Erinnerung an eine Zeit, in der ihre Familie noch komplett gewesen war.

»Dad hätte dich geliebt«, flüsterte sie und fuhr ihm durch sein dichtes grau-braun-weißes Fell. »Und er hätte es toll gefunden, dass du ein bisschen Wolf in dir trägst.« Sie erhob sich und spazierte den Trampelpfad entlang, den Rehe und anderes Wild in den Schnee gestampft hatten.

Emily erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem ein Trapper mit Griselda, der Hündin ihres Vaters, im Schlepptau auf dem Hof aufgetaucht war.

»Ist das dein Hund?«, hatte er gefragt, seinen Blick fest auf seine Fellstiefel gerichtet.

»Ja. Entschuldigung, sie ist mir heute Morgen entwischt«, erwiderte Emily und klopfte mit einer Hand auf ihren Oberschenkel. Griselda kam zu ihr und setzte sich neben sie.

»Tja, also ich hab einen Wolfhund und der … es kann sein, dass die beiden …« Er brach ab, nahm den speckigen Hut ab und kratzte sich am Kopf. »In neun Wochen weißt du mehr«, brummte er dann und wandte sich ab.

»Moment«, rief Emily, die versuchte, sich einen Reim auf sein Gebrabbel zu machen. »Ihr Hund hat meinen gedeckt?«

Der Mann drehte den Kopf und grinste sie an. »Ja, so heißt das wohl. Und wenn du Nachwuchs bekommst, sagst du besser keinem, dass Wolf in den Welpen steckt. Das gibt nur Ärger. Die Leute haben Angst vor dem bösen Wolf und mögen nicht, wenn Privatpersonen Wolfhunde besitzen.«

Mit diesen Worten war er davongegangen und Emily hatte ihn danach nur noch einmal gesehen. In der Stadt war er an ihr vorbeigefahren, sein Wolfhund auf dem Beifahrersitz, den mächtigen Kopf aus dem halb geöffneten Fenster, die flauschigen Ohren gespitzt.

Und sie hatte sich an seinen Rat gehalten, insgeheim froh, dass Grizz der einzige Welpe des Wurfs gewesen war. Nur Lynda wusste, dass er ein Wolfhund war, für alle anderen war er ein Mix aus Malamute und Husky. Emily sah auf die Uhr. Mist, sie hatte wieder einmal die Zeit vergessen. Gleich gab es Abendessen und ihr war klar, wie sehr sich Lynda auf Alans Rückkehr freute. Da wollte sie die Stimmung nicht mit ihrem Zuspätkommen verderben. Sie pfiff und Grizz kam angetrabt. Durch die lichter werdenden Birken am Waldrand sah sie, dass Lyndas Freund auf den Hof fuhr. Bevor sie reagieren konnte, rannte Grizz los, blieb neben dem geparkten Truck stehen und stellte die Nackenhaare auf.

Emily lief hinterher, doch Alan fuhr schon das Fenster herunter.

»Lynda, ich brauche Hilfe«, rief er.

Emily hörte Grizz’ tiefes Knurren, legte einen Zahn zu und ergriff mit einer Hand sein Halsband. Mit der anderen winkte sie Alan zu und grinste. »Sorry, du weißt doch, wie er ist. Er meint es nicht böse.« Sie zog Grizz ein paar Schritte zurück.

»Wenn in dem Hund kein Wolf steckt, dann haben meine Rodeobullen keine Eier«, erwiderte er und stieg aus.

Witzig. Sie zwang sich zu einem Lachen und sah, wie Lynda aus dem Haus kam.

»Alles okay? Entschuldige, ich habe gekocht und …«, sagte sie und warf Emily einen ärgerlichen Blick zu.

Alan trat zu ihr, nahm sie in den Arm und küsste sie stürmisch. Sie machte sich lachend los. »Ich habe dich auch vermisst. Was war denn los?«

»Nichts, ich …«, stotterte Emily.

»Der Hund hat mich wieder mit gebleckten Zähnen empfangen, angeknurrt und nicht aussteigen lassen«, unterbrach Alan ihren Erklärungsversuch. »Ist echt schwer, sich hier willkommen zu fühlen, solange man so begrüßt wird.«

Lynda fasste ihn an der Hand. »Das wird schon mit der Zeit.« Sie zog ihn mit sich. »Wir essen in einer Viertelstunde, Em.«

Emily sah den beiden hinterher. Was fand Lynda nur an dem bulligen Typen? Wenn es nach ihr gegangen wäre, wäre Alan hier nicht willkommen. Ständig meckerte er herum, wie baufällig das Haus war und wie beengt die Werkstatt ihm vorkam. Aber für Renovierungen fehlte das Geld und außerdem war es das Zuhause der Malloy-Schwestern. Wenn es ihm nicht gefiel, sollte er eben wegbleiben. Zumal es sie jedes Mal wurmte, wenn er mit seinem dümmlichsten Gesichtsausdruck sagte, dass er mit sechzehn von zuhause ausgezogen war und nicht verstand, warum sie mit neunzehn Jahren noch bei ihrer Schwester lebte. Was wusste er schon! Sie wandte sich ab, zog eine Leine aus ihrer Jackentasche und befestigte sie an Grizz’ Halsband. Zusammen gingen sie zum Auslauf und der Wolfhund trottete hinein. Er beäugte seine leere Futterschüssel und sah dann zu Emily.

»Du hast vorhin ein Huhn gefressen, da gibt es nichts mehr zum Abendessen.«

Er legte den Kopf schief.

»Nein, auch nicht mit diesem Blick.« Sie fuhr ihm über den Rücken, kraulte sein Ohr und küsste ihn auf die Schnauze.

»Und das Knurren hättest du dir verkneifen können«, murmelte sie, »obwohl ich das auch immer tun will, seit der Typ hier ständig auftaucht.« Sie gab dem Wolfhund frisches Wasser, verriegelte die Gittertür und machte sich auf den Weg ins Haus.

;

Nicky strich mit einer Hand über Sir Gregorys grauen Hals. Der Wallach fraß gemächlich den Frühstücksbrei, den sie ihm zubereitet hatte, da er sich mit seinen dreiunddreißig Jahren schwertat, genug Heu zu fressen. Granny hatte die Basisrezeptur aus Haferflocken, Leinsamen und Apfelstücken mit geriebenen Karotten und Weizenkleie ergänzt, was Sir Gregory hörbar zu schätzen wusste. Lächelnd lauschte sie den Schmatzgeräuschen und ließ ihren Blick über die anderen Gnadenhofpferde schweifen. Grannys Sleeping Lake Ranch war derzeit Heimat für achtzehn alte Pferde, die niemand mehr haben wollte.

Mein Zuhause. In ihrem Bauch kribbelte es. So fühlte sich Heimat an. Tief sog sie den Duft des Heus und der süßlich, erdigen Aromen des Futters ein. Bald würde der Frühling Einzug halten und sie stellte sich die explodierenden Grüntöne vor, mit denen die Natur sich schmücken würde. Vor drei Wochen hatte sie die letzten Sachen aus dem Apartment geholt, das sie im Haus ihres Vaters in Calgary bewohnt hatte. Und es fühlte sich verdammt gut an, hier zu sein. Sobald es die Temperaturen erlaubten, würde sie dem alten Stallgebäude einen neuen Anstrich verleihen und dem Ranchhaus ebenso.

Ein Aufschrei ließ sie herumfahren. Sie sah, wie Tom neben einer Leiter im Schnee saß. Hastig lief sie zu ihrem Großvater. »Alles okay?«

»Jaja«, murrte er, ignorierte ihre ausgestreckte Hand und rappelte sich mühsam hoch.

Nicky sah einen Balken, der vor der Scheune lag und deutete darauf. »Wolltest du den etwa allein anbringen?«

»Kam mir nicht so schwer vor«, erwiderte Tom und klopfte sich den Schnee von den Jeans. »Aber eine der verfluchten Sprossen der Leiter war morsch und dann bin ich auf dem Eis ausgerutscht. Ich kann es nicht abwarten, bis dieser Winter endlich vorbei ist.«

»Wird wohl noch eine Weile dauern«, sagte sie, obwohl ihre Sehnsucht nach wärmeren Temperaturen genauso groß war. »Du könntest mit der Renovierung des Heuschobers warten, bis es so weit ist.«

Tom zuckte mit den Schultern. »Ach, was gemacht ist, ist gemacht und ich will euch im Haus nicht auf die Pelle rücken.«

Nicky verkniff sich ein: »Das tust du nicht«. Ihr Großvater war genauso ein Sturkopf wie ihre Granny.

»Ich bin Caroline dankbar, dass ich zu euch ziehen durfte. Und versteh mich nicht falsch, ich liebe es, in ihrer Nähe zu sein.«

»Aber ein gemeinsames Schlafzimmer ist zu viel des Guten?«

Sein schiefes Grinsen ließ sie schmunzeln.

»Der Heuschober bietet einen wunderbaren Platz für eine kleine Wohnung und meinen ganzen Kram.«

Sie neigte den Kopf. Dein Kram ist zusammen mit deinem Mobilhaus zu Asche verbrannt, Grandpa. Sie sah an seinem vergrämten Gesicht, dass er ihre Gedanken erahnte.

Er fuhr mit einer Hand über seinen grauen Bart. »Wir haben einfach beide lange allein gelebt.«

»Hab schon verstanden«, lenkte sie ein. »Begleitest du Granny heute zu ihrem Arzttermin?«

»Oh, ach, Mist, das hatte ich vergessen, und jetzt habe ich Rabbit versprochen, mit ihm verschiedene Lederhändler abzuklappern. Hast du Schicht im Diner?«

Sie seufzte. »Nein, aber ich wollte mich in Ruhe den Rechnungsbüchern widmen. Ich muss mir endlich einen Überblick verschaffen und …«

»… das ist einfacher, wenn Caroline nicht im Haus ist«, beendete er ihren Satz.

Sie nickte. »In einem Moment ist sie mit Feuereifer dabei, mir alles über die Ranch und den Ablauf zu erklären und wenig später scheucht sie mich aus ihrem Büro. Gestern hat sie doppelt so viele Futtersäcke bestellt, wie wir brauchen, aber dem Händler ist das zum Glück aufgefallen und er hat mir Bescheid gegeben. Die Rechnung hätten wir nicht zahlen können.« Wie so manch andere auch nicht. Sie verkniff sich ein Seufzen.

Tom wich ihrem Blick aus, nickte aber. »Mir hat sie gebeichtet, dass sie vor ein paar Tagen eine Viertelstunde nicht vom Sofa aufstehen konnte, weil ihre Beine so schwach waren. Verdammter Parkinson und dazu die Demenz, das ist nicht fair.« Mit einer fahrigen Bewegung fuhr er sich über das Gesicht und räusperte sich. »Sorry.« Er sah auf die Uhr. »Ich sollte jetzt los.«

»Meinst du, wir müssen uns nach einer professionellen Pflege für Granny umsehen?«

In Toms Blick mischten sich Verärgerung und Unsicherheit. Er rieb sich über den Bart und blinzelte ein paar Mal. »Nein, Quatsch, dafür ist es zu früh. Außerdem würde Caroline uns die Köpfe abreißen.«

Nicky verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen. »Vielleicht hast du recht. Eine Pflegekraft wäre finanziell im Moment sowieso nicht drin.«

Er trat zu ihr und legte eine Hand auf ihren Oberarm. »Wir schaffen das gemeinsam. Bei uns ist sie doch in besten Händen und sie ist eine toughe Lady.« Er zog Nicky in eine kurze Umarmung. »Wir sehen uns heute Abend.«

Sie sah ihm nach und hörte im selben Moment eine Stimme von der Hausveranda rufen.

Granny stand auf der obersten Treppenstufe und winkte sie zu sich. »Beth hat angeboten, mich zum Arzt begleiten.«

»Wunderbar«, erwiderte Nicky erleichtert. »Das ist lieb von ihr.«

»Ich hätte selbst fahren können«, murrte Caroline und sah zur Weide. »Wie geht es unseren Schützlingen?«

»Alle wohlauf. Holt dich Beth hier ab?«

Sie nickte. »Ja, sie wird in einer halben Stunde hier sein. Lass uns vorher gemeinsam das Heu verteilen. Ich brauche ein wenig Pferdeduft, um Energie für den Tag zu sammeln.«

Zusammen gingen sie in den Offenstall und während sie das Heu verteilte, wünschte Granny allen Pferden einzeln einen guten Morgen. Es war ein Ritual, das Nicky schon etliche Male beobachtet hatte, und doch war sie immer wieder berührt von der Zärtlichkeit und Vorsicht, die die Senioren Granny entgegenbrachten. Es wirkte wie ein langsamer Tanz, in dem Caroline mit beiden Händen über die Pferdehälse und Rücken strich, ihr Gesicht kurz in den Mähnen vergrub und tief Luft holte. Sie verteilte Leckerlis, drehte sich zwischen den Tieren mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen, bis ihr rechter Fuß umknickte. Sie stolperte und Lady Anne trat näher, um ihr Halt zu geben. Keiner drängelte, jedes Pferd schien darauf zu achten, dass Granny sich zwischen ihnen mühelos bewegen konnte und jederzeit eine Stütze fand, wenn sie auf dem unebenen Boden und der Einstreu das Gleichgewicht verlor. Und das passierte immer häufiger. Nicky schluckte und lehnte die Heugabel gegen die Bretterwand. Wie lange würde Granny das morgendliche Ritual noch durchführen können? In diesem Moment drehte sich ihre Großmutter zu ihr, die Wangen leicht gerötet, die blauen Augen voller Lebenslust.

»Jetzt bin ich bereit für den Tag«, sagte sie, klopfte Sir Gregory auf den Hintern und kam mit einem breiten Lächeln zu ihr. »Die Pferde, mögen sie auch alt sein, schenken mir so viel Energie. Darauf möchte ich nie verzichten.«

Nicky drückte Granny einen Kuss auf die Wange. Dafür würde sie sorgen. »Das mit der Energie kann ich sehen, aber gleichzeitig siehst du jetzt aus, als hättest du dich in einem Heuballen vergnügt.« Lachend zupfte sie einige Heuhalme aus Grannys hochgestecktem Haar und strich eine weiße Haarsträhne zurück.

Caroline kicherte. »Ach, das bringt die schönsten Erinnerungen hoch.« Sie sog tief die Luft ein und Nicky tat es ihr gleich. Es roch nach frischem Heu, Pferdefell und dem süßlichen Duft des Molassemüslis.

»Weißt du, als deine Mutter die Ranch damals gekauft hat, hätte ich nicht gedacht, dass ich mich in dieses Leben verlieben könnte.« Caroline lächelte ihr zu. »Maddy, so sehr sie die Konzerte geliebt hat, hatte immer schon das Herz eines Cowgirls.« Ihr Lächeln verrutschte und sie blinzelte rasch ein paar Tränen weg. »Sie wäre stolz auf dich.«

Nicky nahm ihre zarte Hand und drückte sie. »Seit ich hier bin«, gab sie zu, »staune ich, wie du all die Jahre die Arbeit hier allein gemeistert hast. Es war sicher nicht immer einfach, und ich bin unendlich dankbar, dass du die Ranch all die Jahre behalten hast, bis ich dafür bereit war.«

Ein Hupen erklang und beide wandten die Köpfe.

Caroline sah auf die Uhr. »Huch, ich habe die Zeit vergessen. Das ist sicher Beth, ungeduldig wie immer.«

Nachdem die beiden Frauen die Ranch verlassen hatten, machte Nicky sich einen starken Kaffee und setzte sich an den kleinen Schreibtisch im Büro des Ranchhauses. Die Regale waren mit zahllosen Ordnern gefüllt, manche beschriftet, andere nicht. Auf Bücherstapeln standen Grünpflanzen, die laut Granny das Licht im Wintergarten nicht mochten. Ein Hauch von Zitrone, Vanille und Rosmarin drang ihr in die Nase und sie entdeckte zwei kleine Schälchen, in die Granny ihren selbstgemachten Raumduft gefüllt hatte. Durch das Bürofenster gegenüber dem Schreibtisch fiel trübes Licht, und Nicky zog an der kurzen Metallschnur, um die antike Tischlampe einzuschalten. Der orange-gelbe Lichtschein erhellte das Chaos vor ihr nur bedingt. Auf dem Tisch lagen haufenweise Belege, Rechnungen und weitere Post.

»Hilft ja nichts«, murmelte sie, nahm sich vor, eine bessere Lampe zu besorgen, und begann zu sortieren. Nach einer Stunde war sie von sechs unterschiedlich hohen Papierstapeln umgeben und hatte Platz, um ihren Laptop auf dem Schreibtisch aufzustellen. Am besten legte sie ein digitales Ordnungssystem an, um einen Überblick über die Zettelwirtschaft zu bekommen.

Ein lautes Maunzen riss sie aus ihrer Konzentration. Moe, Toms Kater, drängte sich durch den Türspalt in den Raum und strich um ihre Beine. Sie beugte sich hinab, um das graubraune Tier hochzuheben. »Na, Dickerchen, du bist eindeutig ein Morgenmuffel.«

Er stellte sich auf ihrem Schoß auf, reckte den buschigen Schwanz in die Höhe und kitzelte sie damit an der Nase. Dann rollte er sich auf ihren Oberschenkeln zusammen, wobei durch seine Größe sein Hinterteil gegen die Armlehne presste und schnurrte laut. »Danke für die Gesellschaft.« Sie begann, die ausstehenden Rechnungen nach Dringlichkeit zu sortieren und in eine Liste in ihren Laptop einzufügen. Dann nahm sie einen Stapel Bestellungen aus einer Ablage und sah sie durch. Der ein oder andere der Senioren bekam Zusatzfutter, Pulver gegen Arthrose und Gelenkschmerzen und weitere Alterswehwehchen. Vieles stellte ein Tierarzt kostenlos zur Verfügung, einiges jedoch musste der Gnadenhof bezahlen.

Moe streckte sich und stieß einen langen Seufzer aus.

»Kannst du Gedanken lesen?«, fragte sie, strich über seinen flauschigen, breiten Rücken und sah aus dem Fenster. Die Sonne hatte sich einen Weg durch die Wolken gebahnt und die Senioren dösten teils mit geschlossenen Augen in den Sonnenstrahlen, die, anders als noch vor einem Monat, endlich Wärme mit sich brachten. In ein paar Tagen war März und Nicky blickte sehnsüchtig über die Weiden. Hinter der Anhöhe verbarg sich der See und bald schon würde das letzte Eis darauf verschwunden sein. Moe hüpfte auf den Schreibtisch und drei Papierstapel segelten auf den Boden. Sie hob den Kater hinunter.

»Ach, Katerchen, ich komme mir vor wie Aschenputtel, die erst die Linsen aussortieren muss, bevor sie wieder raus darf, um die Natur zu genießen.«

Ihr Smartphone vibrierte und sie sah, dass Blake ihr eine Textnachricht geschickt hatte.

»Habe heute Nachmittag Zeit, Lust auf einen Ausritt im Reservat?«

Sie blickte auf die Rechnungen und die andere Post, die sie heute durchsehen wollte, bevor Granny zurückkam.

»Ist das eine gute Idee mit deinem Gipsarm?«

»Wenn du mir beim Satteln hilfst, ist das kein Problem.«

Sie zögerte, sah auf den Papierkram vor ihr. Draußen wieherte eines der Pferde und sie klappte kurzerhand den Laptop zu. Ein wenig frische Luft würde ihr guttun und sie konnte ja im Büro heute Abend weitermachen, wenn ihre Großmutter im Bett war. Sie hob rasch die auf dem Boden verteilten Papiere und Zettel auf, legte sie zurück auf den Schreibtisch und verließ das Büro.

Kapitel 2

Emily schob die Hintertür des alten Campervans auf und besah die hochklappbaren Regalbretter, die sie gestern eingebaut hatte. Mit einem Satz sprang Grizz ins Innere und beschnüffelte die Schlafcouch. Die Polsterung war an einigen Stellen zerrissen und die Sprungfedern waren zu sehen.

»Da muss ich mir was einfallen lassen«, murmelte sie und überlegte, Dean anzurufen. Ihr Vater hatte den Campervan von dem Lederhändler gekauft, weil Emily sich auf den ersten Blick in diesen rostigen Dodge Van aus den 1980ern mit der verblassten braun-orangenen Lackierung verliebt hatte. Sie schmunzelte bei dieser Erinnerung. Der Motor und alle Elektrik funktionierten einwandfrei, aber der Innenraum war mäusezerfressen gewesen. Dean hatte ihnen Dora, wie Emily den Van getauft hatte, zu einem Spottpreis verkauft. Sie erinnerte sich an seine Worte: »Wenn ihr mit der Restaurierung fertig seid, dann müsst ihr mir den Van unbedingt zeigen. Meine Tür steht immer offen für Freunde von Oldtimern.« Sie fuhr mit einer Hand über die Arbeitsfläche, die sie gestern geschliffen und neu lackiert hatte. Langsam wurde der Innenbereich wohnlich, die Küchenzeile mit Gasherd, Kühlschrank und Waschbecken war heimelig und zweckmäßig zugleich. Das hätte Dad gefallen.

Ihr Vater, zu Lebzeiten ein begnadeter Schreiner, hatte ein Faible für alte Campervans gehabt. Immer wieder hatte er welche abgeschleppt, sie renoviert und dann zu einem guten Preis verkauft.

»Ich hätte Dora so gerne mit dir restauriert, Dad«, murmelte sie. Aber vor sechs Jahren war ihr Vater an Krebs gestorben. Seine Hündin Griselda hatte ihn ebenso vermisst wie Emily und zusammen hatten sie sich damals stundenlang in dem Campervan verkrochen, weg von der trauernden Mutter und dem Schmerz, der über allem zu liegen schien. Als wenige Monate später ihre Mom an Herzversagen starb und Lynda ihren Job in Vancouver kündigte, um sich um ihre kleine Schwester zu kümmern, hatte sie Dora lange Zeit gemieden. Bis Grizz vor fast zwei Jahren in diesem Van auf die Welt gekommen war, und sie beschlossen hatte, den Campervan für Lynda und sich selbst fertig zu renovieren. Sie würden damit die Kunstmärkte in Alberta besuchen können. Emily lächelte bei diesem Gedanken.

Auf einmal schnappte Grizz sich einen Metallring, an dem Stoffproben aufgefädelt hingen, und sprang an ihr vorbei aus dem Van.

»He, das brauche ich noch«, rief sie und wandte sich zu ihm.

Grizz blieb stehen, seine Beute im Maul.

Sie streckte die Hand aus. »Out«, befahl sie. Nichts geschah. Als sie versuchte, nach den Stoffproben zu greifen, knurrte er tief und senkte den Kopf. Sie kniff die Augen zusammen. Wann hatte er aufgehört, diesen Befehl ohne Murren zu befolgen? Sie probierte es nochmal, aber der Wolfhund wandte sich nach einem weiteren Knurren ab und verzog sich in eine Ecke der Scheune. Mit einem Seufzen holte sie einen kleinen Plastikcontainer aus ihrer Tasche, nahm ein Fleischstück heraus und hielt es ihm hin. Bereitwillig ließ er sich auf den Tausch Stoffproben gegen Fleisch ein.

Emily ging mit dem Ring in der Hand zum Van und setzte sich in den Türrahmen. In der letzten Zeit forderte Grizz sie immer wieder heraus. In den Büchern, die sie über Wolfhunde gelesen hatte, stand, dass diese Tiere später in die Pubertät kamen als normale Hunde. Aber Grizz war doch nur zu einem Viertel ein Wolf und mit seinen zwei Jahren sollte die aufmüpfige Teenagerzeit vorbei sein, oder? Sie hatte gelesen, dass die sexuelle Reife dieser Tiere meist erhebliche Schwierigkeiten mit sich brachte, und zu diesem Zeitpunkt viele Besitzer entschieden, den Wolfhund abzugeben. Natürlich kam das für sie nicht in Frage. Grizz war Familie und sie würde die Problemchen schon in den Griff bekommen. Denn eine Abgabe, auch das stand in zahlreichen Internetforen, bedeutete allzu oft Einschläfern für das Tier.

Aus dem Schatten der Scheune kam Grizz zu ihr getrabt, rieb seinen Kopf gegen ihre Knie und setzte sich neben sie.

»Uns kriegt keiner auseinander.« Sie kraulte seine flauschigen Ohren. Ihre Gedanken wanderten zu den vielen Stunden, in denen sie ihn mit der Flasche gefüttert und jeden seiner Schritte beobachtet hatte. »Sobald Dora fertig ist, muss ich wieder mehr Zeit in dein Training investieren«, sagte sie und versank in seinen dunklen Augen, die sie aufmerksam musterten.

Ein Alarmton ihres Smartphones riss sie aus ihren Gedanken. Es war eine Textnachricht ihrer Schwester.

»Kommst du endlich mal in die Werkstatt?«

Sie rollte die Augen und stand auf. »Ich muss zu Lynda.« Grizz schüttelte sich gähnend. »Benimm dich, dann gehen wir nachher extra lange spazieren.«

Sie trotteten den schmalen Schotterweg entlang bis auf den Innenhof, der von einem halb eingefallenen Zaun gesäumt war. Die Reparatur stand auf Emilys To-do-Liste, neben der Beseitigung des Wasserschadens im ersten Stock des Wohnhauses und dem Zurückschneiden des riesigen Fliederbuschs, der einen steinernen Brunnen überwucherte. Der Schuppen, in dem sie das Feuerholz lagerten, könnte auch einen frischen Anstrich gebrauchen. Die Arbeiten an diesem alten Hof nahmen kein Ende und der schmelzende Schnee offenbarte immer neue Baustellen. Sie betraten die Werkstatt, die an das Wohnhaus angebaut war. Manchmal kam es Emily so vor, als schmiege sich die Schmiede zärtlich an das große, alte Haus.

Beides war schon seit Jahrzehnten das Zuhause der Malloys. Ihre Urgroßmutter hatte die Werkstatt selbst gebaut und hatte auch darin gewohnt. Als die Familie wuchs, war das Wohnhaus angebaut worden. Damals lag das Bauernhaus noch in einer abgelegenen Gegend, doch nun waren sie umgeben von teuren Neubauten in einer Vorstadtsiedlung von Edmonton. Emily wünschte sich wieder einmal, die Großstadt würde aufhören, ihre gierigen Finger auszustrecken, sich wie ein Schimmelpilz auszudehnen und dabei die Natur und die älteren Anwesen zu verschlucken.

Sie seufzte, schob die gelbe Holztür auf und Grizz trottete vor ihr in den Raum. Lynda saß an ihrer Werkbank und begutachtete eine Schmuckschnalle für eine Trense.

»Soll ich die fertigen Gürtelschnallen polieren und verpacken?«, fragte Emily und band sich eine Lederschürze um. »Wir müssen eine Liste für unseren Stand auf der Messe in Drayton Valley machen. Und …«

Lynda winkte ab. »Das hat Zeit.« Sie legte die Schnalle weg und drehte den Stuhl zu ihr. »Hast du Alan erzählt, dass wir hier allein zurechtkommen und seine Hilfe nicht brauchen?«

Emily wich ihrem bohrenden Blick aus. Wieso merkte ihre Schwester nicht, dass Alan sich mit seinen Hilfsangeboten nur einschleimen und in ihre Familie drängen wollte. »Ja, stimmt doch auch«, murmelte sie.

»Und hast du behauptet, dass der Wasserschaden von der Versicherung komplett bezahlt worden ist?«

Weil er vorgeschlagen hätte, alles zu bezahlen, da er sich in der Rolle des Wohltäters sonnt und glaubt, deine Dankbarkeit kaufen zu können. Emily presste die Lippen zusammen, sie wusste, Lynda wollte das nicht hören. Sie griff nach einer der fünf Gürtelschnallen.

»Hat er das so verstanden?«, murmelte sie und begann mit dem Polieren.

Lynda stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ach, Em. Die Versicherung zahlt keinen Cent und der Schimmel breitet sich in den Wänden aus. Warum lügst du ihn an? Du bist doch kein Kind mehr und er hilft uns gern.«

Emily starrte auf ihre Finger. »Es tut mir leid. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Außerdem kommen wir doch allein zurecht«, wiederholte sie. »Du, ich und Grizz. Wir haben uns, mir reicht das.«

Lynda stand auf, nahm ihr die Gürtelschnalle aus der Hand und drehte sie zu sich. »Ich liebe dich, Em, daran wird sich nie was ändern, das weißt du, oder?«

Sie nickte. »Du bist zurückgekommen, als …«, sie brach ab, schloss kurz die Augen, schluckte. »Hast die Verantwortung übernommen, bist für mich da.« Ich brauche dich. Ihr Lächeln verrutschte. »Dafür werde ich dir immer dankbar sein. Natürlich weiß ich, dass du mich liebst.«

»Als große Schwester war es meine Aufgabe, mich um dich zu kümmern. Jetzt bist du selbst erwachsen und …«

»… und unterstütze dich bei deiner Arbeit«, unterbrach Emily sie. »Wir müssen uns ranhalten, weitere Sachen für die Messe herzustellen.«

Plötzlich sprang Grizz von seiner Decke auf und lief knurrend an die Tür.

Emily sah aus dem Fenster. »Wieso ist Alan schon wieder hier?«, fragte sie und ergriff Grizz’ Halsband.

Lynda stand auf. »Mist, ich habe die Zeit vergessen. Wir sind verabredet.«

»Aber ich dachte, wir arbeiten gemeinsam in der Werkstatt. Ich halte mich an deine Vorlagen und …«

»Ich … also er hat einen Termin in Edmonton und wir fahren zusammen hin. Übe doch selbst ein wenig mit den Metallfeilen.« Sie schlüpfte in ihre Jacke. »Wir werden zum Abendessen nicht zurück sein. Im Kühlschrank sind Reste von gestern.«

Emily sah ihr nach und beobachtete durchs Fenster, wie sie Alan innig umarmte. In seinen muskulösen Armen wirkte ihre zierliche Schwester zerbrechlich. Er züchtete Bullen für das Rodeo, und mit seinem ständig frisch polierten Dodge Truck durch die Gegend zu fahren, schien seine Lieblingsbeschäftigung zu sein. Lynda hatte noch nie eine längere Beziehung gehabt und den Typen meist nach einigen Wochen oder spätestens vier Monaten den Laufpass gegeben. Mit Alan ist es anders, hatte Lynda an Weihnachten gesagt und verträumt auf die Halskette geschaut, die er ihr geschenkt hatte. Aber als er Silvester nicht wie versprochen auf dem Hof aufgetaucht war, war Lyndas Stimmung in eine Dunkelheit gerutscht, die Emily Angst gemacht hatte. Kein Mann sollte ihre Schwester so traurig machen können. Aber dann war er am Neujahrstag doch erschienen, mit einem riesigen Blumenstrauß und einer noch größeren Entschuldigung und seitdem war er zu oft bei ihnen.

Emily verdrängte die Gedanken und machte sich daran, die restlichen Gürtelschnallen zu polieren und zu verpacken. Die Messe, die jedes Jahr im Rahmen des Rodeos in Drayton Valley stattfand, war immer eine megawichtige Einnahmequelle für das Familienbusiness. Der Stand der Malloys auf dieser Veranstaltung war stets gut besucht, von Cowboys und den Zuschauern des Rodeos. Im letzten Jahr war es Lynda sogar gelungen, den Zuschlag für die Herstellung der Gürtelschnallen für alle Gewinner zu erhalten. Emily war sich nicht sicher, warum ihre Schwester jetzt nicht all ihre Energie und Zeit in die Messeprodukte steckte, aber sie würde ihr den Rücken freihalten, bis sie gemeinsam zum Messewochenende aufbrechen würden.

Sie sah kurz auf den Kalender, der an der Wand rechts neben ihr hing, blätterte auf April und sah die roten Sternchen, die die Veranstaltung am letzten Wochenende des Monats markierten. Bis dahin werde ich Dora fertig renoviert haben und wir müssen uns nicht in ein billiges Motel einbuchen. Emily nahm ihr Smartphone, suchte nach dem Album ihrer liebsten Countrysongs und zog die Entwürfe ihrer Schwester heran. Drei Motive standen im Zentrum von Lyndas Kunstfertigkeit. Die eine Skizze zeigte einen Cowboy in charakteristischer Westernkleidung, der gekonnt sein Lasso schwang. Die zweite Zeichnung war ein atemberaubendes Bild von einem Bullenreiten. In der Mitte des Motivs befand sich ein mutiger Cowboy, der mit fester Hand den wilden und aufgebrachten Bullen ritt. Sein Gesicht zeigte Entschlossenheit und eine Mischung aus Anspannung und Adrenalin.

Emilys Lieblingsmotiv war eine fesselnde Abbildung des Barrel-Racing. Es zeigte ein Cowgirl mit wehenden Haaren, die ihr Pferd im Galopp um ein Fass herummanövrierte. Lynda hatte ihr erzählt, dass sie dieses Motiv in ihrer Lehrzeit bei verschiedenen Silberschmieden in British Columbia hatte verfeinern können. Bis sie dann hierher zurückgekommen war, um sich nach Moms Tod um Emily zu kümmern.

Sie schob die Gedanken rasch beiseite und fuhr mit dem Zeigefinger die feine Bleistiftzeichnung entlang. Das Pferd, voller Energie, drückte Geschwindigkeit und Wendigkeit aus. Die Fässer waren kunstvoll gestaltet und erzeugten eine dreidimensionale Wirkung. Der Nervenkitzel und die Anmut des Barrel-Racing war spürbar. Die Motive waren alle der Rodeo- und Cowboy-Tradition entnommen, die zum Aushängeschild der Malloys geworden war.

Emily war mit diesen Skizzen aufgewachsen und Lynda hatte immer wieder versucht, sie zu ermutigen, mit Silber zu arbeiten. Doch es gelang Emily nie, in die Gravurlinien Dynamik zu legen und den Motiven eine Lebendigkeit zu geben. Lynda glaubte, mit mehr Übung würde sie es hinbekommen, aber Emily wusste, dass ihr das nur mit Holz gelang. Doch ihre Leidenschaft für die Schnitzerei war nur ein nettes Hobby, das hatte Mom oft genug gesagt. Das Wichtigste in den Augen ihrer Mutter war es gewesen, die Familientradition aufrechtzuerhalten, und das war nun mal die Silberschmiede.

Nach einer halben Stunde, die sie mit dem Aufräumen der Werkstatt verbracht hatte, kam Grizz zu ihr und stupste sie mit der Nase an.

»Okay, ich könnte auch ein wenig frische Luft gebrauchen. Und danach mache ich uns Abendessen.«

Nicky lachte, bis ihr die Tränen die erhitzten Wangen herrunterrannen. Blake rappelte sich vom gefrorenen Wiesenweg hoch und rieb sich die Stirn, auf der sich ein roter Streifen abzeichnete. Sein brauner Wallach stand einige Meter entfernt und grub mit dem Vorderhuf nach Gras unter der dünnen Schneeschicht.

»Tut’s sehr weh?«, fragte sie, stieg ab und ging zu ihm. »Zeig mal her.« Sie drehte Blakes Gesicht zu sich und begutachtete die Abschürfung. »Der Ast hat gewonnen, aber du wirst es überleben.«

»Oh, danke, Dr. Charm, für diese Diagnose.«

Sein schiefes Grinsen brachte sie erneut zum Kichern.

»Jetzt hör schon auf.« Er hob seinen eingegipsten Arm. »Mit einem Arm hättest du das Kunststück auch nicht hinbekommen.«

»Ach, soll ich dir das Gegenteil beweisen?«

Blake ging zu Jouster und griff nach den Zügeln. »Lass mal. Ich habe mich genug blamiert. Du bist die Trickreiterin und ich nicht.« Er legte den Gipsarm auf den Sattel und verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

»Schmerzt der Arm wieder?«, fragte Nicky auf einmal besorgt. »Vielleicht war es doch keine gute Idee, so früh einen Ausritt zu wagen.«

»Geht schon wieder. Es war ja nur ein einfacher Bruch und mir ist nach einer Woche Schonung die Decke auf den Kopf gefallen«, murrte er.

»Der Gips bleibt noch vier bis sechs Wochen dran, das kann ja heiter werden«, erwiderte sie.

Er trat dicht an sie heran und küsste sie. »Also ich habe schon ein paar Ideen, wie du mir helfen könntest, die Langeweile zu vertreiben«, raunte er und seine Lippen fuhren langsam ihre Schläfe entlang zu ihrem Hals.

»Darüber lässt sich reden.« Sie schmiegte sich kurz an ihn. »Aber für heute hatte dein Arm genug Aktivität.«

Sie stiegen wieder auf und ritten im Schritt nebeneinander zurück zu der kleinen Scheune, die am Rand der Weide im Reservat als Sattelkammer diente. Nicky atmete tief die frische Luft ein und glaubte, ein wenig Frühling riechen zu können in dem Wind, der mit ihren Haaren spielte. Noch lag alles im Winterschlaf, aber es war mehr ein Schlummern, ein Bereit-Machen auf das Explodieren der Natur in wenigen Wochen. Mit langen Strichen fuhr sie Shinoba über den Hals. Sie hatte die Stute im letzten Jahr kennengelernt und mit ihr ihre Angst nach einem tragischen Sturz besiegt. Jetzt fühlte sie sich wieder wohl im Sattel und das hatte sie großteils der sanften Stute zu verdanken.

»Hast du immer noch vor, Diamond Star auf die Sleeping Lake Ranch zu holen?«, fragte Blake.

»Ja. Ich habe vor kurzem mit Tammy telefoniert, die gehört hat, dass er als untrainierbar gilt und in Calgary in einem Reitstall steht.«

»Oh, das klingt aber nicht gut, oder?« Er hielt Jouster an und öffnete ein Gatter.

Sie ritt mit Shinoba hindurch und wartete, bis Blake wieder im Sattel saß. »Stimmt. Aber es könnte mein Glück sein, da er hoffentlich für wenig Geld zu haben ist, wenn keiner ihn haben will.«

Er sah sie an und sie spürte die Wärme, die er ihr mit seinem Blick schenkte.

»Du vermisst es, ein eigenes Pferd zu haben, oder?«

Ihre Gedanken flogen zu ihrem jahrelangen Begleiter, ihrem geliebten Diamond Dee, den sie nach den Folgen des Sturzes verloren hatte. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen und sie biss sich auf die Unterlippe. Sie wandte den Blick ab und ließ den Schmerz durch sich hindurchfließen. Diamond Star war Dees Bruder, dessen Nähe hatte sie noch vor ein paar Monaten nicht ertragen. Jetzt sehnte sie sich nach dem lebhaften Rappen und lächelte Blake zu. »Ja, es fehlt mir, einen Begleiter zu haben.«

Sie hielten die Pferde neben der Scheune an, stiegen ab und banden die Tiere an einen Balken. Nur unwillig ließ sich Blake von ihr beim Absatteln helfen.

»Jetzt stell dich nicht so an.« Mit der Hüfte schob sie ihn zur Seite. »Dein Gipsarm hat heute schon genug mitgemacht.«

Grummelnd schnappte er sich eine Bürste. »Es nervt und ich ärgere mich, dass ich den Arm überhaupt gebrochen habe.«

»Dass die Kiste von der Ladefläche gefallen ist, war einfach Pech«, wandte Nicky ein.

Er zuckte mit den Achseln. »Stimmt schon. Und besser, es ist mir passiert und nicht meiner Schwester, die die Kiste eigentlich holen wollte.«

Nicky warf ihm einen Blick zu. »Naja, das hätte ihre Pläne etwas durcheinandergeworfen. Wann wird sie mit Elder Sage abreisen?«

»Wenn ich Kateri richtig verstanden habe, werden sie sich kurz nach der Feier zur Tag-und-Nacht-Gleiche einer Delegation von First Nations anschließen, die unsere Interessen vor der Regierung vertritt.«

»Wow, und mit dieser Gruppe reisen sie dann nach Ottawa?«

Er nickte. Sie führten die Pferde auf die Weide und nahmen die Halfter ab. Nicky schlang ihre Arme um Shinobas Hals, bevor sie ihr ein Pferdeleckerli gab, von denen sie immer welche in der Jacke hatte. »Es ist endlich eine Gelegenheit, den Worten über die ›Versöhnung‹, Taten folgen zu lassen«, erwiderte Blake, legte einen Arm um ihre Schulter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. »Neben der Aufarbeitung des Traumas des Residential School Systems, wird die Benachteiligung indigener Bevölkerung Thema sein. Kateri erwähnte gestern auch, dass es im kleineren Rahmen um Landdiebstähle innerhalb von Reservaten gehen würde, die viele Jahrzehnte unter den Teppich gekehrt worden sind.«

Nicky sah ihn fragend an. »Aber den Natives wurde doch schon alles Land genommen, als die Siedler sich hier und in den USA breitgemacht haben, oder?«

Blake nickte. »Ja, aber in diesen Fällen geht es um Reservatsland, das den First Nations zugesprochen wurde.« Er sah auf die Uhr. »Kateri hat mir einen Link zu einer Reportage geschickt. Ich wollte ihn mir nachher ansehen. Kommst du mit zu mir?« Spielerisch zog er an ihrem Schal und neigte den Kopf.

»Na, wenn du mich so anschaust …« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen.

»Ich bin am Verhungern.« Nicky warf zwanzig Minuten später ihre Jacke auf einen der Barhocker in Blakes Küchenzeile.

»Dann lass uns was gemeinsam kochen«, schlug er vor und öffnete den Kühlschrank. Nach dem Essen machten sie es sich auf der Couch gemütlich und sie gähnte. »Der Ausritt hat mich schläfrig gemacht«, gab sie zu, lehnte sich zurück und legte ihre Beine auf seine Oberschenkel. »Aber der Spaß war es wert.« Blake massierte mit einer Hand ihre Füße, und sie stieß einen Seufzer aus. »Davon bekomme ich nie genug«, murmelte sie, schloss die Augen und ließ sich tiefer in die Sofakissen sinken.

»Nur davon?«, fragte er, und seine Lippen waren auf einmal dicht an ihrem Ohr. Langsam küsste er ihr Ohrläppchen, wanderte ihren Hals hinab. Seine Hand fand ihren Weg unter ihren Pullover, streifte ihn nach oben. Lust rauschte durch sie hindurch wie ein Hurrikan, der ihr zuerst den Atem nahm und sie dann hoch in die Luft mitriss.

Verschwitzt und atemlos lag sie eine halbe Stunde später in Blakes Armen und grinste ihn an. »Also, wenn ich mich entscheiden soll zwischen Fußmassage oder Sex, würde ich …«

Er legte einen Finger auf ihre Lippen. »Du musst nicht wählen, da ich dich gern jederzeit mit beidem beglücke.«

Übermütig biss sie ihm sanft in die Fingerspitze. »Wer hier wen beglückt, ist ja wohl Ansichtssache.«

»Touché.«

»Dann lass uns doch jetzt diese Reportage anschauen«, schlug sie vor. Sie suchten ihre Klamotten zusammen, zogen sich an und machten es sich wieder auf dem Sofa gemütlich.

Blake griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher an. »Kannst du über Nacht bleiben?«

»Besser nicht. Ich habe es nicht mit Tom abgesprochen und will zuhause sein, wenn Beth Granny am frühen Abend zurückbringt.«

Er nickte, verband sein Smartphone mit dem Bildschirm und klickte auf das YouTube-Symbol. »Das ist die Reportage, von der Kateri gesprochen hat«, erklärte er. Das Video begann und es wurde darüber berichtet, dass es erneut Demonstrationen wegen vermuteter Landenteignungen gegeben hatte. Nicky bemerkte, wie gebannt Blake die Reportage verfolgte.

»Um was geht’s da genau?«, fragte sie.

»Vertreter mehrerer Tribes wollen, dass die Regierung dem auf den Grund geht, und das Land den ursprünglichen Besitzern, also den First Nations, zurückgegeben wird.« Seine Stimme klang angespannt.

»Und glaubst du, sie werden es durchsetzen können?«

Gerade sagte der Sprecher, dass zahlreiche Landbesitzer über die behördliche Forderung nach Dokumenten, die die Besitzverhältnisse beweisen sollen, entrüstet waren. Eine Gegenklage werde angestrebt.

Blake schnaubte und stand auf. »Da hast du deine Antwort. Es ist eine verdammte Schweinerei«, erwiderte er. »Die Reaktion der Landbesitzer zeigt ja wohl, dass sie was zu verbergen und zu verlieren haben.« Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf, wickelte seinen Zopf um zwei Finger und ließ ihn dann wieder los.

»Sicher nicht in allen Fällen«, wandte Nicky ein. »Aber wenn die Tribes Beweismaterialien haben, dass ihnen das Land einmal gehörte, ist es doch klar, oder?«, fragte sie und setzte sich auf. Sie kannte Blake jetzt seit drei Monaten und nie hatte ihn etwas aus der Ruhe bringen können.

»Wie stellst du dir das vor? Das meiste Land, das in unserem Besitz war, war nicht auf irgendwelchen Urkunden eingetragen.« Er sah sie an, schien selbst zu merken, wie schroff seine Stimme klang, und versuchte sich an einem schiefen Lächeln. »Tut mir leid. Es macht mich einfach wütend.«

Sie stand auf, trat zu ihm und nahm seine Hände in ihre. »Ich verstehe schon. Aber vielleicht finden sich ja doch eine Lösung oder Beweise, die den Tribes nützen können.«

Blake zog sie näher zu sich und schlang seine Arme um sie. »Ich werde mal sehen, ob ich helfen kann. Sei es nur, historische Akten zu wälzen.«

»Hast du mit der Jugendgruppe nicht genug um die Ohren?«

»Das schon, aber wie du weißt, sind einige im Reservat nicht gut auf mich zu sprechen.«

»Nur weil du nicht im Reservat lebst und den Jugendlichen Chancen abseits der Cree Gemeinschaft ermöglichen willst?«, fragte Nicky. »Das ist doch Blödsinn. Die Anliegen deiner Schwester finden stets Gehör.«

»Das ist erst so, seit Elder Sage sich für Kateri stark gemacht hat und sie zur Rodeoprinzessin gewählt worden ist.«

»Und Elder Sage würde das für dich nicht tun?« Nicky hob eine Augenbraue.

»Das möchte ich nicht. Kateri hat Sages Unterstützung mehr als verdient. Ich werde mich selbst um meine Beziehung mit dem Reservat kümmern. Unser neuer Chief hat sich zumindest nicht sofort gegen all meine Ideen gestellt.« Er drückte einen Kuss auf ihren Scheitel. »Und diese Landdiebstähle sind ein guter Weg zu zeigen, dass man sich auf mich verlassen kann, auch wenn ich ein Tailwind bin.«

Sie musterte ihn nachdenklich an und sah an seiner verschlossenen Miene, dass er ihr zumindest an diesem Abend nicht erzählen würde, warum die Familie Tailwind in Ungnade gefallen war. Sie lehnte sich ein wenig zurück und sah zu ihm hoch. Seine Augen schimmerten wieder in dem weichen Braun, seine Züge hatten diese stolze Sanftheit, die ihr ein Kribbeln am ganzen Körper bescherte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf seine. Er zog sie fester an sich. Sein Herz pochte gegen ihre Brust und sie versank in seinem Kuss. Als seine Lippen ihren Hals berührten, seufzte sie und biss ihn zärtlich ins Ohrläppchen, was ihm ein leises Stöhnen entlockte. Sie zwang sich, ihren Mund von seiner Haut zu lösen. »Wenn wir jetzt nicht aufhören, dann komme ich zu spät zurück auf die Ranch.«

Mit einem bedauernden Knurren ließ er sie langsam los. »Okay, hab schon verstanden. Ich bin doch nicht so unwiderstehlich, wie sie alle behaupten.«

»Ach, wer behauptet das denn?«

Er grinste. »Naja … alle eben.«

Sie zog spielerisch an seinem Zopf. »Na, wenn das so ist, hast du ja freie Auswahl, sobald ich weg bin.« Sie ging zum Barhocker in die Küche und nahm ihre Jacke.

Er folgte ihr und hielt sie am Arm zurück. »Du weißt aber schon, dass ich nicht alle will, sondern nur dich, oder?«

Wärme rauschte durch sie, die sich verdammt nach »ich bleibe hier« anfühlte. Sie lächelte. »Na, das hoffe ich. Mir geht es genauso.«

»Wirst du dich nach Diamond Star erkundigen?«, fragte er an seiner Wohnungstür.

»Ja, auf jeden Fall.«

»Dann viel Erfolg.« Er zog sie nochmal an sich und gab ihr einen langen Abschiedskuss.

Kapitel 3

Emily beobachtete, wie ihre Schwester mit gefurchter Stirn eine ihrer Designideen auf dem Zeichenblock begutachtete. »Ist das für eine Gürtelschnalle gedacht? Katzen sind kein Malloy-Motiv.«

»Weiß ich doch«, erwiderte Emily. »Ich habe nur …« Sie verstummte. Wie sollte sie ihr erklären, dass sie die beiden Katzen in einem Holzstück gesehen und sie sie schnitzen wollte? Sie winkte ab. »Nicht so wichtig.«

Lynda holte einen Skizzenblock hervor, blätterte und schob ihr die Skizze eines Bullenreiters zu. Im typischen Malloy-Stil, dynamisch, kraftvoll und eine Hommage an das Rodeo.

»Hast du dich an diesem Motiv noch einmal versucht?«

Em schüttelte den Kopf. »Hatte keine Zeit zum Üben«, redete sie sich raus. Immer wenn Emily sich auf Drängen von Lynda dransetzte, mit Silber zu arbeiten, hörte sie die Stimme ihrer Mutter: »Nimm dir ein Beispiel an deiner Schwester.« Aber so gut wie Lynda bekam sie es nie hin.

Die Bleistiftskizzen, die dem Malloy-Stil entsprachen, langweilten sie und wenn sie tatsächlich einmal selbst an einer Schnalle arbeitete, verkrampften sich ihre Finger und es war nie gut genug. Ihr Vater hatte die Tradition der Malloy-Silberfrauen respektiert und er hatte ihr geraten, ihre Kreativität in der Holz-Schnitzerei auszuleben, um den Kopf für die klaren Linien des Malloy-Stils freizumachen. Emily liebte das Arbeiten mit diesem lebendigen Material, aber leider schien es keinen Einfluss auf ihren Umgang mit Silber zu haben. Sie stand auf, ging zu einer Kommode und zog die oberste Schublade auf. In ihr lagen kleine Holzamulette, Ringe und geschnitzte Figürchen, die sie über die Jahre angefertigt hatte. Ihre Mutter hatte diese Spielereien belächelt und immer gesagt, dass sie aus dieser Phase hinauswachsen würde. Nach ihrem Tod hatte Em einige Jahre weder mit Holz noch mit Silber gearbeitet, bis Lynda sie ermutigt hatte, weiterzumachen. Aber sie wusste, dass ihre Schätze nichts wert waren und sie sich darauf konzentrieren sollte, zusammen mit ihrer Schwester die Malloy-Tradition weiterzuführen und dem Ruf des Silbers gerecht zu werden.

»Was hast du denn in letzter Zeit aus Holz gezaubert? Du weißt, dass du mir eine kleine Holzmeise versprochen hast, oder?«, fragte ihre Schwester, als hätte sie ihre Gedanken gelesen.

Em wandte den Kopf, fing ihren Blick auf und schloss die Schublade. »Im Moment ist keine Zeit für mein Hobby. Ich will Dora für unsere Teilnahme am Kunstmarkt fertig renovieren. Und wenn wir Lust haben, fahren wir von dort gleich auf die nächsten Veranstaltungen. Und …«

Lynda war aufgestanden und hielt sich kurz an der Werkbank fest.

»Alles in Ordnung?« Em bemerkte erst jetzt, wie blass ihre Schwester war.

Lynda hob eine Hand. »Klar, ich habe mal wieder zu wenig Wasser getrunken.«

Em beugte sich hinab und wollte eine Sprudelflasche aus dem Kasten unter der Werkbank nehmen. Aber alle waren leer. Merkwürdig. Sie erhob sich. »Ich bringe dir Wasser aus dem Haus. Möchtest du was zu essen? Ich kann dir schnell ein Sandwich machen?«

»Nein, schon in Ordnung. Danke.«

Sie beobachtete, wie Lynda sich ein Stück Schokolade in den Mund schob und die Werkzeuge zusammensuchte, die sie zum Löten brauchte. »Okay, dann mache ich mich mal an die Reparatur des Küchenfensters. Danach kann ich dir hier weiterhelfen.«

Eine Stunde später schraubte Em den neuen Griff an einem der Küchenfenster fest und fuhr mit den Fingern über den geschliffenen und neu lackierten Fensterrahmen. Den unteren Teil hatte sie mit einem geschnitzten Muster verziert, das durch die dunkelgrüne Farbe besser zur Geltung kam. Die Ornamente würden sich auch gut auf einem Armreifen machen. Sie legte ihre flache Hand an den Rand des Fensterglases. Kein Luftzug war mehr zu spüren. Zufrieden packte sie die Werkzeuge zusammen und überlegte, wann sie Zeit für die anderen Rahmen finden würde. Ja, die Fenster zu reparieren, war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn sie an all die Stellen des alten Hauses dachte, die renovierungsbedürftig waren. Aber es war besser als nichts.

»Das sieht schön aus«, sagte eine Stimme hinter ihr.

»Lynda, hi, ich hab dich gar nicht reinkommen hören«, erwiderte Emily. »Wolltest du nicht bis zum Abendessen in der Werkstatt arbeiten.«

Ihre Schwester streifte die Stiefel ab, kraulte Grizz, der vor der Küche lag, hinter den Ohren und streckte den Rücken durch. »Alan holt mich in einer Stunde ab. Ich will duschen und mich umziehen.«

Er kommt schon wieder hierher, wollte Emily sagen, verkniff es sich im letzten Moment. »Aber am Wochenende müssen wir wirklich mal ranklotzen, um für die Messe genug Sachen zu haben«, merkte sie an.

Lynda hatte einen der Hängeschränke geöffnet und schien nach einem bestimmten Tee zu suchen. »Haben wir noch den Ingwertee?«

»Hast du mir überhaupt zugehört?«, fragte Em, griff an ihr vorbei und zog einen Beutel mit Teebeuteln aus dem Schrank. »Hier. Ingwer trinkst du sonst nur, wenn du dich nicht wohl fühlst.«

»Hab was Falsches gegessen«, murmelte Lynda und schaltete den Wasserkocher an. »Willst du auch einen?«

Sie nahm sich einen Chai-Tee und stellte ihre Tasse neben Lyndas. »Was ist jetzt mit dem Wochenende?«

»Ich werde dieses Jahr nicht auf die Messe gehen«, sagte ihre Schwester so leise, dass Emily es beinahe nicht verstand.

»Was meinst du damit?«

Lynda goss kochendes Wasser in die Tassen. »Ich habe andere Pläne.«

»Mit Alan?«, entfuhr es Em so laut, dass Grizz aufsprang.

Lynda nahm die Teetassen und setzte sich an den Küchentisch. »Meine Entscheidung hat nichts mit ihm zu tun. Ich habe in der Zeit andere Verpflichtungen.«

Emilys Magen verkrampfte sich zu einem harten Ball und sie sah, wie Grizz sie verwirrt beobachtete. Seine Nackenhaare waren leicht aufgestellt. Sie wollte ihm etwas Beruhigendes sagen, wusste aber, dass er ihre angespannte Stimmung spürte und ihre Worte ihn nicht betrügen konnten. Sie sah zu ihrer Schwester, die seelenruhig am Tee nippte. Em merkte, wie Wut sich in ihr sammelte und wie kochendes Wasser anfing zu brodeln. »Was kann wichtiger sein als die Silberkunstmesse?«, presste sie hervor.

»Du kannst allein hingehen.«

Emily schüttelte den Kopf. »Sie wollen dich und deine Silbersachen sehen, da kann nicht nur ich auftauchen.«

»Nimm meine Sachen mit. Und du hast ja noch Zeit, mehr eigene Silberschnallen herzustellen.«

Em kniff die Augen zusammen. Das meinte Lynda jetzt nicht ernst, oder?

»Und zeig doch auch deine eigenen Designs und die Holzkunststücke, die in der Schublade verstauben. Du traust dir nicht genug zu. Jetzt setz dich zu mir.«

Emily nahm ihre Tasse vom Tisch und leerte den Inhalt in die Spüle. »Ich will mich nicht hinsetzen und einen verdammten Tee mit dir trinken. Und ich werde sicher nicht allein auf die Messe gehen. Meine Holzsachen will keiner sehen und ich mache mich nur lächerlich.« Sie wandte sich ab, drehte sich dann doch nochmal um. »Was kann wichtiger sein als unser Familienbetrieb? Wie kann dir das auf einmal egal sein? Das ist so egoistisch von dir.« Sie bereute die Worte im selben Moment, in dem sie aus ihrem Mund kamen. Aber jetzt hingen sie im Raum wie dichter Rauch, das Atmen schwer machten. »Tut mir leid«, krächzte sie und räusperte sich. »Ich verstehe nicht, was auf einmal wichtiger sein sollte als unsere Silberschmiede.«

»Ich kann dir das jetzt nicht erklären. Mir ist die Entscheidung nicht leichtgefallen, aber es geht nicht anders.«

Was verschweigst du mir? Em musterte ihre Schwester eindringlich. Es musste etwas mit Alan zu tun haben, und sie hasste das Gefühl, dass Lynda ihr was verheimlichte.

»Schau mich nicht so kritisch an, Em. Geh allein hin, oder lass es. Die Entscheidung überlasse ich dir.«

Sollte das eine Prüfung sein? Em versuchte, aus ihren herumwirbelnden Gedanken einen klaren Satz zu formulieren, als Lyndas Handy klingelte.

Ihre Schwester nahm es und sah auf das Display. »Da muss ich drangehen.«

»Aber wir müssen jetzt darüber reden. Ich …«

Lynda schüttelte den Kopf, murmelte ein »Sorry« und nahm das Gespräch an.

Em fuhr herum und rannte hinaus, Grizz so nahe hinter sich, dass seine Schnauze ihre Beine berührte.

Nicky bog in die Auffahrt des Reitstalls in Calgary ein. Der Pferdeanhänger rumpelte hinter ihrem Truck und sie musste unweigerlich lächeln. Es hatte geklappt, sie würde Diamond Star heute auf die Sleeping Lake Ranch holen. Vor drei Tagen hatte sie die Besitzerin des Wallachs ausfindig gemacht und war erstaunt gewesen, dass die Frau ihr das Pferd zu einem Spottpreis angeboten hatte. Auf dem Parkplatz vor dem Stallgebäude standen trotz der frühen Morgenstunde zahlreiche Trucks und teure SUVs. Hier hatten die Reichen und Schönen Calgarys ihre Pferde untergebracht. Und das Anwesen war um einiges luxuriöser als der Stall, in dem ihr Pferd Diamond Dee bis zu seinem Tod sein Zuhause gehabt hatte.

Nicky bog in eine Parkbucht, schaltete den Motor aus. Rechts vor sich sah sie ein einzelstehendes Gebäude, über dessen Eingang ein Schild hing: ›Mikes Corner Diner‹. Sie stieg aus und streckte sich nach der mehrstündigen Fahrt. Auf dem Weg zum Restaurant entdeckte sie den Truck ihres Vaters, betrat das Gebäude und sah sich um. Er saß an einem der Tische am Panoramafenster und winkte ihr zu.

»Guten Morgen, Dad. Danke, dass du deine Termine verschoben hast, um Zeit zum Frühstücken mit mir zu haben.«

»Hey, Kiddo, schön dich zu sehen.« Er musterte sie einen Moment. »Gut siehst du aus.«

Kaum hatte sie sich gesetzt, kam eine Bedienung an den Tisch, schenkte Kaffee ein und sie bestellten beide das Frühstücksomelette mit Kartoffelecken und Mehrkorntoast. Nicky nippte an ihrem Kaffee und bemerkte, wie ihr Vater immer wieder sein Smartphone checkte, das auf dem Tisch neben ihm lag.

»Wartest du auf eine Nachricht?«, fragte sie.

Er hob den Kopf und grinste entschuldigend. »Ja, sorry, ich habe da eine fantastische Sache am Laufen.«

»Das klingt mysteriös. Kannst du mir mehr verraten? Geht es um eine neue Rolle für dich?«

»Besser.« Kevin lächelte verschmitzt.

Sie schmunzelte und wusste, dass er überlegte, welches seiner Schauspielergesichter er aufsetzen sollte, um ihr die Neuigkeit am besten zu verkaufen. »Dad«, sagte sie, »spuck es aus.«

Er räusperte sich. Die Bedienung brachte ihre Bestellung und kaum war sie wieder weg, begann er zu erzählen. »Du weißt, dass ich schon lange von einer Filmrolle träume. TV-Serien sind okay, aber ein Movie auf großer Leinwand, das ist was anderes.«

Sie nickte und steckte sich eine Gabel voll Omelett in den Mund. Der würzig geschmolzene Käse zusammen mit der süßlichen hausgemachten Salsa schmeckte großartig. »Und da flatterte mir dieses Drehbuch auf den Tisch und ich habe beschlossen, es zu produzieren und eine Rolle darin zu spielen.«

»Wow, das ist eine Herausforderung und kostet sicher jede Menge Geld.«

»Ja, es ist ein Risiko«, erwiderte er, schmierte Butter auf seinen Toast und nahm einen großen Bissen.

»Hast du denn ein Team zusammengestellt, das dich unterstützt?«

»Klar! Aber ich trage als Produzent die Verantwortung und das Risiko, denn dann kann ich am Ende sagen, dass ich es geschafft habe.«

Sie nickte, verstand, wie wichtig es ihm war, sein Vorhaben in einer gewissen Weise allein zu meistern. Ihr ging es mit der Herausforderung, die Ranch zu führen, ja ähnlich. Wenn man nicht versuchte, so viel wie möglich selbst zu bewältigen, wie wusste man am Ende, ob man es ohne Hilfe überhaupt geschafft hätte? »Das ist mutig, aber ich finde es toll, dass du diesen Schritt gehen willst. Was wird es denn für ein Film werden?«

Sein breites Lächeln brachte seine Augen zum Strahlen. »Danke, Kiddo, das bedeutet mir sehr viel. Es wird ein moderner Western. Drück die Daumen, denn ich werde mein ganzes Geld da hineinstecken. Wenn es floppt, gibt es für ›ne Weile nur Wasser und Brot.«

Sie lachte, sah jedoch in seiner Miene, wie ernst es ihm mit diesem Filmprojekt und dem Risiko war, das er dafür einging. »Ich drücke Daumen und Zehen«, versprach sie.

Die nächste halbe Stunde berichtete sie über ihre Pläne für die Ranch und ihr Vorhaben, Diamond Star zu sich zu holen. Sie aßen beide ihre Teller bis auf den letzten Krümel leer und Nicky musste an die Zeit denken, als sie immer das Gefühl gehabt hatte, sie könne es ihrem Dad nie recht machen. Nie genug trainieren, größere Shows besuchen und berühmter werden. Seit sie beschlossen hatte, ihre Karriere als Trickreiterin nicht weiter zu verfolgen, war aus ihrer angespannten Vater-Tochter-Beziehung beinahe so etwas wie eine Freundschaft geworden, die auf Respekt und Liebe beruhte. Und Nicky war dankbar dafür. Sie sah auf die Uhr.

»Musst du los?«, fragte er und winkte die Bedienung heran.

»Ja, ich treffe mich gleich mit Stars Besitzerin und will die Rückfahrt nicht zu spät antreten.« Nicky kramte in ihrer Handtasche nach dem Geldbeutel.

»Lass stecken, Kiddo. Ich lade dich ein.« Er zog seine Kreditkarte aus der Tasche. »Bist du sicher, dass du dir diesen Wallach zumuten willst?«

»Es mag komisch klingen, aber obwohl ich seine Nähe im letzten Jahr nicht ertragen konnte, weil er mich so sehr an Dee erinnert hat, habe ich jetzt das Gefühl, ich bin es ihm schuldig, ihn aufzunehmen.«

»Wenn dir da mal dein weiches Herz keine Streiche spielt«, warf Kevin ein und beglich die Rechnung bei dem herangetretenen Kellner. »Hast du mit der Leitung des Gnadenhofs nicht genug zu tun?«

Sie zuckte mit den Schultern, stand auf und schlüpfte in ihre Jacke. »Er ist Diamond Dees Bruder und ich habe zugelassen, dass er seit November weitere schlechte Erfahrungen mit Möchtegerntrainern hatte. Jetzt will ihn keiner mehr haben und dafür ist die Sleeping Lake Ranch doch da: um Pferden ein Zuhause zu geben.«

»Was willst du denn mit ihm anfangen?«

»Vielleicht kann ich ihn irgendwann für meine kleine Trickreiterschule einsetzen.«

»Oh, da hast du dir ja einiges vorgenommen.«

»Ist auf jeden Fall noch Zukunftsmusik. Erstmal will ich ihm ein schönes Zuhause geben.«

Gemeinsam verließen sie das Restaurant. Ihr Vater nahm sie in den Arm und drückte sie fest. »Du hast noch nie vor einer Herausforderung klein beigegeben«, sagte er. »Deine Mom wäre stolz auf dich.«