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Die Ziele dieser umfangreichen Fallsammlung aus der Praxis sind: rund um das Personalmanagement bewährtes Wissen erwerben, Trends verstehen und Fertigkeiten für die tägliche Führungsarbeit entwickeln. So gelingt es, in konkreten Situationen erfolgreicher zu handeln. In der 4. Auflage mit neuen anschaulichen Beispielen, z.B. zu: - Flexibilisierung - Interkulturelle Zusammenarbeit - Führungskräftefeedback - Alternative Laufbahnentwicklung - Digitalisierung und virtuelle Führung - Change-Management - Persönlichkeitsentwicklung"Teaching Notes" geben Hinweise zur erfolgreichen Bearbeitung der Fälle.
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Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht GmbH, Stuttgart
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© 2018 Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft · Steuern · Recht [email protected]
Umschlagentwurf: Goldener Westen, BerlinUmschlaggestaltung: Kienle gestaltet, StuttgartSatz: Olaf Mangold Text u.Typo, Stuttgart
März 2018
Schäffer-Poeschel Verlag StuttgartEin Tochterunternehmen der Haufe Gruppe
Fallstudienarbeit gehört traditionell zu den aktiven Lehrmethoden. Darunter wird die Bearbeitung einer realen Problemsituation verstanden: Nach ersten Analysen und eingehenden Literaturstudien werden detaillierte Problemlösungen erarbeitet und abgewogen, um schließlich eine Auswahl zu präsentieren, zur Diskussion zu stellen und eine Entscheidung zu treffen.[2]
Fallstudien werden in Einzel- und/oder Gruppenarbeit behandelt. Üblicherweise werden sie mit anderen Lehrmethoden in einen Methodenmix integriert. Praktische Erfahrungen und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen schon lange, dass damit generell ein erheblich größerer Lernerfolg erzielt werden kann als durch eine reine Vermittlung von Sach- und Verhaltensthemen über Vorträge, Vorlesungen, Literaturanalysen oder etwa Internetrecherchen.
Diese Fallstudiensammlung soll dazu beitragen, insbesondere im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftspsychologischen Aus- und Weiterbildung die Probleme der Mitarbeiterführung zu verdeutlichen. Dadurch erfährt das Textbuch „Führung von Mitarbeitern“ (7. Auflage 2014, hrsg. von Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet & Michel E. Domsch) eine weitere praxisorientierte Konkretisierung. Über die Fallstudienarbeit sollen Wissen und Fähigkeiten entwickelt werden, um letztendlich in der konkreten Arbeitssituation erfolgreicher zu handeln.
Dieses Buch richtet sich an alle betrieblichen und überbetrieblichen Aus- und Weiterbildungsstätten. Damit sind Unternehmen mit ihren unterschiedlichsten Bildungsaktivitäten, Weiterbildungsinstitute, Trainer und Berater genauso angesprochen wie Universitäten und Fachhochschulen. Es eignet sich auch für den Einsatz in Führungskräfteseminaren, Führungsnachwuchsveranstaltungen, Workshops, Übungen, studentischen Lehrprogrammen, aber auch zum Eigenstudium von Fach- und Führungskräften, Studenten, Trainern und Beratern, um daraus inhaltliche, methodische und didaktische Anregungen zu erhalten. Dadurch stellen die Fallstudien eine sinnvolle Möglichkeit zum eigenverantwortlichen Lernen dar.[3]
Stets sollte das genannte Textbuch „Führung von Mitarbeitern“ herangezogen werden. Dieses ist als begleitende Lektüre zu dieser Fallstudiensammlung konzipiert. Es bietet die Möglichkeit zu einem richtungsweisenden Literaturstudium sowie zur fundierten Diskussion und Entscheidungsvorbereitung bei der Bearbeitung der Fallstudien.
Alle angeführten Fälle entstammen der Realität. Sie sind nur insoweit verändert, dass die Anonymität der betreffenden Personen und Unternehmen gewahrt werden konnte. Im Regelfall sind die geschilderten Probleme unabhängig von der jeweiligen Branche zu sehen. Gleichzeitig werden die geschilderten Fälle regelmäßig, insbesondere in Führungsseminaren eingesetzt; es handelt sich also um bewährtes Material zur Diskussion von Themen zur Führung und Zusammenarbeit.
Als Herausgeber danken wir allen Autoren für ihre engagierte Mitwirkung an dieser praxisorientierten und didaktisch herausragenden Fallstudiensammlung. Ganz besonders danken wir den Teilnehmern verschiedener Führungsseminare, die durch ihre offenen Schilderungen von selbst erlebten Führungssituationen dieses Buch erst ermöglichten und durch ihre Diskussionsbeiträge bei der Fallbearbeitung die Qualität der Beiträge mitbestimmten.
In dieser vierten Auflage haben wir uns zum einen bemüht, aktuelle Fragestellungen – z. B. Flexibilisierung, interkulturelle Zusammenarbeit, Führungskräftefeedback, alternative Laufbahnentwicklung, Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, Digitalisierung, virtuelle Führung, Change Management oder Persönlichkeitsentwicklung – in zentralen Beispielen darzustellen. Zum anderen wurden etliche Bearbeitungshinweise ergänzt. „Teaching Notes“ geben Hinweise zur Problemstellung und damit auch einen Leitfaden zur ergebnisreicheren Bearbeitung der Fälle.[4]
Als Herausgeber dieses Buches hoffen wir, dass die vorliegende Fallsammlung insbesondere im Rahmen der Fort- und Weiterbildung von Führungskräften und Führungsnachwuchskräften Anregungen bietet und Vorgesetzten ein aktives Lernmittel für die tägliche Führungsarbeit ist.
Leider ist unser Mitherausgeber, Prof. Dr. Lutz von Rosenstiel, verstorben. Seine Beiträge sind aber nach wie vor hochaktuell und wertvoll. Sie spiegeln seine Persönlichkeit ebenso wider wie seine Überzeugungen zum Einbezug der Mitarbeitenden und einer wertschätzenden Zusammenarbeit, also ein anspruchsvolles Führungsverhalten, für das er sich zeitlebens eingesetzt hat. Lutz von Rosenstiel hat mit seinen Beiträgen, seiner Erfahrung, seinen Idealen und seinem Engagement von Anbeginn dieses Buch ganz wesentlich mitgestaltet und zum Erfolg der ersten drei Auflagen beigetragen. Wir bleiben ihm in großer Dankbarkeit und Hochachtung verbunden. Wir freuen uns deshalb sehr, dass wir seine Ideen weitertragen können und seine Beiträge mit nur wenigen Modifikationen auch in dieser Auflage präsentieren dürfen.[5]
München, im Winter 2017/2018 Michel E. Domsch
Erika Regnet
Das vorliegende Buch ist der Weiterbildung von Führungskräften der Wirtschaft und Verwaltung verpflichtet. Es bezieht sich inhaltlich auf das Buch „Führung von Mitarbeitern, Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement“, das seit 1991 (7. Auflage 2014) im Schäffer-Poeschel Verlag von Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet und Michel E. Domsch herausgegeben wird. Innerhalb dieses Textbuchs wird die Thematik der personalen Führung theoretisch und empirisch begründet sowie praxisbezogen ausgerichtet aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Folgende sieben zentrale Schwerpunkte wurden dabei gesetzt:
Damit wird das komplexe Phänomen der Führung, ausgehend von Grundüberlegungen, in einen immer umfassenderen Rahmen gestellt: Beginnend vom Umgang mit sich selbst bis hin zur Berücksichtigung des gesellschaftlichen Umfeldes, innerhalb dessen Unternehmen tätig sind, die der Führung bedürfen.
Die einzelnen Beiträge innerhalb dieser sieben Teilbereiche sind dem Ziel verpflichtet, aktuelles und praxisrelevantes Wissen für Führungskräfte konzentriert aufzubereiten und der Weiterbildung und Personalentwicklung von Führungskräften nützlich zu machen. Die Wissensbestandteile innerhalb der Beiträge sind in diesem Sinne Elemente einer angewandten Wissenschaft. Im Gegensatz zur Grundlagenwissenschaft geht es bei den dort getroffenen Aussagen nicht nur darum, ob es sich um „Wahrheit“ handelt. Im Gegensatz zum spontanen Handeln in der Praxis geht es aber auch nicht nur um die „Nützlichkeit“. Angewandte Wissenschaft sucht mit Forschungsmethoden, die sich meist nicht sehr von jenen der Grundlagenwissenschaft unterscheiden, Fragen aus der Praxis zu beantworten. Diese Antworten müssen sich einem doppelten Kriterium stellen: Sie sollen „wahr“ und „nützlich“ sein.[6]
Sobald der Begriff der Nützlichkeit fällt, stellt sich nach kurzer Überlegung die Frage: „Nützlich für wen?“ Aus der Zielsetzung des Handbuchs „Führung von Mitarbeitern“ ergibt sich eine relativ klare Antwort: Nützlich für die Qualifikation von Führungskräften. Ihre Arbeit soll durch das dort bereitgestellte Handlungswissen erfolgreicher werden – erfolgreich in einem allerdings weiten Sinne. Die eigene persönliche Entwicklung soll gefördert werden, aber auch der Erfolg der Führungsarbeit in weit verstandenem Sinne. Die eigene Arbeit soll in größerer Harmonie mit den Anforderungen privater Lebensbereiche ökonomisch und stressfrei unter Erleben persönlicher Zufriedenheit geleistet werden. Die unterstellten Mitarbeitenden sollen, ihren Eignungen und Neigungen gemäß, den Anforderungen der Organisation genügen, um auf diese Weise angemessen zu deren Zielerreichung beizutragen. Sie sollen allerdings im Zuge dieser Leistungserstellung, die – aus höherer Warte betrachtet – Bedürfnisbefriedigung in der Gesellschaft ist, auch selbst Befriedigung erleben, Zufriedenheit finden und sich ihren Fähigkeiten entsprechend entwickeln können.[7]
Dabei ist offensichtlich, dass in einer komplexen und vielfältig gegliederten Organisation Führungsverhalten sich nicht auf die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter in einem bilateralen Sinne beschränken kann. Beide sind eingebettet in soziale Netzwerke, in Intra- und Intergruppenbeziehungen. So gilt es, darauf zu achten, dass das, was in einem derartigen Zweierbezug geschieht, nicht zur Konfliktursache anderer Zweierbeziehungen wird. Wichtig ist weiterhin, dass Teams so aufgebaut und entwickelt werden, dass die Arbeit in ihnen bei gutem zwischenmenschlichen Klima erfolgreich verläuft und unvermeidliche Konflikte angemessen bearbeitet werden, ganz gleich, ob diese sich nun zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern oder aber auf derselben Ebene abspielen.
Die Verantwortung der Vorgesetzten für die ihnen unterstellten Menschen reicht dabei weit; sie darf nicht von der Linie an die Personalabteilung delegiert werden. Personalentwicklung und Personalpolitik sind somit konkrete Führungsaufgaben. Führungskräfte müssen lernen, in langfristiger Perspektive ihre Mitarbeiter für kommende Aufgaben zu qualifizieren und die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarktes zu berücksichtigen. Diese bestehen u. a. in steigender Internationalisierung, in der Digitalisierung, in vermehrter Mitarbeit von Frauen in qualifizierten Fach- und Führungspositionen, in der Integration auch älterer Menschen in den Arbeitsprozess.[8]
Die Veränderung der vielfältigen Anforderungen bringt die Notwendigkeit neuer Rahmenbedingungen und Strukturen im Betrieb mit sich. Führungskräfte sind dafür mitverantwortlich. Sie können diese Veränderungen weder der Organisationsabteilung noch internen Beratern überlassen. Kenntnis über verschiedene Alternativen der Organisation ist erforderlich. Die Wahrnehmung und Bewertung der Organisation durch die Mitarbeiter kann nützlicher Ausgangspunkt für künftiges Handeln sein. Kooperative Veränderungsstrategien, die die betroffenen Mitarbeiter zu Beteiligten machen, können bei der Organisationsveränderung des eigenen Verantwortungsbereichs nötig sein und zugleich einen Beitrag zur Personalentwicklung darstellen.
„Weiche“ Anforderungen, die sogenannten „soft facts“, die aus Werthaltungen und Ansprüchen der Mitarbeiter erwachsen, müssen dabei ebenso berücksichtigt werden wie „harte“ Anforderungen, die sich insbesondere aus Innovationen, Kundenanforderungen und Kostenüberlegungen innerhalb des Arbeitslebens ergeben. Wo immer Veränderungen notwendig sind, werden verschiedenartige Interessen in unterschiedlicher Weise berührt, was wiederum vom Vorgesetzten fordert, beispielsweise mit dem Betriebsrat vertrauensvoll und effektiv zusammenzuarbeiten. Im Zuge dieser vielfältig vernetzten Prozesse entsteht sodann ein ganz spezifisches Klima in der Organisation, das wiederum ein Teil der für das Unternehmen typischen Kultur werden kann. Die Organisation befindet sich dabei nicht in einem Freiraum. Anforderungen von außen – weit über den Absatz-, Beschaffungs-, Personal- und Finanzmarkt hinaus – wirken auf die Organisation ein und müssen vom Führenden berücksichtigt werden. Dies gilt insbesondere für jene Anforderungen an die Wirtschaft, die sich aus der gefährdeten natürlichen Umwelt, die der Gesellschaft zunehmend bewusst wird, ergeben, aber auch aus dem Wiedererstarken und Bewusstwerden ethischer Grundsätze, aus nachhaltig gewandelten Werteorientierungen der jüngeren Generationen, aus den Anforderungen einer alternden Gesellschaft sowie aus dem veränderten Umgang mit der Zeit.[9]
All diese vielfältigen Themen sind in komprimierter, aber nicht abstrakter Form im Handbuch „Führung von Mitarbeitern“ für die Weiterbildung von Führungskräften vorgestellt worden. Diese Beiträge dienen dem Lernen. Das Lernen für die Praxis ist allerdings ein vielfältiges Geschehen. Es erfolgt – vereinfacht ausgedrückt – nicht allein durch den Kopf, sondern auch durch das Gefühl und das eigene Handeln. Das Handbuch „Führung von Mitarbeitern“ spricht in erster Linie den Kopf an: Es vermittelt aktuelles und praxisrelevantes Wissen. Die Texte können gelesen oder im Rahmen von Führungsseminaren diskutiert werden. Zwar können derartige Diskussionen – man denke an Gespräche mit Führungskräften über Partizipation, gewandelte Werte, Ökologie oder Ethik – das Gefühl heftig ansprechen, doch wird allein dadurch das konkrete Handeln noch nicht grundsätzlich berührt.[10]
Das hier vorliegende Buch, das eine Sammlung von Fallstudien aus der Praxis enthält, ist nun gezielt auf das konkrete Handeln bezogen. Während das Handbuch in erster Linie den Kopf, in zweiter Linie das Gefühl und nur am Rande die Handlung anspricht, ist es hier umgekehrt. Handeln – zunächst innerhalb der Weiterbildungsmaßnahme, dann aber auch in der alltäglichen Praxis – steht im Vordergrund; das Gefühl soll dabei ebenfalls stark angesprochen werden, während die reine Information, das Kognitive, erst an dritter Stelle steht. Hierzu kann man im Handbuch nachschlagen, wenn man Begründungen und theoretische Fundierungen sucht.
Das wohl zentrale und gewichtigste Problem von Weiterbildungsmaßnahmen für Führungs(nachwuchs)kräfte liegt im Transfer. Was ist darunter zu verstehen? Man bezeichnet damit die Übertragung des in der Lehrveranstaltung Gelernten in die alltägliche Praxis. Und diese Übertragung, dieser Transfer, scheitert häufig. Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen auf diesem Gebiet konnte nun zeigen, dass die Transferprobleme am ehesten überwunden werden, wenn vielfältige Methoden in adäquater Kombination zum Einsatz kommen. Der Vortrag allein, auch wenn er noch so viel aktuelles und fundiertes Wissen enthält, bewirkt wenig. Dies gilt aber gleichfalls für die noch so hitzige Diskussion über ein Problem, deren Ergebnisse nicht zusammengefasst, begründet und generalisiert werden. Und es gilt sogar für das aktivierende Rollenspiel, wenn die dabei zu beachtenden Prinzipien nicht bewusst gemacht und deren Anwendungen in der Praxis nicht aufgezeigt werden. Lerntransfer – das zeigen Forschungsergebnisse – wird insbesondere dann begünstigt, wenn[11]
neu erlernte Verhaltensweisen aktiv praktiziert werden;
über die Ergebnisse des Trainings rasch Feedback im Sinne der Information und der Verstärkung gegeben wird;
Gelegenheit geboten wird, Konflikte zu bearbeiten, die sich aus dem Widerspruch zwischen den neu erlernten Verhaltensweisen und den bestehenden Einstellungen und Gewohnheiten ergeben;
die Übertragbarkeit des Gelernten auf die tatsächliche Arbeitssituation bewusst gemacht und gewährleistet werden kann.
In diesem Sinne will das vorliegende Buch ein Beitrag zur Transfersicherung bei der Entwicklung und Verbesserung von Führungsverhalten sein.
Das vorliegende Buch ist eine Sammlung von Fallbeispielen. Die Mehrzahl der Fälle wurde in der Praxis erhoben. Bei der Darstellung wurden geringe Modifikationen vorgenommen: zum einen, damit darin beschriebene Organisationen und Personen nicht zu erkennen sind, zum anderen, um prägnant bestimmte didaktische Zielsetzungen zu erreichen. Die Minderheit der Fälle wurde aus typischen, in der Praxis immer wieder vorkommenden Geschehnissen abstrahiert.[12]
Die Anordnung der Fallstudien innerhalb des Buches orientiert sich – was das Gliederungskonzept betrifft – am Handbuch „Führung von Mitarbeitern“. Es geht also zunächst um Basiswissen und Perspektiven zur Führung, um die Führung der eigenen Person, dann um das, was sich zwischen der Führungskraft und dem einzelnen Mitarbeitenden abspielt, danach um Führung und Arbeit in Gruppen, sodann um Personalentwicklung und Personalpolitik, im Anschluss daran um Organisationsstrukturen und ihre Veränderung sowie schließlich um das gesellschaftliche Umfeld. Zwar sind die einzelnen Fälle nicht im Verhältnis eins zu eins den einzelnen Beiträgen innerhalb des Handbuchs zuzuordnen, doch ist in aller Regel die Lektüre der Artikel innerhalb der jeweiligen Teile des Handbuchs eine hilfreiche Hintergrundinformation für die Bearbeitung der Fälle (entsprechende Textverweise sind angegeben). Man wird im Einzelnen so vorgehen können, dass entweder zunächst ein Fall bearbeitet wird und sodann die Ergebnisse mit Hilfe der Textpassagen im Handbuch begründet und generalisiert werden. Man kann aber auch mit dem Grundsätzlichen, dem Allgemeinen, dem Theoretischen beginnen; d. h. Texte des Handbuchs zur Bearbeitung vorausschicken oder einen entsprechenden fachlichen Input vorbereiten, um sich anschließend mit exemplarischen Fällen auseinanderzusetzen.
Im Rahmen der Trainings- und Schulungsarbeit können die einzelnen Fallstudien in unterschiedlicher Weise bearbeitet werden:[13]
Die Fälle können als Konkretisierungen und Beispiele zum eher grundsätzlichen und verallgemeinernden Stoff während der Schulungsveranstaltung diskutiert werden. Die Erfahrung zeigt, dass Führungskräfte – obwohl zunehmend durch ein Studium an der Universität oder Fachhochschule im abstrakten Denken trainiert – mit viel Engagement an Beispielen, am konkreten Fall, diskutieren und dort die Prinzipien allgemeiner Art zu erproben suchen. Die Aufgabenstellungen, die mit den meisten referierten Fallstudien verbunden sind, können die Richtung der Diskussion bestimmen und für diese das Ziel sein. Nimmt eine größere Zahl von Personen am Training teil, so ist meist die Bildung von Teilgruppen ratsam. Ist die Zahl dieser Teilgruppen klein, so empfiehlt es sich in der Regel, den Fall parallel bearbeiten zu lassen, um sodann die gefundenen Ergebnisse im Plenum zu präsentieren und Unterschiede in den Lösungsvorschlägen gemeinsam zu analysieren. Ist wegen der Größe des Plenums die Bildung vieler Teilgruppen erforderlich, führt die Parallelarbeit nicht selten zur Frustration. Wird vier–, fünf- oder sechsmal im Plenum das jeweils Gleiche berichtet, so ist Langeweile bei den Zuhörern und bei den inzwischen nur Redundantes berichtenden Gruppenteilnehmern die Folge. Also ist in diesen Fällen zu raten, arbeitsteilig vorzugehen. Teilaspekte des Falls sollten herausgegriffen, in Aufgabenstellungen umgewandelt und an einzelne Arbeitsgruppen zur Bearbeitung gegeben werden.[14]
Die Mehrzahl der für dieses Buch ausgewählten Beispiele ist so prototypisch, dass Ähnliches in ganz unterschiedlichen Branchen und Organisationen vorgefallen sein könnte. Daher eignet sich das Material auch meist für die Bearbeitung in sogenannten „offenen“ Seminaren, an denen Personen aus ganz verschiedenen Branchen und Organisationen teilnehmen. Wird dagegen in „internen Seminaren“ (d. h. die Teilnehmer/-innen entstammen alle demselben Unternehmen bzw. Konzern) mit dem Material gearbeitet, so bietet sich bei vielen Fällen für die Gruppenarbeit die zusätzliche Aufgabenstellung an, nach ähnlichen Vorfällen innerhalb des eigenen „Hauses“ zu suchen und aufzuzeigen, wie dabei meist in der Praxis vorgegangen wird und wie eigentlich – bedenkt man das neu erworbene Wissen – damit umgegangen werden sollte bzw. welche Hilfestellungen vom Unternehmen gewünscht werden. Das wiederum kann, wenn Entscheidungsträger an der Seminarveranstaltung mitwirken, zu einem Aktionsplan führen. Dieser sollte konkretisieren, wie künftig in ähnlichen Problemsituationen gehandelt werden sollte und wer für die Einhaltung der neu erarbeiteten Spielregeln verantwortlich ist.
Des Weiteren eignen sich die meisten angeführten Fallstudien auch für den Einsatz in Lehrveranstaltungen an der Hochschule in Bachelor- und Masterkursen, insbesondere zu den Themenfeldern Personalmanagement, Personalführung, soziale Kompetenzen, Teamarbeit, interkulturelle Kompetenz sowie Arbeitsrecht. Hier dienen sie dazu, theoretisch vermitteltes Wissen an exemplarischen Beispielen aus der Praxis zu veranschaulichen. Eine solche Arbeit mit Fallstudien vertieft bei Studierenden das Verständnis für neuartige Situationen und deren Herausforderungen. Dadurch werden Praxistransfer und – durch den andersartigen emotionalen Zugang – Lernen und Behaltenswahrscheinlichkeit erhöht.[15]
Die meisten der vorliegenden Fallstudien skizzieren Gedanken, Gefühle, Motive und Verhaltensweisen von Personen, die ganz verschiedene Interessen verfolgen. Diese sind häufig explizit im Text in getrennten Rollenanweisungen angeführt. Dieses Vorgehen entspricht der Realität – man kennt zwar seine Interaktionspartner und kann deren Reaktion ungefähr einschätzen, ihre Einstellungen, Werte bzw. abweichenden Zielsetzungen werden aber in der Regel nicht klar kommuniziert. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, einzelnen Seminarteilnehmern die Aufgabe zu stellen, sich individuell oder in kleinen Gruppen in die Sichtweise jeweils eines Interessenvertreters intensiv einzuarbeiten. Im Plenum kann dann der Fall aus der Sicht der unterschiedlichen Interessen heraus sehr spannungsreich diskutiert werden. Häufig hat allein die Einarbeitung in eine Rolle bei den Vertretern dieser Perspektive zu so starker Identifikation mit dieser Sicht geführt, dass die Falldiskussion nahezu zum Rollenspiel wird und in starkem Maße neben dem Kopf – der Fall muss durchschaut, und gute Argumente müssen gefunden werden – auch das Gefühl und das argumentierende Handeln einbezieht. Eine derartige Arbeitsweise empfiehlt sich zum einen dann, wenn die Zeit nicht ausreicht, den Fall als Rollenspiel zu bearbeiten und auszuwerten, oder aber, wenn innerhalb der Seminargruppe, aus welchen Gründen auch immer, ein Widerstand gegen eine Präsentation beim Rollenspiel im Plenum besteht.[16]
Eine Vielzahl der in diesem Buch genannten Fälle ist explizit dafür konzipiert, im Rollenspiel weitergeführt zu werden. Die Problemsituation ist – wie eine unerledigte Aufgabe – bis zu einem bestimmten Zeitpunkt beschrieben, wobei die Sichtweise verschiedener Beteiligter häufig in gesonderten Informationen mitgeteilt wird. Im Rollenspiel kann dann die skizzierte Situation aufgegriffen und gelöst werden. Eine derartige Fallbearbeitung ist zeitaufwendig. Entsprechend ist innerhalb des Seminars Raum einzuplanen für:
eine kurze Beschreibung der Fallsituation und der Zielsetzung des Rollenspiels im Plenum;
die Vorbereitung der einzelnen Rollen in Kleingruppen;
die Rollensimulation im Plenum;
die Diskussion des Spiels im Plenum (gegebenenfalls mit Beobachtern oder einer Jury), wobei den Spielern klares, aber schonendes Feedback zu geben ist;
das Herausarbeiten der grundsätzlichen Prinzipien, die der Fall in seiner Gesamtanlage und das konkrete Simulieren der Rollen im Besonderen lehren.
Empfehlenswert ist, die Teilnehmer darauf hinzuweisen, dass es nicht um schauspielerisches Talent oder ein „Überzeichnen“ der Rolle geht. Vielmehr sollten sie sich verhalten wie in der Realität und so, als ob sie mit den anderen Beteiligten auch weiterhin zusammenarbeiten würden.[17]
Bei kleineren Fallstudien, die voraussichtlich zu einem nur kurzen Rollenspiel führen, kann es ratsam sein, den Fall – z. B. als Gespräch unter vier Augen – von verschiedenen Rollenspielern unabhängig voneinander spielen zu lassen, da der Vergleich verschiedener Vorgehensweisen zur gleichen Situation häufig besonders lehrreich ist und die Diskussion im Plenum stimuliert.
Ergänzend zum soeben geschilderten Simulieren der Fälle im Rollenspiel kann die Videoaufnahme mit anschließendem Videofeedback eingesetzt werden. Dies ist allerdings ein sehr zeitaufwendiges Vorgehen, wodurch die für die Fallanalyse benötigte Zeit nicht selten verdoppelt wird. Hat das Rollenspiel zu langen Gesprächsphasen geführt, so ist ein lückenloses Feedback für die Seminarteilnehmer – abgesehen von den jeweils gerade Beteiligten – meist langweilig. Hier empfiehlt es sich, für die relevanten und interessanten Passagen bei der Aufnahme Zeitmarkierungen vorzunehmen, um sodann jeweils die wirklich entscheidenden positiven und negativen kritischen Ereignisse für das Videofeedback rasch zur Hand zu haben.
Eine häufige Erfahrung in Seminarveranstaltungen besteht darin, dass zu Beginn gegenüber der Bearbeitung von Fällen, insbesondere aber bezogen auf das Rollenspiel, Widerstände beobachtet werden können. Im Schlussgespräch bei Ende des Seminars wird dann aber nicht selten von den Teilnehmern angeführt, dass weniger „Theorie“ und mehr Fälle und insbesondere zahlreichere Rollenspiele wünschenswert gewesen wären. Rückblickend sieht es also häufig anders aus.[18]
Warum diese Widerstände vorweg? Nicht selten steht dahinter Ängstlichkeit. Sich als „gestandene“ und selbstbewusste Führungskraft im Kollegenkreis zu präsentieren, durch diese und den fachkundigen Trainer Kritik hinnehmen zu müssen, erzeugt Unsicherheit und Furcht. Das ist mit dem eigenen Selbstbild und der Rollenwahrnehmung als erfolgreiche Führungskraft schwer vereinbar.
Es ist viel leichter, über ein Problem klug zu sprechen, als der Einsicht entsprechend konkrete Probleme anzugehen oder sie gar in der Simulation zu behandeln und zu lösen. Gerade aber das soll gelernt werden, und das sollte auch vom Trainer oder Moderator verdeutlicht und betont werden, damit die Akzeptanz für das Vorgehen gesteigert wird.
Widerstand in größeren Seminarrunden gegen das Rollenspiel kann auch daher rühren, dass gemeinsame negative Erfahrungen vorliegen. Wurde z. B. in einem früheren Seminar oder in einer vorausgehenden Seminareinheit ein Fall bearbeitet, ein Rollenspiel durchgeführt und sodann aus Zeitmangel die Diskussion der Arbeits- bzw. Spielergebnisse unterbrochen, so entstehen daraus „Frust“ und Widerstand, was die künftige Fall- oder Rollenspielarbeit belastet. In derartigen Situationen ist es für den Trainer wichtig, die entsprechenden Übungen nicht zu erzwingen, sondern zunächst eingehend in der Gruppe eine Widerstandsanalyse vorzunehmen, um aus gemachten Fehlern zu lernen.[19]
In größeren Seminargruppen erwächst speziell gegen das Rollenspiel Widerstand nicht selten daraus, dass über eine längere Phase einige Seminarteilnehmer aktiv und engagiert beschäftigt sind, während die anderen in die Rolle der schweigenden Beobachter zurückgedrängt werden. Dies kann langweilig werden und zudem mit dem Erlebnis der Zurücksetzung verbunden sein. Hier empfiehlt es sich, entweder innerhalb der Großgruppe sehr kleine, wenig zeitaufwendige Fälle einzusetzen oder aber das Plenum in Parallelgruppen aufzuspalten und die länger dauernden Problemfälle getrennt zu bearbeiten, sodass mehr Seminarteilnehmer zur aktiven Übung – etwa zur Übernahme einer Rolle – kommen. Allerdings sollte in diesem Fall dafür gesorgt werden, dass mehrere Trainer das Seminar begleiten, da sich sonst jene Teilgruppen zurückgesetzt fühlen, bei denen der Trainer nicht zugegen ist.
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die im Rollenspiel gerade nicht aktiven Seminarteilnehmer als Beobachter oder Jury zu verpflichten und sie dadurch stärker in die Analyse einzubinden.
Das vorliegende Buch verfolgt nicht das Ziel, umfassende Informationen zu bieten. Es enthält allerdings viel Grundsätzliches – gekleidet in die Form konkreter Fallstudien. Jeder, der in der Personalentwicklung von Fach- und Führungskräften in der Praxis oder in der Ausbildung von Nachwuchskräften an Hochschulen tätig ist, kann im Rahmen von Weiterbildungs- und Trainingsmaßnahmen dieses Material verwenden. Es hat sich innerhalb von Seminarveranstaltungen für Fach- und Führungskräfte (inkl. Führungsnachwuchskräfte und Studierende) vielfach bewährt. Hintergrundinformationen dafür bietet das bereits mehrfach genannte Buch „Führung von Mitarbeitern – Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement“. Die Kombination beider Schriften sorgt in der Personalentwicklung der Fach- und Führungskräfte dafür, dass über Kopf, Emotion und Handlung gelernt und damit einem zentralen Ziel aller Weiterbildung nähergekommen wird: dem Transfer des im Seminar Erlernten in die Praxis des Führungsalltags, um damit eine gute Personalführung zu erreichen.[20]
Unter Führung von Menschen versteht man die zielbezogene und bewusste Verhaltensbeeinflussung. Im Unternehmen kann dies durch strukturelle Maßnahmen – Technikgestaltung, Organigramme, Stellenbeschreibungen, Anreizsysteme etc. – erfolgen, aber auch durch personale Maßnahmen – spezifisch durch Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Entsprechend wird Führung in den verhaltensorientierten Organisationswissenschaften häufig definiert als unmittelbare, absichtliche und zielorientierte Einflussnahme von Führungskräften auf Unterstellte mit Hilfe der Kommunikationsmittel.
Dieses personale Verhalten zeigt verschiedene Facetten, hat verschiedene Dimensionen, die dann zu einem für die Person des Führenden und für die jeweilige Situation typischen Führungsstil verschmelzen. Entsprechend setzen sich die ersten Fälle mit Indikatoren des Führungsverhaltens eines Vorgesetzten auseinander. Die Besonderheiten dieses Führungsverhaltens gilt es zu erkennen, die Konsequenzen sind abzuleiten (Fälle von Michel E. Domsch[21]) und dabei alle Beteiligten zu beachten (Fall „Ein ärgerlicher Fehler“ von Jörg Felfe). Der Fall „Der Karrieresprung“ von Lutz von Rosenstiel thematisiert den Aufstieg von der Fach- in eine erste Führungsposition und die Überforderung der Nachwuchskräfte, die sich vielfach einstellt.
Die Führung eines einzelnen Vorgesetzten vollzieht sich nicht im „luftleeren Raum“. Sie ist abhängig von der jeweiligen Situation, den organisationalen Rahmenbedingungen und hier vor allem vom Verhalten des nächsthöheren Vorgesetzten. Dies wird in einem weiteren Fall – „Das erste Jahr in einer anderen Abteilung“ von Lutz von Rosenstiel – thematisiert, in dem auf den ersten Blick angesichts der Kündigungsdrohung eines Mitarbeiters allein Führungsfehler des unmittelbaren Vorgesetzten die Ursache des Problems zu sein scheinen, bis man erkennt, dass auch der Kontext, spezifisch die Verhaltensweise des nächsthöheren Vorgesetzten, eine nicht unwesentliche Rolle spielt.
Führungskräfte sind mit vielen neuen Anforderungen konfrontiert: Agile Unternehmen benötigen flexible Formen der Zusammenarbeit und Führung, die fortschreitende Arbeitsteilung trägt dazu bei, dass unterstellte Mitarbeiter als Spezialisten auf ihrem Fachgebiet im Detail mehr wissen als der Vorgesetzte, der – relativ verstanden – als Generalist und Moderator zu sehen ist. Welche spezifischen Herausforderungen bei der „Führen von agilen Scrum-Teams“ entstehen können, kann anhand des Falls von Mahena Stief[22] diskutiert werden. Im Fall „Wer wird Opfer der Digitalisierung?“ von Désirée H. Ladwig werden Ängste auch der Führungskräfte bei Veränderungsprozessen deutlich, die zu Gewinnern und Verlierern führen. Der Fall „Der Motor“ von Christian Lebrenz veranschaulicht beispielhaft Dilemmata und widersprüchliche Erwartungen, die Führungskräfte immer wieder auszubalancieren haben, ohne dass es eine dauerhafte und endgültige Lösung geben könnte.
Unterstützung können Vorgesetzte durch gezielte Trainingsmaßnahmen gewinnen. Doch nicht immer wird dies als Wohltat verstanden. Ein Lernerfolg kann aber nur dann erzielt werden, wenn die zu Trainierenden Bereitschaft zur Überprüfung ihrer bisherigen Verhaltensweisen mitbringen (Fall „Ärger im Führungsseminar“ von Rudolf Bögel). Mitunter scheint auch gerade in der Trainingssituation die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit auf, d. h. zwischen ausformulierten Führungsleitbildern und dem gelebten Führungsverhalten (Fall von Lutz von Rosenstiel „Kooperativ führen als Bestandteil des Unternehmenskonzepts“). Nicht immer muss die Entwicklung von Führungskräften von Dozenten und Trainern geleistet werden. Zunehmend erfolgt dies durch kollegiale Fallberater, wie der entsprechende Fall von Michel E. Domsch zeigt.
Eine zielgruppenspezifische Personalarbeit ist auch im Bereich der Fachkräftesicherung auf der Basis einer überzeugenden Arbeitgeberattraktivität erfolgreich. Darauf zielen die Fälle von Michel E. Domsch[23] „Bindungsnotstand“ und von Erika Regnet„Bekannt – aber nicht beliebt“. Anhand des Falls „Personalcontrolling in einem mittelständischen Produktionsbetrieb“ von Silke Wickel-Kirsch kann am Beispiel des Personalbeschaffungsprozesses die Sinnhaftigkeit von Kennzahlen behandelt werden.
Schließlich ist qualitative Personalarbeit gerade in Krisen- und Übergangszeiten ein wichtiger Beitrag zur Absicherung eines Unternehmens. Flexibilität und ein effektives Konfliktmanagement sind erforderlich, wie die Fälle von Arjan Kozika „Krisen im Wachstum und die Flexibilisierung von Personalstrukturen“, Stephan Kaiser „Früher war alles besser“ und Michel E. Domsch„Die Obdachlosen“ zeigen.
Michel E. Domsch
Arbeitsgruppe, Führungsstil, Konflikthandhabung, Partizipation
Vor einem Jahr habe ich die Abteilung „Unternehmensplanung“ übernommen. Vorher war ich bei der Konkurrenz als Sachbearbeiter im Controlling beschäftigt. Mein Vorgänger hier, ein recht autoritärer Mensch, wurde Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft.
Von Anfang an habe ich zum Thema Führung und Zusammenarbeit eine Reihe von eigenen Vorstellungen umgesetzt: Ich informiere meine Mitarbeiter umfangreich und diskutiere mit ihnen jedes Problem. Gemeinsam treffen wir Entscheidungen. Privat laden wir uns auch ab und zu gegenseitig ein. Eigentlich will ich damit einen kooperativen Führungsstil vorleben und Partizipation erreichen. Übrigens glaube ich, dass der Vorstand unsere Arbeit anerkennt. Zumindest hat er sich nicht gegenteilig geäußert. Mein Chef ist der kaufmännische Vorstand. Wir sehen uns fast nie, da er oft auf Reisen ist. Insofern habe ich freie Hand.[24]
Seit einigen Wochen werde ich allerdings immer nachdenklicher. Wir haben da zum Beispiel unsere wöchentliche Mitarbeiterrunde. Hier treffe ich meine sieben Mitarbeiter mittwochs um 15.30 Uhr. Dort wird alles besprochen, was ansteht. Eine zeitliche Begrenzung gibt es nicht. Wenn ich die Fülle aller anderen Punkte weglasse, über die wir diskutiert haben, dann sind mir aus der letzten Woche die folgenden Ereignisse genau im Gedächtnis geblieben:
Wir wollen für uns neue Laptops eines bekannten Herstellers beschaffen. Für Hard- und Software haben wir einen bestimmten Betrag zur Verfügung. Ich wollte eigentlich damit ein bestimmtes Konzept realisieren, das ich auf einer Fachmesse kennengelernt hatte. Nun stoße ich aber auf Widerstand. Obwohl sich zwei Mitarbeiter meinen Plänen angeschlossen haben, hat die Mehrheit andere Vorstellungen. Aber verschiedene Hersteller können wir nicht haben. Eine ausführliche Sachdiskussion hat stattgefunden. Die Fronten haben sich verhärtet. Wie soll ich jetzt Einigkeit erzielen?
Ein Mitarbeiter von mir ist im Wirtschaftsausschuss. Er sagte, er habe für unsere nächste Mitarbeiterrunde ein anderes Mitglied aus dem Wirtschaftsausschuss eingeladen, damit auch von Betriebsratsseite unsere Standortplanung für das neue Zentrallager kommentiert wird. Mir ist das gar nicht so recht, denn die Geschäftsleitung hat gerade wegen anderer Probleme ein etwas angespanntes Verhältnis zum Betriebsrat. Wie soll ich mich nun verhalten? Eingeladen ist er nun schon. Mein Mitarbeiter hat grundsätzlich recht. Ein Dialog mit dem Betriebsrat und speziell mit dem Wirtschaftsausschuss über unsere Standortplanung ist überfällig.[25]
Ich möchte meine Abteilung vergrößern. Vom Vorstand habe ich schon lange grünes Licht. Meine Mitarbeiter haben in diesem Zusammenhang mitbekommen, dass mir von einer anderen Abteilung ein Mitarbeiter, Herr Meier, zur Übernahme angeboten wird. Nun ist eine heftige Diskussion entbrannt, ob Herr Meier bei uns aufgenommen werden sollte. Ich bin eigentlich davon überzeugt, dass er fachlich bestens passt. Aber einige Mitarbeiter meinen, er habe „Starallüren“ und würde schon aufgrund seines hohen Gehalts nicht in die Abteilung passen. Tatsächlich wird er um zwei Stufen besser bezahlt als bei uns üblich. Sicherlich ist er dann wohl auch sein Geld wert. Vielleicht sollte ich ihn einfach zur nächsten Mitarbeiterrunde mitbringen, um gemeinsam noch einmal darüber zu reden?
Bisher war meine Sekretärin bei diesen Besprechungen nicht dabei. Nun meinen die Mitarbeiter, sie solle auch daran teilnehmen. Sie würde es auch gerne tun, habe sie ihnen gesagt. Dies steigere den Gruppenzusammenhalt und diene der Verbesserung der Information und Kommunikation, meinen sie. Ich hätte aber lieber, wenn das Sekretariat besetzt ist, denn in dieser Zeit sind wir ja alle nicht erreichbar. Wir treffen uns in einem Besprechungsraum, in dem wir ausreichend Platz und Ruhe haben. Er ist aber in einem anderen Gebäudeteil. Aber Partizipation heißt konsequent Partizipation für alle. Also auch für die Sekretärin. Vielleicht sollten wir dann lieber in meinem Büro in ihrer Nähe tagen? Selbst wenn es dort eigentlich zu eng und zu unruhig ist.[26]
Unsere Mitarbeiterrunde am Mittwoch dauert häufig bis 19.00 Uhr, weil eben Diskussion auch Zeit braucht. Die reguläre Arbeitszeit endet um 16.30 Uhr. Aber ich fand es immer ganz gut, wenn es ruhiger wurde im Haus und wir uns dann ungestört besprechen konnten. Nun wollen die Mitarbeiter mit mir darüber diskutieren, ob wir nicht zwei Stunden früher starten könnten. Anderenfalls könne man doch dafür freitags statt um 16.00 Uhr bei uns um 14.00 Uhr das Arbeitsende festlegen. So eng hatte ich das eigentlich nie gesehen, mir machen diese Diskussionen Spaß. Kooperative Führung braucht eben seine Zeit. Muss ich diese Binsenweisheit meinen Mitarbeitern gegenüber noch begründen?
Warum mich das alles so bewegt? Mir ist langsam nicht mehr klar, wo kooperative Führung und Zusammenarbeit beginnen, besser, wo sie enden und wo Basisdemokratie anfängt. Eigentlich bin ich doch der Chef, aber sind wir nicht ein Team? Meine Kollegen nennen übrigens meine Mitarbeiterrunde „Quasselbude“.[27]
Wie charakterisieren Sie den Führungsstil des erzählenden Abteilungsleiters?
Wie kann das Verhalten der Mitarbeiter in der Zusammenarbeit mit ihrem Vorgesetzten beschrieben und erklärt werden?
Wie hätte sich der Vorgesetzte jeweils bei den angesprochenen Problemen führungsmäßig in der Vergangenheit verhalten sollen?
Wie sollte er sich nun, nachdem die jeweils beschriebenen Situationen eingetreten sind, in den speziellen Fällen verhalten?
Welches generelle Führungsverhalten empfehlen Sie dem Vorgesetzten für die Zukunft?
Die Fallstudie ist sowohl zum Einsatz in Führungsseminaren als auch in studentischen Veranstaltungen geeignet. Bewährt hat sich, vor der Diskussion ein Rollenspiel durchzuführen (Führungskraft, Mitarbeiter, auch Beobachter).
Der Zeitbedarf beträgt je ca. 30 Minuten für die Vorbereitung, für das Rollenspiel und für die Analyse.
Es wird empfohlen, vor der Fallbearbeitung im Band „Führung von Mitarbeitern“ die Beiträge „Grundlagen der Führung“ (Teil I), „Kommunikation als Führungsaufgabe“ (Teil III) sowie „Konflikte in und zwischen Gruppen“ (Teil IV) zu lesen.
Michel E. Domsch
Führungsgrundsätze, Führungskultur, Führungsverhalten, Kommunikation
Geredet haben wir auf Führungstreffen und im Abteilungsleiterkreis seit Jahren über Führungsleitlinien. Wie immer bei solchen Fragen gab es natürlich „Pros“ und „Cons“. Ernsthaft lehnte es jedoch keine(r) ab, wenigstens darüber zu diskutieren. Schließlich sprach sich aber auf einem Führungstreffen im letzten Jahr eine überwältigende Mehrheit dagegen aus. Man solle lieber danach handeln, als ewig darüber zu sprechen, war der Tenor. Auf eine Serie von flau formulierten Allgemeinsätzen könne man verzichten. Das sei zwar gegen den allgemeinen Trend. Denn die meisten Großunternehmen würden Unternehmens- und Führungsgrundsätze entwickeln. Aber waren die deshalb besser geworden? Haben sie dadurch mehr Umsatz oder Gewinn gemacht?[28]
Aber sieh an! Ende letzten Jahres kam Post von der Muttergesellschaft an alle Führungskräfte. Inhalt waren eine Glanzbroschüre „Leitlinien der kooperativen Führung und Zusammenarbeit“ und ein Begleitschreiben: „Sehr geehrte Damen und Herren … mit der Bitte um Kenntnisnahme … Information der Mitarbeiter … Anwendung bzw. Umsetzung … Freundliche Grüße …“.
Ein Geschenk von der Mutter. Es war wie Weihnachten. Nur freuen konnte sich wohl keiner so richtig darüber. Denn erstens hatten zu viele miterlebt, wie offensichtlich immer wieder auf allen Führungsebenen dagegen verstoßen wurde – und keiner wurde tätig. Und zweitens war das eher ein Text für Germanisten und Juristen, Interpreten also. So allgemein formuliert, so „heile Welt“-Gerede!
Im März begann übrigens unser neuer Arbeitsdirektor, bisher Leiter eines Produktionsbetriebes der Muttergesellschaft. Im September soll das nächste Führungstreffen stattfinden. Tagesordnungspunkt Nr. 9: „Erfahrungen bei der Umsetzung der Führungsleitlinien (Berichte aus den Bereichen und Tochtergesellschaften)“. Bis dahin sind es also noch drei Monate. Etwas peinlich ist mir, dass ich dieses verdammte Ding nicht finden kann. Ich weiß nur noch, dass es silbergrau eingebunden war.[29]
Können Führungsgrundsätze zur Verbesserung der Führung und Zusammenarbeit beitragen?
Was ist zu beachten, wenn Führungsgrundsätze entwickelt, eingeführt und gelebt werden sollen?
Wie kann man die Erfolgswirksamkeit feststellen und messen?
Was soll der Abteilungsleiter nun machen?
Bringen Führungsgrundsätze überhaupt etwas? Was sollten sie beinhalten? Wer sollte sie formulieren?
Sollten sie ergänzt werden um die Erwartungen, die an die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gestellt werden – im Sinne von „Grundsätzen der Führung und Zusammenarbeit“? Wie wären dann z. B. für die Führungsgrundsätze zu Themen wie „Information“ oder „Beurteilung“ diese Erwartungen ergänzend zu formulieren?
Die Fallstudie ist als Auftakt für eine intensive Diskussion über Führungskultur und Führungsgrundsätze gedacht.
Der Zeitbedarf beträgt ca. 30 Minuten, um erste Antworten der Teilnehmer auf die gestellten Fragen zu sammeln, mit Hilfe von Metaplankarten systematisch zu dokumentieren und zu bewerten. Anschließend können einzelne Aspekte vertieft diskutiert und konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet werden.
Es wird empfohlen, vor der Fallbearbeitung im Band „Führung von Mitarbeitern“ die Beiträge „Grundlagen der Führung“ (Teil I) und „Führung der Mitarbeiter durch den nächsthöheren Vorgesetzten“ (Teil III) zu lesen.[30]
Lutz von Rosenstiel
Delegation, Führung von Führungskräften, Führung von Spezialisten, Konflikt, Projektmanagement
Herr Wolf-Peter Schmitz, 34 Jahre alt, hatte an einer Technischen Hochschule Maschinenbau studiert, war anschließend in einem größeren Produktionsunternehmen in der Arbeitsvorbereitung tätig gewesen und hatte sodann eine erste Führungsposition als Produktionsleiter in einem Zweigwerk des Unternehmens übernommen. Dort wurden Teilaggregate gefertigt, die dann in einem anderen Werk in relativ komplexe Maschinen integriert wurden.
Aufgrund seiner Kenntnisse aus dem Studium und seiner mehrjährigen Tätigkeit in der Arbeitsvorbereitung war Herr Schmitz mit jedem Schritt des Produktionsprozesses bestens vertraut. Auch die Funktionen der herzustellenden Aggregate enthielten für ihn keine Geheimnisse. Mit den ihm unterstellten Meistern und Gruppenleitern unterhielt er sich gern und fand leicht Kontakt zu ihnen. Diese wiederum schätzten seine lockere und zugleich sachliche Art und fanden es angenehm, dass er kaum auf soziale Distanz achtete, den „Akademiker nicht heraushängen ließ“, sondern gemeinsam mit ihnen in die Kantine ging und beim Essen anstehende Probleme besprach.
Bei aller Lockerheit des Kontaktes standen jedoch die Sachziele klar im Vordergrund. Die zu erledigenden Aufgaben wurden bis ins Detail strukturiert, Zeitpläne differenziert erarbeitet, die Arbeitsverteilung gerecht vorgenommen. Dabei konnte keiner Herrn Schmitz fachlich etwas vormachen. Wurde etwa mit dem Hinweis auf die Schwierigkeit der zu erledigenden Aufgaben um Aufschub gebeten, so konnte er sicher und gut unterscheiden, ob es sich hier um ein schlüssiges Argument oder um eine Ausrede handelte.[31]
Seine fachliche Kompetenz und sein manuelles Geschick befähigten ihn auch, bei Störungen im Produktionsablauf selbst Hand anzulegen oder Reparaturen an elektronisch gesteuerten Aggregaten vorzunehmen, ohne auf die Hilfe der Meister oder der zentralen Werkstatt angewiesen zu sein. Er war darauf auch stolz und glaubte auf diese Weise, sicherlich nicht ohne Grund, sich die Anerkennung und Akzeptanz der Facharbeiter zu erwerben. Auch die Meister sprachen gelegentlich anerkennend-verwundert darüber, dass ein so junger Mann mit relativ kurzer beruflicher Erfahrung so detailliert über die Produktionsabläufe und die Produktionstechnik informiert war und zudem die Fähigkeit und Bereitschaft besaß, konkret einzugreifen und zu helfen, wann immer dies erforderlich schien.
Die Erfolge von Herrn Schmitz als Produktionsleiter des Zweigwerks sprachen sich bis in die Unternehmensspitze rasch herum. Dort beeindruckten insbesondere seine fachliche Kompetenz und seine Fähigkeit, mit Personen „klarzukommen“ und sich ihnen verständlich zu machen, die eine ganz andere und sehr viel weniger qualifizierte Ausbildung erhalten hatten.
„Der hält seinen Laden in Ordnung und kommt mit allen Personen zurecht“, lautete zusammenfassend die lobende Beurteilung über ihn.[32]
Daher dachte man auch bald an ihn, als der Leiter für eine neu zu gründende Planungs- und Projektgruppe im Werk gesucht wurde, die eine höchst anspruchsvolle Aufgabe bewältigen sollte. Es ging um die Auslagerung eines Produktionsbereiches ins Ausland, weil dort die Personalkosten geringer und die Umweltauflagen leichter realisierbar schienen. Die Vielfältigkeit der Aspekte, die bedacht werden mussten, führte allerdings dazu, dass Spezialisten aus ganz unterschiedlichen Kompetenzbereichen koordiniert werden mussten. Hier waren nicht nur Produktionstechniker gefragt, sondern z. B. ebenso Juristen, die sich mit den spezifischen Bedingungen im Ausland auskannten, Betriebswirte, die die anstehende Kostensituation realistisch in den Griff zu bekommen hatten, Informatiker, Anwälte, die den Kontakt zu den Behörden im Ausland aufzunehmen hatten, Architekten, um die erforderlichen Bauvorhaben zu konzipieren, etc.
Herrn Schmitz reizte die Aufgabe, und er war auch überzeugt, seinen Horizont dadurch erheblich ausweiten zu können, dass er mit Fachleuten aus so unterschiedlichen Bereichen eng kooperieren sollte.
Mit Feuereifer machte er sich an die neue Aufgabe. Die Fragen der Produktionstechnik machten ihm relativ geringe Sorgen. Unruhig wurde er allerdings, als ihm deutlich wurde, dass seine Erfahrungen auf dem Felde der Informatik nicht sehr weit reichten und er auf dem Gebiet des Juristischen fast gänzlich unbeschlagen war, sodass es ihm schließlich davor graute, mitverantwortlich Kontakte zu ausländischen Behörden aufzubauen.[33]
Nun – und damit tröstete er sich – alle Details brauchte er nicht zu wissen. Er musste aber doch die grundsätzliche Vorgehensweise abschätzen können und vor allem, um zeitlich adäquat zu planen, beurteilen können, wie lange die Bearbeitung einer spezifischen Aufgabe dauern würde. So begann er dann rasch, für die Projekte seiner neuen Mitarbeiter relativ präzise Pläne der Ablauforganisation mit exakten Zeitmargen zu erarbeiten, wobei er sich der Netzplantechnik bediente. Seine Spezialisten meuterten bereits gelegentlich, weil sie meinten, dass er den Aufwand für eine Teilaufgabe deutlich unterschätze. Herr Schmitz bat dann um Argumente. Wenn sie ihn überzeugten, berücksichtigte er diese. Wenn dies nicht der Fall war, sagte er gelegentlich: „Das nehme ich Ihnen nicht ab! Ich bin überzeugt, dass das in kürzerer Zeit zu schaffen ist.“ Dabei bemühte er sich – auch ins Detail gehend –, Vorschläge für raschere Wege zum Ziel zu entwickeln. Er bemerkte dann allerdings gelegentlich, dass diejenigen, denen er mit seinem Rat hatte helfen wollen, etwas murrten. Dies ärgerte ihn. Da er allerdings nicht auf offenen Widerspruch stieß, ging er darauf nicht weiter ein. Er notierte jedoch in seinem Kalender die Zeitziele genau, um zu überprüfen, ob diese auch erreicht wurden oder ob man sie in einer Art hinhaltendem Widerstand verschleppt habe.[34]
Zu einem ersten offenen Konflikt kam es dann mit einem der Informatiker. Dieser hatte gemeinsam mit einem Betriebswirt und einem Programmierer ein relativ komplexes Programm entwickeln sollen, um mit dessen Hilfe verschiedene Handlungsalternativen unter dem Kostenaspekt vergleichen zu können. Die Entscheidungszeitpunkte rückten näher; Eile war geboten. Herr Schmitz hatte entsprechend einen sehr knappen Termin vorgegeben, war allerdings damals bereits bei dem Informatiker auf Zweifel gestoßen, ob das Ganze so rasch zu realisieren sei.
Nun war der Zeitpunkt für die Fertigstellung des Programms herangerückt. Herr Schmitz war in das Büro seines Informatikers gekommen mit der durchaus freundlich gemeinten Frage: „Nun, zeigen Sie mal her, läuft das Ding?“ Worauf der Mitarbeiter etwas ärgerlich zurückgab: „Natürlich nicht, das hatte ich Ihnen ja gleich gesagt!“ Herr Schmitz hatte – nun auch etwas gereizt – darauf verwiesen, dass es sich hier um eine dringende und wichtige Angelegenheit handle und man sich entsprechend hätte sputen müssen. Ihm war entgegengehalten worden, man habe dies sehr wohl getan, er als Maschinenbauer habe aber keine adäquate Vorstellung von dem Problem der Programmentwicklung für einen solchen Auftrag. Schmitz ärgerte sich darüber, dass ihm mangelnde Kompetenz vorgeworfen wurde, und gab nun etwas lautstärker zurück: „Keine Ausflüchte bitte! Halten wir fest: Das war ein wichtiges Ziel, und Sie haben es nicht erreicht!“ Und dann gab ein Wort das andere: „Dann sagen Sie mir, wie ich es hätte erreichen sollen?“ „Mit Fachkompetenz und vollem Einsatz“, lautete die Antwort.[35]
„Ich möchte wissen, mit welchem Recht Sie mir mangelnde Fachkompetenz und mangelnde Einsatzfreude vorwerfen“, gab der Informatiker jetzt sichtlich gekränkt zurück. „Wir haben bis tief in die Nacht hinein gearbeitet, und ich habe mir schon die Vorwürfe meiner Frau anhören müssen, dass ich für die Familie überhaupt keine Zeit mehr habe.“
Versuchen Sie sich ein Bild vom Führungsverhalten des Herrn Schmitz zu machen.
Was sollte Herr Schmitz in der jetzt gegebenen Situation tun?
Welche Empfehlungen geben Sie ihm generell für sein Führungsverhalten?
Welche personalpolitischen Maßnahmen wurden im genannten Fall vernachlässigt?
Lassen Sie die Arbeitsergebnisse im Plenum präsentieren.
Ein Mitglied der ersten Gruppe wird durch die anderen Gruppenmitglieder auf ein Gespräch vorbereitet, das er/sie in der Rolle der Führungskraft von Herrn Schmitz mit diesem führen soll.
Eine zweite Teilgruppe bereitet ein Mitglied in der Rolle des Herrn Schmitz auf ein Gespräch mit seiner Führungskraft vor.
Eine dritte Teilgruppe überlegt sich in der Rolle einer Jury, was im optimalen Fall der/die Vorgesetzte von Herrn Schmitz in welcher Weise sagen und wie Herr Schmitz mit diesen Argumenten umgehen sollte. Die Jury beobachtet – orientiert an dem ausgearbeiteten Kriterienkatalog – das Gespräch und gibt sodann den beiden Rollenspielern Feedback.[36]
Ganz gleich, ob man das Führungsverhalten des Herrn Schmitz in Gruppen analysieren und Ratschläge erarbeiten lässt oder ob man die Konfliktsituation im Rollenspiel simuliert, bedarf der Fall einer eingehenden Diskussion. Dabei ist vor allem an folgende inhaltliche Felder zu denken:
Die Beförderung von Herrn Schmitz kann als Beispiel des sog. „Peterprinzips“ interpretiert werden, das darin besteht, dass man unkritisch von Erfolgen in einer Situation A den Erfolg in der strukturell unähnlichen Situation B prognostiziert. Es hätte also in einer unternehmensinternen Potenzialanalyse geprüft werden müssen, ob Herr Schmitz von seinen kognitiven, motivationalen, emotionalen und verhaltensmäßigen Voraussetzungen den Anforderungen der Situation B entspricht. Zudem hätte er – falls sich die Eignungsfrage mit ja hätte beantworten lassen – durch Personalentwicklungsmaßnahmen auf die neuen Aufgaben vorbereitet werden müssen.
Generell lässt sich die Diskussion des Falls mit einer Einführung in die Situationstheorie der Führung verbinden, indem man verdeutlicht, dass es weder die „ideale Führungskraft“ noch das „ideale Führungsverhalten“ gibt, sondern dass wünschenswerte Persönlichkeitsausprägungen und wünschenswerte Führungsverhaltensweisen jeweils vor dem Hintergrund der spezifischen Situation, der spezifischen Anforderungen, gesehen werden müssen.
Am Beispiel des Falls lässt sich ebenfalls verdeutlichen, dass eine direktive Führung dort nicht angemessen ist, wo ein Vorgesetzter Personen zu führen hat, die auf ihrem Spezialgebiet kompetenter als er selbst sind (eine Situation, die sich angesichts der vermehrten Spezialisierung und der Wissensexplosion häuft). Dies kann Ausgangspunkt für eine Diskussion darüber sein, wie die Führung interdisziplinär zusammengesetzter Teams erfolgen sollte und was generell Teamarbeit ausmacht, wenn dieses Team aus Menschen besteht, die von ihrem Wissen, ihrer Qualifikation, ihrer Persönlichkeit und ihrer Kultur her sehr unterschiedlich sind. Auch auf die Bedeutung der transformationalen Führung in Situationen wie diesen lässt sich hinweisen.[37]
Es wird empfohlen, zur Vorbereitung im Band „Führung von Mitarbeitern“ die Beiträge „Grundlagen der Führung“ (Teil I) und „Führung der Mitarbeiter durch den nächsthöheren Vorgesetzten“ (Teil III) zu lesen.
Lutz von Rosenstiel
Fluktuation, Führung von Führungskräften, Überspringen der Hierarchie, Motivation, Personalentwicklung, altersgemischte Teams, Versetzung
Die Geschäftsleitung der Hauptfiliale X einer Großbank beschloss angesichts eines sich in dem Filialbezirk abzeichnenden Bedarfs an Firmenkundenbetreuern und Geschäftsstellenleitern, die Zahl der vorhandenen sieben erfahrenen Firmenkundenbetreuer um weitere sieben sogenannte „Juniorfirmenkundenbetreuer“ aufzustocken. Die Personalabteilung wies der Firmenkundenabteilung daraufhin aus dem Kreis der förderungswürdigen jungen Nachwuchskräfte sieben Mitarbeitende zu, die bisher entweder als Kundenbetreuer bei Geschäftsstellen oder in der Kreditabteilung der Hauptfiliale als qualifizierte Referenten tätig gewesen waren.[38]
Der auf drei Jahre befristete Einsatz der Juniorfirmenkundenbetreuer erfolgte in der Weise, dass der Leiter der Firmenkundenabteilung A jedem der Stammfirmenkundenbetreuer einen Juniorfirmenkundenbetreuer zuordnete. Zum Aufgabenkreis der Juniorfirmenkundenbetreuer zählten die Vorbereitung von Kundenbesuchen, die Fertigung von Besuchsnotizen, die Erledigung der in der Firmenkundenabteilung anfallenden Korrespondenz mit der Kundschaft sowie die Akquisition von Nichtkunden des Mittelstandes. Ein eigener zu betreuender Kundenstamm wurde den Juniorfirmenkundenbetreuern nicht zugewiesen.
Schon nach kurzer Zeit erstellten die Firmenkundenbetreuer selbst so gut wie keine Besuchsnotizen mehr, sondern bedienten sich hier stets der Unterstützung der Juniorfirmenkundenbetreuer. Überdies war zu beobachten, dass die Juniorfirmenkundenbetreuer von den Firmenkundenbetreuern derart stark durch Verwaltungsaufgaben in Anspruch genommen wurden, dass ihnen nur wenig Zeit für eigene Akquisitionen blieb. Die von den Juniorfirmenkundenbetreuern akquirierte Kundschaft wurde unter Hinweis auf den ohnehin befristeten dreijährigen Einsatz der „Junioren“ von den Firmenkundenbetreuern jeweils kurzfristig in die eigene Betreuung übernommen.
Etwa eineinhalb Jahre nach Realisierung dieses Ausbildungsprogramms kündigten innerhalb kurzer Zeit drei der Juniorfirmenkundenbetreuer ihr Anstellungsverhältnis.[39]
Befragt nach den Gründen für diese Fluktuation erklärte der Abteilungsleiter A dem zuständigen Mitglied der Geschäftsleitung G, die Kündigungen seien darauf zurückzuführen, dass die Juniorfirmenkundenbetreuer an ihren Einsatz in der Firmenkundenabteilung allgemein zu hohe Erwartungen geknüpft hätten, dabei seien sie noch nicht einmal fähig, ordentliche Besuchsnotizen zu fertigen. Ihre akquisitorische Qualifikation sei im Übrigen auch nicht besonders ausgeprägt gewesen.
Der Geschäftsführer G sagte dem Abteilungsleiter A zu, er werde ihm zur Verstärkung der Gruppe der Juniorfirmenkundenbetreuer einen vorzüglichen jungen Mann vermitteln, der sich bei einer Filiale als Kreditsachbearbeiter und Kundenberater für Baufinanzierung gut bewährt habe. Dem jungen Mann teilte der Geschäftsführer mit, er habe ihn für die Firmenkundenabteilung als Juniorfirmenkundenbetreuer vorgesehen. Die Tätigkeit dort sei für einen tüchtigen Akquisiteur wie ihn anspruchsvoll und vielseitig. Sie eröffne ihm auch berufliche Entwicklungsaussichten. Die Umsetzung sei für ihn außerdem finanziell interessant. Er möge sich mit dem Abteilungsleiter in Verbindung setzen.
Der Abteilungsleiter wies ihn in seine Aufgaben ein. Er betonte, er solle seine Funktion vorrangig in der Unterstützung seines für ihn zuständigen Firmenkundenbetreuers sehen, im Übrigen sei er (der junge Mann) für die Akquisition von Nichtkunden der Buchstabengruppe A–F der Umsatzgrößenklasse zwei bis fünf Millionen € zuständig. Er hoffe, dass er von ihm bessere Leistungen erwarten dürfe, als er sie gemeinhin von jungen Leuten gewohnt sei.[40]
Die Umsetzung, die schließlich von der Personalabteilung vollzogen wurde, war für den jungen Mann mit einer Gehaltsaufbesserung verbunden.
Der neue Juniorfirmenkundenbetreuer zeigte im Verlauf der folgenden zwölf Monate – ebenso wie seinerzeit die Firmenkundenbetreuer, die inzwischen gekündigt hatten – durchaus befriedigende Leistungen. Gleichwohl war der junge Mann mit seinem Aufgabenbereich, der ansonsten dem der anderen Juniorfirmenkundenbetreuer entsprach, nicht zufrieden. Denn nach einiger Zeit erfuhr das Geschäftsleitungsmitglied G von seiner Sekretärin, sie habe von der Freundin des jungen Mannes gehört, dass er sich beruflich verändern wolle.
Wie beurteilen Sie die Umsetzungsmodalitäten, die im Fall des jungen Mannes praktiziert wurden?
Welche Fehler hat der Geschäftsführer G gemacht?
Welche Fehler, vermuten Sie, hat der Abteilungsleiter A gemacht?
Was sind wohl die Motive dafür, dass der junge Mann an Kündigung denkt?
Wie hätte man vorgehen sollen?
Was soll man jetzt tun?
Soeben haben Sie von Ihrer Sekretärin erfahren, dass der von Ihnen so geschätzte junge Mann, den Sie dem Ihnen direkt unterstellten Abteilungsleiter A für ein Qualifizierungsprojekt empfohlen haben, an Kündigung denkt. Sie sind darüber etwas irritiert und ärgern sich auch. Sie hatten einen sehr guten Eindruck von dem jungen Mann gewonnen und vermuten, dass er von seinem Chef, d. h. dem Abteilungsleiter A, nicht adäquat in seine Aufgabe eingeführt und nicht ausreichend motiviert worden ist. Überhaupt – das wird Ihnen jetzt deutlich – haben Sie ohnehin Zweifel an der Führungsqualifikation dieses Abteilungsleiters. Es fällt Ihnen ein, dass in jüngerer Zeit schon mehrfach qualifizierte Nachwuchskräfte die Abteilung verlassen haben. Allgemein sagt man ihm reichlich rigide Einstellungen nach, auch wenn an seiner Loyalität und seiner grundsätzlichen Korrektheit wohl nicht gezweifelt werden darf. Hat er eigentlich das Programm für die Juniorfirmenkundenbetreuung im Griff? Das kostet doch eine ganze Menge! Sie müssen sich da doch einmal eingehend informieren![41]
Was sollten Sie jetzt am besten machen? Ob es ratsam ist, zunächst einmal mit dem jungen Mann zu sprechen, um herauszubekommen, ob an dem Gerücht der Kündigungsabsicht etwas dran ist? Oder sollten Sie Ihren Abteilungsleiter A einmal zu einem Gespräch bitten und ihn dabei darauf hinweisen, dass der junge Mann möglicherweise in einer Krise steckt? Oder ob es ratsamer ist, sich gleich mit beiden zusammenzusetzen, um mögliche Konflikte, die in der Abteilung bestehen, sofort in einem offenen gemeinsamen Gespräch auszuräumen?
Bitte überlegen Sie sich, mit wem Sie jetzt was besprechen wollen. Bereiten Sie dieses Gespräch bzw. diese Gespräche für die Rollensimulation vor![42]
Ihre Aufgabe ist es, im Folgenden den Prozess sowie die Abfolge der Gespräche zu steuern.
In Ihrer Abteilung arbeitet seit einiger Zeit ein junger Mann, der Ihnen von Ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Geschäftsführer G, geradezu aufgedrängt worden ist. Ob er Ihnen damit eine „Laus in den Pelz“ setzen wollte? Sicherlich handelt es sich doch um einen Protegé des Chefs, der ihn jeweils über alles informiert, was in der Abteilung geschieht. Dieser junge Mann ist ja ganz tüchtig, aber so hervorragend – wie Ihr Chef das meinte – ist er nun auch wieder nicht. Ohnehin ärgern Sie sich darüber, dass dieser beim Mitarbeiter von vornherein überzogene Erwartungen geweckt hat, indem er ihm zum einen zu viel versprochen und zum anderen eine Gehaltserhöhung zugestanden hat, bevor er sich überhaupt bewährte. Außerdem sollte sich dieser anspruchsvolle junge Mann einmal hinter die Ohren schreiben, dass Lehrjahre nun einmal keine Herrenjahre sind!
Das gilt nicht nur für diesen jungen Mann, sondern auch für die anderen seinesgleichen. Es ist ganz gut, dass einige von denen inzwischen wieder gegangen sind. Bitter ist lediglich, dass es so schwerfällt, adäquaten Ersatz zu finden. Falls auch dieser junge Mann gehen will, dann wird Ihr Chef Sie sicherlich zu einem Gespräch bitten. Ob er versuchen wird, Ihnen die Schuld zu geben? Das wäre sehr ungerecht, denn Sie haben ihn sich ja schließlich nicht ausgesucht und Sie haben ihn ja auch nur bedingt in seine Aufgaben eingeführt. Zugegeben, besonders intensiv haben Sie sich nicht um ihn oder seine Weiterqualifizierung gekümmert. Aber wie sollten Sie auch! Die Zeit reicht ohnehin kaum für Ihre vielfältigen Aufgaben, und dann sollen Sie noch zusätzlich die Juniorfirmenkundenbetreuer qualifizieren.[43]
Überlegen Sie sich konkret, wie Sie argumentieren wollen, falls Ihr Chef Sie zu einem Gespräch unter vier Augen bittet, falls er sich mit Ihnen und dem jungen Mann gemeinsam zusammensetzen will oder falls er Sie auffordert, mit dem jungen Mann ein Gespräch zu führen!
Der Geschäftsführer G, der offensichtlich Sympathie für Sie hegt, hat Sie vor einem Jahr dem Qualifizierungsprogramm für Juniorfirmenkundenbetreuer zugeordnet und damit dem Abteilungsleiter A unterstellt. Er hat Ihnen die dortigen Aufgaben in schillernden Farben geschildert. Sie sind dann sehr rasch enttäuscht worden. Zum einen erscheint Ihnen der Abteilungsleiter ziemlich autoritär und kaum bereit, Ihnen irgendeinen Freiraum bei der Arbeit einzuräumen. Außerdem hat der Mann ganz offensichtlich Vorurteile gegen junge Leute; entsprechende Bemerkungen lässt er immer wieder fallen. Sie haben sich mit Ihren jüngeren Kollegen darüber auch schon mehrfach unterhalten. Zum anderen kümmert der Vorgesetzte sich kaum um Sie und überlässt Sie fast ganz den „Senioren“. Denen kommt das gerade recht, denn diese nutzen Sie als „Hilfsbremser“ für langweilige und monotone Arbeiten aus. Sie wissen wirklich nicht, was Sie bei einem bloßen Protokollschreiben noch dazulernen können.[44]