Furor - Tilman Rademacher - E-Book

Furor E-Book

Tilman Rademacher

0,0

Beschreibung

Corpus Verbi Konstrukt Wort entziffern zerreden entleiben Ressource Sprache endlich Wir verbluten wenn wir nicht aufhören

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 65

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Tilman Rademacher, Jahrgang 1978

Schauspieler, Filmemacher, Autor

Papier oder krepier!

Peter Handke,

Leben ohne Poesie

Furor poeticus – rauschhafter Zustand des Dichters

„Zustände gesteigerter poetischer Kreativität entsprechen psychophysiologisch dem Zustand einer (Hypo)Manie.“

Sandra Kluwe, Germanistin

Inhaltsverzeichnis

Leg ein Ohr auf diese Seite

Pflichtgedicht

Regalsoldat

Die pandemische Primel

Rette mich

Lippenbekenntnis

Zettel am Kühlschrank

Ceci n‘est pas une pipe

Leg mir einen Stein

Es führt kein Weg zu mir

Mördergrube

Oder. Auch nicht

Bachkrach

Das zweitschönste Gedicht der Welt

Brief und Siegel

Bedürfnislyrik

Lynch!

Furor / Tanz auf dem Vulkan

Abort Wort

Das Ende der Poesie

II

III

Eine neue Sprache

Ein X für ein U

gegen die Leere

Gedichtgedicht

Aushilfsgedicht

Lyriklutscher

Reim und Ramsch

Sturz aus dem Regal

Tausend Zeichen

Äh

Verbloedete Pösie

Unschärrrffe

Pseudopoesie

Ein Wort sagt mehr als keins

Willschwall (Deklamation)

Ein Freund großer Worte

Der Rede Wert

Ein Buchstabe ist auch nur ein Wort

Das nicht ganz richtige Wort im fast falschen Moment

Der gelangweilte Algorithmus

Jetzt

Die Zwei

Dein Film

Du und der Fährmann

Alter Mann

Der Tag, an dem er ihre Hand nahm

Ein fremdelndes Kind

Die Kümmerfrau

Jetzt II

Sachbearbeiter der Seele

Bukowski zu Besuch

Whisky im Ausguss

Jerusalem

Der ganze Trick

Fuhrwerk Gottes

Ich? Wer? Du? Nie!

Aua!

Die Welt ist die Welt

Vom Müssen, vom Wissen und den Küssen

Mach das Licht an

Der Tag

Die Anderen

Gegengebet

Dein Herz auf Reisen

Das Mäuerchen

Träumerchen

Dem unbekannten Leser

Ewige Kerben in Parkbank

Schwindschwund und Fehlfund

Loch im W rt

Dein Herz auf Reisen II

Das letzte Sekündchen

Herzheilung

Hänschen, nicht allein

Das Lied vom sinkenden Seemann

Lieschen liest

Das Lieschen

Leg ein Ohr auf diese Seite

So leise ist das Wort

Du hörst es nicht?

Die Seite hat‘s verinnerlicht

Das Wort steht hier geschrieben

und es spricht

und du hörst es, nicht?

Pflichtgedicht

Richtig oder nicht

ich steh hier, weil ich muss

Wie‘s geht? Wie‘s steht?

Ach, Gottchen, ja

Ich würd mich gern mal setzen

gern nähm ich auch den Bus

Oder ich nähm die Bahn

dann würd ich fahrn

Ich führe mich spazieren

und säh mir Wiesen an

Auf einer stündest vielleicht du

und du tät‘st winken

Doch so steh und wink nur ich

Und du siehst dabei zu

Regalsoldat

Ich bin der Regalsoldat

stehe, warte hier auf dich

Tausendmal gingst du vorüber

doch nun endlich siehst du mich

Nimmst mich raus

siehst in mich rein

Blätterst, liest

denkst ja und nein

Stellst mich wieder zu den andern

Ich muss stehn

Dein Blick muss wandern

Die pandemische Primel

Eine Primel ist eine Primel

ist eine Primel

dünne Plastiktütchen für Gemüse, Obst

ein ziemliches Gefriemel

Eine Primel ist eine Plage

ist ein Prachtgeschwür

Tschüß, Welt

war nett mit dir

Rette mich

Als alle sagten: er ist es nicht wert

hast du ihnen widersprochen

Ich aber habe alles dafür getan

dass sie Recht behielten

Und jetzt stehe ich hier

mit meinem dummen anmaßenden Ego

und frage dich:

Rettest du mich noch einmal?

Legst du noch einmal ein Wort für mich ein?

Nur noch dieses eine Mal

und das Mal danach?

Lippenbekenntnis

Lass die Liebe zu dir

mehr sein als nur

Worte auf Papier

Lass sie niemals enden

Halte mein Seelchen in Händen

wie einen Vogel im Nest

Halt mich fest

und lass mich frei

Lass nach langer Flucht zu mir

mich dich endlich küssen

Lass uns sagen:

wir

Zettel am Kühlschrank

Ich bin weg

und komm nie wieder

Grüß die Tante!

Und sing Lieder!

Im Kühlschrank ist noch etwas Wein

Gib dir zwischendurch die Kante

Gieß die Pflanzen

füttere den Hund

Warum ich geh?

Du findest schon

noch einen Grund

Ceci n‘est pas une pipe

(nach „Der Verrat der Bilder“ von René Magritte)

Dies ist kein Wort

Dies ist eine Pfeife

Du liest nicht

du rauchst Gedanken

Dies sind Tabakkrümel

und keine Buchstaben

Dies ist eine Pfeife

Du Pfeife

(…) damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt;

Psalm 91,12

Leg mir einen Stein

Leg

mir einen Stein

in den Weg

dass ich mich daran

stoßen kann

dass ich weiß, ich bin nicht frei

Damit ich weiß, was Freiheit sei

leg mir eine frisch entwurzelt lose

Leg auf meinen Stein

mir eine Rose

„Ich gehe mich einen Scheiß an.“

Marlene Dietrich

Es führt kein Weg zu mir

(überlanges Lamento)

Aus meiner Mitte ragen heraus

Arme, Hände, Kopf und Fuß

heraus, heraus zu dir

Ich gebe unsichtbare Zeichen

Doch Dach und Wand und Fenster, Tür

bilden noch kein Haus

Die Hinweistafeln sind verdreht

Wegweiser gehn ins Leere

Unleserlich die Schrift und niemand

der mein Alphabet versteht

Und buchstabiert bin ich: Misere

Der Stein und die Markierung fehlen

Ein Steinwurf ist es nur zu mir

ein Stein, geworfen und verfehlt

Mein Leib wie Obst

entkernt, entseelt

Meine Sehnsucht richtet sich

auf dich

Die Kompassnadel ist Spitze eines Pfeils

übers Ziel hinausgeschossen

Geschoss in einem morschen Baum

Und dieser Baum bin ich

Und alle Tinte ist zurückgeflossen

zurück zu Quelle, erstem Traum

Die Nadel zeigt nach süd, süd-ost

ist Menetekel, Zeichen

Es bildet sich der erste Rost

Ich kann dich nicht erreichen

Gebleicht: das Tintenblau des Ozeans

Gedrucktes Schwarz der Nacht: entfärbt

Und hinter meinen Ohren spieln kindesgleich

die vielen Stimmen meines Wahns

Die Zukunft ist enterbt

Der alte Baum: gefällt

Und an den Klippen meiner Brust

ist jedes Herz bislang zerschellt

Wie ein Lotse nicht bei Sinnen

ruf ich aus meinem Brunnen innen

Ich gebe wilde Zeichen

Die Wogen schlagen hoch in mir!

Meine Hand sehnt sich nach dir, nach dir!

Du bist nicht zu erreichen

Ich hab mich auf dem Weg zu dir

in mir, in mir verlaufen

und meine Seele dürstet stark

und droht doch zu ersaufen

Wie ein Lotse steh ich ohne Arme

Und du fliegst über mich hinweg

Ich seh dir nach

steh auf verlor‘nem Posten

Du bist der Süden, mild und reich

ich bin der kalte Osten

Dies ist ein Notsignal

gesendet, da ich wandere

in mir, im finstern Tal

Nicht Brotkrumen, nicht Steinchen

führn mich aus Nacht und Wald

Die Spur zu mir verliert sich

Dein Ruf in meinen Ohren

der mir jedoch nicht galt

Ich steh vor meiner Kammer

behüte das, was innen

Sie singen Lieder von der Liebe

für mich ist es Gejammer

Wie eine Vogelscheuche

verhöhnt von allen Krähen

So stehe ich

Es war umsonst zu säen

Und alle Weisheit dieser Welt

ist nur ein dummer Schwatz

Noch immer stehe ich

bewache streng das leere Grab

Ich, Gollum ohne Schatzzz

Die Tür zu mir ist zu

Ich hab mich ausgesperrt

Ich bin ein Gaul, störrisch, faul

an dem das Leben sinnlos zerrt

Ich bin ein Gaul, der reglos steht

auf einer großen Weide

Das Büschel, frisch mir hingehalten

bleibt unberührt. Die Sehnsucht geht zur Neige

Auf meine Kammer werde gebaut

ein Lagerhaus für unnütze Dinge

Wo bleiben Abrissbirne

Meißel, Hammer?!

Sie singen Lieder von der Liebe…

Schluss mit dem Gesinge!

Reißt sie ab die Kammer!

Holt Sprengstoff, Bagger, Walze!

Ebnet den Hohlraum ein!

Erinnern soll an mich kein Grab

erinnern soll kein Stein

Das Gebot: Du sollst planieren! Betonieren!

Vielleicht geh ich als Wanderer einst über mich flanieren

In Ewigkeit Asphalt

Busse voller Herzen

rolln über mich hinweg

Die Herzen sehen tot hinaus

aus trüben, trüben Fenstern

Ich winke ihnen zu und nach

gleich flüchtigen Gespenstern

Ich steh in Blei gegossen

zu schwer für Freiheit, Flug

Dein Himmel bleibt verschlossen